bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Der Blob
Das amerikanische Militär hat einen biologischen Kampfstoff entwickelt, der sich auf einem Satelliten in der Erdumlaufbahn befindet. Der Satellit verläßt jedoch den Orbit und landet nahe einer amerikanischen Kleinstadt. Der durch Strahlung mutierte und nun äußerst lebendige Kampfstoff fällt in Gestalt einer gallertartigen Masse über die Einwohner her und wächst fortan mit erschreckender Geschwindigkeit zu schließlich gigantischer Größe an. Der junge Außenseiter Brian entdeckt durch Zufall, dass sich die tödliche Masse mit Kälte bekämpfen läßt...
„Bei dieser Geschwindigkeit wird es nächste Woche keine USA mehr geben!“

30 Jahre, nachdem US-Regisseur Irvin S. Yeaworth Jr. erstmals den fiesen Wackelpudding auf das Publikum losgelassen hatte, erschien im Jahre 1988 ein zeitgemäßes Remake des Science-Fiction-Horror-Kultklassikers unter der Regie des US-Amerikaners Chuck Russell, der damit nach dem wunderbaren „A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors“ seine zweite Regiearbeit ablieferte. Das Drehbuch entwickelte Russell zusammen mit niemand Geringerem als Frank Darabont, der später mit „The Green Mile“ und „Die Verurteilten“ zwei gefeierte, hochqualitative Stephen-King-Verfilmungen drehte.

Ein Meteorit stürzt ins Waldgebiet an einer US-amerikanischen Kleinstadt. Ein Tippelbruder findet ihn und wird von dessen Inhalt, einer gallertartigen Substanz befallen, die sich über seinen Arm zieht. Kleinstadt-Outlaw und Prügelknabe Brian Flagg (Kevin Dillon, „Platoon“) findet den Mann und muss mit ansehen, wie er unter Schmerzen vors Auto eines Mitschülers und Football-Cracks, der gerade ein Date mit einer Mitschülerin, der Cheerleaderin Meg Penny (Shawnee Smith, bekannt als Amanda aus der „Saw“-Reihe), hat, läuft. Mr. Hübsch & Sportlich verdächtigt sofort Brian, mit der Sache etwas zu tun haben, doch man rauft sich kurzzeitig zusammen und bringt gemeinsam den alten Mann zum Arzt. Dort frisst die klebrige Masse den Mann mittlerweile fast komplett auf und wächst und gedeiht. Auch andere müssen dran glauben, doch die örtliche Polizei hat nichts Besseres zu tun, als Brian ausgiebig zu verhören, dem sie natürlich keinerlei Glauben schenkt. Derweil dezimiert der „Blob“ die Einwohnerzahl der Kleinstadt weiter. Wer kann ihn aufhalten? Und vor allem: Wie?

Die 1980er waren zweifelsohne das Jahrzehnt des spezialeffektträchtigen US-Horrors und in exakt jenem Gewand präsentiert sich der „neue“ Blob. Russell und sein Team machten aus Yeaworth Jr.s Geschichte eine prachtvolle SFX-Orgie mit erhöhtem Splatteranteil, die sich gewaschen hat. Die Rolle des missverstandenen jugendlichen Außenseiters und Rebellen, im Original gespielt vom kaum rebellischen und schon gar nicht jugendlichen Steve McQueen, wurde Kevin Dillon zuteil, ausgestattet mit herrlicher ’80er-Matte, markanter Schnauze, Motorrad und Lederjacke. Andere echte, wenn auch keinesfalls verwegene Charakterfressen in Form des Priesters, des Apothekers und des Deputys gesellen sich in der Darstellerriege dazu, ihr Kontrast sind die konturlosen Durchschnitts- und Musterschüler, die dementsprechend – mit einer weiblichen Ausnahme – schnell zum Puddingfutter werden. Schon der temporeiche Beginn des Films geizt nicht mit blutigen Ekelszenen; diese werden jedoch noch von stark humoristischen, komödiantischen Momenten begleitet – welche im Verlauf der weiteren Handlung indes immer mehr zurückgedrängt bzw. durch kruden, makabren schwarzen Humor ersetzt werden. Teil desselben ist der Schnitt, der ähnlich wie es z.B. Scott Spiegel in „Night of the Intruder“ durchexerzierte, amüsante Übergänge zwischen einzelnen Szenen schafft.

Russells „Der Blob“ bringt eine ganze Reihe eigener Ideen mit, hält sich in Bezug auf Schlüsselmomente aber recht eng ans Original. So wurde der beschriebene Beginn beinahe 1:1 übernommen, dringt der Organismus auch hier kurz in einen kalten Raum ein, um direkt darauf Reißaus zu nehmen und wütet zum Entsetzen der Zuschauer im Kino (wo gerade eine „Freitag, der 13.“-Parodie zwischen Hommage und Verarsche läuft). Neu hingegen ist, dass er auch mit tentakeligen Auswüchsen, äh... „arbeitet“ und sich gemeinerweise sogar in seine Opfer hineinfressen kann, ohne dass man es ihnen äußerlich ansehen würde – was einem notgeilen Footballer in einer herrlichen Szene zum Verhängnis wird. Grotesk-faszinierend auch, dass sich im Inneren des Blobs noch nicht verdaute Opfer abzeichnen, besonders eindrucksvoll in der an Hitchcocks „Die Vögel“ erinnernden Telefonzellenszene zu beobachten. Neu ist auch, wie gnadenlos und konsequent hier Sympathieträger vom Blob absorbiert werden, selbst vor Kindern wird nicht Halt gemacht. Ja, lustiges Familienkino sieht anders aus – trotz des Humoranteils wird der König der Schwabbelmonster nicht ins Lächerliche gezogen. Sicherlich, manch Todesszene wirkt doch arg selbstzweck- und episodenhaft, fast schon losgelöst vom Rest der Handlung, doch das war im Original nicht unbedingt anders.

Die sich entwickelnde Außenseiterromanze zwischen Fast-Rocker Brian und der nach dem Verlust ihres Umgarners wieder freien Cheerleaderin Meg, einem ungleichen Paar also, das sich im Laufe der Zeit durch die Extremsituation bedingt einander annähert, bietet Raum für das Aus-der-Welt-Schaffen von Missverständnissen und Vorurteilen und watscht die Oberflächlichkeit junger Menschen ab – wobei manch Zuschauer sicherlich die ergreifendsten Kuschelrock-Powerballaden des Jahrzehnts im Ohr erklingen. Hach... Darüber hinaus übt „Der Blob“ deutlich Kritik am wenig sozialen und ganz und gar nicht solidarischen US-amerikanischen Krankenversicherungswesen, an der Polizei (der Deputy ist ein im Grunde genommen lächerlicher, speichelleckender Vollarsch) und dem Militär, denn – Achtung, Spoiler! – im Gegensatz zum Original ist die Kreatur hier nicht wirklich außerirdischer Herkunft... Jenes Original war aber auch schon ein bisschen „...denn sie wissen nicht, was sie tun“, und diese Linie wird von Russell/Darabont konsequent um- und fortgesetzt. Sie setzen sogar noch einen drauf und lassen auch Kirchenvertreter alles andere als gut aussehen; der ach so fromme Pastor – Achtung, Spoiler! – verspürt im wunderbar makabren Epilog große Lust, selbst die Apokalypse einzuleiten.

Tatsächlich bekommt man soviel geboten, dass es zu keiner Sekunde langatmig wird, im Gegenteil: Russell gelang exakt die zeitgenössische Monstersause, die er kreieren musste, um aufzufallen und gegenüber der Konkurrenz zu bestehen. Neben dem Glibber-Schmelz-Schmodder-Splatter setzte er zusätzlich auf Schießereien, Explosionen und Stunts als optische Schauwerte. Das die Stadt in Quarantäne versetzende Militärsonderkommando hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass jemand ihren Deportierungen entkommt, wie man deutlich an den anscheinend unzureichend trainierten Schießkünsten der Soldaten merkt. Letztlich wird dem oft gedemütigten und missverstandenen Brian die Aufgabe zuteil, die Stadt zu retten und dadurch den entscheidenden Wendepunkt seiner Existenz zu erreichen. Es steht mehr auf dem Spiel als die schnöde Stadt, was der offenbar actionerprobte Kevin Dillon mit seiner schauspielerischen Leistung sehr annehmbar unter Beweis stellt. Leider gelang es nicht, die Klaustrophobie im Finale des Films ähnlich spürbar zu machen wie Yeaworth Jr. 1958, da sich Russell ausschließlich auf seinen Hauptdarsteller konzentriert, der quasi als einziger Stadtbewohner noch im Freien agiert.

