bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Die Fratze
Es sieht nach einem ganz normalen Babysitterjob für die Studentin Amanda (Susan George) aus, das Kind ist friedlich, das Haus angenehm und Helen (Honor Blackman) und Jim (George Cole) gehen nur auf einen Geburtstag, aber dennoch zögert die Mutter, das Haus zu verlassen. Was Amanda nicht weiß: es handelt sich um einen Wiedergeburtstag Helens, nämlich den ihrer Scheidung von ihrem ersten Mann, der ihr nach dem Leben getrachtet hat und jetzt in einer Anstalt einsitzt. Doch wie könnte es in einer solchen Nacht anders sein: just heute ist Brian (Ian Bannen) ausgebrochen und hält die junge Frau prompt für seine ehemalige Frau, während er erst das Haus und dann sie belagert...
Zwischen Alfred Hitchcocks Meisterwerk und Slasher-Blaupause „Psycho“ und John Carpenters „Halloween“, mit dem der Slasher als Subgenre manifestiert wurde und in Serie ging, lagen 18 Jahre, in denen eine ganze Reihe von Filmen entstand, die die anschließende Slasher-Welle auf verschiedene Weise inspirierten. Ein wichtiger Vertreter der Untergattung „Babysitter vs. Psychopath“ ist der britische Film „Die Fratze“ von Regisseur Peter Collinson („Charlie staubt Millionen ab“) aus dem Jahre 1971, der dieses Handlungs-Sujet ins Leben gerufen haben dürfte.

Das Paar Helen (Honor Blackman, Pussy Galore aus „Goldfinger“) und Jim Lloyd (George Cole, „Gruft der Vampire“) möchte endlich wieder einmal ausgehen, um den Scheidungstag von Helens Ex-Mann (Ian Bannen, „Ein Haufen verwegener Hunde“) zu feiern, und engagiert daher die Studentin Amanda (Susan George, „Straw Dogs – Wer Gewalt sät...“) als Babysitterin für den kleinen Sohnemann Tara (Tara Collinson) in ihrem abgelegenen, ausladenden Landhaus. Helen jedoch ist nervös, handelte es sich bei ihrem geschiedenen Mann doch um einen gefährlichen Psychopathen, der in einer Nervenheilanstalt untergebracht wurde. Amanda weiß von all dem nichts und muss sich zunächst mit einem paarungswilligen Verehrer aus dem Freundeskreis herumplagen – bis ihr schmerzlich bewusst wird, dass die Fratze, die sie durch ein geschlossenes Fenster beobachtet hat, tatsächlich nicht ihr aufdringlicher, doch letztlich harmloser Nachsteller war...

„Die Fratze“ beginnt stimmungsvoll mit einer sanften Ballade, bis Helens geheimniskrämerisch-beunruhigendes Verhalten die nervöse Grundstimmung des Films einleitet. Während die häufig angenehm ästhetische und originelle Kameraführung Spiegelungen im Uhrpendel und andere schöne Details einfängt, wird die unbehagliche Atmosphäre eines großen, leeren Hauses, die mit geschärften Sinnen für jedes kleine Geräusch einhergeht, visuell wie akustisch perfekt umgesetzt. Die voranschreitende Unruhe Amandas überträgt sich auf den Zuschauer, der die spannungsgeladenen Szenen an ihrer Seite verfolgt und mit ihr vorsichtig durch das Haus schleicht. Dieses Geschick, Angst und Panik spürbar zu machen, zieht sich durch den gesamten Film und ist einer seiner großen Pluspunkte. Wenn in einer Suspense-Szene plötzlich der Ton komplett aussetzt und erst mit Amandas panischer Atmung wieder einsetzt, dürfte sich so manche Hand in die Kinosessel gegraben haben. Ob die hässliche Einrichtung des Gebäudes mit ihren scheußlichen Tapeten bereits damals bewusst als Stilmittel eingesetzt wurde oder schlicht dem Zeitgeist entsprach, kann ich hingegen nicht beurteilen.

Aus heutiger, genreerfahrener Sicht ist die Handlung natürlich arg vorhersehbar, so sehr sich Helen und Jim anfänglich auch über die wahren Hintergründe bedeckt halten und der Zuschauer erst nach und nach aus dem Mund des geschwätzigen verhinderten Liebhabers Amandas und den Gesprächen des Paares mit dem behandelnden Arzt Dr. Cordell (John Gregson) erschließt, welche Gefahr durch wen nun genau besteht. Den Begriff „Klischee“ vermeide ich an dieser Stelle jedoch bewusst, denn Collinsons Psycho-Thriller war einerseits zu früh da, um ihm derartige Vorwürfe machen zu können, und umschifft zudem Allgemeinplätze wie die einer verantwortungslosen Babysitterin oder dem unmittelbar zum Tod führenden Sex beinahe komplett. Amandas Möchtegern-Freund kommt nicht richtig zum Zuge und außer ein paar schlüpfrigen Kommentaren seinerseits war es das dann auch schon. Nichtsdestotrotz ist auch „Die Fratze“ sexuell aufgeladen, jedoch nicht im bekannten Stile leichtfüßiger Teenie-Slasher.

Wenn deutlich wird, dass Helen Recht behalten sollte und der psychisch derangierte Ex-Mann tatsächlich ins Haus kommt und Amanda sowie Tara bedroht, regieren einerseits Hysterie und Wahnsinn par excellence, bekommt der Film andererseits aber auch eine ausgeprägte tragische Note, da er Brian eindeutig als Opfer einer psychischen Erkrankung charakterisiert, statt ein emotionsloses Monster aus ihm zu machen. Szenen wie die einer Vergewaltigung wirken dadurch nur noch beklemmender und übler, der Täter indes vollkommen unberechenbar. Kamera-Zooms auf die Gesichter setzen groß die Mimik der hervorragenden Schauspieler in Szene. Susan George ist nicht nur ein wahrer Augenschmaus, sondern wird als eine Art Archetypus einer „Scream Queen“ etabliert, die in ihrer Rolle voll aufgeht. Nicht minder beeindruckend ist Ian Bannen, der an der Grenze zum Overacting agieren muss und eine beeindruckende Leistung abliefert. Die Stimmungsumbrüche vom gespielt netten Nachbarn zum seine Ex-Frau in Amanda sehenden, rasenden Irren wirken beängstigend, der Schizophrenie seiner Rolle wird er gerecht.

