bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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ugo-piazza hat geschrieben:
karlAbundzu hat geschrieben:Irgendwie seh ich die Bilder nicht, nur ein ofdb Hinweis. Ist das bei allen so und ein Problem meinerseits?
Ich seh auch nichts.
Ja, ist seit der OFDb-Umstellung auf SSL so. Taugt so aber immerhin noch als Hinweis, dass das "Bild" zum Filmeintrag in der OFDb führt... :|
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Emanuela, 2. Teil - Garten der Liebe

Der Francis-Dreier

„Fantastisch, nicht wahr?“ – „Das ist Geschmackssache.“

Ein Jahr nach dem französischen Erotik-Kassenschlager „Emanuela“ alias „Emmanuelle“ bot Produzent Rousset-Rouards Just Jaeckin auch die ebenfalls nach einer Romanvorlage Emmanuelle Arsans geskriptete Fortsetzung „Emanuela, 2. Teil - Garten der Liebe“ an, der jedoch lieber „Die Geschichte der O“ verfilmen wollte. So brachte Jaeckin als Regisseur den ebenfalls aus der Modefotografie stammenden Francis Giacobetti ins Spiel, auf dem Co-Regiestuhl nahm Namensvetter Francis Leroi („Privat-Club für intime Spiele“) platz. Auf das Ergebnis wurde schnell die Zensur aufmerksam, sodass diese Fortsetzung es erst nach zwei Jahren in die herkömmlichen Kinos schaffte.

„Im Falle eines Falles macht der Igor einfach alles!“

Nach ihrem schicksalhaften Bangkok-Aufenthalt reist Emmanuelle (Sylvia Kristel) zu ihrem Ehemann Jean (Umberto Orsini, „Der Antichrist“) nach Hongkong. Sie ist gezwungen, in einem großen Frauenschlafsaal zu nächtigen, wo ihr eine Mitreisende von deren Vergewaltigung und Entjungferung durch drei Philippinerinnen berichtet, an der sie sich im Nachhinein durchaus ergötzt. Wieder mit ihrem Mann vereint, stürzt sich Emmanuelle in diverse sexuelle Abenteuer, an deren Ende die sexuelle Initiation der jungen Tänzerin Anna-Maria (Catherine Rivet, „Die Botschafter“) steht – in Form eines „flotten Dreiers“ …

„Ich habe Lust, mit jemandem zu schlafen!“

Ein dritter Francis im Bunde, der Komponist Francis Lai, steuerte den verträumten Klavier-Soundtrack zu Emmanuelles zweitem Sex-Abenteuerreigen bei, für den Sylvia Kristel ihr Haar nun etwas länger trägt, der Schauspieler Jeans gegen Umberto Orsini ausgetauscht wurde und – und das ist die entscheidendste Abweichung vom ersten Teil – man gar nicht mehr erst versucht, durch pseudosexualphilosophisches Geschwurbel die Massenvergewaltigung einer jungen Frau zu rechtfertigen. Stattdessen charakterisiert man Emmanuelle als gereifte, selbstbewusste Frau, die sich auf partnerschaftlicher Augenhöhe bewusst für eine „offene Ehe“ mit ihrem Mann entschieden hat. Eifersucht spielt keine Rolle mehr; sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung werden diesmal gleichsam betont, was dem Film auf angenehme Weise viel von seinem potentiellen Alte-Herren-Fantasie-Schmuddel nimmt.

Dies stellt sich für den Zuschauer dann wie folgt dar: Nach ihrem Wiedertreffen masturbiert Emmanuelle vor Jean, was in eine gemeinsame Sexszene mündet. Mit Jeans freund Christopher (Frédéric Lagache) bummelt sie durch die Stadt und lässt neugierig eine Akupunktur über sich ergehen, bei der Christopher zuschauen darf und die sexuelle Fantasien bei ihr auslöst. Sie sieht sich sich einen Zeichentrickporno an und lässt sich dabei von einem Schwarzen nehmen, was Giacobetti und Leroi indes lediglich andeuten. Im Zuge eines Pferderennens trifft sie auf einen Ganzkörpertätowierten, den nun sie sich ohne ein Wort zu sagen nimmt. Anna-Maria lernt sie schließlich während einer chinesischen Tanzaufführung kennen, was zum Höhepunkt des Films führt: Einer erotischen Massage, die Emmanuelle, Jean und Anna-Maria u.a. von der späteren „Black Emanuelle“-Darstellerin Laura Gemser verabreicht wird und zweifelsohne ins kollektive erotikcineastische Langzeitgedächtnis gehört. Emmanuelle lässt sich zur Chinesin umdekorieren und besucht ein Bordell, in dem drei Matrosen bei ihr zum Zuge kommen – was der Film erst später in einer Rückblende zeigt, nachdem dem Zuschauer zunächst „lediglich“ viel exotische nackte Haut präsentiert wurde. Dort trifft Emmanuelle auch auf Christopher, was in ein Streitgespräch mündet. Ihrem Mann berichtet Emmanuelle freimütig von ihrem Matrosen-Dreimaster. Am nächsten Tag geht’s dann zusammen mit Anna-Maria gen Bali, wo die Regisseure minutenlange Einblicke in exotische Rituale ganz ohne Sex gewähren, bevor Emmanuelle und Jean Anna-Maria gemeinsam vernaschen.