Dieses kleine Manko soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Der Blob“ ein fabulöses Vergnügen für Genrefreunde und solche, die es werden wollen, darstellt und zu den gelungensten Remakes zählt. Mit seiner Orientierung am Original einerseits, aber vielen originellen Ideen und einer über ein entsprechendes Budget verfügenden Spezialeffekteinheit an der Hand andererseits sowie der Fortführung des sozialdramatischen Aspekts der Geschichte beschritt man einen Mittelweg, der es tatsächlich einmal den meisten recht gemacht haben und für zufriedene Gesichter gesorgt haben dürfte, wenn mit dem Abspann der breitbeinige typisch ’80er-Arena-/AOR-Hardrocker „Brave New Love“ der Gruppe „Alien“ ertönt. Regisseur Chuck Russell jedenfalls war auf dem Höhepunkt seines Schaffens, bevor er in den 1990ern mit der schnell nervenden Fantasykomödie „Die Maske“ mit Jim Carrey polarisierte, mit „Eraser“ mit Arnold Schwarzenegger ins Actionfach wechselte und anschließend mit der Gurke „Die Prophezeiung“ mit Kim Basinger sowie „The Scorpion King“ mit Wrestler Dwayne „The Rock“ Johnson in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Regisseure kommen und gehen nun mal, aber der Blob wird immer eines meiner Lieblingsmonster bleiben!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Paranormal Activity 4
Ganze fünf Jahre, nachdem Katie ihren Freund Micah, ihre Schwester Krisit und deren Ehemann Daniel getötet und deren Baby Hunter gestohlen hat, der nunmehr Robbie genannt wird, geschehen wieder merkwürdige, unerklärbare Dinge. Leidtragende sind Alice und ihre Mutter, die sich nicht erklären können, warum nächtlich der Schrecken Einzug hält, seitdem die junge Katie und deren Sohn Robbie als Nachbarn eingezogen sind...
Ein Jahr nach dem zweiten Prequel des 2007er Überraschungserfolgs in Sachen US-No-Budget-„Found Footage“-Horror „Paranormal Activity“ schiebt das Regieteam von Teil 3, Henry Joost und Ariel Schumann, die erste echte Fortsetzung hinterher, ohne dabei das Subgenre-Sujet zu verlassen.

Fünf Jahre nach den tödlichen Ereignissen aus „Paranormal Activity“ taucht Katie (Katie Featherston) zusammen mit einem kleinen Jungen namens Robbie in der Nachbarschaft einer Familie mit zwei Kindern – Wyatt, ein Junge in Robbies Alter, und die pubertierende Teenagerin Alex (Kathryn Newton, TV-Serien-Sternchen aus „Garry Unmarried“) – auf und je öfter der kleine Robbie zum Spielen und Schlafen herüberkommt, desto häufiger kommt es zu unheimlichen Phänomenen, die sich schließlich zu einer handfesten Bedrohung entwickeln.

„Paranormal Activity 4“ (in Worten: VIER!) – manch einer stöhnte da entnervt auf und konnte es nicht fassen, wie sehr das Original mittlerweile kommerziell ausgeschlachtet wird. Nach den bahnbrechenden Erfolgen der vorausgegangen Teile jedoch kein Wunder und nachdem ich von Teil 3 doch positiv überrascht war, ging ich vorbehaltlos, jedoch auch ohne große Erwartungen an diese erste wirkliche Fortsetzung heran. Man konstruierte die Geschichte nun also um ein zeitgemäß-technomanisches, ständig mittels Webcam und Notebook per Videochat mit seinem Freund verbundenes, zugegebenermaßen bildhübsches und niedliches Mädchen herum, die nach den ersten unerklärlichen Begebenheiten flugs heimlich Überwachungskameras im ganzen Haus installiert. Was darauf folgt ist jedoch leicht enttäuschend: Einige gut, weil effektiv gemachte „Falscher Alarm“-Schreckmomente können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man in erster Linie Aufgewärmtes aus den vorausgegangen Teilen aufgetischt bekommt: Unheimliche, durchs Bild huschende Schatten, gruselige Kinder, unsichtbare Freunde, sich von Geisterhand bewegende Einrichtungsgegenstände etc. in Authentizität suggerierenden Heimkamerabildern. Zwar verleihen die aufgeweckten Teenager dem Treiben etwas an Dynamik, wodurch es weit weniger langweilig wirkt als der überaus durchschnittliche zweite Teil, und auch ein angenehmes Maß an Wortwitz hat Einzug in die Dialoge gehalten, aber nach einiger Zeit geht dem Film doch deutlich die Luft oder vielmehr das Ideenreichtum, oder noch besser: das Pulver aus. Ärgerlich ist auch, dass der Realismus ein wenig unter schwer nachvollziehbaren, weil überaus ignoranten Reaktionen der Eltern leidet, vor allem aber von bombastischen Soundeffekten, die sich in dieser Form selbstverständlich nicht auf den Heimvideoaufzeichnungen befunden haben können, ad absurdum geführt wird.

Die Erweiterung der Aufnahmegerätschaften um die Bewegungssensorkamera (wie auch immer man solch ein Teil korrekt bezeichnet) einer Spielkonsole ist nun wahrlich keine herausragende Innovation, zumal der gesamte Ablauf doch sehr unter seiner Vorhersehbarkeit leidet. Man fühlt sich häufig an andere Filme erinnert, und zwar nicht nur die des eigenen Franchises. Diverse Haunted-House-Filme gehen einem durch den Kopf, ebenso Filme wie „Poltergeist“ oder „Shining“. Was davon bewusst als Hommage in den Film fand und was davon unbeabsichtigt geschah, vermag ich nicht zu beurteilen. Es ist jedenfalls bezeichnend für diesen Film, dem es nicht mehr gelingt, sein Publikum in permanente Anspannung zu versetzen und stattdessen lediglich über die frische, aufgeweckte Hauptdarstellerin und seine Grusel-Wiedererkennungseffekte funktioniert. Das lädt Genrefreunde, die es gern auch mal weniger anspruchsvoll vertragen, zum Zurücklehnen und Genießen ein – zumindest bis zu dem Punkt, an dem auch der größte Freund getragener Suspense sich herbeiwünscht, dass „Paranormal Activity 4“ doch bitte nicht weiter auf der Stelle treten und vorankommen möge. Glücklicherweise kredenzt man dann tatsächlich ein geheimnisvolles, gruseliges Finale mit einem überraschenden Ende, das jedoch leider (ja, nach vier Teilen wirklich leider) viele Fragen offen lässt und neue aufwirft. Unverständlich ist mir in diesem Zusammenhang auch, weshalb man angesichts offensichtlich nicht übermäßig vieler Ideen die Thematik der Adoption Wyatts nur nebenbei und fast schon überseh- bzw. überhörbar abhandelt, schließlich hätte sie Spannungspotential geboten.

Nach dem vielversprechenden dritten Teil ist „Paranormal Activity“ trotz Fortsetzungscharakter ein Schritt zurück und läuft Gefahr, ähnlich ermüdend zu wirken wie Teil 2, rettet sich jedoch mit einigen soliden technischen/handwerklichen Fertigkeiten und dem Film Leben einhauchenden Darstellern über die Spielzeit. Für einen weitestgehend überraschungsfreien, aber nicht unangenehmen (Heim-)Kinoabend für Freunde der Reihe sicherlich nicht ungeeignet und ich wurde in der Tat schon weitaus schlechter unterhalten, weshalb ich ihn wohlwollend gerade noch so als leicht überdurchschnittlichen „Found Footage“-Beitrag einstufe - jedoch nicht ohne das Bewusstsein darüber, dass sich das Subgenre mit originalitätslosen Werken wie diesem sicherlich alsbald totlaufen dürfte – trotz der momentan noch bestehenden riesigen Spanne zwischen Produktionskosten und Einspielergebnissen.
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The Cabin in the Woods
Fünf junge Collegekids machen sich mit einem Camper auf den Weg in eine Waldhütte. Mit dabei sind die attraktive Jules (Anna Hutchison), ihr Sportlerfreund Curt (Chris Hemsworth), dessen farbiger Kumpel Holden (Jesse Williams), der nette Kiffer Marty (Fran Kranz) und die niedliche Dana (Kristen Connolly). Aufzeichnungen aus einem Tagebuch deuten schon an, daß es vor Ort nicht eben heiter vor sich geht und was bleibt fünf Teens im Wald schon anders übrig, als einen furchtbaren und grausamen Tod in den Händen von Zombies zu finden. Aber vielleicht ist ja diesmal nicht alles genau so, wie man es in- und auswändig kennt. Vielleicht werden diesmal die Erwartungen auf den Kopf gestellt. Und was aber haben Richard (Bradley Whitford) und Steve (Richard Jenkins) eigentlich mit diesem unheilvollen Trip zu schaffen, von dem sie offenbar mehr wissen, als es normal möglich für sie wäre...
Die Horrorfilm-Parodie „The Cabin in the Woods“ wurde bereits 2009 fertiggestellt, gelangte aber erst zwei Jahre später in die US-Kinos; nach Deutschland schaffte sie es gar erst im September 2012. Seitdem ist sie bei Genre-Fans jedoch in aller Munde, diese Kollaboration der Herren Drew Goddard und Joss Whedon, die gemeinsam das Drehbuch verfassten. Goddard übernahm als Debütant die Regie, Whedon produzierte den Streifen. Zuvor sind beide in Erscheinung getreten als „Cloverfield“-Autoren, Whedon ist zudem der Kopf hinter Serien wie „Buffy – Im Bann der Dämonen“, „Angel – Jäger der Finsternis“ sowie Autor von „Alien – Die Wiedergeburt“, „The Avengers“ und diversen Comics.

