Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
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Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Eine Dame verschwindet
(The Lady Vanishes)
mit Margaret Lockwood, Michael Redgrave, Paul Lukas, Dame May Whitty, Cecil Parker, Linden Travers, Naunton Wayne, Basil Radford, Mary Clare, Emile Boreo, Googie Withers, Sally Stewart, Philip Leaver, Selma Vaz Dias, Catherine Lacey
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Ethel Lina White (Geschichte) / Sidney Gilliat (Drehbuch)
Kamera: Jack E. Cox
Musik: Louis Levy / Charles Williams
FSK 12
Großbritannien / 1938
Im Balkanexpreß freundet sich die junge Iris (Margaret Lockwood) mit der großmütterlichen Miß Froy (May Whitty) an. Als die Dame spurlos verschwindet und Iris nach ihr sucht, will keiner der Mitreisenden sie je gesehen haben. Nur der smarte Gilbert (Michael Redgrave) glaubt Iris…
Wer bis jetzt der Meinung war, das der 2005 erschienene Film "Flightplan - Ohne jede Spur" über eine überraschende und innovative Story verfügt, der wird sich nach der Ansicht dieses Hitchcock-Klassikers von 1938 eines Besseren belehren lassen müssen und feststellen, das die Geschichte schon knapp 70 Jahre auf dem Buckel hat. Denn bis auf kleinere Änderungen wird hier fast die gleiche Geschichte erzählt und sie ist trotz ihres Alters nicht minder spannend. Vor allem ist es Hitchcock hier meisterlich gelungen, den Spannungsbogen konstant auf einem sehr hohen Level zu halten, da der Zuschauer die ganze Zeit über darüber im Unklaren gelassen wird, wie sich alles zueinander verhält. Erst ganz kurz vor dem Ende offenbaren sich die ganzen Zusammenhänge und man erfährt, warum die alte dame überhaupt verschwunden war.
Doch bis dahin ist es ein ziemlich weiter Weg, der aber jederzeit spannend und interessant gestaltet ist, aber auch einige humorige Passagen zu bieten hat. Die gesamte Geschichte deutet eigentlich seit dem Verschwinden der alten Mrs. Troy auf ein großangelegtes Komplott hin, jedoch weiss man die ganze Zeit über nicht, wer alles darin verwickelt ist, geschweige denn, das man ein Motiv erkennen könnte. Durch diesen Geschichtsaufbau sorgt Hitchcock dafür, das die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu keiner Zeit abnimmt, eher das Gegenteil ist hier der Fall. Man achtet ganz besonders auf Kleinigkeiten, um auch ja nichts zu übersehen, was einen eventuell auf die richtige Fährte schicken könnte, doch so sehr man sich auch bemüht, es sind keine Anzeichen zu entdecken, so das gerade das Ende des Films doch eine kleine Überraschung darstellt.
Besonders hat mir das dargebotene Schauspiel gefallen, denn bei fast allen Filmen aus dieser Zeit gibt es auch hier diese herrlich theatralische Note zu sehen, was jetzt aber keineswegs negativ zu verstehen ist. Aber nicht selten entsteht der Eindruck, das man viel eher ein Bühnenstück zu sehen bekommt als einen Film, denn die Darsteller bestechen größtenteils durch herrlich überzogene Gesten und Mimik, wie man sie sonst nur im Theater zu sehen bekommt. Manchen Leuten mag das etwas antiquiert und angestaubt vorkommen, aber ich bin der Meinung, das gerade diese Dinge den Filmen der damaligen Zeit ihren ganz eigenen Charme verleihen. Dazu zählt auch der phasenweise vorhandene Humor, der von einer ganz eigenen Art ist und einem so manchen Schmunzler entlocken kann.
Und dennoch handelt es sich hier um einen größtenteils ernstzunehmenden Thriller, der über einen sehr gekonnten Spannungsaufbau verfügt, der jederzeit dazu in der Lage ist, den Betrachter zu fesseln und in seinen bann zu ziehen. Insbesondere Nostalgiker werden an diesem tollen und spannenden Film ihre helle Freude haben und sich bestens unterhalten wissen.
