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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 24. Dez 2016, 19:56
von jogiwan
It follows

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jogiwan hat geschrieben:Originelle und vor allem auch verdammt gruselige Mischung aus Stalking-Horror und „Coming-of-Age“-Streifen mit sehr eindeutigen Anleihen beim japanischen Gruselfilm a la „Ju-On“ und John Carpenters Slasher-Klassiker „Halloween“, der auch geschickt und ohne moralischen Zeigefinger mit menschlichen Urängsten und dem „Kopfkino“ des Zuschauers spielt. In „It Follows“ geht es aber nicht um einen geisteskranken Killer, sondern um ein nicht näher definiertes „Monster“ welches scheinbar durch Sex übertragen wird und nach dem schnellen Akt im Auto wird die junge Jay mit der seltsamen Nachricht überrascht, dass sich von nun an ein Wesen in verschiedener Gestalt auf ihre Fährte heften wird, welches sie fortan verfolgen und irgendwann töten wird, solange sie dieses nicht durch weiteren Geschlechtsverkehr weitergibt. Dabei weiß man anfänglich nicht, ob die Aussagen nur einem kranken Geist entsprungen sind, oder die Bedrohung der sympathischen jungen Frau wirklich realer Natur ist. Der hübsch gemachte Streifen spielt in weiterer Folge auch geschickt Katz und Maus mit der Hauptdarstellerin und dem Zuschauer und immer wieder kippen die idyllischen und herbstlichen Bilder und aus Alltagssituationen heraus greift das Grauen nach der jungen Frau und ihren Freuden. „It Follows“ ist dann trotz vermutlichen eher überschaubaren Budgets für einen aktuellen Streifen nicht nur verdammt gruselig ausgefallen, sondern vermischt seine bekannten Elemente routiniert zu einem spannenden Mix zusammen, der einem gleich mehrmals das Blut in den Adern gefrieren lässt. Tipp!
Auch die Zweitsichtung in der größeren Runde hat der Streifen mit Bravour bestanden und auch wenn die ganze Sache beim zweiten Mal natürlich nicht mehr ganz so unheimlich ist, hat David Robert Mitchell doch zweifellos einen sehr originellen Genre-Zwitter abgeliefert, der seine Wirkung beim Zuschauer auch nicht verfehlt. Ob Horror, Drama, „Teen-Angst“ oder doch „Coming-of-Age“ ist ja nicht so eindeutig und irgendwie bietet der Streifen auch keine großartigen Antworten auf die Fragen, die die Story aufweist. Doch das ist hier völlig egal und stört auch gar nicht. Besonders schön und beim zweiten Mal noch auffälliger ist der Look des Streifens, der mit seinen heruntergekommenen und herbstlichen Vorstadt-Straßen und Settings irgendwie abgefuckt und retro erscheint, aber auf eine beiläufig-unbestimmte Art und Weise, die niemals aufdringlich wirkt. Auch darstellerisch ganz großartig und irgendwie holt der Streifen das Maximum aus der Story und seinem Budget heraus und daher sei hier auch nochmals der Verweis zu Carpenters „Halloween“ angebracht. Auch hier bricht das namenlose Grauen ganz unvermittelt in die heile Welt eines jungen Mädchens, auch wenn die Bedrohung in „It Follows“ wesentlich subtiler daherkommt. Großartiger Film, der sich auch ständig etwas anders entwickelt als erwartet und so auch geschickt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt. Findet sich in ein paar Tagen auch sicher auf meiner „Best-of-2016“-Liste.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 25. Dez 2016, 19:52
von jogiwan
Du sollst nicht töten außer...