Die fünf College-Schüler Jules (die Attraktive; Anni Hutchison, „Power Rangers Jungle Fury“), Curt (der Sportler; Chris Hemsworth, „Thor“), Holden (der dunkelhäutige nette Intelligente; Jesse Williams, „Grey’s Anatomy“), Marty (der Kiffer; Fran Kranz, „The Village – Das Dorf“) und Dana (die frisch Getrennte; Kristen Connolly, „The Bay“) begeben sich auf einen Ferientrip zu einer abgelegenen Waldhütte. Bei einer Tankrast prophezeit der wenig vertrauenserweckende Tankwart den fünf Freunden bereits ein baldiges Ableben, doch unbeirrt setzen sie ihre Reise fort. Am Ziel angekommen finden sie geheimnisvolle Tagebucheinträge und andere mysteriöse Devotionalien. Unwissentlich „aktivieren“ sie durch ihr Stöbern fiese Zombies, die fortan hinter den Campern her sind. Doch wer zieht wirklich die Fäden in diesem makabren Spiel?

Ich kann mich der Meinung der Vielen nur anschließen, die mahnen, „The Cabin in the Woods“ mache am meisten Spaß, wenn man am wenigsten über ihn weiß. Deshalb sollten diejenigen, die den Film noch nicht kennen, auch ab dieser Stelle am besten gar nicht weiterlesen. „The Cabin in the Woods“ beginnt wie eine keinerlei Klischee auslassende Mixtur aus „Tanz der Teufel“, „Freitag, der 13.“ und Konsorten; rätselhafte Aktivitäten in einer geheimen computerisierten Schaltzentrale, die mit den Erlebnissen der jungen Menschen in Zusammenhang zu stehen scheinen, irritieren jedoch die Stereotypie. Ähnlich eines Sportereignisses schließen die Mitarbeiter Wetten auf den weiteren Verlauf der sich unter ihrer ständigen Beobachtung befindenden Jugendlichen im Kampf gegen alle Widrigkeiten ab – und es ist Richard (Bradley Whitford, „An American Crime“) und Steve (Richard Jenkins, „Let Me In“) sogar möglich, von dort aus Einfluss auf den Ablauf zu nehmen. So werden z.B. von den Urlaubern unbemerkt Gase ins Haus geleitet, die ihren Geist vernebeln und rational nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen treffen lassen, wie das sich Trennen in einer Gefahrensituation...

Somit entpuppt sich „The Cabin in the Woods“ als trotz bzw. gerade wegen des klischeehaften Beginns originelle Genre-Karikatur, als zynische, böse Satire voll schwarzen Humors und der damit einhergehenden auch grafischen Härte einerseits sowie einer intelligenten Auseinandersetzung mit Genre-Charakteristika/-Versatzstücken und der Zuschauer-Erwartungshaltung andererseits. Gleichzeitig ist der Film zeitgemäßes Zitatekino, das nicht bei den bereits erwähnten Titeln Halt macht und jeden Genrenerd das Höschen feucht werden lassen dürfte – spätestens dann, wenn es im Finale zum absoluten Monster- und Kreaturen-Overkill (inkl. Einhorn und Meerjungfraumann Wassermann!) kommt und x Jahrzehnte Horrorfilmgeschichte am Zuschauer vorüberziehen. Im Laufe der Handlung erfährt man erst nach und nach, was der wahre Hintergrund der Aktivitäten in der Schaltzentrale ist, was die Spannung aufrecht erhält: Da müssen uralte Götter durch ritualisierte Opfergaben befriedigt werden, damit die Menschheit fortbestehen kann. Anfänglich vermisste ich noch ein paar nähere Informationen zu den alten Göttern – bis mir bewusst wurde, dass der Zuschauer, also ich, damit gemeint bin, der genau diese Rituale immer wieder einfordert, nur minimale Abweichungen akzeptiert und damit den Plagiats-, Sequel- und Prequel-Wahn der Filmindustrie nährt. Dies ist jedoch der Punkt, an dem sich die Katze in den Schwanz beißt. So versinnbildlicht die unheimliche Vielzahl an Ungeheuern, die dieser Film auffährt, eine unheimliche Stilvielfalt und kreative Entwicklung, die das Genre aufzubieten hat. So augenzwinkernd, wie dieser Aspekt transportiert wird, sollte man ihn indes sicherlich nicht allzu ernst nehmen, sondern sich stattdessen am Einsatz offensichtlich eigens für „The Cabin in the Woods“ zusätzlich erdachter Kreaturen erfreuen.

Jenes Spektakel allerdings setzt im Vergleich zur wunderbar handgearbeiteten ersten Stunde des Films verstärkt auf CGI, wodurch die Plastizität verloren geht. Ansonsten bietet dieses gut gespielte Genrefest spannende und amüsante Unterhaltung, die sowohl Genrekenner als auch -neulinge erfreuen dürfte, denn die Erfahrung des Drehbuch-Teams hat trotz des intelligenten und leicht verschachtelten Konzepts dafür Sorge getragen, dass das Massenpublikum nicht aus den Augen verloren wird. Dass dieser Film das Genre verändern wird und/oder einen wichtigen Scheidepunkt darstellt, wie vereinzelt zu lesen war, wage ich jedoch zu bezweifeln. Eher könnte ich mir vorstellen, dass er die Plagiatoren, die er aufs Korn nimmt, zu zweifelhaftem, pseudolustigem Zitatekino animiert und dem Publikum Lust macht auf eben jenes zitierte Ritualkino, von dem man spätestens jetzt weiß, was man an ihm hat. So neu ist „The Cabin in the Woods“ nämlich nun auch wieder nicht; vom Ansatz her ähnlich war bereits die „Scream“-Reihe, die ihrerseits parodistische Vorbilder in den 1980ern hatte, sich wohlgemerkt aber weitestgehend auf das Slasher-Subgenre beschränkt.
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Die Maske des Dimitrios
Istanbul im Jahr 1938: Der Mörder und Spion Dimitrios Markropoulos ist tot. Vom Supergangster fasziniert, will der holländische Mystery-Autor Cornelius Leyden die dunkle Vergangenheit des geheimnisvollen Verbrechers erforschen, in dem er ein Buch über ihn schreibt. Seine Recherchen offenbaren ihm die Abgründe der verbrecherischen Taten und bescheren ihm unangenehme Bekannte...
„Wer der Mörder war, werden wir nie erfahren. Aber wer immer es war, er tat uns einen Gefallen.“

„Die Maske des Dimitrios“ ist ein US-Film-noir aus dem Jahre 1944 des gebürtigen Rumänen Jean Negulesco („Wie angelt man sich einen Millionär“, „Der Untergang der Titanic“), der auf dem gleichnamigen Roman von Eric Ambler basiert.

Ende der 1930er Jahre wird bei Istanbul eine männliche Leiche angespült. Laut den Papieren des Toten handelt es sich um den international gesuchten Schwerverbrecher Dimitrios Makropoulos (Zachary Scott, „Blondes Gift“). Colonel Haki (Kurt Katch, „Die jungen Löwen“) unterrichtet den holländischen Schriftsteller Cornelius Leyden (Peter Lorre, „Ruhe sanft GmbH“) von Makropoulos’ Untaten, woraufhin dieser die Leiche sehen will. Er beschließt, einen Roman über das Leben des Mannes zu verfassen und saugt begierig jede Information auf, die er über Dimitrios bekommen kann. Er erfährt von Haki, dass Dimitrios bereits 1922 bei einem Raubüberfall einen Mann tötete, woraufhin ein Unschuldiger für dessen Tat büßen musste, und dass er zuletzt für einen Schmugglerring in Paris tätig war. Doch Leyden will mehr erfahren und reist in Dimitrios’ griechische Heimat, wo er eine ehemalige Geliebte Dimitrios’ trifft und von einem gescheiterten Attentat erfährt. Während seiner Recherchen trifft er auf den undurchsichtigen Mr. Peters (Sydney Greenstreet, „Casablanca“) und nach anfänglichem Misstrauen beschließt man, gemeinsame Sache zu machen und dem Schicksal Dimitrios’ noch tiefer auf den Grund zu gehen...

Der auf seine Art unheimlich sympathisch und knuffig wirkende Peter Lorre führt als Hauptdarsteller durch diesen Kriminalfilm, der stilistisch ein wenig an Orson Welles’ „Citizen Kane“ erinnert – (vermeintlich) posthum wird das Leben eines Mannes aufgerollt und in Form von Rückblenden dem Zuschauer nahe gebracht. Aus der retrospektiven Erzählweise ergibt sich eine starke Dialoglastigkeit, die jedoch über weite Teile durch tolle Schauspieler vom alten Schlage zum Genuss wird, ab dem zweiten Drittel jedoch bisweilen auch etwas langatmig geriet. Dafür ist die Beziehung zwischen Lorre und Mr. Peters köstlich und sorgt für ein wenig Humor in einem ansonsten von menschlicher Skrupellosigkeit bestimmten Film, der anhand Dimitrios’ aufzeigt, zu welch perfiden Methoden ein Mensch zum Zwecke der eigenen Bereicherung fähig sein kann. In schöner Schwarzweiß-Photographie gibt sich der Film mit seinen unterschiedlichen Drehorten weltbürgerlich und räumt allen Charakteren genügend Raum zur Entfaltung ein, betont das Individuum. In Sofia erreicht der akustische Aspekt seinen Höhepunkt, wenn im Hintergrund das passende, stimmig-melancholische Stück „Perfidia“ gespielt wird.

