15.07.2025, Bürgerweide, Bremen:
IRON MAIDEN (+ AVATAR)
IRON MAIDEN sind seit jeher eine meiner Lieblingsbands, aber ihre Konzerte meist teuer und überfüllt. Daher nehme ich bei Weitem nicht jede Tour mit, sondern gehe nur alle Jubeljahre mal hin. Oh, die kommen zum 50. Bandjubiläum nach Bremen, und dann auch noch an meinem Geburtstag?
Shut up and take my money! Mein letzter MAIDEN-Gig lag Jahre zurück; dies war die passende Gelegenheit, den Gönni zu machen und mir was zu gönnen. Die Monate strichen ins Land, Urlaub wurde eingereicht und in meinem Bandkollegen Christian ein Abnehmer für meine vorsorglich gleich mitgekaufte zweite Karte gefunden, denn der hatte die NWOBHM-Veteranen doch tatsächlich noch nie livegesehen. Nach ‘nem halben Tag Arbeit brach ich früh genug gen Bremen auf, um in Ruhe in meinem günstigen, aber ein paar Kilometer entfernten Zimmer einzuchecken (und mich mit dem Bremer ÖPNV vertraut zu machen). Ich hatte beschlossen, über Nacht zu bleiben und den nächsten Tag in Bremen zu verbringen. Christian kam etwas später nach und wir trafen uns am Bahnhof wieder, um noch etwas zu essen und das erste Kioskbierchen zu zischen.
Auf Teile des Drumherums freute ich mich, zum Beispiel den Anblick des sich fest in Hand von MAIDEN-Fans befindenden Bahnhofsviertels und die meist angenehme Atmosphäre innerhalb dieser Klientel zwischen Feierlaune und Vorfreude. Angenehm auch, dass das Gelände dieses Open-Air-Konzert direkt am Bahnhof liegt, man also keine langen Wege hat. Auf anderes freute ich mich hingegen überhaupt nicht, hatte mich aber damit abgefunden und mich darauf eingestellt: Ein mediokrer Veranstaltungsort, der nun mal nichts anderes als ein gepflasterter Platz ist, auf den man eine Bühne gestellt hat; völlig entfesselter Kommerzwahn bei Verpflegung (0,5 Liter Bier 7,- EUR + 3,- EUR Becherpfand – fuck you!) und, wie bei MAIDEN leider üblich, eine weder qualitativ noch musikalisch passende Vorband, die es zu überstehen galt. Daher hatten wir’s auch nicht allzu eilig, das Gelände zu betreten, sondern tranken uns mit Kioskgetränken auf dem Vorplatz warm, wo wir zwei ausländische Musiker beobachten konnten, die Klassiker wie „Angel of Death“ und „Highway to Hell“ über ‘ne kleine portable Anlage zockten.
Irgendwann ging’s dann aber doch rauf aufs Gelände, wo wir zwei von angeblich 35.000 Fans waren. In diesem Getümmel bekannte Gesichter zu finden, war reine Glückssache, funktionierte in zumindest einem Fall aber doch (Hallo Sascha!). Ok, also erst mal AVATAR, „Alternative Metal“ oder so aus Schweden. Boah, nee. Belanglose Musik und ein als Mischung aus Marilyn Manson und Alice Cooper verkleideter Sänger, der das Publikum zu animieren und – warum auch immer – zwischen den Songs mit Kopfstimme zu kreischen versuchte, obwohl er’s gar nicht konnte. Und obwohl der Wetterbericht einen trockenen Abend in Aussicht gestellt hatte, kamen dem Wettergott angesichts dieser Performance die Tränen. Zum Glück waren die Bierstände überdacht.
Kaum waren AVATAR mit ihrem Set durch, klarte der Himmel für England’s Finest wieder auf. Diese hatten sich für die Tour ein Best-Of-Set zurechtgelegt, das ausschließlich zwischen 1980 und 1992 veröffentlichtes Material enthielt – Songs aus der erweiterten klassischen Phase also.
Deep Cuts brauchte man nicht zu erwarten, allerdings auch keine Durststrecken. Kurzum: Mit einem solchen Set kann man nicht viel falsch machen. Wir positionierten uns ungefähr am Ende des ersten Drittels schräg zur Bühne, von wo aus Bierstand und Klos in akzeptabler Reichweite waren, man aber trotzdem ‘nen passablen Blick auf die Bühne hatte. Und ziemlich pünktlich gegen zehn vor neun erklang dann auch wie üblich UFOs „Doctor Doctor“ aus der Konserve, ein wichtiger Bestandteil des MAIDEN-Live-Ritus. Und eine Band dieser Größenordnung kann sich gleich zwei Intros leisten, also noch „The Ides of March“ hinterher, bereits versehen mit einer wirklich geil gemachten Computeranimation, die durch die Stationen früher Artworks und Texte führte – und mit Erscheinen der Band auf der Bühne in den ersten Livesong „Murders in the Rue Morgue“ überging. Der Sound war zunächst nicht das Gelbe vom Ei, noch recht matschig und Bruce viel zu leise. Finde ich immer schade, so was, ist aber leider alles andere als unüblich. Es folgten gleich drei weitere Songs aus der frühen Phase mit dem leider kürzlich verstorbenen Ex-Sänger Paul Di’Anno und der/die Mischer(in) bekam den Sound in den Griff, nur Bruce blieb enttäuschend leise. Auch dies änderte sich aber bald – möglicherweise noch während „Phantom of the Opera“, wenngleich ich ihn gern noch lauter gehört hätte, zumal er sowohl körperlich als auch stimmlich topfit wirkte und es die reinste Freude war, ihm zuzusehen und zuzuhören.