An einer in irgendeiner Weise hintergründigen, tiefsinnigen Handlung mangelt es „Emmanuelle 2“ wie so vielen Genrekollegen ebenso wie an Dramatik, Spannung oder Entwicklung, was derartiger Hochglanz-Erotik jedoch immanent ist. Doch so flach er inhaltlich auch sein mag, so gegenteilige Auswirkungen hat er auf den Lendenbereich manch männlichen Zuschauers, denn er ist nicht nur attraktiv besetzt: Giacobetti versteht es meines Erachtens sogar noch besser als sein Kollege Jaeckin, ehrfurchtsvoll ästhetisch menschliche Körper in Szene zu setzen, sich dabei zwischen respektvoller Distanz und schlüpfrigem Voyeurismus zu bewegen und die einzelnen Erotik- und Sex-Parts des Films auch erzählerisch zu verpacken, dadurch interessant zu gestalten, aufzuwerten. Da mutet es beinahe schade an, dass „Emmanuelle 2“ Giacobettis einziger Spielfilm blieb. In Verbindung mit dem folkloristischen Lokalkolorit und den Fernweh weckenden Reiseprospektaufnahmen entsteht so eine Art erotischer, entschleunigender Wohlfühlfilm, der sich doch relativ deutlich vom Genre-Durchschnitt in positiver Hinsicht absetzt und einen phantasievollen Ausflug in promiskuitive Lebens- und Lustentwürfe gestattet, die auf das Gros des Publikums sicherlich ebenso exotisch wie Emmanuelles Reiseziele wirken und im Zweifelsfall dann doch besser auf der Leinwand verbleiben, denn zur persönlichen Motivation zu geraten.

Dass Kristel ausgerechnet Giacobettis Inszenierung im Gegensatz zu Jaeckins als frauenfeindlich empfunden haben soll, verwundert mich da doch sehr. Nichtsdestotrotz säuselt sie im Abspann durchaus beeindruckend Francis Lais „L'amour d'aimer“, dass einem ganz warm ums Herz werden kann. Hach...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Stitches - Böser Clown

Nach seinem Low-Budget-Spielfilm-Debüt „Dead Meat“, einem Splatterfilm aus dem Jahre 2004, dauerte es acht Jahre, bis der irische Regisseur Conor McMahon – mittlerweile bei einem Major untergekommen und mit einem nennenswerten Budget ausgestattet – seinen zweiten abendfüllenden Film vorlegte: den Fun-Splatter-Beitrag „Stitches – Böser Clown“, der sich des beliebten Horror-Clown-Sujets annimmt.

Im zarten Kindesalter feierte der kleine Tom (Ryan Burke, „Redwater“) seinen Kindergeburtstag altersgerecht mit gleichaltrigen Freunden sowie einem Clown (Stand-up-Comedian Ross Noble) zwecks Bespaßung. Leider war dieser nicht nur nicht besonders kinderlieb oder lustig, sondern verunfallte durch einen bösen Streich der Blagen tödlich, als er rücklings in ein Brotmesser stürzte. Rund zehn Jahre später sind aus den damaligen Kindern Jugendliche geworden, die erneut zu Tom (nun Tommy Knight, „The Sarah Jane Adventures“) eingeladen werden, als dessen Eltern außer Haus sind. Jedoch schleicht sich auch ein ungebetener Gast ein: Clown „Stitches“ ist von den Toten auferstanden und sinnt auf Rache…

Nachdem ich bereits „Dead Meat“ aus einem unbestätigten Verdacht heraus links liegen gelassen hatte, traute ich mich aufgrund manch guter bis gar überschwänglicher Kritik dann doch an „Stitches – Böser Clown“ heran, zumal es mir als altem „Es“-Fan Horror-Clowns durchaus angetan haben. Nach dem vielversprechenden Prolog mit den den armen Clown ins Grab bringenden Rotzbälgern und der gewitzt gefilmtem tödlichen Kettenreaktion scheint sich McMahon auch ein wenig vor King respektive Wallace zu verbeugen, wenn er Toms aus den Ereignissen resultierende Angstparanoia versinnbildlicht. Schnell jedoch verflacht der Film zusehends in eine Klischeeparade tatsächlich ausschließlich debiler überkarikierter Charaktere vom Adipösen über den Kiffer, den Ängstlichen und den Juristensohn sowie den Zurückhaltenden bis zu dessen Love Interest und der promiskuitiven Schlampe. Dass diese unentwegt ein bescheuertes Gelaber vom Stapel lassen, das man sich nicht einmal in den ‘80er-Teenie-Slashern ins Dialogbuch zu schreiben getraut hätte, zehrt einerseits an den Nerven, sorgt aber natürlich auch dafür, dass man das Ableben der Nichtsnutze schnellstmöglich herbeisehnt.

Dies geschieht vornehmlich in Form vollkommen unrealistischer, comichafter, jedoch kreativer Splattereien, bei denen einem Opfer beispielsweise die Augäpfel herauspoppen. So richtig große Augen macht man als weitaus bessere Genre- und Effekte-Kost gewohnter Genrefreund dabei indes nicht, die verdienten Vorbilder bleiben – was zu erwarten war – auch durch diese Produktion unerreicht. Sauer stößt zudem auf, wie krampfhaft „Stitches – Böser Clown“ auf witzig getrimmt wurde, während ein Großteil der Gags pubertäre oder schmalbrüstige Rohrkrepierer sind. Den Vogel schießt dann die im letzten Drittel installierte, unfassbar hanebüchene Hintergrundgeschichte ab, die aus Stitches und Konsorten einen verschwörerischen, mystischen, Geheimzirkel macht. Immerhin jedoch ist „Stitches – Böser Clown“ im Rahmen seiner Möglichkeiten schauspielerisch solide und, und das macht ihn immerhin zur kurzweiligen Durchschnittskost, deutlich unterhaltsamer als langweilig – wenn auch auf eher kleiner Flamme; mehr Fast Food denn nachhaltige Ernährung.
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Stormy Monday

„Ich hasse Waffen!“

Der zweite Spielfilm des britischen Regisseurs Mike Figgis („Leaving Las Vegas - Liebe bis in den Tod“) ist die britisch-US-amerikanische Koproduktion „Stormy Monday“, ein Krimi/Thriller-Mix aus dem Jahre 1987. Figgis stand noch am Anfang seiner Regie-Karriere, was man dem Film durchaus anmerkt.