Das nicht unbedingt überraschende Finale verwickelt unsere Protagonisten in einen Überlebenskampf, der seine Opfer fordert. Die Aussage des Films bringt das abschließende Zitat auf den Punkt, das diesen sorgfältig inszenierten und unterhaltsamen Noir-Krimi, der in erster Linie von Lorres verletzlich wirkendem Auftreten lebt, unterstreicht: „Sie sehen: Es gibt zu wenig Nächstenliebe auf dieser Welt!“
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Erinnerungen an die Zukunft
Sind Monumentalbauten aus der frühgeschichte der Menschheit Zeugen von Außerirdischen, die schon vor tausenden von Jahren die Erde besuchten? Dieser Dokumentarfilm nach den Aufsehen erregenden Bestsellern von Erich von Däniken stellt gewagte Thesen auf... (Jan-Eric Loebe)
„Noch in diesem Jahrhundert werden Menschen auf dem Mars landen!“

„Erinnerungen an die Zukunft“ – der Film zum Buch. Der Schweizer Erich von Däniken, der wohl bekannteste Vertreter prä-astronautischer Theorien, veröffentlichte im Jahre 1968 sein Buch „Erinnerungen an die Zukunft“, das ein unerwarteter Kassenschlager wurde und der Prä-Astronautik zu einem starken Popularitätsschub verhalf. Darin stellte er die Thesen auf, dass in grauer Vorzeit außerirdische Intelligenzen die Erde besuchten und erklärt damit in alten Schriften wie z.B. der Bibel beschriebene Gotteserscheinungen, Höhlenmalereien, Fresken und andere Zeichnungen sowie bis zum damaligen Zeitpunkt bzw. bis heute nicht hinreichend erklärte Bauwerke wie ägyptische Pyramiden, Azteken- und Mayabauten, die Steinmonumente der Osterinsel, Stonehenge etc. Nach von Däniken bzw. der Prä-Astronautik hätten außerirdische Besucher den Menschen geholfen und sie zivilisatorisch beeinflusst. Im Jahre 1970 erschien die unter der Regie des Deutschen Harald Reinl („Winnetou“) entstandene gleichnamige Verfilmung, die 1971 gar für den Oscar für den besten Dokumentarfilm nominiert wurde.

Man kann von von Dänikens Arbeit, von seinen Thesen und von der Vermarktung selbiger halten, was man will. Ebenso kann man dies von sämtlichen Religionen, die eigenartigerweise noch immer auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen, ja sogar staatlich gefördert und an ganz normalen Schulen unterrichtet werden. Von Däniken polarisiert seit jeher, das ist Fakt. Da er aber kein Scharlatan ist, der sich als Sektenguru aufspielt und mit der Angst vor Tod und Weltuntergang Kohle zu scheffeln versucht, indem er beispielsweise Jünger um sich scharen würde, denen er Absolution und Rettung durch die Außerirdischen verspräche, sehe ich – wohlgemerkt ohne jemals etwas von ihm gelesen zu haben – die ganze Sache sehr gelassen. Ich hege sogar gewisse Sympathien, denn eines ist ebenfalls Fakt: Er ist sehr unterhaltsam. Zumindest das, was ich bisher von ihm gesehen habe. Dazu zählt neben einer dokumentarischen TV-Serie dieser Dokumentarfilm. Offensichtlich ist das alles auch gar nicht alleinig auf seinem Mist gewachsen, Bücher wie „Phantastische Vergangenheit“ des Franzosen Robert Charroux und „Aufbruch ins dritte Jahrtausend“ von Louis Pauwels und Jacques Bergier scheinen zuvor bereits ähnliche Thesen aufgestellt zu haben.

Dieser Film nun wiederum wurde anscheinend mit viel Aufwand produziert. Er nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise zwischen Archäologie und Phantastik, an die verschiedensten Originalschauplätze vergangener Kulturen, die prä-astronautische Thesen untermauern sollen. Er besteht aus faszinierenden, schwelgerischen und exotischen Bildern der rätselhaftesten Flecken unserer Erde, bietet einen schönen Überblick über unerklärliche bzw. unerforschte Phänomene, legt den Finger in die Wunden der Wissenschaft, die (noch?) nicht auf alles eine befriedigende Antwort weiß, weckt Fernweh und regt zu Recherchen an. Damit erfüllt er durchaus einen kulturellen Auftrag, wenngleich der Stil des Films stark dem Sensationsjournalismus verhaftet ist, wie ihn italienische „Mondo“-Filmer praktizierten und wie er in seiner manipulativen Weise später Einzug ins Privatfernsehen hielt und dort bis heute mit großem Erfolg nicht nur in pseudowissenschaftlichen Sendungen Anwendung findet.

„Erinnerungen an die Zukunft“ arbeitet mit einem dominanten Off-Kommentator, der versucht, dem Film einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, die journalistische Sorgfaltspflicht aber insoweit außer Acht lässt, als er eine Behauptung nach der anderen aufstellt und für die rätselhaften Phänomene, mit denen er sie zu beweisen versucht, nur eine einzige mögliche Interpretation anbietet und zulässt – während es den meisten Menschen schwerfallen dürfte, diese nachzuprüfen. Dabei lullt er sein Publikum ein mit wunderschöner, unbedingt hörenswerter Musik von Peter Thomas, der für zahlreiche Kino- und Fernsehproduktionen den Soundtrack lieferte. Den Unterhaltungsfaktor indes steigert dies enorm und die Symbiose aus wunderschönen Bildern, toller Kameraarbeit, Musik, Tempo und leicht verständlicher Sprache lädt den Zuschauer ein, „Erinnerungen an die Zukunft“ weitestgehend kritiklos auf sich wirken zu lassen. Dennoch wirkt der Film ab einem gewissen Punkt ein wenig überambitioniert, wenn er beginnt, sein Publikum zu überfordern, indem er kein Ende zu finden scheint und ein archäologischer Fund, ein Weltwunder, eine Zeichnung, eine Theorie auf die nächste folgt, dass einem beinahe schwindelig wird. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass der Kommentar gegen Ende ein wenig zurückrudert, die Schärfe etwas herausnimmt und das Gezeigte scheinbar in Frage stellt – rein rhetorisch, versteht sich.

„Erinnerungen an die Zukunft“ – das ist eine hochinteressante Informationsflut einerseits, ein herrliches Beispiel für tendenziöse, manipulative Dokumentarfilmerei andererseits, für mich vor allem aber eine ästhetisches Stück Science-Fiction-Kino der anderen Art, das auch heute noch sehr gut funktioniert (wie auch immer man das bewerten möchte) – von unfreiwillig komischen Fauxpas wie meinem Eingangszitat einmal abgesehen – und zumindest zum Nachdenken anregt: Beispielsweise hinsichtlich aktueller Grenzen wissenschaftlicher Erklärungen, aber auch dahingehend, ob von Däniken tatsächlich vergangene Kulturen sträflich unterschätzt, wie ihm vorgeworfen wird, oder gar Informationen bewusst auslässt, um seine Hypothesen (die es letztlich sind), nicht zu gefährden. Aber natürlich auch, ob nicht vielleicht doch etwas an all dem dran ist. Angesichts des derzeitigen Zustands der Menschheit würde ich eine eingreifende außerirdische Intelligenz, die unserer Spezies zum nächsten Zivilisationssprung verhilft, jedenfalls außerordentlich begrüßen.
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Joy Division
In chronologischer Reihenfolge wird anhand von Interviews, Zeitzeugen und dokumentarischen Bildern, Filmen, eingeblendeten Zitaten und Audioaufnahmen die Geschichte der Band "Joy Division" von der Zusammenführung der Mitglieder 1976 bis zum Selbstmord des Sängers Ian Curtis 1980 nacherzählt. Auf einen Kommentar wird verzichtet, stattdessen wird die Geschichte als bebildertes, sich selbst erklärendes Mosaik präsentiert, bei dem der Zuschauer selbst einordnen muß, wie die einzelnen Aussagen zu bewerten sind. "Joy Division", noch als Punkband gestartet, arbeitete sich ab 1978 mit immer ausgefeilteren Rocksongs, elektronischen Soundscapes und Tonexperimenten in die vorderste Reihe der angesagtesten Bands Englands vor. Mit ihren Alben "Unknown Pleasures" und "Closer" ebneten sie den Weg für die Wave- und Gothicwelle der 80er, blieben jedoch dem Post-Punk verpflichtet. Curtis, der an Epilepsie litt, wurde durch die Einnahme von Medikamenten zunehmend depressiv, bis er schließlich Selbstmord beging. Danach löste sich die Band aber nicht auf, sondern arbeitete unter dem Namen "New Order" noch jahrelang erfolgreich weiter.
Kameramann und Videoclip-Regisseur Grant Gee setzt sich in seinem im Jahre 2007 in britisch-US-amerikanischer Koproduktion entstandenen Dokumentarfilm „Joy Division“ mit der gleichnamigen Band auseinander, die, 1976 als Punkband in Manchester gegründet, zu einer der Stil-Ikonen des Post-Punks wurde und das Gothic- bzw. Dark-Wave-Musik-Genre entscheidend prägte, bis nach nur zwei Alben der Texter und Frontmann der Band, Ian Curtis, unter Epilepsie und Depressionen leidend, sich am 18. Mai 1980 das Leben nahm.