Fazit:
Auch wenn "Eine Dame verschwindet" vielleicht nicht zu den bekanntesten Werken des wohl besten Regisseurs aller Zeiten zählt, so bekommt man es mit einem jederzeit spannenden und unterhaltsamen Thriller zu tun, zu dem es auch ein Remake aus dem Jahre 1979 gibt, in dem Elliott Gould, Cybill Sheperd und Angela Lansbury die Hauptrollen spielen. Wer aber die Möglichkeit hat, sollte unbedingt auf dieses herrliche Original zurückgreifen, denn dessen Charme ist einfach nicht zu kopieren.
8/10
Big Brother is watching you
Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock
Der Film ist schon ziemlich wegweisend. Zahlreiche Hitchcock-Elemente kommen hier zum Tragen und auch die Geschichte des plötzlich verschwundenen und scheinbar nie existenten Passagiers, wurde in der Folge von weniger talentierten Regisseuren immer wieder durchgekaut. Als letztes aktuelles Beispiel fällt mir hier "Flightplan" mit Jodie Foster ein. Quasi ein "Best-of-British-Years", so wie "Der unsichtbare Dritte" dann später ein "Best-Of-Hollywood-Years (so far)" war.
Früher war mehr Lametta
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Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Erscheint voraussichtlich am 08.07.2022 bei Magic Movie noch einmal innerhalb der "Film Noir Edition - Dunkle Thriller"-4-DVD-Box:

Beinhaltet:
- Film 1: Interpol auf heißer Spur / GB / 1957 / 88 Min.
- Film 2: Die Villa am Ufer / USA / 1950 / 81 Min.
- Film 3: Begegnung mit der Unbekannten / USA / 1956 / 79 Min.
- Film 4: Gefährliche Mission / USA / 1954 / 74 Min.
- Film 5: Höhenangst / USA / 1956 / 79 Min.
- Film 6: Five Minutes to Live / USA / 1961 / 76 Min.
- Film 7: Der Hexer / Deutschland / 1932 / 85 Min.
- Film 8: Union Jack / UK / 2011 / 100 Min.
- Film 9: Rebecca / USA / 1940 / 126 Min.
- Film 10: Eine Dame verschwindet / GB / 1938 / 92 Min.
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=117799

Beinhaltet:
- Film 1: Interpol auf heißer Spur / GB / 1957 / 88 Min.
- Film 2: Die Villa am Ufer / USA / 1950 / 81 Min.
- Film 3: Begegnung mit der Unbekannten / USA / 1956 / 79 Min.
- Film 4: Gefährliche Mission / USA / 1954 / 74 Min.
- Film 5: Höhenangst / USA / 1956 / 79 Min.
- Film 6: Five Minutes to Live / USA / 1961 / 76 Min.
- Film 7: Der Hexer / Deutschland / 1932 / 85 Min.
- Film 8: Union Jack / UK / 2011 / 100 Min.
- Film 9: Rebecca / USA / 1940 / 126 Min.
- Film 10: Eine Dame verschwindet / GB / 1938 / 92 Min.
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=117799
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Erscheint voraussichtlich am 28.04.2023 noch einmal bei Magic Movie innerhalb der "Film Noir Omnibus"-10-DVD-Box:

Bemerkungen:
26 Filme auf 10 DVDs:
Interpol / Pickup
Der Hexer (1932)
Union Jack
Rebecca
Eine Dame verschwindet
Kennwort 777
Schonungslos
Die Maske runter
Tote schlafen besser und viele weitere Filme
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=121508

Bemerkungen:
26 Filme auf 10 DVDs:
Interpol / Pickup
Der Hexer (1932)
Union Jack
Rebecca
Eine Dame verschwindet
Kennwort 777
Schonungslos
Die Maske runter
Tote schlafen besser und viele weitere Filme
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=121508
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen Hitchcocks wirkte dieser hier auf mich ziemlich angestaubt und die Action ziemlich ungelenk inszeniert, wie z. B. das Handgemenge im Gepäckwagen und die Schießerei am Ende.