„Lass dir für jede Ausgabe eine Quittung geben!“

Kapitalist Cosmo (Tommy Lee Jones, „Men In Black“) hat das etwas heruntergekommene Hafenquartier im englischen Newcastle für sich entdeckt und wittert mit einer Luxussanierung den großen Reibach. Finney (Sting) hingegen betreibt dort einen gut laufenden Jazz-Club und sieht keinen akuten Bedarf, seinen Laden Cosmo für ein paar Scheine zu überlassen. Cosmo ist es nicht gewohnt, nicht zu bekommen, was er will, und setzt Finney mit unterlauteren Mitteln bis hin zu handfester Gewalt unter Druck, doch dieser zeigt sich renitent und lässt sich nicht ohne Weiteres unterkriegen. Unterstützung hat er in seinem jüngsten Mitarbeiter Brendan (Sean Bean, „Pixels“) gefunden. Dass sich dieser jedoch mit Cosmos ehemaliger Bettgespielin Kate (Melanie Griffith, „Cherry 2000“) einlässt, macht die Lage nicht unbedingt weniger brisant…

Figgis‘ neo-noiriger Anti-Gentrifizierungsfilm präsentiert eine Melanie Griffith mit schlimmer Frisur, Musiker Sting mit schauspielerischem Talent, schöne Bilder, gute Kameraarbeit und passend zum Club-Ambiente viel tolle Musik (außer der des Krakauer Jazz-Ensembles – Himmel, hast du keine Flinte?). Eigentlich ist also alles da, um einen sympathischen, unterhaltsamen Film mit einer ein soziales Gewissen transportierenden Aussage zu erschaffen. Leider erzählt Figgis seine Geschichte derart quälend langsam, dass sie irgendwann nur noch profan wirkt, aller Noir-Atmosphäre zum Trotz. Das ist schade, unverständlich und mutmaßlich hauptverantwortlich dafür, wie schnell dieser Film trotz seines Ensembles in Vergessenheit geriet.
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Happy Metal – All We Need Is Love!

Der Franzose Martin Le Gall greift für sein Regie-Debüt „Happy Metal – All We Need Is Love!“ aus dem Jahre 2013 die Black-Metal-Subkultur auf, um daraus eine massentaugliche Komödie mit starken Road-Movie-Anleihen zu stricken.

Die irgendwie erschreckend erwachsen gewordene Black-Metal-Band LES DEAD MAKABÉS muss sich zunehmend mit Alltagsproblemen plagen, die so gar nicht in das Selbstbild einer nihilistischen Extreme-Metal-Band passen – von Sänger Alex (Musik-Casting-Show-Gewinner Julien Doré) einmal abgesehen, der die Fahne der Authentizität tapfer hochhält, wenngleich er seine Großmutter zu pflegen hat. Der notorisch erfolglosen und verkannten Band bietet sich während ihrer „Sommertour“ jedoch plötzlich die Möglichkeit, auf dem renommierten „Hellfest“ aufzutreten und sich dort den späten Ritterschlag abzuholen. Dumm nur, dass Alex‘ Musiker fest entschlossen sind, die Band aufzulösen – Alex jedoch gelingt es, seine Bandkollegen für das Festival zu motivieren und im Vorfeld einen kleinen Club-Gig an Land zu ziehen. Dieser gerät indes erst zur Farce und schließlich zur Katastrophe, als der Clubbesitzer (Arsène Mosca, „Public Enemy No. 1 – Todestrieb“) von der Band-Deko erschlagen wird und von nun an die Polizei hinter ihnen her ist. Zuflucht bietet ein Hippie-Festival – ausgerechnet…

Je stärker Black-Metal-Bands in Imagefragen in Songtexten und Interviews auf die Kacke hauen, desto mehr fragt sich mancher, wie diese eigentlich den Alltag abseits von Proberaum und Bühnen bestreiten. Tiefere Einblicke kämen nicht selten einer Desillusionierung gleich, woraus Le Galls Film zunächst seinen Humor bezieht. Er nimmt die Klischees jener Sparte humorvoll aufs Korn und thematisiert das über die Subkulturgrenzen hinweg existente Problem auseinanderdriftender Bandmitglieder vor dem Hintergrund des Älterwerdens und ausbleibenden Erfolgs. Bis hierhin ist „Happy Metal“ richtig gelungen, bitter-satirisch und höchst unterhaltsam.

Ab dem Zeitpunkt der Flucht der Band verflacht Le Galls Debüt jedoch zusehends und wird zu einer wenig lustigen, absurden Komödie, in der die Band vor den Augen des vermutlich schenkelklopfenden Kino-Publikums so richtig durch den Dreck gezogen wird, indem man sie in Hippie-Kostüme steckt und auf dem dörflichen „Erdbeerfest“ beatleskes Liedgut (oder vielmehr, was die Filmmacher dafür hielten) interpretieren lässt. Das ist n doppelter Hinsicht absurd, da a) die Beatles mitnichten den ultimativen Kontrast zum Black Metal darstellen und b) jeder, der schon einmal eine Gitarre richtigherum in den Händen hielt, weiß, dass es quasi unmöglich ist, einem vollkommen unbekanntes Liedgut mir nichts, dir nichts live auf der Bühne zufriedenstellend darzubieten. Die eigentliche Pointe des Films verpufft so leider. Auch die nun zusätzlich installierten Comic-Relief-Nebenrollen taugen nicht viel. Etwas aufwärts geht es letztlich mit den Impressionen vom „Hellfest“ um den fiktiven Headliner Dozzy Cooper (James Rowe, „Elizabeth“), wenn LES DEAD MAKABÉS endlich zu ihrem verdienten echten Auftritt kommen und auch die tragikomische Note weiß durchaus zu munden; Beatles-Kenner dürfen sich zudem über zahlreiche Anspielungen auf ihre Lieblingsband freuen. Da ich ein Herz für sich selbst nicht sonderlich ernst nehmende Musik- und Subkulturfilme habe, erkenne ich eine leicht überdurchschnittliche Performance von 5,5/10 Blutkapseln an, verzichte aber auf Zugabe-Rufe.
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Galaxina

„Warum stört ihr mich denn? Ich habe gerade ein neues Perry-Rhodan-Heft bekommen!“

Vermutlich als Reaktion auf die damaligen Science-Fiction-Blockbuster versuchte sich US-Regisseur Willliam Sachs („Der Planet Saturn lässt schön grüßen“) im Jahre 1980 an einer komödiantischen Genre-Parodie und entsandte „Playmate des Jahres“ Dorothy Stratten („Playmate Lady O.“) als „Galaxina“ ins All.