Dabei nähert sich Gee der Geschichte der Band, indem er ihr Umfeld, genauer: die Industriestadt Manchester beleuchtet, die untrennbar mit der Band verbunden ist. Der damalige Zustand der brachliegenden, kalten Stadt hilft, den düsteren, industriellen Sound der Band zu verstehen, der das Lebensgefühl der vier Musiker ausdrückte. Gee zeigt alte Bilder Manchesters und holt Kommentare ein, die es portraitieren. Sein Film verzichtet dankenswerterweise auf einen eigenen Kommentar und besteht ausschließlich aus Interviews mit den verbliebenen Bandmitgliedern, die als „New Order“ weitermachten, sowie aus Statements diverser Wegbegleiter der Band und Zeitzeugen wie Tony Wilson, Annik Honoré, Genesis P. Orridge, Peter Saville, Jon Wozencroft und Anton Corbijn. Curtis’ Ex-Frau Deborah trat nicht vor die Kamera, ihre Zitate fanden in schriftlicher Form in den Film. Erweitert wird das Konstrukt mit alten Originalaufnahmen und eingespielten Joy-Division-Songs, deren Texte in der deutschen Fassung untertitelt werden. Die Dokumentation gibt sich passend zur Thematik geschmackvoll-ästhetisch dunkel und schlicht, die Interview-Partner wurden vor schwarzem Hintergrund befragt und werden mit Beginn ihrer Statements langsam eingeblendet.

„Joy Division“ geht auf die Besonderheiten des Sounds und der Produktion ein, lässt den Produzenten der Platten ebenso zu Wort kommen wie den Cover-Künstler, die beide ihren Teil zum Gesamtkunstwerk Joy Division beitrugen. Einzelne Songs bzw. ihre Texte werden herausgepickt und näher betrachtet. Der Zuschauer begreift die Zusammenhänge zwischen Bandsozialisation und ihrem subtilen, ironisch-zynischen Spiel mit faschistischer Ästhetik, die sich bereits im Bandnamen widerspiegelt und in oftmals weitaus weniger subtiler, dafür umso provokanterer Form bis heute im Gothic-Bereich Anwendung findet und zu Missverständnissen führt. Vor allem aber wird deutlich, wie authentisch die Band mit ihren Texten einerseits war, die Ventil war Curtis’ gebeuteltes Seelen- und Gefühlsleben und seine problembehaftete Existenz, aber auch, wie blauäugig die Band andererseits gewesen sein muss, die all das nicht richtig zu deuten wusste und die Texte ihres belesenen Sängers, der avantgardistisch Literaturzitate in seine Arbeit einfließen ließ, weit weniger ernst nahm, als er es tat – und durch seinen Selbstmord letztlich überraschter war, als sie es rückwirkend betrachtet eigentlich hätte sein dürfen. Auch fand man zunächst anscheinend kaum einen vernünftigen Umgang mit seinem Tod, hatte Probleme, Abschied zu nehmen und zu trauern.

Sensibel, doch beinahe nüchtern-sachlich wird dieses Thema behandelt, das sowohl Licht ins Dunkel hinsichtlich der damaligen Umstände bringt, als auch diese insoweit ein gutes Stückchen entmystifiziert, indem sie die Bandmitglieder als das zeigt, was sie aller Voraussicht nach seinerzeit waren: Verunsicherte, recht naive junge Menschen, die selbst nicht in Gänze zu erfassen und einzuordnen vermochten, was sie da eigentlich taten, denen die Bedeutungsschwere und Tiefe ihres Tuns kaum bewusst war. Müßig zu erwähnen, welch Tragik dem Ganzen innewohnt.

In Anbetracht des Gegenstands dieses Dokumentarfilms, einer Band, in die seit jeher viel hineininterpretiert wird und die der Ruch des Geheimnisvollen, Abstrakten und von der Realität irgendwie Losgelösten umgibt, ist diese versachlichende Herangehensweise ein angenehmer Kontrast. Auch ließ sich Gee nicht dazu hinreißen, Szene-, Popkultur- und Avantgarde-Prominenz vor die Kamera zu zerren, die ehrfurchtsvoll von den Einflüssen Joy Divisions auf ihr eigenes Werk oder Leben schwadronieren. Gee löst das Phänomen Joy Division bewusst weitestgehend von Medienzirkus, Szene und Subkultur und offeriert ein klar abgestecktes, abgegrenztes Portrait der Band, sozusagen mehr nach innen als nach außen gekehrt, dabei jedoch der Versuchung pseudowissenschaftlicher Analysen oder prätentiöser, esoterischer Schwurbelei widerstehend und auf jeden wertenden Kommentar verzichtend. Der Zuschauer ist angehalten, sich seine eigenen Gedanken zu machen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, das Bild zu komplettieren oder aber selbst tiefer in die Materie einzutauchen – denn zum Anfixen mit dem „Ambient-Industrial-Manchester-Sound“ der Band, ihrem Œuvre und ihren Einflüssen, die sich bis heute vielerorts wiederfinden, ist „Joy Division“ hervorragend geeignet.
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Lady Snowblood
Yuki (Meiko Kaji) kennt nur eines: Töten! Nachdem ihre Mutter einst von sadistischen Ganoven misshandelt wurde, soll sie für Vergeltung sorgen. Von Kindesbeinen auf wird Yuki zur tödlichen Killermaschine ausgebildet, und in ihrem Herzen lodert das Verlangen nach blutiger Rache an den Peinigern ihrer Mutter...
„Ein Kind der Vergeltung.“

„Lady Snowblood“ von Regisseur Toshiya Fujita ist ein japanisches Samurai-Rache-Drama aus dem Jahre 1973, basierend auf dem Manga des japanischen Autoren Kazuo Koike und des Zeichners Kazuo Kamimura aus den Jahren 1972 und 1973. Der Film diente US-Filmemacher Quentin Tarantino als Inspiration zu „Kill Bill“.

Die junge Frau Saro musste mit ansehen, wie ihr Ehemann, ein Lehrer, bezichtigt wurde, ein Abgesandter der japanischen Regierung zu sein und ebenso wie kaltblütig wie brutal umgebracht wurde. Daraufhin musste sie eine dreitägige Tortur aus Folter und Vergewaltigung über sich ergehen lassen. Aus Rache tötete sie einen ihrer Peiniger, woraufhin sie verurteilt und ins Gefängnis gesteckt wurde. Dort wird sie schwanger und bringt ihre Tochter Yuki Kashime (Meiko Kaji) zur Welt, die ihr Leben einzig der Vergeltung für ihre tote Familie widmen soll. Saro stirbt unmittelbar nach der Geburt, doch Yuki wird von einem Priester zu einer perfekten Schwertkämpferin ausgebildet. Eines Tages ist Yuki bereit und auf der Suche nach den drei verbliebenen Mördern…

Vor dem realen historischen Hintergrund der Meiji-Zeit des 19. Jahrhunderts, in der sich Japan westlichen Staaten und Mächten öffnete, Neuerungen wie die Wehrpflicht einführte und dadurch auch Schusswaffen Einzug ins Land hielten, während japanische Traditionen an Bedeutung verloren, wird eine Geschichte angesiedelt, die in Verkörperung Yukis einen emanzipatorischen, kämpferischen, starken Charakter im Samurai-Film etabliert, wie er seinerzeit ein Novum gewesen sein dürfte. Schauspielerin Meiko Kaji spielte vorher bereits die Hauptrolle in der Gefängnisfilmreihe „Sasori“ und verdingte sich außerdem als Sängerin; so sang sie das Titellied selbst ein. Fujita unterteilt seinen Film in vier Kapitel und arbeitet viel mit stark symbolischer Farbgebung. Yuki ist blass geschminkt, trägt weiße Kleidung, bei ihrer Geburt fallen Schneeflocken vom Himmel. Weiß steht in Japan für den Tod. Trotz der stringenten Kapitelunterteilung ist die Erzählweise verschachtelt, spielt auf unterschiedlichen Zeitebenen. Damit arbeitet Fujita nicht zuletzt sicherlich auch, um die Spannung der prinzipiell recht geradlinigen Geschichte dauerhaft aufrecht zu erhalten. Nach und nach erfährt der Zuschauer die Hintergründe von Yukis Geburt und dem Schicksal ihrer Mutter sowie deren Ehemann. Die Konzentration, die der Zuschauer aufbringen muss, um den Überblick über die unterschiedlichen Zeiträume zu behalten, wird mit einem Mehr an Information und Verständnis belohnt. Kommentiert wird das Geschehen von einem Sprecher aus dem Off, der sich später als der Autor Ryuurei Ashio (Toshio Kurosawa) herausstellt, welcher von Yuki und ihrer Biographie fasziniert ist und sie persönlich kennenlernt.