Unterm Strich ist „Die Fratze“ ein gelungener, sorgfältig inszenierter Psycho-Thriller, der zum Vorreiter einer ganzen Untergattung wurde und Defizite der absehbaren Handlung sowohl durch seine ruhigeren, atmosphärischen Suspense-Momente als auch durch das starke, noch immer an die Nieren gehende, tragische Finale wettmacht, das u.a. zum Nachdenken über Selbstjustiz anregt. Wer einen Proto-Slasher mit hohem „Bodycount“ oder einen exploitativen „Sex & Violence“-Streifen erwartet, wird hingegen zwangsläufig enttäuscht werden. Zwei Besonderheiten möchte ich nicht unerwähnt lassen: Wie in so vielen anderen Thrillern und Horrorstreifen auch schaut die Protagonistin selbst einen Genrefilm im TV, hier ist es der empfehlenswerte britische Zombiereißer „Nächte des Grauens“. Und Tara ist nicht nur eigentlich ein Frauenname, sondern der tatsächliche Vorname des Kleinen, der der Sohn des Regisseurs ist – und hier einiges über sich ergehen lassen muss.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Immer nie am Meer
Nachts auf einer abgelegenen Waldstraße. Auf der Rückfahrt von einer privaten Familienfeier lesen der phlegmatische Geschichtsprofessor Baisch (Dirk Stermann) und sein depressiver, tablettensüchtiger Schwager Anzengruber (Christoph Grissemann) den manischen Kleinkünstler Schwanenmeister (Heinz Strunk) auf, dessen Auto im Straßengraben hängen geblieben ist. Als sie wenig später derselben Joggerin ausweichen müssen, die schon zuvor Schwanenmeister zum Verhängnis wurde, kommt ihr Wagen von der Straße ab. Eingeklemmt zwischen zwei Bäumen bleiben sie stecken. Baisch, Anzengruber und Schwanenmeister sitzen fest. Türen und Fenster des Autos, das aus dem Fundus des vor kurzem verstorbenen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim stammt, lassen sich nicht öffnen. Die Scheiben sind aus Panzerglas und können nicht eingeschlagen werden. Das Schiebedach ist defekt. Bleibt nur Hoffen auf Hilfe. Tagelanges apathisches Warten. Der einzige Proviant besteht aus einer Schüssel Heringsalat und einigen Flaschen Prosecco, die von der Party übergeblieben sind. Angst, Wut- und Angstanfälle wechseln mit überdrehter Heiterkeit und verzweifelten Weinkrämpfen. Aber es kommt noch schlimmer… Auf der Suche nach seiner Ratte entdeckt Toni (Philip Bialkowski), ein Bub aus einem nahe gelegenem Ferienheim, das Auto im Wald. Toni ist ein kluges Kind, das sich für Verhalten in Stresssituationen interessiert. Bisher musste er mit Ratten forschen. Nun hat ihm der Zufall menschliche Versuchsobjekte geschenkt. Ob jemals Rettung kommt?
Das österreichische Satiriker-Duo Stermann & Grissemann erschuf zusammen mit dem norddeutschen Multitalent Heinz Strunk und dem jungen Regisseur Antonin Svoboda den Spielfilm „Immer nie am Meer“, der 2007 gedreht wurde. Nach einer Begegnung mit einer Geherin verunglückt der Alleinunterhalter Schwanenmeister (Heinz Strunk, „Fleisch ist mein Gemüse“) mit seinem Auto, woraufhin er vom von seiner Frau getrennt lebenden Geschichtsprofessor Baisch (Dirk Stermann) und dessen depressiven und zynischen Schwager Anzengruber (Christoph Grissemann) im Auto mitgenommen wird. Nach einer erneuten Begegnung mit der Geherin kommt auch dieses Auto von der Straße ab und landet eingeklemmt zwischen Bäumen irgendwo im Wald. Die Türen lassen sich nicht mehr öffnen und da es sich um das Fahrzeug des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim handelt, ist es so sehr mit Panzerglas und anderen Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet, dass ein Entkommen unmöglich scheint. Dem ungleichen Trio bleibt nichts anderes übrig, als auf Hilfe zu hoffen, denn Handyempfang gibt es ebenfalls keinen und die Hupe ist auch defekt. Verpflegung: Heringssalat und Prosecco…

„Immer nie am Meer“ ist ein Kammerspiel mit zutiefst bösartigem Humor. Im Prinzip als Tragikomödie zu klassifizieren, beschreibt die Handlung treffend und scharfzüngig unterschiedliche Erscheinungsformen männlicher Midlife-Krisen. Während sich Anzengruber fatalistischem Nihilismus hingibt und seinen Frust in Alkohol ertränkt, versucht Baisch trotz seiner gescheiterten Ehe nach außen hin den Schein der Souveränität zu wahren und sein langweiliges Spießerleben zu rechtfertigen. Dass er dabei stets auf seinen Schwager hinabblicken kann, hilft ihm bei der Ignoranz seines eigenen Versagens. Schwanenmeister wird die Rolle des sympathischen, aber auch neurotischen und latent nervigen, einsamen Verlierers zuteil, der sich mehr schlecht als recht mit einem Comedy-Programm über Wasser hält, mit dem er durch Deutschland und das deutschsprachige Ausland tingelt, um anschließend allein beim Feierabendbier zu sitzen und von der Damenwelt – wie eben auch jener schicksalhaften Geherin („Gehen“ im Sinne der albern aussehenden Sportart) – abgewiesen zu werden.