„Hast du vergessen, dass Roboter keine Gefühle haben?!“

Die Crew um den zigarrerauchenden Sergeant Thor (Stephen Macht, „Monster Busters“) ist mit dem Polizeikreuzer Infinity in den unendlichen Weiten des Alls unterwegs und hat neben einem gefangengenommenen Außerirdischen die Androidin Galaxina an Bord. Der intergalaktische Polizeichef beauftragt die Infinity, im Alpha-Quadranten den mystischen Edelstein „Blauer Stern“ zu finden. Während des dafür nötigen 27-jährigen Kälteschlafs eignet sich Galaxina diverse menschliche Verhaltensweisen wie beispielsweise das Sprechen an – um mit dem Sarge flirten zu können, in den sie sich verguckt hat. Der neue Einsatzbefehl lautet jedoch, alleinverantwortlich auf „Alter 1“ nach dem Stein zu suchen, was sie durch das eine oder andere fremde Ambiente führt. Jedoch hegt nicht nur sie Interesse an dem edlen Stück…

„Sie ist nicht einfach nur ein Roboter, du saures Schokoladeneis!“

Wer Galaxina küssen will, bekommt einen elektrischen Schlag, was im Zweifelsfall jedoch hingenommen werden kann, der gefangene Außerirdische ist ein Mensch in einem witzigen Gummikostüm und ein weibliches Hologramm reizt die Besatzung mit seinen nackten Brüsten auf – so geht es zu auf der Infinity, bis die Reise nach „Alter 1“ verordnet wird. Daraufhin geht’s erst mal für 24 Stunden auf die Vergnügungsstation „Kitty’s“, einen intergalaktischen Puff.

Das klingt alles aufregender, als es ist, die eigentliche Handlung beginnt erst mit dem Erwachen aus dem Kälteschlaf. Auf „Alter 1“ betritt Galaxina eine Westernstadt, in der es Menschenfleisch zu essen und einen „Mr. Spot“ kennenzulernen gibt sowie es einem feindlichen Roboter den Kopf zu verdrehen gilt. Das Duell zwischen beiden Robotern wird von einem morriconeskem Soundtrack untermalt und wenig augenschonender Weise findet alles unter dem fiesesten Rotfilter seit „Weltraumschiff MR-1 gibt keine Antwort“ statt. Schließlich trifft unsere Heldin auf eine extraterrestrische Rockerbande, die sie gefangen nimmt, sich eine Rock’n’Roll-Tanzeinlage dennoch nicht nehmen lässt und „Harley David Son“ verehrt. Dieser gilt es nun, den „Blauen Stern“ zu entreißen. Da sich diese Szenen nachts abspielen, ist zum Glück auch der Rotfilter verschwunden. Zwei der Infinity-Besatzung erbarmen sich und retten Galaxina, doch der feindliche Roboter ist wieder da, es ist ein Hin und Her. Dummerweise ist dann auch noch das Alien an Bord passionierter Steinfreser…

Noch wesentlich schwieriger als die Suche nach dem „Blauen Stern“ gestaltet sich das Finden von Witz oder Spannung in dieser müden Parodie, die sich quer durchs Genre wildert, jedoch in nahezu jeglicher Hinsicht versagt. Derart laue Witze und Anspielungen auf unterem Niveau in unpackbar langatmiger Erzählweise habe ich schon lange nicht mehr über mich ergehen lassen müssen und erschwerend hinzu kommt, dass unsere Galaxina vieles ist, aber sicher keine zweite Barbarella, die zweifelsohne Patin stand. „Galaxina“ ist ein Rohrkrepierer in jeglicher Hinsicht, unlustig, unsexy und doof. Natürlich handelt es sich um einen billigen, bewussten Trashfilm, doch gerade dann frage ich mich, weshalb man nicht mehr daraus gemacht hat. Der Running Gag der stets aus dem Nichts ertönenden Fanfare, sobald jemand den „Blauen Stern“ erwähnt, ist da noch das gelungenste Detail in dieser Schlaftablette, die nur denjenigen ans Herz gelegt werden kann, denen „Star Trek“ und „Star Wars“ noch nicht langweilig genug sind. Das Beste an „Galaxina“ ist das Artwork der Filmplakate. Tragisch: Noch vor der Filmpremiere wurde Dorothy Stratten von ihrem Ehemann ermordet. „Galaxina“ stand offenbar allgemein unter keinem guten Stern.
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Juan of the Dead

„Juan of the Dead – wir bringen Ihre Liebsten um!“

Nach seinem Regie-Debüt, dem Drama „Personal Belongings“ aus dem Jahre 2006, erlangte der kubanische Regisseur Alejandro Brugués internationale Aufmerksamkeit, als er 2011 Kubas ersten Zombiefilm drehte: „Juan of the Dead“, eine Horrorkomödie mit Buddy-Movie-Anleihen, die nicht nur im Titel in Richtung „Shaun of the Dead“ referenziert (der wiederum Romeros „Dawn of the Dead“ im Titel persiflierte).

