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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 26. Jul 2016, 19:47
von jogiwan
Katzelmacher

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„Katzelmacher“ ist ja laut Wikipedia eine mir nicht bekannte bzw. mittlerweile nicht mehr geläufige und abschätzige Bezeichnung für Gastarbeiter und die jungen und gelangweilten Leute einer Münchner Vorstadt-Siedlung machen nach anfänglicher Neugier aus ihrer Ablehnung gegenüber dem griechischen Gastarbeiter Yorgos auch keinen großen Hehl. Die Ankunft des Fremden in der Siedlung ist aber eine auch willkommene Abwechslung im tristen Leben der jungen Gruppe, das sich um Klatsch und Tratsch, kleinere Gaunereien und unglücklichen Beziehungen dreht und schon bald projizieren die jungen Leute ihren Neid, die Angst vor allem Fremden und ihre aufgestaute Aggression auf den Fremden, der in ihr geordnetes, aber leeres Leben „eingedrungen“ ist. In langen Einstellungen, die nur kurz von immer wiederkehrenden Kamerafahrten unterbrochenen werden, portraitiert Fassbinder mit seinen wenigen Figuren tiefdeutsche Befindlichkeiten und das „gespielte“ Leben in der Vorstadt, in der man sich gegenseitig das Glücklich sein vorgaukelt und sich dem Kollektiv unterordnet um nicht selbst zur Zielscheibe von Hass, Neid und Spott zu werden. Dabei spart der Filmemacher auch nicht mit subtiler Kritik an Doppelmoral und präsentiert seine Figuren als ziemlich unsympathische Gruppe, die vom Wunsch nach einem besseren Leben förmlich besessen sind und deren Scheitern dennoch vorprogrammiert ist, da keiner aus seinem seit Jahren exerzierten Trott auszubrechen vermag. Fassbinders „Katzelmacher“ ist aber nicht nur inhaltlich, sondern auch aus filmischer Sicht interessant und bietet als Kontrast zum herkömmlichen Unterhaltungskino eine komplett heruntergestutzte Handlung, karge Ausstattung, einfache Dialoge, die auch nie von den Figuren und von der Geschichte ablenken, die leider heutzutage aktueller denn je erscheint und trotz überschaubarer Laufzeit auch den Zuschauer fordert.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 27. Jul 2016, 19:29
von jogiwan
Limbo - Children of the Night

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Iván Noel kennt man ja durch seine interessanten „Coming-of-Age“-Filmen aus der Low-Budget-Schublade, in denen der Musiker und Regisseur vorwiegend junge Menschen in schwierigen Lebenslagen in den Vordergrund rückt. Sein neuestes Werk fällt dabei aber etwas aus der Reihe von ruhigen und unaufgeregt erzählten Werken und mit „Limbo – Children of the Night“ hat Noel eine waschechte schwarze Horrorkomödie im Stil von „So finster die Nacht gemacht“, die teils auch recht herb zur Sache geht. Die Geschichte über eine junge Journalistin, die in ein Heim für Kinder eingeladen wird, die an einer vermeintlichen Krankheit leiden, ist recht originell erzählt und verleiht dem ausgelutschten Vampir-Mythos tatsächlich noch ein paar neue Facetten, die teils auch recht schwarzhumorig daherkommen. Leider merkt man dem Streifen aber auch sein sehr niedriges Budget an und teils wurde bei den Nachtszenen auch technisch etwas schludrig gearbeitet, was zu Lasten der ansonsten recht ansprechenden Optik und Stimmung geht. Im Mittelteil verzettelt sich der Regisseur auch etwas zu sehr im Schicksal und im kuriosen Alltag der Vampir-Kinder und bremst sich dramaturgisch selbst ein wenig aus, ehe die ganze Sache am Ende wieder etwas mehr anzieht und in der finalen Konfrontation sogar ganz ordentlich geschmoddert wird. Insgesamt betrachtet ist „Limbo – Children of the Night“ ein interessanter Streifen über kindliche Vampire, der mit einer Geschichte daherkommt, die durchaus einiges an Potential hat und nur etwas an seiner kostengünstigen Umsetzung leidet. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt aber einen originellen Vampir-Streifen serviert, der den roten Lebenssaft ganz ordentlich fließen lässt und Fans aus der „Coming-of-Age“- und Horrorecke gleichermaßen zufrieden stellen sollte.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 28. Jul 2016, 19:40
von jogiwan
Bikini Island