Aus dieser Konstellation ergeben sich tief- und vor allem abgründige Dialoge zwischen den drei Herren mittleren Alters, die nach und nach immer mehr von sich preisgeben und bald sämtliche Hemmungen verlieren. Baisch kann immer weniger das Bild, das er selbst gern von sich hätte, aufrechterhalten und Anzengruber bereitet es diebische Freude, Baischs Attacken mit verletzenden Details dessen Sexualleben betreffend zu kontern. Und irgendwann stellt sich natürlich auch die Frage nach der Nahrungsaufteilung und der Fäkalienentsorgung… Diese Situationen stecken nicht nur voller Fremdschämmomente und viel Situationskomik, sondern verfügen darüber hinaus über eine irrsinnige klaustrophobische Grundstimmung, die sich auf den Zuschauer überträgt. Doch als ob das nicht schon genug wäre, setzt das Drehbuch setzt noch einen drauf und lässt sich die Männer von einem neunmalklugen Arschlochkind als Versuchskaninchen für sein Verhaltensforschungsobjekt auserkiesen. Ab hier verlässt der Film sein durchaus nicht realitätsfernes Sujet und wird zunehmend absurd. Das hätte es in dieser Form nicht unbedingt gebraucht, verschärft die Situation jedoch noch einmal deutlich, treibt sie gnadenlos auf die Spitze.

Beeindruckend sind die einwandfreien und glaubwürdigen schauspielerischen Leistungen des Trios, insbesondere vor dem Hintergrund, dass niemand von ihnen professionelles Schauspiel erlernt hat. Während die Rolle des Baisch den elitären und gönnerhaften, letztlich verlogenen Habitus der Mittelschicht aufs Korn nimmt, mimt Strunk den üblichen, doch dadurch nicht minder liebens- und bemitleidenswerten, autobiographisch geprägten Verlierer mit herrlicher norddeutscher Schnodderschnauze, zitiert aus seinem tatsächlichen Programm („Mit Hass gekocht“) und beweist einmal mehr seinen ausgeprägten Sinn für Selbstironie. Etwas einfallslos hingegen erschien mir das abrupte, offene Ende, das ich als pointenlos und letztlich unbefriedigend empfunden habe. Vor dem Hintergrund des Vordringens in unlängst absurde Gefilde hätte man „Immer nie am Meer“ auch gern mit einem Knalleffekt enden lassen dürfen. Das ist aber bestimmt nur meine persönliche Meinung, denn das Ende lässt sich ebenso gut als konsequente Fortführung des bitteren Ösi-Humors betrachten, von dem dieser empfehlenswerte Film lebt.
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Repo Man
L.A.: Der Punk Otto (Emilio Estevez) fängt wegen Geldproblemen als Repo Man an. Dieser gefährliche Job besteht daraus, nicht abbezahlte Autos zurück zu stehlen. Dabei kommt es mehr als nur einmal zu gefährlichen Situationen. Doch der gewiefte Partner von Otto (Harry Dean Stanton) ist schon sehr erfahren und weist Otto in die Praxis der Arbeit ein. Doch mit einem 64er Chevy kommt der Wahnsinn in die Stadt: Eine unglaubliche Verkettung von skurrilen Ereignissen nimmt ihren Lauf und die seltsamsten Typen tauchen auf. Regierungsbeamte, Gangster, Außerirdische und ein entflohener Atomwissenschaftler , und alle sind sie dem selben Geheimnis auf der Spur…
„So was kommt vor – Menschen explodieren einfach!“

„Repo Man“, das Regiedebüt des Briten Alex Cox („Sid & Nancy“, „Straight to Hell“) aus dem Jahre 1984, ist eine eigenartige Mischung aus Milieu-Action-Komödie und Science Fiction – und durch und durch 80er. In Los Angeles heuert der junge Punk Otto (Emilio Estevez, „Breakfast Club“) nach dem Aus seiner Einzelhandelskarriere und anfänglichem Zögern als sog. Repo Man an. Er stiehlt Autos zurück von Leuten, die ihre Raten nicht mehr an die Kreditunternehmen zahlen. Sein Kollege Bud (Harry Dean Stanton, „Wild at Heart“) tritt als Ottos Lehrmeister auf und weiht ihn in die Geheimnisse des Geschäfts ein. Gleichzeitig dreht ein 64er Chevy seine Runden, auf dessen Kofferrauminhalt – Überreste außerirdischen Lebens – sowohl die Behörden als auch Leila (Olivia Barash, „Schreie im Dunkel“) und ihre Geheimorganisation scharf sind. Leila liefert sich ein Techtelmechtel mit Otto, der zwischen sämtliche Fronten gerät, denn konkurrierende Gangster sind ebenfalls an den Autos interessiert und seine kriminellen Punk-Freunde verachten ihn für seine jüngste Berufswahl…

Damit sei die Rahmenhandlung grob umrissen – die Handlung dieses offensiv gegen den Mainstream gebürsteten Low-Budget-Streifens, für den Cox auch das Drehbuch verfasste. Er zeichnet ein ziemlich abgefucktes Bild L.A.s, in dem soziale Verwahrlosung und Kriminalität allgegenwärtig sind und schräge, wenig vertrauenserweckende Typen die Szenerie innerhalb einer degenerierten Gesellschaft beherrschen. In auf Endzeit oder zumindest Prä-Apokalypse getrimmten Bildern vermengt Cox offensichtliche Sozialkritik mit komödiantischen Absurditäten und vulgären Dialogen. Dabei umgibt seine überzeichnete Inszenierung stets eine nihilistische, zeitweise stylische, jedoch nie anbiedernd-hippe „Coolness“, die sich insbesondere in Estevez‘ Rolle manifestiert. Wirklich positiv konnotierte Charaktere gibt es derweil kaum, der für gemeinhin der Punk-Bewegung/-kultur wohlwollend gegenüberstehende Cox lässt gar Kritik an asozialen, ihr Heil in der Kriminalität suchenden Punks lautwerden, von denen Otto sich lossagt, während diese mit herrlichen schwarzen Iros auf den vernebelten Birnen die Stadt unsicher machen und Überfälle begehen. Dank des comichaften Stils des Films ist all das natürlich für keinen Zentimeter ernstzunehmen, passt aber wunderbar in seine grelle, den Zeitgeist auf ganz eigene Weise reflektierende Ästhetik.