Die Kommentare, die Symbolhaftigkeit vieler Szenen und die Titelgebung der Kapitel versehen den nicht sonderlich lebensbejahenden Film mit einer Menge Pathos. Die künstlerischen Bilder finden ihre Entladung in überaus expliziten, derben Splatterszenen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt Verwendung finden, jedoch unheimlich unrealistisch ausfallen. Da spritzt das hellrote Blut in Fontänen, als bestünde der menschliche Körper aus unter unglaublichem Druck stehenden Schläuchen – oder als hätte man die Sepzialeffekttechnik nicht richtig unter Kontrolle. Der ansonsten in so bedächtigem und ehrfurchtsvollem Schneckentempo erzählte Film bekommt in diesen Szenen den Charakter kruder Exploitation und verliert jegliche Schöngeistigkeit. All dies sind jedoch lediglich Stationen zu einer nach ca. 75 Minuten einsetzenden überraschenden Wendung und zu einem krassen Showdown während eines modernistischen, westlichen Maskenballs, der perfekte Kulisse für den Kulturschock-Subtext des Films ist. Tradition trifft auf Moderne, Yuki auf Europäer, ein unnachgiebig und aufopferungsvoll verfolgtes Ziel auf Dekadenz und Beliebigkeit – und das Samuraischwert auf Schusswaffen. Während des Finales wird erneut mit starker Symbolträchtigkeit gearbeitet, bis die tragische Geschichte eines Lebens der Selbstaufgabe ihr Ende findet.

In Zusammenhang mit seiner visuellen Pracht und seiner schönen Musik sowie den sich ins Konzept einordnenden Schauspielern, von denen sich insbesondere Kaji als unscheinbarer, beinahe zerbrechlich wirkender, dafür umso konsequenterer Racheengel durch ihr Spiel unterdrückter Emotion einhergehend mit dennoch stets spürbarer Traurigkeit hervortut, ist „Lady Snowblood“ ein ästhetisch hochinteressantes Werk, das dem Publikum sogar einen Einblick in die japanische Geschichte gewährt. Es offenbart aber auch Schwächen, wenn es droht, im eigenen bedeutungsschwangeren Pathos zu ersticken und lässt viele Tötungsszenen, die Höhepunkt eines jeden Filmabschnitts sind, durch den übertriebenen Einsatz exploitativer Spezialeffekte unfreiwillig komisch wirken, beraubt sie dadurch ihrer Kraft. Meinen Hut aber ziehe ich vor davor, dass man der Versuchung widerstand, den emanzipatorischen Aspekt des Films durch selbstzweckhafte Nacktszenen o.ä. ad absurdum zu führen.
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Der große Schwarze mit dem leichten Knall

„16 Frauen! 16 Weiber vor Rosalba! 16 fantastische, bildschöne, männermordende falsche Weibsbilder, die meine Jugend ruiniert haben. Die Schuld sind, dass ich bei den Pfadfindern rausflog. Dass ich nur vier Jahre im College war. Dass ich meinen Militärdienst vorzeitig quittieren musste und dass ich wer weiß wie oft meinen Urlaub vorzeitig abgebrochen habe. Und trotzdem musste ich Vollidiot, ich alter Bock, auf Rosalba reinfallen! Hätte ich doch damals bloß... Naja, jetzt ist’s sowieso zu spät.“ (Demetrio hadert mit seinem Schicksal)

Mit italienischen Komödien ist das ja immer so eine Sache, insbesondere, wenn auch noch ein Erotikanteil hinzukommt. Filme wie „Der Idiotenzwinger“ oder „Flotte Teens jetzt ohne Jeans“ von Mariano Laurenti beispielsweise kratzen stark an der Grenze zur Unerträglichkeit mit ihrem plumpen Slapstick und Klamauk, Holzhammerhumor zum Abgewöhnen. Etwas anders verhält es sich glücklicherweise mit „Der große Schwarze mit dem leichten Knall“ von Giorgio Capitani („Das Gold von Sam Cooper“) aus dem Jahre 1972 mit Lando Buzzanca („Als die Frauen noch Schwänze hatten“) in der Hauptrolle, den ich im zarten Kindesalter einmal von RTL plus mitschnitt, weil der deutsche Titel irreführenderweise eine Nähe zu Pierre-Richard-Filmen suggerierte.

Frauenheld Demetrio hat einfach kein Glück mit den Frauen: Er arbeitet als Autoverkäufer für Fiat und verliebt sich in Rosalba (Catherine Spaak, „Die neunschwänzige Katze“), die er bald heiratet. Diese entpuppt sich jedoch als schöngeistige und zugleich herrische Ehefrau, die die gemeinsame Wohnung mit modernistischem Plunder einrichtet, ihn nötigt, avantgardistische Konzerte mit ihm zu besuchen und ihn neu einkleidet – bis er entnervt das Weite bzw. das Glück bei einer anderen sucht. Doch mit der nymphomanen, ihm verfallenen Elena (Adriana Asti, „Caligula“), Ehefrau des örtlichen Polizeichefs, mit der er sich in eine heiße Affäre stürzt, kommt er vom Regen in die Traufe: Sie stellt ihm nach und wirft sich ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Hals. Nun hat Demetrio endgültig die Schnauze voll von den einheimischen Weibsbildern und tritt einen Flug nach Rio an, um sich eine Sklavin aus dem Dschungel auszusuchen und zu importieren. Das wiederum bedeutet neben Problemen mit der westlichen Kultur auch Konflikte mit dem Gesetz, denn Sklavenhaltung ist verboten...

„Ist Ihnen eigentlich klar, dass die meisten von diesen Mädchen Kannibalen sind?“ (Demetrio hat Glück gehabt, seine Sklavin frisst bevorzugt Margeritten-Blüten)

Der Film beginnt mit Demetrios Flug nach Rio und erzählt in vom Protagonisten aus dem Off kommentierten Rückblenden, was ihm alles mit Rosalba und Elena widerfahren ist. Nach einer guten halben Stunde befindet man sich wieder in der damaligen Gegenwart und die Handlung wird ohne weitere Zeitsprünge weitergesponnen. Unterlegt von einem sommerlich-leichten, eingängigen Soundtrack karibischer Rhythmen präsentiert sich „Der große Schwarze mit dem leichten Knall“ extrem vorurteilsbeladen, sexistisch und rassistisch, dabei jedoch stets mit einem humoristischen, selbstironischen Augenzwinkern. Dieses ist zwischen all den Machismen jedoch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen, wenn Demetrios hübsche junge Sklavin als stinkende, unzivilisierte Wilde dargestellt und wie ein Tier behandelt wird. Starker Tobak, wie er heutzutage undenkbar wäre. Ansonsten lebt der Film aber von seinen wortwitzigen, dampfplauderigen Dialogen, Situationskomik und etwas Slapstick – und natürlich von seiner Schlüpfrigkeit. Die Mädels laufen viel oben ohne durch die Szenerie und tragen bei zu einer generell vorherrschenden sommerlichen, unbekümmerten Atmosphäre, in der Probleme des Alltags keinerlei Rolle spielen. Buzzanca trägt seine Gangstervisage spazieren und sämtliche Darsteller sind gut aufgelegt – unter ihnen auch der unvermeidliche Gordon Mitchell („Frankenstein ’80“), der als zum Dschungelpilot umgeschulter ehemaliger SS-Mann köstlich deutsche Nazis karikiert. Selbstverständlich wird viel J&B-Whiskey gesüppelt und auch die italienische Mafia kommt kurzzeitig in Spiel.

Das bunte Treiben steuert turbulent auf ein „Happy End“ zu und hat es mit Einsatz des Abspanns schließlich tatsächlich geschafft, über die volle Distanz passabel zu unterhalten. Zu welchen Anteilen das basse Erstaunen über eine schon lange keiner aufgeklärten Ethik mehr standhaltenden chauvinistische Handlungskonzeption, das freizügige Zurschaustellen unterschiedlicher weiblicher Typen oder dann doch der locker-flockige, bisweilen satirische Erzählstil mit seinem gar nicht so üblen Humor dazu beitrugen, sei einmal dahingestellt...
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Die Legende vom Werwolf
Von Wölfen aufgezogen, von Menschen mißbraucht, wird er wieder zum Tier. Immer wieder wurden Menschen zum hilflosen Opfer von reißenden Wölfen. Aber es gibt die Legende, daß vor vielen Jahren ein Säugling von einem Wolfsrudel aufgenommen und großgezogen wurde. Im Alter von 10 Jahren wird der Wolfsjunge von Fahrensleuten angeschossen und überwältigt. Sie präsentieren ihn als gruselige Sensation einem lüsternen Publikum. Inzwischen reift er zu einem stattlichen jungen Mann heran. Plötzlich geschieht die grausame Verwandlung in einen Werwolf. Unter großen Schmerzen verändert er sich in ein reißendes Tier, das in den dunklen Straßen der Stadt seine Opfer sucht. Covertext
„Alle drei waren bemerkenswert sauber, so als ob sie ein Bad genommen hätten, bevor sie weggegangen sind.“ – „Ja, es soll Leute geben, die machen das.“ – „Hmm, aber nicht viele, nach meiner Erfahrung...“ (viel hat sich seit dem 19. Jahrhundert nicht geändert...)