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Was sich in der Inhaltsangabe nach Slasher anhört, ist in Wirklichkeit ein eher dröger Thriller über eine Gruppe von hoffnungsfrohen Models, die für ein Bikini-Magazin auf einer Insel abgelichtet werden sollen und nach der Reihe ermordet werden. Statt spannender Geschichte gibt es aber eher Posing und Herumgehüpfe am Strand und die Mädels räkeln sich auch (zu) ausgiebig im Bikini und in der Brandung, ehe eine nach der anderen spurlos verschwindet bzw. auf kuriose Weise das Zeitliche segnet. Die Zahl der Verdächtigen hält sich dabei stark in Grenzen und auch inhaltlich sollte man sich in den überwiegend harmlosen Teil nicht viel erwarten. Der Freund gepflegter Slasher-Kost kommt auch erst in der letzten Viertelstunde auf seine Kosten und bis dahin erfordert Tony Markes sommerlicher Krimi mit dümmlichen Dialogen und abstruser Handlung schon sehr viel Sitzfleisch und entsprechendes Wohlwollen. Zwar reißt das turbulente Finale wieder etwas raus, aber insgesamt ist „Bikini Island“ mit seinen ganzen Neunzigerjahre-Schönheiten bestenfalls durchschnittliche und ideenlos heruntergekurbelte Genreware der Güteklasse C, das abseits von Bikini & Co. auch nur sehr eingeschränkte Schauwerte besitzt. Die DVD, die am Cover auch keinerlei Herstellerangaben besitzt und laut OFDB von VZ-Handelsgesellschaft ist, hat eine grottige Bildqualität, erinnert an ein VHS-Rip und eine Scheibe mit derart mieser Bildqualität heutzutage noch auf den Markt zu schmeißen muss selbst im Ramsch-Sektor nicht mehr sein. In allen Belangen entbehrlich.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 29. Jul 2016, 19:48
von jogiwan
Tears of the Black Tiger

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Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Dam und Rampoey, die Tochter eines Politikers lernen sich in jungen Jahren kennen und lieben. Doch das Schicksal hat für die beiden keine gemeinsame Zukunft geplant und so treffen sie sich erst Jahre später wieder zufällig auf der Uni, wo Dam seine Herzdame vor ein paar bösen Jungs retten muss. Als Dank fliegt er jedoch von der Uni und schließt sich nach dem gewaltvollen Tod seines Vaters ruchlosen Gangstern an, während Rampoey einen Polizisten heiraten soll. Ausgerechnet dieser soll jedoch die Verbrecher zur Strecke bringen, zu denen auch Dam gehört, der mittlerweisel nur noch „Black Tiger“ bezeichnet wird. Als es zur blutigen Konfrontation kommt, stehen sich die beiden Kontrahenten gegenüber, nichtsahnend, dass sie die gleiche Frau begehren…

Herz, Schmerz, knallbunte Farben, viel Musik und jede Menge Westernfeeling präsentiert uns Regisseur Wisit Sasanatieng in seinem außergewöhnlichen Streifen aus dem Jahr 2000, der sich ohne Rücksicht auf Verluste durch die unterschiedlichsten Genres wildert und dem Zuschauer auch kaum eine Verschnaufpause gönnt. Diese thailändische Mischung aus Western, Liebesdrama und Musical ist nicht nur quietschbunt, vollkommen over-the-Top, überraschend brutal und spaßig, sondern bietet auch eine ziemlich dramatische Liebesgeschichte und scheut nicht davor zurück gleich ganz ordentlich auf die Tränendrüse zu drücken. Die hoffnungslose Übertreibung und der sehr künstliche Look wird hier zum Konzept erklärt und dennoch vergisst man neben dem wunderbar exotischen Style auch nicht auf eine herzerwärmende Geschichte mit guten und bösen Figuren, denen passenderweise ein Western-Stempel aufgedrückt wird, der zwischen Ernsthaftigkeit und Parodie pendelt. Das klingt nicht nur spaßig, sondern ist es auch und „Tears of the Black Tiger“ ist dann auch irgendwie wie der erste Besuch in einem thailändischen Restaurant: eine wahre Geschmacksexplosion der besten Sorte, vor der man vielleicht kurzfristig überfordert ist, aber sich gerne zurückerinnert.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 30. Jul 2016, 19:19
von jogiwan
Bekenntnisse eines Opium-Süchtigen

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Gilbert De Quincey ist ein Abenteuer und Draufgängern, der eines Tages im Chinatown von San Francisco durch den Tod eines Journalisten einer Bande von garstigen Menschenhändlern auf die Spur kommt, die junge Frauen von China in die USA verschleppt um diese dort gewinnbringend an asiatische Geschäftsmänner zu verschachern. Als sich der gebildete Gilbert näher für diese Machenschaften interessiert, sticht er jedoch in ein Wespennest und hat bald eine Horde Verbrecher auf dem Hals, während er versucht, die jungen Mädchen vor ihrem grausamen Schicksal zu bewahren und gleichzeitig auch die gut geschützten Hintermänner zu enttarnen.