Wie nicht gerade unüblich bei Cox wirkt „Repo Man“ bei all dem jedoch wenig fokussiert und erzählt seine Geschichte so wenig stringent, dass man nie so recht weiß, worum es ihm eigentlich geht und worauf er hinauslaufen wird. Der Science-Fiction-Aufhänger jedenfalls wird kaum bedient, ihm wird allenfalls symbolische Bedeutung zuteil – sowie ein sich ein paar Mal wiederholender Spezialeffekt, wenn jemand den Kofferraum extraterrestrischen Inhalts öffnet, kräftig durchgeröngt wird und verschwindet. Der rebellische Gestus des Films indes ist omnipräsent und macht sich über Autoritäten ebenso lustig – ein ach so harter Bulle hat Stricken als Hobby auserkoren, der faschistoide Westernheld John Wayne wird als Tunte bezeichnet etc. – wie über religiöse Verblendung, den Wahnsinn des Kreditwesens und permanent unter Aufputschmitteln stehende Wirrköpfe, die ihre Art des Inkassos wie ein Räuber-und-Gendarm-Spiel betreiben. Die wirklich guten Schauspieler verhindern bei manch dramaturgischer Schwäche und budgetbedingter inszenatorischer Einschränkung, dass „Repo Man“ in eine amateurhafte Farce abdriftet. Emilio Estevez fügt sich prima in seine Rolle ein, der nötige Hauch von Glaubwürdigkeit umgibt sein gespielt ausdrucksloses Gesicht der Generation X – wenn er prinzipiell auch etwas zu attraktiv ist.

Dass Cox dabei nicht viel auf welche Erwartungshaltung auch immer eines wie auch immer gearteten Publikums gibt und letztlich vielleicht – wenn überhaupt – nur er allein zu 100% versteht, was genau er mit seinem Film zum Ausdruck bringen möchte, dürfte manch verwirrten Zuschauer hinterlassen. Gerade, wer keinen Bezug zu den 1980ern hat, findet evtl. gar keinen Zugang zu „Repo Man“. Das ist möglicherweise aber auch gar nicht so schlecht und sichert ihm einen zumindest kultverdächtigen Status. Dank all seinen Spleens und Merkwürdigkeiten zum Trotz beständig hohen Unterhaltungswerts und eines handverlesenen, dominanten und, und das ist bei dieser Musik beileibe keine Selbstverständlichkeit, perfekt passenden Punk- und Rock-Soundtracks hebt sich „Repo Man“ meines Erachtens auch qualitativ von irgendwelcher gesichtslosen Durchschnittsware deutlich ab. Auch der Humor zündet und regt zu manch Schmunzler an. Ich wäre fast geneigt, 7/10 Punkten zu zücken, was bei mir schlichtweg „gut“ entspräche, kann meine Augen aber vor der nicht ganz unanstrengenden Konfusität des Films aber nicht verschließen und schon gar nicht als stets bewusst eingesetztes Stilmittel verklären. 6/10 aber sind drin, die niemanden abschrecken sollten, der durch diese Zeilen ähnlich neugierig geworden ist wie ich es wurde, nachdem der Titel jahrelang in meinem Kopf herumspukte und ich solange immer mal wieder mit ihm konfrontiert wurde, bis die überfällige Sichtung keinerlei Aufschub mehr duldete – die ich keinesfalls bereut habe.
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Mord Exclusiv
Modelfotograf Carlo (Lou Castel) wird zufällig Zeuge eines Szenarios am Strand. Er knippst mehrere Fotos von zwei Männern, die offensichtlich dabei sind einen Mord geschickt als Unfall zu tarnen. Anschließend geht er zu einem Freund (Massimo Serato), um dessen Meinung darüber zu hören. Letzterer glaubt damit sehr viel Geld erpressen zu können und zögert nicht lange der Mafia entsprechende Infos zukommen zu lassen. Carlo schaltet außerdem auch einen bekannten Journalisten ein, doch als die Sache bekannt wird, taucht ein unbekannter Killer auf, der jeden Beteiligten aus dem Weg räumt.
„Wir sind hier nicht in Hollywood…“

Der italienische Genre-Regisseur Giuseppe Vari („Tote faulen in der Sonne“), der gern unter dem Pseudonym Joseph Warren sein Unwesen trieb, lieferte mit „Mord Exclusiv“ im Jahre 1972 einen nicht uninteressanten Kriminalfilm mit leichten Giallo-Anwandlungen ab. Modelfotograf Carlo (Lou Castel, „Töte Amigo“) wird zufällig Zeuge, wie die Mafia einen unliebsamen Zeitgenossen um die Ecke bringt und die Tat als Unfall tarnt. Er lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen, den Vorgang heimlich fotografisch zu dokumentieren. Zusammen mit dem ehemaligen Mafioso „Onkel Fifi“ (Massimo Serato) und seiner Freundin versucht er, aus seinem belastenden Material Kapital zu schlagen und die Mafia zu erpressen. Als dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt ist, verkauft er das Material an die Presse – doch längst ist ein unbekannter Killer unterwegs, um sämtliche Mitwisser auszuschalten…