Sicher, das Zusehen gelingt ab einem gewissen Abstand zur Bühne nicht ohne Weiteres, erfreulicherweise verstand die für die Videoscreens links und rechts der Bühne zuständige Regie ihr Handwerk aber formidabel: Solierende Gitarristen wurden ebenso stets eingefangen wie Bruce‘ Posen und seine verschiedenen Kostüme. Zu jedem Song wurde der Bühnenhintergrund in passende digitale, zum Teil animierte
Backdrops gehüllt, echte Pyros kamen wohldosiert zum Einsatz. Auf „The Number of the Beast“ folgte „The Clairvoyant“, auf „Powerslave” „2 Minutes to Midnight”. Mit „Rime of the Ancient Mariner” spielte man den wohl beeindruckendsten Longtrack der klassischen Phase, vollständig inklusive der beunruhigenden Geräusch-Samples aus der Konserve. „Run to the Hills“ ist aufgrund der Tonlage echt schwierig mitzusingen, was mich natürlich nicht davon abhielt, ganz gleich, wie krumm und schief es klang – was raus muss, muss raus! Überraschend gab’s mit „Seventh Son of a Seventh Son“ einen zweiten Longtrack, der, wenngleich von einem meiner Lieblingsalben stammend, live aufgrund seiner Keyboard-lastigen Parts etwas verlor – schlicht deshalb, weil kein Keyboarder auf der Bühne zu sehen war. So hätte ich mir stattdessen lieber drei andere Songs des Albums gewünscht, z.B. „Can I Play With Madness“, „The Evil That Men Do“ oder „Infinite Dreams“.
Sei’s drum, mit dem nach wie vor hochgradig beeindruckenden „Hallowed Be Thy Name”, „The Trooper“ (etwas irritierend: Bruce u.a. mit Deutschlandfahne wedelnd) und dem das reguläre Set beschließenden „Iron Maiden“ reihte sich Hit an Hit, bevor „Churchill's Speech“ den Zugabenteil mit – natürlich – „Aces High“, „Fear of the Dark“ (Bruce als Nachtwächter) und dem großartigen AOR-Singalong-im-Sci-Fi-Metal-Gewand-Kracher „Wasted Years“ einleitete. Dann war Feierabend. Maskottchen Eddie war nicht nur im Artwork allgegenwärtig, sondern auch in unterschiedlichen Inkarnationen überlebensgroß über die Bühne gestampft und hatte Saures bekommen, was nach wie vor seinen herrlich trashigen Charme hat. Auf „The Loneliness of the Long Distance Runner” wird man aber wohl zeitlebens verzichten müssen und angesichts der vielen derzeit tobenden Kriege hätte ich „Afraid to Shoot Strangers“ als angebracht empfunden. Als einziges Album der genannten Phase wurde „No Prayer for the Dying“ komplett ausgespart, und dass „Revelations“ nicht gespielt wurde, war vielleicht ganz gut, denn dann hätte ich wohl weinen müssen. Das sind angesichts dieses bockstarken Sets aber Luxusprobleme. Nicht nur Bruce wirkte topfit, die ganze sechsköpfige Band mit ihren drei Gitarren war’s und Simon Dawson, der nach über 40 Jahren Nicko McBrain am Schlagzeug beerbte, gab sich ebenfalls keine Blöße. Einziger Wermutstropfen: Sein reduzierteres Schlagzeug sieht bei Weitem nicht so beeindruckend aus wie Nickos. Als mitten im Set die Dämmerung einsetzte, war auch die Atmosphäre perfekt, das Wetter blieb zudem trocken und der Großteil des Publikums hielt sich an die Bitte der Band, nicht ständig die Smartphones in die Höhe zu reißen und permanent zu filmen oder zu fotografieren. Das tat auch ich, weshalb ich nur wenige Schnappschüsse angefertigt und mich darüber hinaus im Netz bedient habe. Die Credits habe ich jeweils genannt; wer mit der Verwendung hier nicht einverstanden ist, braucht mich nur kurz anzuschreiben, dann entferne ich sie wieder.
Nach einem Absacker am Kiosk verabschiedete ich Christian, der das Glück hatte, dass seine eigentlich verpasste letzte Bahn kräftig verspätet war, und begab mich zu meiner Unterkunft. Den nächsten Tag stromerte ich noch durch Platten- und Comicladen, war dann aber auch einigermaßen matt und froh, am frühen Nachmittag nach Hause fahren zu können.
Damals wie heute: UP THE IRONS!
Reich bebildert auch hier:
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