Vincent Price geht ja normalerweise immer und selbst mäßige Filme werden durch das Schauspiel des geschätzten Herrn mit seiner markanten Stimme regelrecht geadelt und aus der Mittelmäßigkeit gerissen. Dass dieses jedoch nicht immer der Fall ist, beweist „Bekenntnisse eines Opiumsüchtigen“, der ja eher zu seinen unbekannteren Werken zählt. Dieser beschreibt die turbulenten Abenteuer von Gilbert de Quincey in Chinatown von San Francisco im 19. Jahrhundert, wo dieser einem Menschenhandel-Ring auf die Spur - und dabei auch noch in den Genuss einer Opium-Pfeife kommt. Die Szenen des Drogentrips ist auch sehr gelungen, aber der Rest begeistert weit weniger und die ganze Sause ist nicht nur sehr zynisch, sonder auch sehr umständlich erzählt und wirkt mit seinem Anfang und Ende wie der zweite Teil einer nie realisierten Trilogie. Der Zuschauer ist von Beginn an mit Figuren und Handlungen Figuren konfrontiert, die sich nicht so recht einordnen lassen und wie das Haus mit seinen vielen Geheimgängen, spielen auch die Figuren die doppelten Spiel, was mit allerlei inhaltlichen Zufällen zur Folge hat, dass man auch leicht den Überblick oder auch gleich das Interesse verlieren kann. Die philosophischen Dialoge mit chinesischen Sprichwörtern nerven, das Finale zieht sich ebenfalls unnötig dahin und bietet dann auch noch kein zufriedenstellendes Ende. Meinen Geschmack hat der eher dramatisch und dennoch lahm gehaltene „Confessions of an Opium-Eater“ jedenfalls nicht getroffen und ich fand das alles ziemlich mau.

Pick me up

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Larry Cohens Regie-Comeback für die Serie „Masters of Horror“ ist auch einer dieser Beiträge, der im Grunde durchaus Potential hätte, aber dann etwas an der konzeptlosen Umsetzung scheitert. Die Geschichte zweier konkurrierender Psychopathen auf der Landstraße ist ja von der Sorte, die man wohl eher schwarzhumorig in Szene setzen sollte, da diese ja von Beginn an ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem hat und wie wahrscheinlich ist es auch, im Laufe einer Nacht gleich mehreren Psychopathen in die Falle zu laufen? Im Falle von „Pick me up“ kommt das alles aber so bierernst und mit teils haarsträubenden Entwicklungen daher, dass man sich wirklich fragen muss, wer den Machern diese Geschichte eigentlich abkaufen soll. Die Auflösung erfolgt viel zu früh, die Opfer drängen sich förmlich auch und danach springt der Fokus zwischen Opfer und Täter wild hin- und her und versucht immer noch einen drauf zu setzen, was darin resultiert, dass die Geschichte auch kein richtiges Ende findet. Die immer gern gesehene Fairuza Balk, die als Anhalterin wider Willen zwischen die Fronten gerät, steht angesichts des schwachen Drehbuchs jedenfalls auf verlorenen Posten und auch den Rest hätte man viel besser gestalten können, als er letzten Endes mit einer eher durchschnittlichen Episode ausgefallen ist.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 31. Jul 2016, 19:25
von jogiwan
Holidays - Jeder hat eine dunkle Seite

