Aprilkinder - Yüksel Yavuz (1998)

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Aprilkinder - Yüksel Yavuz (1998)

Beitrag von buxtebrawler »

Aprilkinder.png
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Originaltitel: Aprilkinder

Herstellungsland: Deutschland / 1998

Regie: Yüksel Yavuz

Darsteller(innen): Erdal Yildiz, Inga Busch, Bülent Sharif, Senem Tepe, Serif Sezer, Özgür Özata, Kaan Emre, Mesut Ince, Cemal Yavuz, Taylan Sayihr, Hasan Ali Mete, Demir Gökgöl, Idil Üner, Axel Pape, Ercan Durmaz u. A.

Aprilkinder – so werden junge Türken genannt, die während des väterlichen Sommer- und Heimaturlaubs gezeugt wurden und später nach Deutschland folgen. Einer von ihnen ist Cem, er schuftet in einer Hamburger Wurstfabrik und verliebt sich in die deutsche Prostituierte Kim. Seine Eltern haben aber längst die Heirat mit einer Cousine aus dem Heimatdorf arrangiert. Auch Cems Bruder Mehmet hat eigene Pläne: Er will Karriere machen – vom Kleinhehler zum Drogendealer.
Quelle: https://www.cinema.de/film/aprilkinder,1330576.html
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Aprilkinder - Yüksel Yavuz (1998)

Beitrag von buxtebrawler »

„Wofür hab‘ ich so toll geduscht?! Wofür?!“

Nach seinem Dokumentarfilm „Mein Vater, der Gastarbeiter“ und dem ebenfalls dokumentarischen Kurzfilm „100 und ein Mark“ drehte der türkischstämmige Regisseur Yüksel Yavuz mit dem im Jahre 1998 veröffentlichten „Aprilkinder“ seinen ersten Spielfilm, der zugleich seine Uni-Abschlussarbeit war: ein dem Kanon des migrantischen Films zuzuordnendes Drama, das jedoch weitestgehend unbekannt blieb.

Als Aprilkinder bezeichnet man junge Türkinnen und Türken sowie Kurdinnen und Kurden, die von emigrierten Türken bzw. Kurden während des meist jährlichen Heimaturlaubs gezeugt wurden und ebenfalls nach Deutschland auswanderten. Ein solches Aprilkind ist Cem (Erdal Yildiz, „Tatort: Odins Rache“), der in einer Hamburger Wurstfabrik arbeitet und sich in die deutsche Prostituierte Kim (Inga Busch, „Schimanski: Tödliche Liebe“) verliebt. Geht es nach seinen Eltern, heiratet er jedoch eine Cousine aus seiner Heimat. Cems Bruder Mehmet (Bülent Sharif, „Die Schatzinsel“) wiederum ist ein kleinkrimineller Hehler und Drogendealer, der an schnellem Geld und protzigen Statussymbolen interessiert ist…

Verglichen mit einem dito in Hamburg spielenden Film wie beispielsweise „Yasemin“ ist die Grundkonstellation hier eine andere: Zunächst einmal geht es um keine türkische, sondern eine kurdische Familie. Cems und Mehmets Onkel arbeitet im Rotlichtmilieu, ist also nicht derjenige, der auf Traditionswahrung pocht. Der Vater (Cemal Yavuz) hingegen ist krank und keine wirkliche Autorität mehr, dennoch begehren die Kinder innerfamiliär kaum auf. Zu diesen zählt auch Cems und Mehmets Schwester Dilan (Senem Tepe). Die Mutter (Serif Sezer, „Yol – Der Weg“) kriegt überhaupt nicht mit, was tatsächlich vor sich geht, versucht die Familie aber zu Hause zusammenzuhalten. Sie spricht und versteht kein Deutsch, alles muss ihr übersetzt werden. Es handelt sich um eine dysfunktionale Familie.

Somit scheint es wenig verwunderlich, dass die Kinder aus der Art schlagen. Auf der Handlungsebene streiten Cem und Mehmet aufgrund ihrer divergierenden Lebenseinstellungen miteinander, lehnt Cem es erwartungsgemäß ab, seine Cousine, die er kaum kennt, zu heiraten, und macht er sich Hoffnung auf Kim, die seine Gefühle zu erwidern scheint. Den Zuschauern zeigt sich Inga Busch auch oben ohne, puritanergeeignet ist dieser Film nicht. Dilan hat heimlich einen Freund, Mehmets Kumpel Arif (Kaan Emre, „Drei gegen Troja“) – was dieser kritisch beäugt. Cem wiederum ist mit einem heroinabhängigen Dealer befreundet, der ihn ausnutzt. Es geht rau und unwirtlich zu, Momente unverfälschten Glücks sind selten. Damit dürfte „Aprilkinder“ auf vermutlich kaum überzeichnete Weise die Lebensrealität manch Migrantenfamilie in der zweiten Hälfte der 1990er widerspiegeln.

Entsprechend dokumentarisch mutet Yavuz‘ Inszenierung an. Das geht zu Ungunsten der Ästhetik, aber zugunsten der Authentizität. Die vielen kurdisch und türkisch gesprochenen Passagen sind untertitelt. Achtung, Spoiler: Am Schluss wird Cem, also entgegen des Klischees ein Mann, tatsächlich mit der Cousine zwangsverheiratet, um orthodoxen kurdischen Traditionen zu entsprechen. Damit endet der Film bewusst unbefriedigend, er verweigert sich somit einer klassischen Dramaturgie. „Aprilkinder“ ist Migrationskino, das Elemente aus Familiendrama, Gangsterfilm, Coming-of-Age, Liebes- und Milieudrama miteinander vereint und seine Figuren nicht mehr vorrangig als Opfer, sondern in Teilen auch als Täter zeichnet. Und er erklärt nicht, er zeigt. Zumindest die Figur Cem jedoch ist eine melodramatische: Niemand sonst kennt seinen Konflikt, sein Schicksal scheint vorgezeichnet, eigentlich ist er aber ein herzensguter Mensch. Was ihm nicht gedankt wird.
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