„Mord Exclusiv“ ist ein grundsolider Kriminalfilm, der besonders mit einer ansehnlichen und dem Film eine gewisse Erhabenheit verleihenden Kameraarbeit erfreut sowie einige gut gemachte, teils gialloesk-atmosphärische, unheimliche Spannungsszenen zu bieten hat, von denen ein Teil jedoch Finten für den Zuschauer sind, die im Nichts enden. Die Handlung wurde derweil eindeutig mehr auf eher oberflächlichen Unterhaltungswert denn auf Realitätsnähe oder inhaltlichen Tiefgang hin konzipiert; sie bewegt sich auf dem Niveau eines reißerischen Groschenromans, was ich aber nicht unbedingt negativ verstanden wissen möchte. Die Charaktere sind klischeebehaftet und bisweilen arg überzeichnet, so dass man als Zuschauer stets eine gewisse Distanz zum Geschehen wahrt. Dafür bekommt man einige Sleaze-Portionen serviert wie beispielsweise einen ansonsten sinnfreien, mehrminütigen Tanz einer barbusigen Schwarzen. Lou Castel agiert als schmieriger Schönling und hat im Laufe seiner Karriere sicherlich schon charakteristischere Rollen gespielt, macht seine Sache aber ohne größere Tadel, während der Rest hier und da etwas steif durch die Kulissen stapft.

Die Viererkonstellation bestehend aus den Erpressern, der Mafia, der Presse und der Polizei weiß zu gefallen und umschifft größere Logiklücken mittels einer sorgfältigen Konstruktion und Inszenierung. Der typisch groovende 70er-Soundtrack sorgt für Zeitkolorit und versetzt in die richtige Wohlfühlstimmung. Das Finale ist eines, das diesen Namen verdient, verfügt aber eine angenehm tragische Note und setzt den Schlusspunkt unter einen überdurchschnittlichen Krimi/Thriller italienischer Handschrift, der sich nicht mit den spektakuläreren Konkurrenzproduktionen aus dem eigenen Lande messen kann, Italophilen aber sicherlich eine gute Zeit bereitet. Sehr schön im Übrigen auch wieder der geschwätzige Originaltitel „Terza ipotesi su un caso di perfetta strategia criminale“.
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horror1966
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler hat geschrieben:Bild
Die Fratze
Es sieht nach einem ganz normalen Babysitterjob für die Studentin Amanda (Susan George) aus, das Kind ist friedlich, das Haus angenehm und Helen (Honor Blackman) und Jim (George Cole) gehen nur auf einen Geburtstag, aber dennoch zögert die Mutter, das Haus zu verlassen. Was Amanda nicht weiß: es handelt sich um einen Wiedergeburtstag Helens, nämlich den ihrer Scheidung von ihrem ersten Mann, der ihr nach dem Leben getrachtet hat und jetzt in einer Anstalt einsitzt. Doch wie könnte es in einer solchen Nacht anders sein: just heute ist Brian (Ian Bannen) ausgebrochen und hält die junge Frau prompt für seine ehemalige Frau, während er erst das Haus und dann sie belagert...
Zwischen Alfred Hitchcocks Meisterwerk und Slasher-Blaupause „Psycho“ und John Carpenters „Halloween“, mit dem der Slasher als Subgenre manifestiert wurde und in Serie ging, lagen 18 Jahre, in denen eine ganze Reihe von Filmen entstand, die die anschließende Slasher-Welle auf verschiedene Weise inspirierten. Ein wichtiger Vertreter der Untergattung „Babysitter vs. Psychopath“ ist der britische Film „Die Fratze“ von Regisseur Peter Collinson („Charlie staubt Millionen ab“) aus dem Jahre 1971, der dieses Handlungs-Sujet ins Leben gerufen haben dürfte.

Das Paar Helen (Honor Blackman, Pussy Galore aus „Goldfinger“) und Jim Lloyd (George Cole, „Gruft der Vampire“) möchte endlich wieder einmal ausgehen, um den Scheidungstag von Helens Ex-Mann (Ian Bannen, „Ein Haufen verwegener Hunde“) zu feiern, und engagiert daher die Studentin Amanda (Susan George, „Straw Dogs – Wer Gewalt sät...“) als Babysitterin für den kleinen Sohnemann Tara (Tara Collinson) in ihrem abgelegenen, ausladenden Landhaus. Helen jedoch ist nervös, handelte es sich bei ihrem geschiedenen Mann doch um einen gefährlichen Psychopathen, der in einer Nervenheilanstalt untergebracht wurde. Amanda weiß von all dem nichts und muss sich zunächst mit einem paarungswilligen Verehrer aus dem Freundeskreis herumplagen – bis ihr schmerzlich bewusst wird, dass die Fratze, die sie durch ein geschlossenes Fenster beobachtet hat, tatsächlich nicht ihr aufdringlicher, doch letztlich harmloser Nachsteller war...

„Die Fratze“ beginnt stimmungsvoll mit einer sanften Ballade, bis Helens geheimniskrämerisch-beunruhigendes Verhalten die nervöse Grundstimmung des Films einleitet. Während die häufig angenehm ästhetische und originelle Kameraführung Spiegelungen im Uhrpendel und andere schöne Details einfängt, wird die unbehagliche Atmosphäre eines großen, leeren Hauses, die mit geschärften Sinnen für jedes kleine Geräusch einhergeht, visuell wie akustisch perfekt umgesetzt. Die voranschreitende Unruhe Amandas überträgt sich auf den Zuschauer, der die spannungsgeladenen Szenen an ihrer Seite verfolgt und mit ihr vorsichtig durch das Haus schleicht. Dieses Geschick, Angst und Panik spürbar zu machen, zieht sich durch den gesamten Film und ist einer seiner großen Pluspunkte. Wenn in einer Suspense-Szene plötzlich der Ton komplett aussetzt und erst mit Amandas panischer Atmung wieder einsetzt, dürfte sich so manche Hand in die Kinosessel gegraben haben. Ob die hässliche Einrichtung des Gebäudes mit ihren scheußlichen Tapeten bereits damals bewusst als Stilmittel eingesetzt wurde oder schlicht dem Zeitgeist entsprach, kann ich hingegen nicht beurteilen.