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Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
„Ein drittklassiges Land, was erwarten Sie...“
Alfred Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“, britisch produziert und im europäischen Schicksalsjahr 1938 veröffentlicht, ist ein Thriller mit komödiantischen Anleihen, der nach dem gleichnamigen, zwei Jahre zuvor erschienenen Roman Ethel Lina Whites entstanden ist – und zugleich ein Kommentar zu Nazideutschland und dem bevorstehenden Zweiten Weltkrieg.
„Ein musikalisches Land!“
Eine Lawine stoppt den Zug von Budapest nach Basel inmitten dem diktatorisch-totalitär regierten Bandrika, die Fahrgäste kehren in einem Gasthof ein. Unter ihnen befinden sich zwei englische Cricket-Fans (Basil Radford, „Jung und unschuldig“ und Naunton Wayne, „Something Always Happens“) sowie ein Pärchen, bestehend aus zwei Personen, die ihren jeweiligen Partner miteinander betrogen haben. Schon länger auf seine Weiterfahrt wartet eine Dreiergruppe um Iris Henderson (Margaret Lockwood, „Fräulein Winnetou“), die in Kürze heiraten will. An ihrer Seite befinden sich der britische Musikhistoriker Gilbert Redman (Michael Redgrave, „Traum ohne Ende“) und die musikalische Gouvernante Miss Froy (May Whitty, „Verdacht“). Diese lauscht einem Straßensänger und pfeift anschließend eine Melodie vor sich hin – dass der Straßensänger kurz darauf erwürgt wird, bekommt sie nicht mit. Zudem wirft jemand einen Blumenkasten auf Miss Froy, der aber Iris trifft. Mittlerweile geht die Zugfahrt weiter und Miss Froy betreut die verletzte Iris. Nachdem Iris ein Nickerchen gemacht hat, ist Miss Froy plötzlich verschwunden. Seltsamerweise will sie auch niemand je gesehen haben und man versucht Iris auf ihre Fragen hin einzureden, sie sei aufgrund ihrer Kopfverletzung verwirrt. In Gilbert findet sie jedoch einen Verbündeten, der sie ernstnimmt. Im Zug taucht eine Art Doppelgängerin Miss Froys auf und Iris zweifelt an ihrem Verstand – oder ist sie tatsächlich einer Verschwörung auf der Spur…?
„Erkennen Sie das Leitmotiv?“
Der Auftakt ist wuselig, denn im Gasthof herrscht reges Treiben. Hitchcock führt in die Figuren ein, ausländisch geführte Dialoge bleiben dabei unübersetzt. Der Humor ist etwas albern und die britischen Cricket-Fans, die sehr mit ihrem unfreiwilligen Aufenthaltsort hadern, kurios spleenig. In diese Szenerie platzen der Mord am Straßensänger und der Anschlag auf Iris, der eigentlich Miss Froy gegolten hatte. Wie man ihr einzureden versucht, dass sie nie eine Miss Froy kennengelernt habe, ist mit jener Manipulationsmethode vergleichbar, die man später als Gaslighting bezeichnen sollte. Doch anstatt etwa seine Spannung daraus zu beziehen, ob wir als Zuschauerinnen und Zuschauer in der Tat lediglich Iris‘ Halluzinationen bezeugten, stellt die Dramaturgie recht schnell klar, dass dem mitnichten so ist.
„Irgendetwas Sonderbares liegt hier in der Luft...“
Spätestens mit dem Auftauchen der falschen Miss Froy ist „Eine Dame verschwindet“ zum beunruhigenden Thriller geworden, der seinen Reiz unter anderem aus der Isolationssituation im Zug und den vielen fremden Menschen um Iris herum bezieht. Wie Iris und Gilbert sich miteinander anfreunden und sich schließlich zusammentun, ist wiederum ganz süß gezeichnet. Auf eine kleine Kampfeinlage im Gepäckwagen jedoch folgt ein aufsehenerregender Zug-Stunt und die Handlung wird angenehm spannend. Das Motiv wird erst am Ende aufgedeckt und der Showdown etabliert einen Belagerungszustand mitsamt Schießerei.