Britische Schmieden des phantastischen Films – da gab es „Hammer“, klar. Auch „Amicus“ ist vielen, vor allem durch die Episoden-Grusler, ein Begriff. „Tigon“ hingegen ist schon eher ein Fall für Insider. Und den Wenigsten dürfte bewusst sein, dass es mit „Tyburn“ einen weiteren Mitbewerber gab, der es laut imdb.com auf lediglich sechs Produktionen brachte, zwei davon fürs Fernsehen. Für Tyburn arbeiteten „Hammer Film Productions“-Gründer William Hinds’ Sohn Anthony Hinds, der zahlreiche britische Genreklassiker produzierte und unter dem Pseudonym John Elder eine beachtliche Anzahl Drehbücher für ebensolche verfasste, und Erfolgsregisseur Freddie Francis („Frankensteins Ungeheuer“) in bewährter Konstellation – Drehbuch Hinds, Regie Francis – zusammen und erschufen somit als eine der ersten Tyburn-Produktionen im Jahre 1975 „Die Legende vom Werwolf“.

Etoile wurde von Wölfen aufgezogen und im Kindesalter eines Tages von einem Wanderzirkus entdeckt, der ihn in einen Käfig sperrte und innerhalb seiner Freakshow öffentlich zur Schau stellte. Dort erlebt er seine künftige Sozialisation, lernt sprechen und sich zivilisiert zu benehmen. Als junger, noch reichlich naiver Erwachsener verliebt er sich in die Prostituierte Christine (Lynn Dalby), die seine Gefühle jedoch nicht in gleichem Maße erwidert. Da wird er während einer Vollmondnacht plötzlich zum Werwolf...

„Die Legende vom Werwolf“ beginnt wie eine Märchen-Verfilmung; ein Eindruck, zu dem auch der Sprecher aus dem Off beiträgt. Nachdem der Film nach der reichlich unspektakulären Freakshow einen Zeitsprung erlebt und Etoile im Erwachsenenalter zeigt, wird er jedoch zu dem Horrorkrimi, der er ist. Aufgenommen in London, jedoch angesiedelt im Paris des 19. Jahrhunderts (dennoch very british anmutend), wird eine mitunter recht langatmige, tragische Geschichte erzählt, die zwei Wolfsmythen – im Wolfsrudel aufgewachsene Findelkinder und eben Werwölfe – munter durcheinander würfelt und den Eindruck erweckt, als liefe ein Mensch Gefahr, zum Werwolf zu mutieren, wenn er von einem Wolfsrudel aufgezogen wurde. Wahrer Auslöser ist hier anscheinend verschmähte Liebe, so dass man Etoiles – übrigens visuell leider ziemlich unspektakulär umgesetzte – Verwandlung als Metapher für die animalische Urinstinkte auslösende, labile menschliche Gefühlswelt verstehen könnte, wäre diese Assoziation etwas weniger plump geweckt worden. Weitaus erfreulicher ist da die subjektive Kameraführung, die die „Point of view“-Perspektive des Werwolfs unter Verwendung eines unheilschwangeren Rotfilters einnimmt. David Rintoul („Der Ghostwriter“) spielt seine animalischen Wutausbrüche sodann auch sehr gut; schnelle, hektische Schnitte versuchen, die Gefahr und das Chaos der Szenen zu unterstützen und stehen im stilistischen Kontrast zum Rest des Films. Entoiles Werwolf-Maske und manch blutiges Opfer sind sehr ansehnlich, wiederkehrende Zooms aufs blutige Gebiss Entoiles wirken schaurig-schön.

In einer bedeutenden Nebenrolle kommt der ehrenwerte britische Genrestar Peter Cushing („Frankensteins Fluch“) als im Dienste der Polizei stehender Pathologe Professor Paul zum detektivischen Zuge, dessen Dialoge und Spiel mit dem Zoopfleger (Ron Moody, „Lost Dogs“), dessen Wölfe in Verdacht geraten, schlicht köstlich sind. Wohlgemerkt handelt es sich trotz Kriminalhandlung und etwas Humors um einen zu einem großen Teil auf seine Grausamkeit und Härte setzenden Film, dessen Konzept von den erwähnten Storyschwächen und dem bisweilen etwas behäbigem Erzählfluss einmal abgesehen weitestgehend aufginge – hätte man den Werwolf im Finale nicht mit normaler menschlicher Stimme reden lassen. Welch furchtbarer, unverzeihlicher Fauxpas, der empfindlich jegliche Illusion stört und ihm viel von seinem Schrecken nimmt. Damit bleibt unterm Strich ein durchwachsener, für Freunde des britischen Horrorkinos der 1970er jedoch interessanter und unterhaltsamer Werwolf-Streifen, der gegenüber „Der Fluch von Siniestro“ von Terence Fisher, für den Hinds ebenfalls das Drehbuch verfasste, leider einen Rückschritt darstellt.
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V/H/S – Eine mörderische Sammlung
Eine Gruppe junger Slacker, die sich ihr knappes Geld mit VHS-Videos von sich selbst verdienen, wie sie Gebäude beschädigen oder Mädchen belästigen, werden von einem Bekannten überredet, in einem abgelegenen Haus ein spezielles Videotape gegen Geld zu suchen. Vor Ort allerdings finden sie eine Leiche in einem Sessel vor, die vor mehreren TV-Geräten, Videorekordern und diversen Bändern platziert ist. Während die Suche durch das Haus fortgesetzt wird, sehen sich verschiedene Mitglieder der Gruppe einzelne Bänder an... 1.Episode: drei Freunde reißen zwei Mädchen auf, um sich eine aufregende Nacht zu machen, doch als sie sie endlich auf ihr Motelzimmer verfrachtet haben, ist die eine betrunken und die andere entwickelt eine ganz andere Form von Lust... 2.Episode: ein junges Ehepaar macht eine Autoreise durch Arizona mit mehreren Übernachtungen. Doch nur für den Zuschauer wird offensichtlich, daß sie noch einen Verfolger oder Begleiter haben... 3.Episode: vier junge Leute fahren an einen abgelegenen See, wo es zu einigen furchtbaren Morden gekommen sein soll. Der Killer soll nicht zu fassen sein, auch nicht vom Kamerafokus... 4.Episode: per Videochat unterhalten sich Freundin und Freund, darüber, daß sie erst eine seltsame Beule an ihrem Arm entdeckt und daß es dann auch noch in ihrer Wohnung spukt. Wie der Freund feststellt, ist sie dort nicht allein... 5.Episode: ein Ausflug per Auto zu einer Halloweenparty führt vier junge Männer in ein seltsames Haus, aus dem religiöse Litaneien zu hören sind. Aus gutem Grund...
Wer als Spielfilmproduzent auf der grassierenden „Found Footage“-Horrorwelle, die vermutlich in den 1990ern durch den Erfolg des gut gemachten, jedoch angesichts der wahren Genrepioniere wenig originellen „Blair Witch Project“ losgetreten wurde, mitschwimmt, hat die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand ein Maximum an Gewinn zu erzielen – bei gleichzeitig geringem Risiko eines schmerzhaften Verlusts. Nicht unbedingt optimale Voraussetzungen für ambitioniertes, originelles, qualitativ hochwertiges Kino. Dass es auch in diesem mittlerweile recht ausgelutschten Subgenre noch möglich ist, Akzente zu setzen, bewies jüngst eine Bande junger, wilder Regisseure, satte zehn an der Zahl, unter ihnen Ti West („The Roost – Angriff der Fledermäuse“, „The Innkeepers – Hotel des Schreckens“) und David Bruckner („The Signal“). Zusammen erschufen sie mit dem 2012 veröffentlichten „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ einen Episoden-Found-Footage-Horrorfilm, der aus fünf Episoden plus Rahmenhandlung besteht.

Eine Gruppe halbstarker Soziopathen filmt sich selbst bei Vandalismus und sexistischen Handgreiflichkeiten und verkauft die Aufnahmen an verrückte Sammler. Eines Tages bekommen sie den Auftrag, in ein Haus einzubrechen und eine bestimmte VHS-Kassette aus ihm zu entwenden. Sie werden die Kassette schon erkennen, hieß es. Im Haus angekommen, finden sie den mutmaßlichen Bewohner tot in einem vor mehreren Röhrenfernsehern, Videorekordern und stapelweise VHS-Kassetten drapierten Sessel vor. Während die einen das Haus durchsuchen, schauen die anderen in die Bänder hinein – und sehen Abscheuliches.