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„Du sollst nicht töten außer…“ gilt ja wohl auch aufgrund seiner Vorgeschichte und Beteiligung von Sam Raimi als amerikanischer Action-Kultfilm, der mit seiner kostengünstigen Machart und brachialen Inhalt naturgemäß auch eher weniger feingeistige Menschen ansprechen wird. Leider ist der Ruf des Streifens aber wesentlich besser als der Actioner selbst, der neben 50 Minuten Langweile und Stirnrunzeln erst im Finale ein paar sehenswerte Momente und ein bissl Action bietet. Der Feldzug der vier Marine-Soldaten gegen die debilen Satansjünger ist jedoch so überzeichnet, dass hier der Begriff „Action-Parodie“ wohl eher zutrifft und meinen Geschmack hat Josh Becker mit seinem Mix aus Action, Gore und Amateurhaftigkeit leider so überhaupt nicht getroffen. Die Geschichte ist Mist, die Figurenzeichnung nicht existent, die Darsteller mies und am Set bzw. irgendwo im Wald waren ohnedies nur die Maskenbildner und Effektkünstler gefordert. Ansonsten kein Gespür für Action, Stimmung und/oder durchgehende Handlung, die mehr bietet, als lahme Sprüche, blutige Schusswunden und aufgespießte Menschen. Warum der Streifen bei unserem Blapschi und selbst auf der IMDB gut wegkommt, kann ich mir ja beim besten Willen nicht erklären und auch wenn die Macher bei den Dreharbeiten großen Spaß hatten, so überträgt sich dieser leider so gar nicht auf den Zuschauer. Mag sein, dass sich „Du sollst nicht töten außer…“ nicht so wirklich als Weihnachtsfilm eignet, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser billige Reißer an weniger besinnlichen Tages des Jahres besser geeignet ist. Selbst für das Action-Güllelager ein ziemliches Lowlight!

Zuchthaus der wütenden Frauen

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Eine Gruppe von weiblichen Minenarbeiterinnen beschließt nach einem Beinahe-Grubenunglück ihren Lebensstil grundlegend zu ändern um wenig später elegant aufgebretzelt einen Juwelier auszurauben. Der Diebstahl gelingt dank Teamwork und weiblicher List auch mit Bravour, doch bei dem Versuch die Ware an einen Hehler zu veräußern wird eine der Damen geschnappt und von der Polizei erschossen. Nachdem sie den Schmuck sicher versteckt haben, wandern auch Sam und Maggie, sowie die restlichen Bandenmitglieder ins Kittchen. Im Zuchthaus herrscht auch ein harter Alltag bzw. rauer Umgangston und die sadistische und lesbische Aufseherin hat sichtlich Spaß und Freude daran, den Willen der weiblichen Insassinnen zu brechen und sich mit ihnen zu vergnügen. Dennoch lassen sich Sam und Maggie trotz Schlägen und Einzelhaft nicht unterkriegen und planen auch schon den Ausbruch um endlich ein Leben in Freiheit und Reichtum zu verbringen…

Ted V. Mikels war ja schon ein sympathischer Zeitgenosse, der mit seinem filmischen Output auch mühelos jeden seriösen Filmkritiker erschaudern lässt und mit seinem Interesse an abseitigen Genres, autodidaktischer Filmemacherei und Kraftsport in etwa wie der geistige Zwillingsbruder von meinem Lieblingsspanier Paul Naschy erscheint. Egal ob Astro-Zombies aus dem All, Blutorgien mit Satanstöchtern oder Leichenmühle, die Menschenfleisch zu Katzenfutter verarbeitet – kein Thema war zu blumig um daraus nicht einen billig heruntergekurbelten Streifen zu machen und wenn die Legende stimmt, soll der werte Ted mit „The Doll Squad“ ja auch die inoffizielle Vorlage für „3 Engel für Charly“ kreiert haben. „Das Zuchthaus der wütenden Frauen“ ist Mikels Beitrag zum beliebten WIP-Genre und erwartungsgemäß ist das Endergebnis wieder ein unterdurchschnittlicher und trashiger Streifen mit einem Budget aus der Portokasse und dem Herz am richtigen Fleck. So richtig zündet die Mischung aus „Heist-„, „Buddy-„ und Woman-in-Prison“-Streifen aber leider nicht und Mikels verzettelt sich auch maßlos bei den zahlreichen Frauenfiguren, von denen ihm im Verlauf des Streifens, haarsträubenden Entwicklungen und schlecht ausgeleuchteten Nachtszenen auch immer mehr abhandenkommen. Die Geschehnisse im Frauenknast sind ebenfalls harmloser Natur und im Vergleich zu italienischen Beiträgen wirkt „10 Violent Women“ stets eher zahm und züchtig. Selbst für den aufgeschlossenen Genre-Fan ist das alles eher mittelprächtig bis sehr schludrig inszeniert und auch inhaltlich eigentlich wenig ergiebig. So bleibt ein für Ted V. Mikels typischer Frauenfilm, irgendwo zwischen Trash, Exploitation und Low-Budget, der sich auch eher an Leutchen richtet, die damit etwas anfangen können und wissen, auf was sie sich da einlassen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 26. Dez 2016, 20:00
von jogiwan
Sweet Home