„Was für eine unerfreuliche Reise!“
Bahnchaos, zwielichtige Fahrgäste, Gefahr für Leib und Leben – das klingt nicht nur nach der deutschen Bahn, tatsächlich ist mit Bandrika das Dritte Reich unter der Knute Adolf Hitlers gemeint. Es heißt, Hitchcock habe die Zensur umgehen müssen, die Kritik an der britischen Regierung an Nazideutschland untersagte. Dennoch wollte er auf diese, seinerzeit sicherlich leichter denn heutzutage als Chiffre erkennbare Weise die damalige britische Politik des Stillhaltens und Wegduckens kritisieren, wofür er auch die Rolle eines naiven Pazifisten als Analogie auf die Sinnlosigkeit des Pazifismus gegenüber der NS-Diktatur ins Drehbuch schrieb. Hitchcock sollte Recht behalten.
Aber auch unabhängig von dieser starken politischen Komponente ist „Eine Dame verschwindet“ auf eine gelungene Art very british. Aus seinen humorigen Komponenten überzeugt zumindest der Dialogwitz, die Romanze gegen Ende hingegen hätte es nicht unbedingt gebraucht. Die beiden Cricket-Fans übrigens kamen derart gut an, dass sie – wenn auch im erst im Jahre 1985 – ihre eigene Fernsehserie „Charters & Caldicott“ erhielten. „Eine Dame verschwindet“ zählt sicherlich nicht zu Hitchcocks Top-Riege, ist aber insbesondere im zeitlichen Kontext betrachtet ein sehr interessanter und dabei zugleich unterhaltsamer Film.
Alfred Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“, britisch produziert und im europäischen Schicksalsjahr 1938 veröffentlicht, ist ein Thriller mit komödiantischen Anleihen, der nach dem gleichnamigen, zwei Jahre zuvor erschienenen Roman Ethel Lina Whites entstanden ist – und zugleich ein Kommentar zu Nazideutschland und dem bevorstehenden Zweiten Weltkrieg.
„Ein musikalisches Land!“
Eine Lawine stoppt den Zug von Budapest nach Basel inmitten dem diktatorisch-totalitär regierten Bandrika, die Fahrgäste kehren in einem Gasthof ein. Unter ihnen befinden sich zwei englische Cricket-Fans (Basil Radford, „Jung und unschuldig“ und Naunton Wayne, „Something Always Happens“) sowie ein Pärchen, bestehend aus zwei Personen, die ihren jeweiligen Partner miteinander betrogen haben. Schon länger auf seine Weiterfahrt wartet eine Dreiergruppe um Iris Henderson (Margaret Lockwood, „Fräulein Winnetou“), die in Kürze heiraten will. An ihrer Seite befinden sich der britische Musikhistoriker Gilbert Redman (Michael Redgrave, „Traum ohne Ende“) und die musikalische Gouvernante Miss Froy (May Whitty, „Verdacht“). Diese lauscht einem Straßensänger und pfeift anschließend eine Melodie vor sich hin – dass der Straßensänger kurz darauf erwürgt wird, bekommt sie nicht mit. Zudem wirft jemand einen Blumenkasten auf Miss Froy, der aber Iris trifft. Mittlerweile geht die Zugfahrt weiter und Miss Froy betreut die verletzte Iris. Nachdem Iris ein Nickerchen gemacht hat, ist Miss Froy plötzlich verschwunden. Seltsamerweise will sie auch niemand je gesehen haben und man versucht Iris auf ihre Fragen hin einzureden, sie sei aufgrund ihrer Kopfverletzung verwirrt. In Gilbert findet sie jedoch einen Verbündeten, der sie ernstnimmt. Im Zug taucht eine Art Doppelgängerin Miss Froys auf und Iris zweifelt an ihrem Verstand – oder ist sie tatsächlich einer Verschwörung auf der Spur…?