Aus heutiger, genreerfahrener Sicht ist die Handlung natürlich arg vorhersehbar, so sehr sich Helen und Jim anfänglich auch über die wahren Hintergründe bedeckt halten und der Zuschauer erst nach und nach aus dem Mund des geschwätzigen verhinderten Liebhabers Amandas und den Gesprächen des Paares mit dem behandelnden Arzt Dr. Cordell (John Gregson) erschließt, welche Gefahr durch wen nun genau besteht. Den Begriff „Klischee“ vermeide ich an dieser Stelle jedoch bewusst, denn Collinsons Psycho-Thriller war einerseits zu früh da, um ihm derartige Vorwürfe machen zu können, und umschifft zudem Allgemeinplätze wie die einer verantwortungslosen Babysitterin oder dem unmittelbar zum Tod führenden Sex beinahe komplett. Amandas Möchtegern-Freund kommt nicht richtig zum Zuge und außer ein paar schlüpfrigen Kommentaren seinerseits war es das dann auch schon. Nichtsdestotrotz ist auch „Die Fratze“ sexuell aufgeladen, jedoch nicht im bekannten Stile leichtfüßiger Teenie-Slasher.

Wenn deutlich wird, dass Helen Recht behalten sollte und der psychisch derangierte Ex-Mann tatsächlich ins Haus kommt und Amanda sowie Tara bedroht, regieren einerseits Hysterie und Wahnsinn par excellence, bekommt der Film andererseits aber auch eine ausgeprägte tragische Note, da er Brian eindeutig als Opfer einer psychischen Erkrankung charakterisiert, statt ein emotionsloses Monster aus ihm zu machen. Szenen wie die einer Vergewaltigung wirken dadurch nur noch beklemmender und übler, der Täter indes vollkommen unberechenbar. Kamera-Zooms auf die Gesichter setzen groß die Mimik der hervorragenden Schauspieler in Szene. Susan George ist nicht nur ein wahrer Augenschmaus, sondern wird als eine Art Archetypus einer „Scream Queen“ etabliert, die in ihrer Rolle voll aufgeht. Nicht minder beeindruckend ist Ian Bannen, der an der Grenze zum Overacting agieren muss und eine beeindruckende Leistung abliefert. Die Stimmungsumbrüche vom gespielt netten Nachbarn zum seine Ex-Frau in Amanda sehenden, rasenden Irren wirken beängstigend, der Schizophrenie seiner Rolle wird er gerecht.

Unterm Strich ist „Die Fratze“ ein gelungener, sorgfältig inszenierter Psycho-Thriller, der zum Vorreiter einer ganzen Untergattung wurde und Defizite der absehbaren Handlung sowohl durch seine ruhigeren, atmosphärischen Suspense-Momente als auch durch das starke, noch immer an die Nieren gehende, tragische Finale wettmacht, das u.a. zum Nachdenken über Selbstjustiz anregt. Wer einen Proto-Slasher mit hohem „Bodycount“ oder einen exploitativen „Sex & Violence“-Streifen erwartet, wird hingegen zwangsläufig enttäuscht werden. Zwei Besonderheiten möchte ich nicht unerwähnt lassen: Wie in so vielen anderen Thrillern und Horrorstreifen auch schaut die Protagonistin selbst einen Genrefilm im TV, hier ist es der empfehlenswerte britische Zombiereißer „Nächte des Grauens“. Und Tara ist nicht nur eigentlich ein Frauenname, sondern der tatsächliche Vorname des Kleinen, der der Sohn des Regisseurs ist – und hier einiges über sich ergehen lassen muss.

Langsam wird unser bux berühmt, denn auch dieses tolle Review hat den Weg auf die OFDb Startseite gefunden. :thup:
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jogiwan
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von jogiwan »

@ horrotschi: unser Buxti ist doch so schon landauf, landab berühmt... ähm... berüchtigt :kicher:

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it´s fun to stay at the YMCA!!!



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horror1966
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von horror1966 »

jogiwan hat geschrieben:@ horrotschi: unser Buxti ist doch so schon landauf, landab berühmt... ähm... berüchtigt :kicher:

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Jetzt wo du es auch schriftlich belegen kannst, fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren, da war doch was. :mrgreen: :kicher:
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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

horror1966 hat geschrieben:Langsam wird unser bux berühmt, denn auch dieses tolle Review hat den Weg auf die OFDb Startseite gefunden. :thup:
Ja, danke für die Blumen, darauf hatte mich kürzlich der purgschi auch schon in der Shoutbox hingewiesen. Freut mich natürlich. :)
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Paranormal Activity 2
Dan (Brian Boland) zieht mit seiner Frau Kristi (Sprague Grayden), seiner Tochter Ali (Molly Ephraim) aus erster Ehe und seinem kleinen Sohn in eine schöne, große Villa mit Garten und Swimmingpool, wo sie mit Kristies Schwester Katie (Katie Featherston) und deren Freund Micah (Micah Sloat) den Einzug feiern. Als sie einige Zeit später ihr Haus verwüstet, aber ohne dass etwas gestohlen wurde, vorfinden, lässt Dan überall Kameras installieren, die das gesamte Haus rund um die Uhr bewachen. Das mexikanische Hausmädchen Martine (Vivis Cortez) warnt vor einem bösen Geist, der in dem Haus wohnen soll, aber als Dan sie, mit seinem kleinen Sohn auf dem Arm, Räucherkerzen schwenkend antrifft, entlässt er sie. Er glaubt nicht an ungewöhnliche Vorkommnisse, obwohl sich die Anzeichen dafür mehren...
Nach dem Überraschungserfolg „Paranormal Activity“ aus dem Jahre 2007, jenem verdammt gruseligen No-Budget-„Found Footage“-Film, der (fiktiv) mittels privater Videokameraaufnahmen die zunehmende dämonische Besessenheit einer jungen Mutter dokumentierte, reichte man drei Jahre später einen unter der Regie von US-Regisseur Tod Williams („The Door in the Floor - Die Tür der Versuchung“) umgesetzten zweiten Teil nach, der sowohl als Prequel, als auch als Fortsetzung fungiert.