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Alicia ist Immobilienmaklerin in Barcelona und besucht gerade den letzten Mieter in einem heruntergekommenen Mietshaus im Stadtzentrum, als sie spontan beschließt eine leer stehende Wohnung in dem Gebäude zum anstehenden Geburtstag ihres Freundes Simon herzurichten und diesen damit zu überraschen. Die Geburtstagsüberraschung gelingt auch und dennoch steht die Feier unter keinem guten Stern, da Simon von Existenz- und Zukunftsängsten gequält wird. Wenig später sind diese aber ohnehin bedeutungslos, da just an diesem Abend die Immobilienfirma einen Schlägertrupp geschickt hat, um den letzten Alt-Mieter aus dem Weg zu räumen um das Gebäude gewinnbringend weiter zu nutzen. Nachdem sie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände entdeckt werden, versuchen Alicia und Simon vor den Mördern zu fliehen, wobei sich das verbarrikadierte Haus in der regnerischen Nacht prompt als Todesfalle entpuppt…

„Todesfalle Altbau“ kennt man ja bereits aus anderen spanischen Filmen und „Sweet Home“ entwickelt auch ein ähnliches Szenario wie der erfolgreiche „Rec“, wobei hier statt Zombies ein gewaltbereiter Schlägertrupp Jagd auf ein unbedarftes Pärchen macht, dass sich dummerweise zur falschen Zeit im falschen und verbarrikadierten Haus befindet. Als Zuschauer muss man dabei auch ein paar fragwürdige Entwicklungen akzeptieren, die nicht immer logisch erscheinen. Anfänglich wirkt das etwas konstruiert aufgebaute Bedrohungsszenario auch ganz gut, doch Regisseur Rafa Martinez schafft es aber trotz relativ kurzer Laufzeit nicht, die Spannung durchgehend aufrecht zu erhalten. Gegen Ende scheinen auch die Ideen ausgegangen zu sein und die Gore-Schraube wird aufgedreht, was der Streifen eigentlich gar nicht nötig hätte. Das hinausgezogene Ende erscheint ebenfalls etwas unglaubwürdig und es ist auch etwas schade, dass man aus der passablen Grundidee nicht einen besseren Streifen hinbekommen hat. Die Sache mit dem Immobilienfirma und lukrativen Spekulationsobjekten in Großstädten scheint in Zeiten, in denen Mietpreise durch die Decke gehen traurigerweise auch nicht so weit hergeholt. So bleibt ein etwas ruppig erzählte und durchschnittliche „Home Invasion“-Variante im höheren Härtegrad und sympathischer Hauptfigur, bei dem im Verlauf die Logik und Beweggründe auf der Strecke bleiben. Normalerweise mag ich Filme aus der Kiste doch sehr gerne, aber „Sweet Home“ ist selbst mit viel Wohlwollen maximal okay.

Demon Inside

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„Demon Inside“ ist wirklich eine nette kleine Genre-Überraschung und ein Streifen, der den Zuschauer über einen langen Zeitraum inhaltlich arg im Unklaren lässt. Die Geschichte über das vergewaltigte und verängstigte Medium und Geister der Vergangenheit wirkt ja auch dank mehreren Zeitebenen etwas umständlich erzählt und mit seinen Bildern aus zahlreichen Überwachungskameras und Geistererscheinungen wie eine bekannt vorkommende Mischung aus „Paranormal Activity“, J-Horror und Roman Polanskis „Der Mieter“. Doch dann kommt es am Ende doch irgendwie anders und auch die schlechte psychische Verfassung und die Angst vor Menschenansammlungen spielen in dem durchaus interessanten Werk eine nicht zu unterschätzende Rolle. Paz Vega macht ihre Rolle als vom Schicksal und ihrer Gabe gebeutelten Mediums auch ganz gut und Regisseur Alfonso Pineda Ulloa präsentiert auch ständig Momente, die man auf unterschiedliche Weise interpretieren kann und bei denen man nicht weiß, ob diese real sind oder auf der gestörten Wahrnehmung seiner Hauptdarstellerin beruhen. Beim überraschenden Ende ist man jedenfalls schlauer und es ergibt sich ein Gesamtbild, dass man wohl nicht so leicht erahnen kann. Andererseits muss man sich als Zuschauer auch voll und ganz auf den Streifen einlassen, da er ansonsten seine Wirkung wohl nicht entfalten kann. Herausgekommen ist jedenfalls ein spannender Streifen, der bekannte Versatzstücke auf durchaus überraschende Weise variiert und bei dem es doch verwunderlich erscheint, dass er hierzulande nicht einen höheren Bekanntheitsgrad hat.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 27. Dez 2016, 19:04
von jogiwan
Julieta