„Erkennen Sie das Leitmotiv?“
Der Auftakt ist wuselig, denn im Gasthof herrscht reges Treiben. Hitchcock führt in die Figuren ein, ausländisch geführte Dialoge bleiben dabei unübersetzt. Der Humor ist etwas albern und die britischen Cricket-Fans, die sehr mit ihrem unfreiwilligen Aufenthaltsort hadern, kurios spleenig. In diese Szenerie platzen der Mord am Straßensänger und der Anschlag auf Iris, der eigentlich Miss Froy gegolten hatte. Wie man ihr einzureden versucht, dass sie nie eine Miss Froy kennengelernt habe, ist mit jener Manipulationsmethode vergleichbar, die man später als Gaslighting bezeichnen sollte. Doch anstatt etwa seine Spannung daraus zu beziehen, ob wir als Zuschauerinnen und Zuschauer in der Tat lediglich Iris‘ Halluzinationen bezeugten, stellt die Dramaturgie recht schnell klar, dass dem mitnichten so ist.
„Irgendetwas Sonderbares liegt hier in der Luft...“
Spätestens mit dem Auftauchen der falschen Miss Froy ist „Eine Dame verschwindet“ zum beunruhigenden Thriller geworden, der seinen Reiz unter anderem aus der Isolationssituation im Zug und den vielen fremden Menschen um Iris herum bezieht. Wie Iris und Gilbert sich miteinander anfreunden und sich schließlich zusammentun, ist wiederum ganz süß gezeichnet. Auf eine kleine Kampfeinlage im Gepäckwagen jedoch folgt ein aufsehenerregender Zug-Stunt und die Handlung wird angenehm spannend. Das Motiv wird erst am Ende aufgedeckt und der Showdown etabliert einen Belagerungszustand mitsamt Schießerei.
„Was für eine unerfreuliche Reise!“
Bahnchaos, zwielichtige Fahrgäste, Gefahr für Leib und Leben – das klingt nicht nur nach der deutschen Bahn, tatsächlich ist mit Bandrika das Dritte Reich unter der Knute Adolf Hitlers gemeint. Es heißt, Hitchcock habe die Zensur umgehen müssen, die Kritik an der britischen Regierung an Nazideutschland untersagte. Dennoch wollte er auf diese, seinerzeit sicherlich leichter denn heutzutage als Chiffre erkennbare Weise die damalige britische Politik des Stillhaltens und Wegduckens kritisieren, wofür er auch die Rolle eines naiven Pazifisten als Analogie auf die Sinnlosigkeit des Pazifismus gegenüber der NS-Diktatur ins Drehbuch schrieb. Hitchcock sollte Recht behalten.
Aber auch unabhängig von dieser starken politischen Komponente ist „Eine Dame verschwindet“ auf eine gelungene Art very british. Aus seinen humorigen Komponenten überzeugt zumindest der Dialogwitz, die Romanze gegen Ende hingegen hätte es nicht unbedingt gebraucht. Die beiden Cricket-Fans übrigens kamen derart gut an, dass sie – wenn auch im erst im Jahre 1985 – ihre eigene Fernsehserie „Charters & Caldicott“ erhielten. „Eine Dame verschwindet“ zählt sicherlich nicht zu Hitchcocks Top-Riege, ist aber insbesondere im zeitlichen Kontext betrachtet ein sehr interessanter und dabei zugleich unterhaltsamer Film.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Du machst mir gerade richtig Lust, den mal wieder zu sehen. Mit Abstand einer meiner liebsten Hitchcocks, ja sogar einer meiner Lieblingsfilme generell, gerade weil er nicht so ganz perfekt ist (aus heutiger Sicht) und trotzdem die Leitplanken für das Thrillergenre mit definiert hat.
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
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Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Danke!Maulwurf hat geschrieben: ↑Di 1. Jul 2025, 18:06 Du machst mir gerade richtig Lust, den mal wieder zu sehen. Mit Abstand einer meiner liebsten Hitchcocks, ja sogar einer meiner Lieblingsfilme generell, gerade weil er nicht so ganz perfekt ist (aus heutiger Sicht) und trotzdem die Leitplanken für das Thrillergenre mit definiert hat.