Wie so viele andere Genreproduktionen setzt „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ auf vermeintlichen Realismus, indem er suggeriert, er würde lediglich aus mit Kameras für den Heimgebrauch von den Protagonisten selbst erstellten Originalaufnahmen bestehen. Dabei geht er, ähnlich wie „Paranormal Activity 3“, noch einen Schritt weiter und rückt die gute, alte VHS-Kassette in den Fokus, die jahrzehntelang die analoge Heimkino-Technik bestimmte und berüchtigt und gefürchtet war für abnutzungs- oder durch minderwertiges Material bedingte Bild-/Tonaussetzer, ihre geringe Bildauflösung bis hin zu Bänderriss oder -salat (für die Jüngeren: Das ist nichts zu essen, sondern bezeichnet das Resultat eines analoges Bands, das sich im Abspielgerät verheddert. Noch häufiger als bei Videokassetten war dieses ärgerliche Phänomen bei MusiCassetten anzutreffen.). Nicht erst seit der „Ring“-Reihe wissen wir, wie gruselig und geheimnisvoll VHS-Aufnahmen sein können – viele werden sich noch erinnern, selbst vor Stapeln selbst aufgenommener, unbeschrifteter VHS-Kassetten gesessen zu haben und welch Wundertüte sich beim Abspielen der bis zu zehn Stunden (Longplay!) langen Tapes öffnete. Befand sich im Haushalt ein Camcorder, dessen Aufnahmen auf VHS transferiert wurden, stieg der Grad möglicher Überraschungen expotentiell. Diesen nostalgischen Aspekt macht sich „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ zueigen und hat sich damit meine Neugier gesichert.

Die Rahmenhandlung zeigt zunächst einmal die Selbstverständlichkeit, mit der sich junge Menschen in den unmöglichsten und kompromittierendsten Situationen filmen, um auf die folgenden Episoden vorzubereiten. Sonderlich schön anzusehen ist das nicht; als kleiner „Running Gag“, der sich in abgewandelter und weniger witzigen Form durch den Film ziehen wird, wird etabliert, wie sich auf dem Band, auf dem aktuell aufgenommen wird bzw. wurde, zuvor eine private Sexaufnahme bzw. die Vorbereitung zu einer solchen befindet, die nur noch fragmentarisch erhalten ist (was sich auf selbst aufgenommenen und mehrfach überspielten VHS-Bändern an Relikten zwischen oder hinter den jeweils aktuellen Aufnahmen wiederfindet, ist ebenfalls Bestandteil ihres Wundertüten-Charakters). Die Hütte, in die die Jungkriminellen einsteigen, sieht herrlich heruntergekommen, düster und unwirtlich aus und spiegelt somit das typische Wohnambiente des gemeinen VHS-Sammlers perfekt wider.

Doch kommen wir nun endlich zu den einzelnen Episoden. Diese möchte ich gar nicht in aller Ausführlichkeit sezieren, um den Überraschungs- bzw., um bei diesem Begriff zu bleiben, Wundertüteneffekt nicht zu gefährden. Nur soviel: Alle sind, vom Subgenre-Sujet einmal abgesehen, von unterschiedlichem Charakter, wodurch „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ ein relativ hohes Abwechslungsreichtum erlangt. Ihnen gemein ist eine recht grafische, explizite Härte, auf die gruselige Wirkung schemenhafter übernatürlicher Erscheinungen verlässt sich keine von ihnen. Durch fast jede Episode zieht sich der im Gag der Rahmenhandlung bereits angedeutete Wunsch der Protagonisten, sich bei sexuellen Handlungen zu filmen, was tatsächlich seit jeher einen Teil des Reizes des Besitzes privaten Kameraequipments ausmacht. Dementsprechend wird mit entblößten Oberweiten auch nicht gegeizt, bisweilen augenzwinkernd-selbstzweckhaft, jedoch noch nicht penetrant und nervig obszön. Hinzu kommt, dass der Großteil der handelnden Personen nicht sonderlich sympathisch ist. Wer ständig mit einer Kamera herumläuft, ist ein triebgesteuertes Ekelpaket? Dies als Aussage des Films zu bezeichnen, soweit möchte ich nicht gehen, wenngleich eine gewisse Tendenz in diese Richtung unabstreitbar erscheint. Die zum Filmen verwendeten Kameratypen sind unterschiedlich: Neben herkömmlichen Handkameras kommen eine Videobrille, mit der sich vom Gegenüber/Umfeld unbemerkt filmen lässt, sowie ein Videochat am Computer zum Einsatz. Spätestens bei letzterem stellt sich die Frage: Wie haben es die Internetaufnahmen auf ein altertümliches VHS-Band geschafft? Und wann zur Hölle spielt der ganze Film eigentlich? Videochats im VHS-Zeitalter?! Diese Fragen bleiben unbeantwortet, wie überhaupt die ganze Rahmenhandlung geheimnisvoll. Sich bereits in Planung befindende Fortsetzungen bieten die Möglichkeit, diese Mysterien zu klären, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Ungereimtheiten den Filmmachern bewusst waren.

Die erste Episode ist in ihrem Ausgang zwar sehr erahnbar, jedoch überaus stimmig und vor allem sehr konsequent umgesetzt worden. Moritatisch-moralisch im Stile des klassischen comichaften Episodenhorrorfilms, reichlich gewürzt mit beunruhigendem, seine Wirkung entfachendem Found-Footage-Realismus und einer gehörigen Portion Panik und Hysterie sowie einer bereits von Grund auf unheimlich wirkenden Antagonistin in Form Hannah Fiermans. Episode zwei ist der ungewöhnlichste, weil gewöhnlichste Beitrag. Ti West verzichtet auf Übernatürliches und setzt stattdessen auf die angsteinflößende „Hider in the House“-Thematik, das Gefühl, nachts während des Schlafs nicht allein zu sein und beobachtet zu werden. Der mehr oder weniger überraschende Aha-Effekt wirkt etwas schnell heruntergespult, wenn auch extrem bösartig. Die dritte Episode wiederum setzt dagegen voll auf die mystische Kraft sich verselbständigender analoger Aufnahmen und präsentiert ein ausbaufähiges, einfallsreiches, nicht greifbares Monstrum in der Zwischenwelt von Realität und gefilmter Fiktion, das zu einer mörderischen Gefahr wird. Ein bisschen à la „The Ring“ (weniger) trifft auf „Freitag, der 13.“ (mehr) – macht Lust auf mehr, wenngleich ich mir eine weiterreichende Erklärung, einen Ausbau der dem Kurzfilmformat geschuldeten lediglich angerissenen Mythologie der Folge gewünscht hätte. Dies spricht aber vielmehr für als gegen diese gruselige, fiese, auch stark mit menschlichen Abgründen versehene Geschichte. In Episode Nummer 4 kommt dann der bereits erwähnte Videochat zum Einsatz, dessen mitgeschnittene unheimlicher Phänomene an einen komprimierten „Paranormal Activity“ erinnern und der mit einer sympathischen, an Beschützerinstinkte appellierenden Hauptdarstellerin punktet. Die letzte Episode fährt zum Abschluss ein kleines Spezialeffekt-Feuerwerk auf, das voller guter Ideen, aber ebenso vieler unbeantworteter Fragen steckt und leider nicht immer ganz so plastisch wirkt, wie sie möglicherweise wollte. Dennoch ein recht gelungener Fast-Schlusspunkt, denn auch die Rahmenhandlung kommt zu einem Ende, das Kenner des ersten „Saw“-Teils nur bedingt überraschen dürfte, nichtsdestotrotz aber zu gefallen weiß.

Durch sämtliche Folgen ziehen sich meist unbekannte Darsteller mit natürlicher Ausstrahlung, die dem Film sichtlich gut tun. Das Konzept der Authentizität geht auf, der Zuschauer fühlt sich stärker als Teil, als unmittelbar anwesender Zeuge des Ganzen, als in anderen Produktionen. Dies bewirkt eine wohlige Gänsehaut und steckt voller Überraschungen, vergleichbar mit einer Reportage über ungeklärte, blutige, bizarre Todesfälle. Manch Regiehoffnung konnte sich hier kreativ austoben und läuft durch die Zusammenfassung zum spielfilmlangen Werk mit übergeordneter Thematik nicht Gefahr, lediglich auf Kurzfilmfestivals oder per Youtube wahrgenommen zu werden. Das gebetsmühlenartig kritisierte Element der „Kopfschmerz verursachenden Wackelkamera“ indes findet sich hier natürlich in extremer Form, doch das liegt in der Natur der Sache. Schöngeister, die diesen rauen, antikünstlerischen Stil ablehnen, sollten besser die Finger von „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ lassen, zumal man zusätzlich bemüht war, den Eindruck kopierter VHS-Aufnahmen zu erwecken, mit allen dadurch bedingten Ausfallerscheinungen die Qualität des Materials betreffend. Ein wenig „Entwarnung“, die ich fast ein bisschen schade finde, kann ich trotzdem geben: An die Verwaschenheit tatsächlich „abgenudelter“, mehrfach durchgespulter und überspielter echter VHS-Mitschnitte traute man sich dann doch nicht heran, Bild- und Tonqualität der fingierten Aufnahmen wurden keinesfalls so sehr „downgegradet“, dass sie aussehen und klingen würden wie das private Videoarchiv von Mitte der 1980er auf billigen japanischen Kaufhauskassetten, das seit ungezählten Jahren im Keller vor sich hin schimmelt. Wer weiß, welche Überraschungen dieses zu Tage fördern würde? Schaut doch mal nach...

Fazit: „V/H/S – Eine mörderische Sammlung“ sorgt dafür, dass die Tradition alle paar Jahre erscheinenden, empfehlenswerten, kurzweiligen Episodenhorrors ungebrochen bleibt – und so lasse ich mir auch gern überstrapazierte „Found Footage“ gefallen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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