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Die knapp fünfzigjährige Julieta ist gerade dabei, ihre Zelten in Madrid abzubrechen und mit ihrem Lebensgefährten nach Portugal zu ziehen, als ein kurzes und überraschendes Wiedersehen mit der Jugendfreundin ihrer Tochter alte Wunden wieder aufreißt. Diese erzählt von einem Treffen mit ihrer Tochter Antia, mit der Julieta seit 12 Jahren keinen Kontakt mehr hat und von drei Kindern, die die Frau ebenfalls noch nie gesehen hat. Julieta beschließt nicht nach Portugal zu gehen, sondern mietet sich eine Wohnung in der Straße, in dem sie bereits vor vielen Jahren nach dem Tod ihres Mannes Xoan gelebt und ihre Tochter großgezogen hat, um ihre Lebensgeschichte in einem Buch festzuhalten und erinnert sich dabei an schöne, liebevolle wie tragische Momente in ihrem Leben.

Pedro Almodóvars 20. Spielfilm ist wohl wirklich so etwas wie die Essenz seines bisherigen Schaffens und erzählt in ruhigen und sehr schönen Bildern, begleitet von der sehnsüchtigen Musik Alberto Iglesias die Lebensgeschichte der Lehrerin Julieta, die sich einst in einen Fischer verliebte, eine Tochter bekam und nach dessen tragischen Tod in eine Depression verfiel. Dabei wird die Geschichte über Liebe, tragische Schicksalsschläge, Verlust und Trauer im teils wunderbaren Achtziger-Look in Rückblenden aufgerollt und zeichnet dabei ein behutsames Bild verletzlicher Weiblichkeit mit viel Gefühl, ohne dabei in kitschige Gefilde abzudriften. Die ganze emotionale Bandbreite der Geschichte erschließt sich erst nach und nach und „Julieta“ mag dabei vielleicht auf den ersten Blick etwas unspektakulär oder fast schon etwas banal anmuten, doch bei näherer Betrachtung ist es wohl gerade das, was die Geschichte so authentisch, alltäglich und nachvollziehbar erscheinen lässt. Weniger überraschend als die Geschichte, die erst gegen Ende etwas anzieht sind aber die durchkomponierten Bilder, die auch die beiden Hauptdarstellerinnen Emma Suárez und Adriana Ugarte, die beide Julieta in unterschiedlichen Lebensabschnitten verkörpern, im besten Licht und absolut wunderbaren Settings erscheinen lässt. „Julieta“ ist dann auch nicht nur so etwas wie ein selbstreferenzielles „Best of Frauenbeobachtung“ der eher ruhigen Art, sondern auch ein schön anzuschauender, wunderbar unaufgeregter Streifen meines erklärten Lieblingsregisseurs, der aber aufgrund der Inszenierungsstils erst bei wiederholten Sichtungen seine wahre Größe offenbaren wird. Ich freu mich schon darauf.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 28. Dez 2016, 19:36
von jogiwan
Freunde fürs Leben