„Dieses Viertel wird immer merkwürdiger!“

Juan (Alexis Díaz de Villegas, „Horn of Plenty“) ist ein Tagedieb, der in seiner Heimat Havanna gern die Sonne und den Rum ebenso genießt wie die attraktive Nachbarin von gegenüber, denn viel Verantwortung hat er nicht mehr, seit seine Tochter Camila (Andrea Duro, „Ich steh auf dich“) zusammen mit ihrer Mutter wie so viele Kuba in Richtung USA verlassen hat. Mit ein bisschen Kleinkriminalität hält er sich über Wasser, doch als er eines Tages mit seinem Kumpel Lázaro (Jorge Molina, „Die Stadt der Blinden“) einer weiteren Leidenschaft, dem Angeln, nachgeht, hat er plötzlich einen Zombie am Haken. Mittels einer Harpune entledigt man sich des ungewollten Beifangs, doch ausgerechnet, als Camila samt Mutter wieder einmal die Schwiegermama in Havanna besucht, sieht man sich einer wahren Zombie-Epidemie ausgesetzt. Die Regierung kolportiert zwar, dass es sich bei den Untoten um Dissidenten im Auftrag der USA handele und sie die Lage im Griff habe, doch dem ist augenscheinlich nicht so. Für zusätzliche Verwirrung und Gefahr wirken die vielen zombifizierten Verwandten, die endgültig ins Jenseits zu befördern sich manch Angehöriger verständlicherweise schwer tut. Kurzerhand gründet Juan zusammen mit Lázaro, dessen Sohn California, der transsexuellen China (Jazz Vilá, „Personal Belongings“) und deren ständigem Begleiter Primo (Elkecer Ramírez) ein Dienstleistungsunternehmen zur Entsorgung nahestehender Untoter. Seine Tochter zeigt sich überrascht von Juans plötzlichem Arbeitseifer und schließt sich ebenfalls der Truppe an, bis sich jedoch das Militär einmischt...

„Ich weiß auch nicht, was los ist. Wir waren doch immer der friedlichste Ort der Welt hier!“

Verleitet die Erwartung eines weiteren Fun-Splatter-Streifens eher zum Gähnen, lässt das exotische Produktionsland aufhorchen – tatsächlich ein Zombie-Film aus Kuba? Ja! Ein Low-Budget-Rip-Off von „Shaun” und Co.? Nein! Sicherlich, die humoristische Ausrichtung und Freundschaft zwischen Juan und Lázaro erinnert nicht von ungefähr an jenen modernen britischen Klassiker, doch „Juan“ bemüht sich erfolgreich um eigenen Charakter. Hierfür wirft er jede Menge Lokalkolorit in die Waagschale und zeigt neben viel Sonne und leichter kubanischer Lebensart ein Havanna, das im Laufe des Films immer sanierungsbedürftiger wird. Juan und seine Truppe sind typische Anti-Helden, eigentlich eine richtiggehende Gurkentruppe, die durch ihre Zusammenarbeit jedoch über sich hinauswächst. Insbesondere Juan ist dabei getrieben von der Liebe und Treue zu seinem Land, die sozialistische Regierung ausgenommen. Diese Ambivalenz, die aus Juan einen stolzen, patriotischen Kubaner auf der einen und einen desillusionierten Regierungskritiker auf der anderen Seite macht, zieht sich durch die gesamte, an regierungskritischen Kommentaren nicht arme Handlung und ist vermutlich Ausdruck eines Gefühls der Zerrissenheit, das so viele Kubanerinnen und Kubaner in sich tragen.

„Perverse Spanier!“

Indes ist „Juan of the Dead“ keinesfalls ein verkopfter politischer, sondern in erster Linie ein Unterhaltungsfilm – und zwar auf relativ hohem Niveau. Die Charaktere verdienen diese Bezeichnung, die Schauspieler interagieren prima miteinander und allen nicht immer gänzlich gelungenen Gags zum Trotz findet Brugués auch Zeit und Raum für leise Töne, für ernste Momente, für echte Gefühle. Ihm ist zuzuschreiben, dass sein Film weder niemals ernstzunehmender, heillos überzeichneter, alberner Junk-Trash zum einmaligen Anschauen und Vergessen, noch eine reine, nerdige Hommage an die großen US- und europäischen Zombie-Klassiker wurde, mit der ein weniger geeichtes Publikum schnell nichts mehr anzufangen weiß. Und dennoch gibt es einige Reminiszenzen an Romero, Fulci und Konsorten, wobei der gesellschafts- und zivilisationskritische Subtext natürlich der interessanteste Aspekt ist: Romeros kapitalismusgeschädigte Konsumzombies werden unter Brugués zu phlegmatischen Sozialistenzombies und beide sind ach so ähnlich in ihrer Rolle als Opfer eines diskussionswürdigen Systems. Brugués tut jedoch gut daran, dies so nicht auszusprechen, denn bekanntermaßen ist die Realität weitaus komplexer als diese arg verkürzte Interpretation, hat Kuba seine individuelle Geschichte und seine Gründe für seine politische Entwicklung, die erst verstanden werden kann, bezieht man die Rolle der USA in seine Betrachtungen ein.

„Kannst du immer noch nicht Gut von Böse unterscheiden?!“ – „Camila, glaub mir: Das war immer das Schwierigste in diesem Land!“

Juan und seine Freunde dürfte all dies jedoch weniger interessieren als die Einschränkungen ihres Alltags, mit denen man sich im Laufe der Jahrzehnte arrangiert hat. Sie sind Angehörige des einfachen Volks und sehen sich nun einer Zombie-Plage gegenüber. Diese sieht auch der Zuschauer und wird Zeuge einiger blutiger Spezialeffekte, für die Brugués nicht gleich in die Vollen geht. Ein ausuferndes Gemetzel im Hotel wird nicht gezeigt, die Bilder entstehen vor dem Hintergrund der Geräuschkulisse zu schwarzem Bild. Nach und nach legt man jedoch in Bezug auf grafische Härte Zahn für Zahn zu, bis es zum Höhepunkt in Form einer Massenköpfung mithilfe des hinzugestoßenen US-Amerikaners Preacher Jones (Antonio Dechent, „El dia de la bestia“) kommt – der schließlich aus Versehen ebenfalls getötet wird. Generell sollte sich hier niemand seines Lebens allzu sicher sein, denn es gibt durchaus Friendly Fire, die Truppe geht über Leichen und der schwarze Humor blüht bisweilen beinahe schmerzhaft auf. Dass die Konfrontation mit dem Militär nichts Gutes verheißt, verwundert angesichts der Ausrichtung des Films wenig; nackt sollen die Freunde zur Zwangsarbeit gebracht werden. Noch im Transporter eskaliert die Situation, man muss unbekleidet durch die Stadt laufen, Zombiejäger werden selbst infiziert usw.