Eine Familie bezieht mit Kind und Kegel ein großes Haus. Den Einzug feiert sie mit Katie und Micah, bekannt aus dem ersten Teil. Nach einiger Zeit wird findet die Familie ihr Haus ohne erkennbaren Grund vollkommen verwüstet vor, glaubt an Einbrecher und installiert aus diesem Grunde zahlreiche Überwachungskameras. Das mexikanische Hausmädchen Martine indes warnt vor einem bösartigen Geist, von dem das Haus befallen sei. Von ihrem abergläubischen Mummenschanz genervt, wird sie entlassen – doch die seltsamen Phänomene mehren sich…

Diese Fortsetzung bedient sich prinzipiell des Konzepts des erfolgreichen Vorgängers, versucht die Handlung jedoch durch eine Mehrzahl an Charakteren sowie eine Art Hintergrundgeschichte aufzupeppen, was leider nicht sonderlich gelingt. Durch die Vielzahl an Charakteren fällt es schwer, den Überblick zu bewahren und sie in den dunklen, qualitativ naturgemäß minderwertigen Überwachungskameraaufnahmen voneinander zu unterscheiden. Das Plus an Handlung wiederum will nicht so recht zum Stil des Films passen, denn es fällt nicht leicht, logisch zu begründen, weshalb gerade immer dann, wenn sich neue Informationen ergeben, eine Kamera unmittelbar mitläuft. Daraus ergibt sich ein halbgares Etwas, das die eigentlichen Eckpfeiler der Handlung wie beispielsweise die Erkenntnis des wie schon in Teil 1 lange zweifelnden, männlichen Familienoberhaupts, dass tatsächlich paranormale Kräfte wüten und der daraus resultierende folgenschere Entschluss, nicht in dem Maße zum Zuge kommen lässt, wie es dramaturgisch zielführend und emotional nachvollziehbar gewesen wäre.

Erschwerend hinzukommt, dass der Zuschauer – sofern er mit dem ersten Teil vertraut ist – bereits mit einer angepassten Erwartungshaltung an den Film herangehen dürfte, sprich: Er weiß, was ihn erwartet. Das bewirkt, dass die gruseligen Momente in ihrer Wirkung häufig verpuffen, im Gegenteil: Enttäuschung hervorrufen, da zu vieles bereits bekannt und zu unspektakulär ist, als dass es noch wirklich zu schockieren vermag. Einige auftretende Phänomene erscheinen gar völlig losgelöst von der Handlung, selbstzweckhaft, überflüssig – alles, nur nicht gruselig. Am ernüchterndsten aber sind die langwierigen Szenen, die die dunklen Räume bei Nacht zeigen und schlichtweg nichts geschieht. Dieser Leerlauf sorgt nicht etwa für Spannung, sondern ist einfach nur langweilig und in seiner Wirkung – friedliche, dunkle Räume in der Nacht – so einschläfernd, dass ich ob der gemütlichen Harmonie, die diese Bilder ausstrahlen, tatsächlich vom Schlaf übermannt wurde und die Sichtung am nächsten Tag fortsetzen musste.

Das Interessanteste an „Paranormal Activity 2“ ist, dass er als Prequel beginnt und dies über weite Strecken auch bleibt, kurz parallel zum ersten Teil verläuft und schließlich für einige Minuten doch noch zu einer Fortsetzung wird. Diese eigentümliche Erzählstruktur erschließt sich möglicherweise nicht sofort demjenigen, der die Charaktere und ihre Namen aus Teil 1 sowie dessen zeitlichen Ablauf nicht mehr abrufbereit gespeichert hat, mag dadurch aber für einen positiven Aha-Effekt sorgen. Ein wirklich schockierendes Ende, wie es der Vorgänger noch zelebrierte, braucht man allerdings nicht erwarten.

Konnte mich „Paranormal Activity“ noch begeistern, hinterlässt das Weiterspinnen der Geschichte bei mir einen recht faden Eindruck, der sogar so weit geht, dass ich phasenweise richtiggehend genervt war vom mir mittlerweile wenig originell und vor allem ausgelutscht wirkenden „Found Footage“-Stil. Nüchtern betrachtet ist Williams‘ Film ein enorm durchschnittlicher Grusler für Anspruchslose oder Neulinge auf diesem Gebiet. Viel mehr kann ich ihm aber wirklich nicht abgewinnen – außer, dass ich mich über ein Wiedersehen mit Katie Featherston gefreut habe. Dem Kinopublikum war’s egal, es bescherte „Paranormal Activity 2“ Rekordergebnisse...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Das unheimliche Auge
Nach einer erfolgreichen Karriere als Model betreibt Gioia (Serena Grandi) nun eine eigene Agentur. Plötzlich werden nacheinander ihre Models Opfer eines wahnsinnigen Killers. Nach jedem Mord erhält die Agentur Fotos der jeweiligen Leiche, wobei im Hintergrund immer ein Bild von Gioia zu sehen ist. Insp Corsi (Lino Salemme) versucht die schockierte Frau zu beruhigen, die davon überzeugt ist, daß alles nichts mehr mit Besessenheit zu tun hat. Sie ist davon überzeugt, das nächste Opfer zu sein...
„Der Hass einer Frau kann absolut tödlich sein!“

Während dem italienischen Genre-Kino in den 1980ern langsam, aber sicher die Luft ausging, gab es mit Lamberto Bava, dem Sohnemann des großen Mario Bava („Blutige Seide“), einen Regisseur, der durch den einen oder anderen Film auf sich aufmerksam machte und weiterhin Genres wie Horror und Giallo bediente. „Das unheimliche Auge“ ist einer seiner Gialli, der nach den Genrevertretern „A Blade in the Dark“ und „Midnight Killer“ im Jahre 1987 entstand.