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Mit Filmen, die das Sterben thematisieren ist es ja immer so eine Sache und normalerweise dienen Kinofilmen zu einem großen Grad der Realitätsflucht und kaum ein Zuschauer mag dabei ständig an die eigene Vergänglichkeit erinnert werden. „Freunde fürs Leben“ ist aber aus anderen Gründen ein eher zwiespältiges Ereignis, dass die Freundschaft zweier ungleicher Männer in den Fünfzigern beschreibt und die mich wohl eher am falschen Fuß erwischt zu haben scheint. Julian ist egozentrischer Theaterschauspieler und abgebrannter Lebemann mit Krebs im Endstation und Tomas der eher besonnene, grundgütige und geduldige Gegenpart, der im Ausland Karriere gemacht hat und für ein paar Tage nach Madrid kommt um seinen Freund ein letztes Mal zu besuchen und Abschied zu nehmen. Dabei beschreibt „Freunde fürs Leben“ in seinen guten Momenten den differenzierten Umgang unterschiedlicher Menschen mit der Schockdiagnose, während der Rest auf mich eher befremdlich wirkte und eher beschreibt, wie innere und äußere Wahrnehmung auseinanderklaffen können. Eine tiefe oder gar ausgewogene Freundschaft, die der Film beschreiben soll, würde ich persönlich ja anders definieren und die Beziehung der Beiden scheint einseitig und Julian ist auch eher die Sorte kräfteraubender "Energie-Vampir" von denen man sich aus eigenem Interesse besser fernhält. Dieser nutzt selbst seine Krebsdiagnose noch dazu um sich und seine Interessen ein letztes Mal in den Mittelpunkt zu stellen, während die Befindlichkeiten, Ängste und Befürchtungen von anderen Menschen in seinem Umfeld komplett an ihm vorbeizugehen scheinen. Auf einen Freund, der einen so ausnimmt und dabei auch noch emotional unter Druck setzt, kann man ja gut und gerne verzichten und ein "wahrer" Freund würde so etwas auch niemals machen oder einfordern. Das Ende passt dann auch noch wie die Faust aufs Auge zu meiner Einschätzung, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack und ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie ein derart schwachbrüstiges und oberflächliches Drama auch noch den Nerv des Publikums trifft und das ist eigentlich das Traurigste an dem ganzen Film.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 29. Dez 2016, 19:38
von jogiwan
Schizoid

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Mittelprächtige Slasher-Produktion aus der Cannon-Schmiede, die größere Schauwerte vermissen lässt, aber für den geneigten Fan sicherlich dennoch recht unterhaltsam ausgefallen ist. Die Geschichte über eine junge Journalistin in einer Therapiegruppe, die von einem schwarzen Handschuhmörder dezimiert wird, ist ja eher unterdurchschnittlich ausgefallen und auch wenn „Schizoid“ von der Struktur und Auflösung her auch einem Giallo ähnelt, so kann der Streifen doch nicht überdecken, dass Regisseur David Paulsen vor allem in den eher harmlosen Mordszenen kein besonderes Gespür für Spannung und Suspense an den Tag legt und hier alles eher gemütlich von statten geht. In „Schizoid“ ist alles routiniert, aber auch immer etwas zu uninspiriert und dass der Streifen in der Masse gleichartiger US-Slasher-Produktionen noch nicht untergegangen ist, liegt wohl an den Darstellern, die ambitioniert und theatralisch gegen ein schwaches Drehbuch antreten und etwas vergessen lassen, dass ein derartig holpriges Szenario und psychische Erkrankungen als Aufhänger zu der Zeit wohl auch zu zahlreich verbraten wurde. Wenn man das Genre mag, wird man auch mit „Schizoid“ seine Freude haben, aber zu viel sollte man sich wohl dennoch nicht erwarten.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 30. Dez 2016, 20:15
von jogiwan
The Call

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Bei aller Liebe zu Vielfilmer Takashi Miike, die sich Anfang 2000 ja dank „Audition“, „Visitor Q“ und anderen Werken bei mir gerade auf dem Höhepunkt befand, ist „The Call“ doch nur ein sehr konventioneller und nicht gerade herausragender J-Horror-Streifen, der im Grunde nur die Inhalte von „The Ring“ und „Ju-On“ zusammenfasst und dabei leicht variiert. Einzig die Momente in der Fernsehshow, in der ein Medium dem Fluch entgegentreten möchte und das offen gehaltene Ende zeigen, was wohl möglich gewesen wäre, wenn Miike hier mehr Freiraum und nicht ein Teenie-Publikum im Auge gehabt hätte, dass bestmöglich und konventionelle Weise bedient werden sollte, ohne dieses dabei für ein rücksichtsloses Handy-Verhalten zu kritisieren. Für mich ist Miike ja eher der Regisseurs fürs Grobe, der dabei aber trotzdem eine große Portion Extravaganz, feinfühlige Momente mit überzeichneter Gewalt und Wurschtigkeit gegenüber Genre-Grenzen an den Tag legt und „The Call“ ist in der Kiste der bleichgesichtigen Mädchen mit langen Haaren einfach viel zu wenig eigenständig und auf Nummer sicher. Mit über einem Jahrzehnt Abstand zu seiner Entstehung lässt sich der Streifen über mysteriöse Anrufe aus der Zukunft und einem aufmerksamkeitsgeilen Geist zwar immer noch gut gucken, mehr als Mittelmaß ist Miikes Streifen nicht geworden, selbst wenn er offensichtlich den Nerv des Publikums getroffen hat und wirtschaftlich so erfolgreich war, dass sogar mehrere Sequels folgen sollten. Und Mittelmaß ist leider auch das, was mittlerweile aus Miikes filmischen Output geworden ist.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 31. Dez 2016, 19:20
von jogiwan
Toni Erdmann