Auf zwei, drei altbekannte Genre-Charakteristika kommt ungefähr eine neue, frische, eigene Idee, was die Handlung über die gesamte Dauer interessant hält, wenngleich das Timing noch nicht perfekt ist und es neben Längen auch einen übermäßigen CGI-Gebrauch zu bemängeln ist. Auch der Witzgehalt ist, wie bereits angesprochen, nicht immer voll auf der Höhe, hier und da wären mir trockenerer Humor und Understatement lieber gewesen. Dies schmälert den positiven Gesamteindruck dieses mit seiner Exotik punktenden, jedoch ohne mitleidigen Exoten-Bonus auskommenden Werks jedoch lediglich in geringem Maße. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die hübschen Damen, die sich (nicht nur) als Augenschmaus in den Film integrieren – und mit good old Sid Vicious’ „My Way“ im Abspann holt man einen alten Punk wie mich natürlich auch richtiggehend ab.

Neben viel gelungener Zombie-Action und einer angenehm schwarzhumorigen sowie fürs komödiantische Subgenre ungewöhnlich menschelnden Geschichte scheint mir „Juan of the Dead“ vor allem eine Aussage transportieren zu wollen, mit der ich meine Kritik abschließe: Bleibe im Land und wehre dich redlich.
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Searching for Sugar Man

„Sugar man, won't you hurry 'cos I'm tired of these scenes. For a blue coin won't you bring back all those colors to my dreams...“

Auf einer seiner Reisen, die ihn u.a. nach Afrika führte, wo er Geschichten fürs schwedische Fernsehen finden sollte, erfuhr der ehemalige schwedische Kinderdarsteller Malik Bendjelloul von Plattenladenbesitzer „Sugar“ eine unglaubliche Geschichte, an der er mittels seines 2012 erschienenen Dokumentarfilms „Searching for Sugar Man“ die Weltöffentlichkeit teilhaben ließ:

Der in Detroit lebende US-amerikanische Folk-Singer-Songwriter Sixto Díaz Rodriguez nahm in den Jahren 1970 und ’71 für seine Plattenfirma die Alben „Cold Fact“ und „Coming from Reality“ auf, denen kein nennenswerter Erfolg beschieden war. Kurz darauf verschwand er von der Bildfläche. Was er jedoch nicht wusste: Im unter dem Apartheits-Regime ächzenden Südafrika verbreiteten sich Kopien seiner Alben auf wundersame Weise, gelangten zu großer Popularität und hatten bald den Status gesellschafts- und systemkritischer Protestsongs inne. Um Rodriguez rankten sich alsbald Mythen wie die, dass er gar nicht mehr unter den Lebenden weilen würde, seit er sich nach einem öffentlichen Auftritt auf der Bühne das Leben genommen habe. Dass tatsächlich keinerlei Informationen zu seiner Person bekannt waren, befeuerte diese Legendenbildung. Für eine Neuauflage von „Coming from Reality“ rief der südafrikanische Plattenladenbetreiber Stephen „Sugar“ Segerman 1996 die Fans dazu auf, selbst Nachforschungen zu betreiben, was den Musikjournalisten Craig Bartholomew Strydom dazu animierte, 1997 eine entsprechende Website ins Internet zu stellen. Und tatsächlich: Rodriguez wurde 1998 ausfindig gemacht, erfreute sich bester Gesundheit und hatte von seinem Starstatus in Südafrika all die Jahre nicht das Geringste geahnt…

„Sugar man, met a false friend on a lonely dusty road. Lost my heart, when I found it it had turned to dead black coal...“

Rodriguez‘ mir zuvor vollkommen unbekannte Musik entpuppt sich als Arbeiterklassen-Folk mit wenig hippiesken, vielmehr nüchternen bis düster-desillusorischen Texten, die dennoch voller Poesie stecken. Dass der Prophet im eigenen Lande nichts gelte, ist eine häufig kolportierte Binsenweisheit, die sich im Falle Rodriguez‘ jedoch bewahrheiten sollte. Akribisch und dramaturgisch spannend erzählt Bendjelloul anhand vieler Originalaussagen Segermans und Strydoms die von Südafrika aus initiierte Suche nach Rodriguez nach und lässt einige ehemalige Bekannte zu Wort bekommen. Die diversen wilden Gerüchte über Rodriguez vermeintlichen Tod lassen zunächst nichts Gutes erahnen, doch schließlich wird er gefunden, jener schüchterne, zurückhaltende, bescheidene und bodenständige Musiker, der nicht nur durch seine Kamerascheue auch rätselhaft bleibt, nachdem man ihn endlich aufgespürt hatte. Er verdingte sich als einfacher Arbeiter und schien seinen Frieden mit sich und der Welt gemacht zu haben.