Das ehemalige Fotomodell Gloria alias Gioia (wie sie im Original heißt) ist alleinige Herausgeberin des Herrenmagazins „Pussycat“, nachdem ihr Ehemann bei einem Autounfall ums Leben kam. Ein wahnsinniger Killer beginnt jedoch eines Tages, unter ihren Models zu wüten, um anschließend die vor alten Plakatmotiven Glorias drapierten Leichen zu fotografieren und die Fotos an die Agentur zu schicken. Gloria hat die berechtigte Sorge, dass sie ebenfalls auf der Liste des Mörders steht. Doch wer steckt dahinter und was ist das Motiv? Inspektor Corsi (Lino Salemme, „Dämonen 2“) versucht, der Sache auf den Grund zu gehen…

Die Zeit der innovativen Gialli war in den 1980ern vorbei, die der großen Schwemme dieser Filme ebenfalls. Auch dieser Film des „kleinen Bava“ zählt ganz sicher nicht zu den großen Würfen des Genres, gefällt mir über weite Strecken aber dennoch recht gut. Ein Grund hierfür ist, wie Thematik, Milieu und visuelle Umsetzung überaus harmonisch ineinandergreifen. Die polierte Hochglanzoptik des Films mit all ihren oberflächlichen Schauwerten wirkt tatsächlich wie ein spielfilmgewordenes Männermagazin und passt hervorragend zur typischen Dekadenz jener Dekade, die, was Zeitgeist und -kolorit betrifft, allgegenwärtig ist – sei es in Kleidung, Frisuren oder Musik, sei es in der Yuppiehaftig- und Oberflächlichkeit der Charaktere.

Statt auf möglichst viele möglichst blutige Morde setzt „Das unheimliche Auge“ primär auf eine andere wichtige Giallo-Ingredienz: Erotik. Der Film kann guten Gewissens als Erotik-Thriller bezeichnet werden, so dominant ist dieses Element bzw. ist Serena Grandi („Man-Eater“) in ihrer Rolle als Gloria. Liebe- und vor allem lustvoll umgarnt die Kamera ihren Körper, allem voran dessen dralle Oberweite, und setzt sie weit mehr als einmal hocherotisch innerhalb einer knisternden Atmosphäre zwischen sexueller Aufladung und lebensbedrohlicher Gefahr gekonnt in Szene. Auch andere Damen bekommen freizügige Auftritte, unter ihnen doch tatsächlich Pop-Sternchen Sabrina Salerno, die mit der Italo-Pop-Kompostition „Boys“ in den 1980ern nervte, mit dem dazugehörigen Musikvideo jedoch eine geeignete Wichsvorlage für pubertierende Jünglinge schuf. Doch auch die wenigen Morde des Films sind ein besonderes Schmankerl, wurden sie doch aus der delirierenden Sicht des Mörders gedreht, der statt menschlicher Gesichter – warum auch immer – abgefahrene Augen- und Bienenköpfe erkennt. Hier wurde Aufmerksamkeit erregende Maskenarbeit irgendwo zwischen Surrealismus und Trash geleistet, während Bava jr. – in diesem Falle ganz der Papa – die Szenerie in grelle Rot- und Blau-Töne verfärbt. Weshalb der Mörder den Aufwand betreibt, sich eines seiner Opfer mittels eines aggressiven Wespenschwarms (!) zu entledigen, bleibt zwar sein Geheimnis, sorgt aber für einen netten Überraschungseffekt – insbesondere wenn er im Imker-Kostüm auf der Bildfläche erscheint.

Soviel „Das unheimliche Auge“ optisch auch zu bieten hat, so zu vernachlässigen ist die Handlung. Verhältnismäßig plump und episodenhaft stellt man eine ganze Reihe Verdächtiger vor, die alle ein Motiv hätten, legt damit aber lediglich – welch Überraschung – falsche Fährten. Wie bereits angedeutet bleibt völlig im Dunkeln, weshalb der Mörder seine Umwelt derartig verzerrt wahrnimmt. Erwartungsgemäß ist auch die letztliche Auflösung an den Haaren herbeigezogener, keinen Sinn ergebender Schwachsinn und wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Zumindest aber funktionierte das „Whodunit?“ dahingehend, dass man als halbwegs aufmerksamer Zuschauer tatsächlich auf den Mörder hätte kommen können. Auf dem Weg dorthin jedoch überzeugen für sich betrachtet eine Verfolgungsjagd in einem leerstehenden Kaufhaus sowie andere gut inszenierte Versatzstücke – wenn auch kaum eines davon sonderlich neuartig und originell erscheint. Interessant auch, dass ein gehbehinderter Nachsteller und Voyeur, der Gloria anfänglich schwer auf die Nerven geht, letztlich als heldenhafte, positive Figur dargestellt wird. Das ist insofern konsequent, als „Das unheimliche Auge“ Voyeurismus in hohem Maße bedient, macht aber auch seine Oberflächlichkeit und das Fehlen jeglichen kritischen Subtexts deutlich.

Neben den bereits erwähnten freizügigen Damen hat die Besetzung Namen wie Daria Nicolodi („Profondo Rosso“), David Brandon („Aquarius – Theater des Todes“) und George Eastman („Man-Eater“) vorzuweisen, so dass sie Italophilen ein angenehmes Wiedersehen mit bekannten Gesichtern beschert. Auf einen wirklich guten Film Lamberto Bavas warte ich weiterhin, konnte mir die Zeit aber angenehm und unterhaltsam mit „Das unheimliche Auge“ vertreiben, dem man einen relativ hohen Unterhaltungswert nur schwer absprechen kann. Er eignet sich nicht schlecht mit einem anderen 80er-Model-Giallo, „The Last Shot“ von Carlo Vanzina, zu einem Double Feature, wobei Vanzinas Film der eindeutig bessere ist.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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