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Manchmal gibt es Momente, da versteht man die Welt nicht mehr so richtig: Maren Ades „Toni Erdmann“ wird von Kritikern frenetisch gefeiert, taucht nun am Jahresende auf allen möglichen Bestenlisten auf den vordersten Plätzen auf und wird wohl auch im Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film an den Start gehen. Und dann offenbart sich vor meinen Augen diese dröge, langweilige, komplett konstruierte Geschichte einer Annäherung mit jeder Menge Fremdschäm-Momenten, die mich persönlich eher ratlos denn begeistert zurücklässt. Bei dem viel zu lang ausgefallenen Werk merkt man förmlich, wie verbissen, verkopft und überambitioniert man bei seinen beiden ambivalenten Hauptfiguren zu Werke gegangen ist um bis zum finalen Song von „The Cure“ originell zu erscheinen um dann doch nur wieder ein entschuldigendes, konservatives und spießiges Bild der deutschen Humorlosigkeit und bis zum Exzess durchexerzierten Selbstdisziplin zu zeichnen, so wie man doch so gerne von anderen Kulturkreisen wahrgenommen werden würde. Sicherlich ist „Toni Erdmann“ schon auch ein Streifen, der in seinen guten Momenten Spaß macht, zum Nachdenken anregt, in dem Peter Simonischek absolut großartig agiert und der thematisch und in seiner Darreichungsform als Kritikerliebling nahezu prädestiniert scheint, aber mir stellt sich die Frage, was mir Maren Ade mit ihrem märchenhaften Gedankenexperiment über Fragen des Lebens und der Menschlichkeit in Zeiten der Globalisierung und Gewinnmaximierung als Bestandsaufnahme zweier verirrter Seelen überhaupt aussagen soll. Und wieder steht der beliebte Satz von Kurt Tucholsky im Raum: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ und Maren Ade hat es mit ihrem konsequent und vollkommen ironiefrei durchgehaltenen Konzept und ihrem Programmkino-Konsensfilm dem Zuschauer gegenüber wohl besonders gut gemeint.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 1. Jan 2017, 19:52
von jogiwan
Mein fulminantes Silvester-Sadismus-Ilsa-Triple:

Ilsa - She Wolf of the SS

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Ilsa ist eine sadistische KZ-Aufseherin und ambitionierte Medizinerin, die in einem geheimen Lager ein Regiment des Schreckens führt und mit ihren Gefangenen gegen Ende des zweiten Weltkrieges nach Belieben verfährt. Während die zahlreichen Männer nachts ihren unstillbaren Hunger nach körperlicher Liebe stillen müssen und bei Versagen aus dem Weg geräumt werden, dienen ihr die weiblichen Insassen als Versuchsobjekte für grausame und medizinische Experimente. Während im Lager ranghoher Besuch ansteht, kommt auch Wolfe als Gefangener ins Lager, der dank seiner schier unendlichen Potenz auch rasch zum Liebling der drallen KZ-Dame wird und während Ilsa von dessen Liebenskünsten nicht genug bekommen kann, plant dieser mit den restlichen Gefangenen einen Ausbruch, der wenig später auch in die Tat umgesetzt wird.