Und dies ist mitnichten das Ende des Films, sondern der Startschuss für umjubelte Auftritte Rodriguez‘ in Südafrika, wo er mit seiner Musik die Generationen vereint und begeistert und damit endlich den Zuspruch bekommt, den er verdient. Das ist alles wunderbar erzählt, emotional, rührend und beinahe zu schön, um wahr zu sein – auf diese Wirkung hin wurde der mit hübschen animierten Zwischensequenzen versehene „Searching for Sugar Man“ zweifelsohne konzipiert, was ihn zu einer Art realem Märchen macht. Um diesen Effekt nicht zu gefährden, sparte man die Tatsache aus, dass Rodriguez auch in Australien ein gefragter Künstler war, wovon er ebenfalls relativ spät, jedoch noch in den 1970ern erfuhr und 1979 und 1981 erfolgreich den Kontinent für Live-Konzerte bereiste. Viel zu wenig geht Bendjelloul auch auf die unrühmliche Rolle der Musikindustrie ein, die es immerhin hauptsächlich zu verschulden hat, dass Rodriguez nichts von seiner Popularität ahnte und die ihn letztlich eiskalt um seinen Anteil an den afrikanischen Neuauflagen seiner Alben betrogen hat. Dieser Umstand wird nur am Rande gestreift und in dieser Konsequenz nie deutlich formuliert – dabei ist gerade Sixto Rodriguez‘ Schicksal ein Paradebeispiel dafür, wie insbesondere in der Vergangenheit die Musikindustrie ihre Künstler zum Teil ausgebeutet und übervorteilt hat.

Unabhängig davon ist „Searching for Sugar Man“ ein großartiges musikalisches Porträt eines Mannes, dem man den späten Ruhm von Herzen gönnt und dessen höchst interessantes Œuvre damit einer breiten Öffentlichkeit über Südafrika hinaus nahegebracht wurde. Das empfanden auch andere so, sodass Bendjelloul für seinen Film einige respektable Auszeichnungen einheimsen konnte – eine Genugtuung für den Regisseur, der zusammen mit Kamerafrau Camilla Skagerström seit 2006 an seinem Film gearbeitet, kaum Budget zur Verfügung und vieles über die Regie Hinausgehende in bester D.I.Y.- und „Learning by doing“-Manier selbst gemacht hatte.

„Sugar man, you're the answer that makes my questions disappear. Sugar man, 'cos I'm weary of those double games l hear...“
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Full Eclipse

„Wir brauchen ein neues Auto.“

Douglas „Theater des Grauens“ Hickox‘ Sohn Anthoy Hickox hatte sich Ende der 1980er und Anfang der ‘90er mit Filmen wie „Waxwork“ und „Hellraiser III“ einen Namen im Horrorgenre gemacht und im Jahre 1993 neben „Warlock - The Armageddon“ den Polizei-Action-Thriller/Werwolf-Horror-Genre-Mix „Full Eclipse“ fürs US-amerikanische Bezahlfernsehen gedreht.

Die Polizisten Max Dire (Mario van Peebles, „Der weiße Hai – Die Abrechnung“) und sein Partner Jim Sheldon (Tony Denison, „Kind des Satans“) geraten in einen Einsatz in einer Diskothek, wo eine Geiselnahme blutig endet. Jim wird schwer verletzt, es steht nicht gut um ihn. Umso überraschter ist Max, als Jim bereits kurze Zeit darauf wieder in vollem Saft steht und sich zum Dienst zurückmeldet. Doch damit nicht genug: Er scheint übermenschliche Kräfte entwickelt zu haben und nimmt es locker mit den schießwütigsten Gangstern auf. Es dauert jedoch nicht lange und Jim nimmt sich selbst das Leben. Max lernt daraufhin den Psychologen Adam Garou (Bruce Payne, „H.P. Lovecraft's Necronomicon“) kennen, der ihn in eine sehr spezielle Selbsthilfegruppe einlädt: Garou ist Oberhaupt einer im Verborgenen agierenden Spezialeinheit, die er mittels eines geheimen Serums zu Superpolizisten macht, welche sich zudem in Werwölfe verwandeln…

Nach einer kurzen Einführung beginnt „Full Eclipse“ rasant: Beim Disco-Einsatz wird viel geschossen und blutig getroffen und nach Vorbild der John-Woo-Actioner ballert Max aus allen Rohren, während er sich in Zeitlupe über den Fußboden wälzt. In Sachen Action war dies jedoch bereits der Höhepunkt des Films, der fortan eine nette Neo-Noir-Atmosphäre überstülpt. Max versucht, dem Rätsel auf den Grund zu gehen, kommt Garou auf die Schliche, gerät jedoch selbst in dessen Fänge. Für eine Low-Budget-Produktion wie diese fällt die überraschend hochwertige Kameraarbeit positiv ins Gewicht. Im Laufe der Handlung wird der attraktiven Patsy Kensit („Absolute Beginners – Junge Helden“) eine Nebenrolle zugesprochen, während Hickox viele „Badass-Cop“-Klischees bemüht. Polizisten gibt es in diesem Film nämlich keine, alle sind „Cops“, deren pseudocooles Auftreten inkl. ebensolcher Sprüche nervt, dem Action-Kino jedoch immanent zu sein scheint.

Was den Horroranteil betrifft, muss man recht lange auf die heiß ersehnte Verwandlungsszene warten, mit der beinahe jeder Lykanthropie-Film steht und fällt. „Full Eclipse“ gerät dabei leider arg ins Straucheln, denn er enttäuscht mit einer reichlich plumpen Umsetzung. Einigen weiteren Action-Szenen zum Trotz nimmt Hickox früh das Tempo heraus, was Action-Fans nicht sonderlich munden dürfte, und der Horroraspekt bleibt unbefriedigend. „Full Eclipse“ verfügt über einige gelungene Ansätze und längere unterhaltsame Parts, ist letztlich jedoch nicht Fisch noch Fleisch. Sein etwas undurchsichtiges Ende hätte wohl prima als Cliffhanger für eine Fortsetzung funktioniert, die es aber nie gab. Immerhin verfügt der Film über selbstjustizkritische Tendenzen, was ihn von vielen Kollegen im Actionbereich unterscheidet. Glatter Durchschnitt, beinahe dessen Definition.
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Wasting Away

„Ich fühle mich nicht wie ein Zombie!“ – „Idioten fühlen sich auch nicht dumm, aber sie sind es!“

Der US-amerikanische Regisseur Matthew Kohnen debütierte 2007 mit der Low-Budget-Zombiekomödie „Wasting Away“ mit der er einen nur scheinbar neuen Ansatz verfolgte: Zombies als durchaus „menschliche“, empfindsame Wesen darzustellen. Dies tat zweifelsohne bereits Subgenre-Papst George A. Romero; gleichwohl treibt Kohnen es auf die Spitze: Er erzählt den Film weitestgehend aus Zombie-Sicht.