Über die Bedeutung dieses Films für die Konstituierung des Thriller-Genres habe ich auch kurz nachgedacht, den Gedanken aber wieder verworfen, weil ich schlicht nicht richtig Bescheid weiß und auch hinsichtlich Hitchcocks Frühwerk nicht sattelfest bin. Dieser Film war also von entsprechender Relevanz?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Keine Ahnung ob der relevant war. Aber ich sehe dort halt diejenigen Mechanismen, die einen guten Thriller bis heute ausmachen. Der Otto Normalverbraucher, der sich in einer Affäre wiederfindet, die er überhaupt nicht überblickt, und die ihn immer wieder in akute Lebensgefahr bringt. Das Einbinden exotischer Settings und merkwürdig erscheinender Ausländer. Der undurchsichtige Plot mit politischem Bezug. Die sinistren Nebenpersonen. Die Action, die sich aber der Spannung unterordnet (etwas, was moderne Thriller ja prinzipiell verwechseln).
DIE 39 STUFEN war bereits der erste Schritt, aber nach meiner Meinung ist EINE DAME VERSCHWINDET mit seiner unheimlichen und schwer zu fassenden Atmosphäre der erste Thriller, dessen Spuren bis heute nachvollziehbar sind. Und dessen Sprache auch modern ist. DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE von 1933 zum Beispiel ist auch einer spannender Thriller, aber in seiner Sprache noch eher am vorhergehenden Jahrzehnt orientiert. EINE DAME VERSCHWINDET schaut für mein Verständnis eher nach vorne. Und von den anderen Hitchcocks dieser Zeit braucht man da gar nicht erst anfangen. Gute Thriller, aber nicht ganz so meisterhaft inszeniert wie dieser hier.
DIE 39 STUFEN war bereits der erste Schritt, aber nach meiner Meinung ist EINE DAME VERSCHWINDET mit seiner unheimlichen und schwer zu fassenden Atmosphäre der erste Thriller, dessen Spuren bis heute nachvollziehbar sind. Und dessen Sprache auch modern ist. DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE von 1933 zum Beispiel ist auch einer spannender Thriller, aber in seiner Sprache noch eher am vorhergehenden Jahrzehnt orientiert. EINE DAME VERSCHWINDET schaut für mein Verständnis eher nach vorne. Und von den anderen Hitchcocks dieser Zeit braucht man da gar nicht erst anfangen. Gute Thriller, aber nicht ganz so meisterhaft inszeniert wie dieser hier.
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Re: Eine Dame verschwindet - Alfred Hitchcock (1938)
Danke für die interessaten Ausführungen! "Die 39 Stufen" bspw. habe ich (noch) nicht gesehen. Aber es stimmt: Im Vergleich zu "Dr. Mabuse" wirkt "Eine Dame..." moderner.Maulwurf hat geschrieben: ↑Do 3. Jul 2025, 18:26 Keine Ahnung ob der relevant war. Aber ich sehe dort halt diejenigen Mechanismen, die einen guten Thriller bis heute ausmachen. Der Otto Normalverbraucher, der sich in einer Affäre wiederfindet, die er überhaupt nicht überblickt, und die ihn immer wieder in akute Lebensgefahr bringt. Das Einbinden exotischer Settings und merkwürdig erscheinender Ausländer. Der undurchsichtige Plot mit politischem Bezug. Die sinistren Nebenpersonen. Die Action, die sich aber der Spannung unterordnet (etwas, was moderne Thriller ja prinzipiell verwechseln).
DIE 39 STUFEN war bereits der erste Schritt, aber nach meiner Meinung ist EINE DAME VERSCHWINDET mit seiner unheimlichen und schwer zu fassenden Atmosphäre der erste Thriller, dessen Spuren bis heute nachvollziehbar sind. Und dessen Sprache auch modern ist. DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE von 1933 zum Beispiel ist auch einer spannender Thriller, aber in seiner Sprache noch eher am vorhergehenden Jahrzehnt orientiert. EINE DAME VERSCHWINDET schaut für mein Verständnis eher nach vorne. Und von den anderen Hitchcocks dieser Zeit braucht man da gar nicht erst anfangen. Gute Thriller, aber nicht ganz so meisterhaft inszeniert wie dieser hier.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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