Naziploitation ist ja ein sehr zweifelhaftes Genre, bei dem es darum geht, den Zuschauer mit tabubrechenden Ereignissen größtmöglich einen vor den Latz zu knallen und das auch voraussetzt, dass der Zuschauer dieses mit entsprechend Abstand zum Geschehen auch als dementsprechend jenseitige Genre-Ware verortet. Der erste Teil der „Ilsa“-Trilogie ist dabei sicher die absolute Sperrspitze dieser überschaubaren Werke, der wie manch italienischer Vertreter auch keine Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten und moralische Bedenken nimmt und den Zuschauer mit der vollen Breitseite an Abartigkeiten konfrontiert. Hier wird absolut nichts ausgelassen und „Ilsa – She Wolf of the SS“ ist zu jeder Zeit so vollkommen „over-the-Top“, dass die Wände der behelfsmäßig gezimmerten Baracken mit den drallen Brüsten von Dyanne Thorne um die Wette wackeln. Da werden Frauen in kochendes Wasser geworfen, mit Stromdildos gequält und grausigen Krankheiten infiziert, während die Männer tagsüber arbeiten und nachts ihren Mann stehen müssen, wenn die teilzeit-lesbischen Aufseherinnen nicht gerade mit dem Auspeitschen fluchtgefährdeter Insassen beschäftigt sind. Dazwischen schreit man in der Originalfassung irgendwelche deutschen Begriffe und spaziert durch billige Settings, bis am Ende der für den Lagerfilm obligatorische Ausbruchsversuch startet und alles im blutigen Chaos versinkt. Tja, „Ilsa“ ist eindeutig kein Film für feingeistige Menschen oder Leutchen, die sich leicht schockieren lassen, aber eine riesige und prall gefüllte Wundertüte für filmtechnisch-verwirrte Menschen mit Hang zum Groben, die hier aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Ilsa - Haremwächterin des Ölscheichs

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Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs werkt die sadistisch veranlagte Ilsa nun als Kopf der Leibgarde für einen arabischen Scheich, der sich dank des Ölvorkommens unter seinem Land auch einen exzentrischen und sadistischen Lebensstil leisten kann. So ordert der Despot nicht nur hübsche Frauen aus aller Welt für seinen, die dann nur scheinbar spurlos von der Bildfläche verschwinden, sondern quält diese auch nach Belieben, während sein Volk in Armut dahinvegetiert und wenig von dessen Reichtum spürt. Als eines Tages ein amerikanischer Geschäftsmann mit einem weiteren Begleiter namens Adam erscheint, ahnt Ilsa, dass es sich dabei um einen amerikanischen Spion handelt und verfällt dennoch dessen Charme und Manneskraft. Und während sich Ilsa in den Mann verliebt, zettelt dieser mit Hilfe der geknechteten Harems eine Revolte an, die schon kurze Zeit darauf die Palastwände erschüttert.

Nach dem wenig geschmackssicheren, aber wirtschaftlich wohl ungemein einträglichen „Ilsa – She Wolf of the SS“ bietet der zweite Teil der „Ilsa“-Trilogie inhaltlich quasi das gleiche Programm und verlegt dieses aber von den Baracken eines KZs in die arabische Welt, wo unsere dralle Dyanne Thorne nun als Chefin der Leibgarde eines exzentrischen Ölscheichs nach dem Rechten sieht. Ganz so abgeschmackt wie der erste Teil ist „Ilsa –Haremswächterin des Ölscheichs“ dann auch nicht geworden, auch wenn man als Exploitation-Fan auch immer noch genug Abscheulichkeiten mit entsprechender Ernsthaftigkeit auf plakative, bluttriefende und überzeichnete Weise präsentiert bekommt. Im Vergleich zum herben Vorgänger und zum etwas spaßigeren dritten Teil ist Ilsas Ausflug in die arabische Welt aber der imho schwächste Film der Trilogie, der sich trotz seiner Thematik dem Auge des Zuschauers etwas züchtiger präsentiert, von den Settings her nur teilweise überzeigt und auch den ein oder anderen Schwenk in Richtung Komödie probiert. Das brachiale und haarsträubende Ende rettet dann aber wieder alles und versöhnt den Zuschauer dank blutigen „Shoot-Outs“ und theatralischen Abgängen und auch wenn „Ilsa – Haremswächter des Ölscheichs“ nicht rundum überzeugt, so ist er dank fragwürdiger Ideen und Momente doch immer noch abgeschmackt genug um den aufgeschlossenen Zuschauer neunzig Minuten bei zweifelhafter Laune zu halten.