„Wir sind Zombies – Zombies rennen nicht!“

Die jugendliche Clique bestehend aus Cindy (Betsy Beutler, „Der Feind in Dir“), Mike (Matthew Davis, „Düstere Legenden 2“), Vanessa (Julianna Robinson) und Tim ( Michael Grant Terry, „(Traum)Job gesucht“) verzehrt ein Speiseeis, das ohne ihr Wissen mit einer geheimen Substanz des US-Militärs kontaminiert wurde. Dadurch mutieren sie zu Zombies, spüren und sehen im Gegensatz zur Normalbevölkerung diese Veränderungen jedoch nicht. Motorik, Sprache etc. sind bei ihnen extrem verlangsamt, wodurch Nichtzombifizierte auf sie in Überschallgeschwindigkeit zu agieren scheinen und unverständliches, hochfrequentes Kauderwelsch von sich geben. Gleichzeitig erschrecken sich diese naturgemäß vor den Zombies, wodurch sich der Clique der Eindruck erweckt, alle um sie herum seien verrückt geworden und ihrerseits mutiert…

Matthew Kohnen und sein Co-Autor Sean Kohnen zitieren zu Beginn fleißig den Zombiekomödien-Klassiker „Return of the Living Dead“, wenn ein Fass mit Zombifizierungssubstanz angerollt wird und ahnungslose Jugendliche verseucht. Fortan geht „Wasting Away“, wenn auch mit manch augenzwinkernder Anspielung auf das Genre und seine Werke (so wird „Land of the Dead“ frecherweise als „schwuler Film“ bezeichnet), eigene Wege und lebt viel – und über weite Strecken gar nicht schlecht – von Situationskomik, die sich aus den paradoxen Gegebenheiten und den damit einhergehenden Missverständnissen speist. Wer möchte, darf im Subtext gern Betrachtungen des gesellschaftlichen Verhältnisses zu Außenseitern – und umgekehrt – herauslesen. Leider sind nicht nur unsere Zombiefreunde, sondern auch die Mitglieder der Normalgesellschaft stark karikierend überzeichnet worden, was etwas schade ist, da der Film ansonsten sicherlich noch besser funktioniert hätte, jedoch natürlich auch schwieriger umzusetzen gewesen wäre. So aber ist der Humor bisweilen leider etwas flach und bleiben die Charaktere austauschbar.

Die Handlung wird schließlich durch zwei Einschnitte vorangetrieben: Zum einem mit dem Auftauchen des ebenfalls zombifizierten Soldaten Nick Steele (Colby French, „Sleeping Dogs Lie“), der zumindest so viel von den Militärexperimenten weiß, dass mittels des Serums Supersoldaten geschaffen werden sollten, sich sowie die Clique aber naiverweise für eben diese hält und nicht in Betracht zieht, dass das Experiment missglückt ist, stattdessen gar die Nichtinfizierten für die Mutanten hält, die es als Supersoldat zu bekämpfen gelte. Zum anderen mit der späten Erkenntnis um den tatsächlichen Zustand, der Bewusstwerdung des Untoten-Daseins. „Wasting Away“ rückt stark in Richtung einer Militär-Pathos-Persiflage, was angenehm kritische Töne gegenüber den Action- und Kriegsfilm-Genres anschlägt. Das Militär mischt sich ebenfalls in die Handlung ein, verfolgt die Zombies und nimmt Steele gefangen. Selbstverständlich wird aber auch geschossen, geblutet, gesplattert und gespeist, wenngleich ich nicht ganz verstanden habe, weshalb (im Gegensatz zum o.g. ROTLD) lediglich einer der Zombies menschliches Gehirn auf seinen Speiseplan gesetzt hat.

Um zu verdeutlichen, welche Sichtweise die Kamera jeweils einfängt, zeigt Kohnen lediglich die Zombie-Perspektive in Farbe, während er die der Nichtinfizierten in Schwarzweiß getaucht hat. Ob dies unbedingt nötig gewesen wäre, sei dahingestellt, nach kurzer Eingewöhnung stört es jedoch auch nicht. Sein geringes Budget sieht man „Wasting Away“ mal mehr, mal weniger deutlich an, Schauspieler, Maske und Spezialeffektabteilung halten jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeit dagegen. Eine Interpretationsmöglichkeit hat sich mir als Hobby-Trinker übrigens regelrecht aufgedrängt: Die Allegorie auf übermäßigen Alkoholkonsum (symbolisiert durch das Speiseeis) und die Folgen: Man wird in seiner Motorik, Sprache usw. immer eingeschränkter, bemerkt dies jedoch zunächst nicht, hält sich tendenziell ebenfalls für übermächtig und versteht die Nichtkonsumenten einfach nicht mehr. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Betrunkene auf die Zombies als Ihresgleichen wirken, was u.a. in den köstlichen Szenen in einer Bowlingbahn kulminiert, wo sich Betrunkene und Zombies zunächst munter vermischen.

Doch ganz gleich, was man aus „Wasting Away“ herauszulesen gedenkt oder eben auch nicht: So wie hier hat man Zombies noch nie gesehen und auch, wenn Kohnens Regie-Debüt nicht gänzlich geglückt ist, schon gar nicht zu den großen Zombie-Komödienklassikern aufschließen kann, bin ich für diesen gute Unterhaltung bietenden Lichtblick innerhalb eines verdammt impulsarm gewordenen Genres dankbar. Hörenswert: Der Soundtrack mit den Newton Brothers, Camper Van Beethoven und dem Random Task Collective.
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