Stadt der Verdammten
Silver Lode
USA 1954
Regie: Allan Dwan
John Payne, Lizabeth Scott, Dan Duryea, Dolores Moran, Robert Warwick, Harry Carey Jr., Stuart Whitman, Florence Auer, Alan Hale Jr., Roy Gordon, Morris Ankrum, Hugh Sanders, Walter Bacon, Emile Meyer, John Hudson, Frank Sully, Edgar Barrier
OFDB
Silver Lode
USA 1954
Regie: Allan Dwan
John Payne, Lizabeth Scott, Dan Duryea, Dolores Moran, Robert Warwick, Harry Carey Jr., Stuart Whitman, Florence Auer, Alan Hale Jr., Roy Gordon, Morris Ankrum, Hugh Sanders, Walter Bacon, Emile Meyer, John Hudson, Frank Sully, Edgar Barrier
OFDB
Der eine Mann ist ein Ankläger. Er taucht auf, gibt sich wichtig und selbstbewusst, und klagt einen anderen Mann eines Verbrechens an. Und alle alle folgen ihm … Der eine Mann heißt McCarty und sagt er wäre Bezirksstaatsanwalt. Weiter sagt er, er sei gekommen, den anderen Mann zu verhaften, vor Gericht zu bringen und zum Henker zu geleiten. Der andere Mann, das ist Dan Ballard, der vor zwei Jahren als Obdachloser in die Stadt kam, sich einen hervorragenden Ruf und eine riesige Rinderherde aufgebaut hat, und jetzt in diesem Augenblick gerade heiraten will. Doch McCarty setzt ihm vor dem Priester die Pistole auf die Brust und zwingt ihn, mitzukommen. Jetzt. Auf der Stelle. Ansonsten stirbt er sofort. Ballard schafft es, zwei Stunden Aufschub zu bekommen. Zwei Stunden, in denen er seine Unschuld beweisen will. Und in denen er bis auf zwei Ausnahmen alle Bewohner der Stadt gegen sich aufbringt. Seine Freunde erschießen muss. Und zum Gejagten eines unkontrollierbaren Mobs wird.
Die erste Hälfte der 50er-Jahre stand in den USA im Zeichen des Kommunistenjägers Joseph McCarthy (sic!), der eine beispiellose Hexenjagd gegen alles lostrat, was politisch auch nur ansatzweise nach links aussah (richtiger: Wer nicht ultrarechts war, der war automatisch ein Kommunist), und viele Lebensläufe und Schicksale vorsätzlich zerstörte. Vergleichbar mit den Hexenprozessen in Salem 1692 wurde damals einfach auf alles Jagd gemacht, was der gängigen Meinung nicht zu 100 Prozent entsprach. Und wer mit dem „Regime“ kollaborierte und seine Kollegen oder Freunde belastete (sprich: Verriet), der durfte weiter arbeiten. So mehr oder weniger ehrenhaft. Eher weniger …
Dan Ballard also. Ein Fremder, der sich in dieser Stadt einen guten Namen und eine Einkommensquelle aufgebaut hat, und der jetzt die Tochter des reichsten Mannes des Ortes heiraten möchte. Der also allen Grund hat zu behaupten, dass er es wirtschaftlich und sozial „geschafft“ hat. Doch dann kommen die Geister aus der Vergangenheit, so etwas wie eine jugendliche Mitgliedschaft in einer linken Partei, die angebliche Mitarbeit an einem antisemitischen Flugblatt, oder wie in vorliegendem Fall ein ungeklärter Tod an einem Spieltisch. Und prompt wendet sich das Blatt – Der erste, der wohl Ballard den Erfolg schon immer geneidet hat, ist schnell gefunden, und der hält mit seiner Meinung auch nicht zurück. Der zweite schließt sich an, und bald sind es viele die schimpfen. Die hetzen. Die den Tod Ballards verlangen. Wir glauben was wir gesehen haben, so heißt es, und was gesehen wurde ist auf den ersten(!) Blick natürlich überzeugend. Ballard der Lump. Ballard der Mörder. Heute noch gefeiert, morgen auf dem Scheiterhaufen des gesunden Volksempfindens verbrannt. Nur die Braut Ballards glaubt an seine Unschuld, und die Ex-Freundin, die örtliche Saloon-Hure, die natürlich in der Stadt nur als menschlicher Abfall läuft („Sind Sie ein ehrenwerter Bürger?“ „Ja, natürlich.“ „Na dann bin ich froh keiner zu sein!“). Ein Szenario, so richtig aus dem wirklichen Leben geschöpft.
Regie-Legende Allan Dwan macht aus dem an sich bereits erschreckenden Sujet und dem überschaubaren Schauplatz (der Film verlässt in keinem Moment die titelgebende Stadt Silver Lode) eine delirierende Anklage gegen Hetze und Leichtgläubigkeit, gegen die Räson der Obrigkeit und das gutgläubige Mitläufertum. STADT DER VERDMMTEN spielt am 4. Juli und hat damit per se bereits einen starken politischen Bezug, das Ende des Films thematisiert dann noch zusätzlich die immense Verquickung von Politik und Religiosität beziehungsweise der Kirche in den USA, was in der Gesamtsicht zu einer sehr scharfen Anklage gegen alles wird, was den Begriff Autorität in dieser Zeit repräsentierte. Entsprechend war dies, ähnlich wie beim zwei Jahre früher entstandenen „Vorbild“ ZWÖLF UHR MITTAGS, für den Drehbuchautoren die letzte Arbeit: Karen deWolf wurde anschließend auf die berüchtigte Schwarze Liste Senator McCarthys gesetzt und verschwand in der Versenkung. Wer den Staat und seine Repräsentanten so dermaßen bloßstellt, der muss mit Pranger und Verbannung rechnen. Das war im Mittelalter in Europa so, in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Amerika, und in vielen östlichen Ländern ist das auch heute noch so. Aber ich schweife ab …
Die starken Schauspieler sorgen dafür, dass auch der Zuschauer lange Zeit nicht weiß, ob Ballard wirklich derjenige ist der er zu sein vorgibt, und ob McCarty nicht vielleicht doch ein Ehrenmann sein könnte (Konjunktiv!). Dazu kommt eine Menge Action, die das Tempo des Films stark nach oben drückt und den Zuschauer in die Situation Ballards versetzt: Alles muss schnell gehen, die Hektik und die zeitweise Unübersichtlichkeit sind gegeben, und die wenigen Freunde Ballards sind bereits durch diese Freundschaft zu möglichen Opfern degradiert. Hier noch den Überblick zu behalten kann schwierig sein, und die Unmöglichkeit, in jedem Augenblick die richtige Entscheidung mit allen Konsequenzen zu durchdenken, wird nachvollziehbar und greifbar. Trotz des zurückhaltenden Spiels John Paynes ist damit eine Identifikation des Zuschauers mit der komplexen Situation Ballards gegeben, was die Dramatik naturgemäß drastisch erhöht. Und die Spannung erst recht!
STADT DER VERDAMMTEN ist großes politisches Kino mit hohem moralischen Impetus, ohne den entsprechenden Zeigefinger, dafür aber mit massivem Unterhaltungswert. Und leider wieder auch topaktuell …
8/10