Ilsa - Die Tigerin

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Ilsa ist (wieder einmal) die sadistische Aufseherin eines sibirischen Gulags, wo Staatsfeinde und andere kriminelle Subjekte mittels Elektroschock-Therapie zur Vernunft gebracht werden und bei notfalls auch an ihren Tiger verfüttert werden. Während die männlichen Gefangenen in ihren Baracken vor Kälte und Ehrfurcht erzittern, genießt die dralle Blondine die sibirischen Nächte mit viel Wodka und körperlicher Liebe vor dem offenen Kamin um an nächsten Tag wieder mit strenger Hand Angst und Schrecken zu verbreiten. Als eines Tages ein politischer Gefangener auf der Bildfläche erscheint, der gegen alle Foltermethoden immun zu sein scheint, dreht Ilsa auch so richtig auf, ohne dabei die alten Binsenweisheit zu berücksichtigen, dass man sich im Leben immer zweimal trifft…

Nachdem Ilsa bereits als KZ-Aufseherin und Haremswächterin in Erscheinung getreten ist, darf Dyanne Thorne dieses Mal als sibirische Aufseherin in einem Gulag ihren Mann… ähm… ihre Frau stehen und in der ersten Hälfte gibt es auch wieder alle Zutaten, die man sich in einem Lagerfilm erwartet und während tagsüber gequält und gemordet wird, bevorzugt Ilsa in eisigen Nächten hochprozentige Getränke, die männliche Doppelbegattung und lässt es sich gutgehen, bis das Drehbuch dann eine völlig unerwartete Wendung nimmt. Ich war ja ganz überrascht, als die Handlung vom sibirischen Gulag auf einmal ins neuzeitliche Montreal (im Deutschen: Montreoool“) verlegt wird und Ilsa sich auf einmal auf die feindliche Übernahme eines Edelbordells verlegt. Ehe man sich versieht, wird aus dem Lagerfilm dann auch eine groteske Mischung aus Polit- und Gangsterdrama bzw. Actionfilm, in dem auch „Clockwork Orange“ in Form einer Psycho-Quäl-Maschinerie seinen Spuren hinterlassen hat. Auf den Zuschauer oder etwaige Logik wird abermals wenig Rücksicht genommen und alles gipfelt in einem hübschen Angriff auf eine kanadische Villa, bei der auch keine Gefangenen gemacht werden. Zu fortgeschrittener Stunde und nach zwei blutig-bunten Vorgängern funzt das Konzept der sadistischen Ilsa dank lustiger Ideen auch noch beim dritten Mal und auch wenn man als rational denkender Mensch natürlich nur noch den Kopf schütteln kann und dieses Mal auch nicht mehr Don Edmonds am Regiestuhl Platz genommen hat, so bietet „Ilsa, die Tigerin“ auch immer großen Unterhaltungswert und ist so auch ein mehr als würdiger Abschluss einer Trilogie über eine Sadistin mit drallen Brüsten und den Schattenseiten weiblicher Durchsetzungskraft.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 2. Jan 2017, 19:33
von jogiwan
Die Killerhand

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„Die Killerhand“ scheint ja im Kino unter schlechten Vorzeichen gestartet zu sein und anscheinend war Rodman Flenders Streifen seinerzeit auch ein ziemlicher Flop, der seine Produktionskosten auch nur teilweise wieder einspielte. Sieht man den spaßigen und sympathischen Streifen kann man das aber nur bedingt nachvollziehen und der turbulente und augenzwinkernde Horror-Spaß über eine besessene Hand mit mörderischen Eigenleben ist nicht nur eine etwas trashige, sondern vor allem schwer unterhaltsame Angelegenheit, die sich zum Glück auch niemals selbst ernst nimmt. Die Geschichte ist mit einer Mischung aus Okkult-Horror, Teen-Angst, Kiffer- und Slacker-Komödie am besten beschrieben und trotz der 16er-Freigabe, gibt es auch ein paar splattrige Momente, die man sich so auch nicht unbedingt erwarten würde. Das Drehbuch hält jedenfalls von Beginn an ein paar sehr schräge Einfälle parat und auch wenn die Auflösung vielleicht nicht ganz so viel hergibt, sorgen die rockige Musik, sympathische Darsteller und das Finale mit Auftritt von „The Offspring“ dafür, dass „Die Killerhand“ weit über Durchschnitt ausgefallen ist. Wem sich bei amerikanischen Horror-Komödien auf Party-Niveau nicht gleich die Fußnägel aufrollen sollte durchaus einen Blick riskieren und sich auch nicht von der Freigabe irritieren lassen. Ich hab mir bei meiner Sichtung im Grunde wenig erwartet und "Die Killerhand" hat mich am richtigen Finger ähm... richtigen Fuß erwischt. Irgendwie doof, aber doch überraschend lustig und so darf ein neues Jahr filmisch dann auch gerne starten.