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Feiertage sind dank familiärer Konflikte und Verwandtenbesuche ja oftmals der Horror, doch nichts im Vergleich, was die Macher sich hier für den Zuschauer einfallen haben lassen. „Holidays – Jeder hat eine dunkle Seite“ bietet acht Episoden, die jeweils einen Feier- oder Jubeltag zum Thema haben und dem Zuschauer aufgrund ihrer miesen und arg unterdurchschnittlichen Qualität das Gruseln lehren. Hier reiht sich Low-Light an Totalausfall und von acht Episoden ist mit „Vatertag“ gerade einmal eine Episode dabei, die ich persönlich als halbwegs interessant bewerten würde. Der Rest mag vielleicht technisch okay sein, aber inhaltlich ist das alles aus der Rumpelkammer ganz schlechter Genre-Drehbücher und man fragt sich, wie man Episodenhorror mit einer eigentlich ganz netten Ausgangsidee dann so derart versemmeln kann. Statt spannender Ideen oder Innovation gibt es lediglich Altbekanntes, Abgestandenes und Ausgelutschtes im neuen Gewande und das ist umso beschämender, da hier teils Regisseure am Werk sind, die in der Vergangenheit mit durchaus origineller Genre-Ware auf sich aufmerksam gemacht haben. Besondere Erwähnung sollte hier dann auch Kevin Smiths Halloween-Episode finden, die mit ihren pubertären Witz die Dämlichkeits-Skala ganz nach oben ausschlagen lässt. „Holidays - Jeder hat mal einen schlechten Tag“ - aber hier könnte man sogar die Abschaffung jeglicher Feiertage und/oder ein Berufsverbot für die Macher in Erwägung ziehen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 1. Aug 2016, 19:45
von jogiwan
Paprika

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Das Output des verstorbenen Regisseurs Satoshi Kon besteht ja eigentlich nur aus herausragenden Werken und mit „Paprika“ hat er im Jahr 2006 wohl sein persönliches Meisterwerk geschaffen und eine Geschichte verfilmt, die wohl nicht nur zufällig etwas an den wesentlich späteren entstandenen „Incepton“ von Christopher Nolan erinnert. In „Paprika“ wird mittels DC-Mini direkt in die Träume von Menschen eingegriffen und als die Prototypen dieses wundersamen Geräts entführt und missbräuchlich verwendet werden, verschmelzen die Träume der Patienten zu einem gigantischen Alptraum, der wenig später auch in die Realität übergreift. Das klingt nicht nur wirr, sondern ist es auch und „Paprika“ ist im Grund ein gigantischer Mindfuck, der die Aufmerksamkeit des Zuschauers fordert und geplättet zurücklässt. Viel besser, farbenfroher und schräger kann man einen derartigen Streifen mit derartiger Thematik wohl auch nicht auf die Leinwand zaubern und Satoshi Kon mixt Sci-Fi, Thriller und Psycheldik zu einem einzigartigen Streifen, der auch zehn Jahre nach Erscheinen noch nichts Ebenbürtiges kennt.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 2. Aug 2016, 19:22
von jogiwan
Katakomben

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Das Problem von diesen Found Footage-Filmen ist ja die Tatsache, dass die meisten dieser Streifen nur einmal funktionieren und ist der Überraschungseffekt nicht mehr gegeben, offenbaren sich dem Zuschauer meist inszenatorische Mängel, die beim ersten Mal auch gar nicht so auffallen. Auch „Katakomben“ zählt zu dieser Kategorie und nach der Zweitsichtung auf Wunsch eines netten Besuchs ist der Streifen zwar immer noch eine sympathische, wenn auch etwas haarsträubende Mischung aus „Blair Witch“ und „Indiana Jones“, aber vor allem im letzten Drittel merkt man dem Streifen doch stark an, dass man es mit den unmotiviert erscheinenden Schreckmomenten doch etwas übertrieben hat und diese im letzten Drittel etwas plump eingesetzt werden. Was ja noch recht abenteuerlich beginnt, verkommt dann etwas zu einer hektisch erscheinenden Geisterbahnfahrt, die der Streifen eigentlich gar nicht nötig hätte und alle möglichen Bedrohungsszenarien dieses Formats bunt miteinander mixt. Dennoch ist „Katakomben“ sicher noch einer der besseren Found-Footage-Streifen der letzten Zeit, was auch an den sympathischen Darstellern, der ungewöhnlichen Thematik und dem Flair unterirdischer Geheimgänge liegt.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 3. Aug 2016, 19:52
von jogiwan
Love & Peace

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Der Angestellte Ryoichi wird aufgrund seiner schüchternen und schusseligen Art von allen nur belächelt und in der Arbeit von fast allen Kollegen gemobbt. Als er eines Tages in der Mittagspause eine kleine Schildkröte erwirbt und auf den Namen Pikadon tauft, erzählt er dieser abends von seinen großen Träumen ein berühmter Sänger zu werden und von der unerwiderten Liebe zu seiner Kollegin Yuko. Am nächsten Tag gehen die Attacken aber unvermindert weiter und durch ein paar unglückliche Ereignisse landet die kleine Schildkröte nach einer unfreiwilligen und abenteuerlichen Reise durch die Tokioter Kanalisation bei Pa, einem Landstreicher mit magischen Kräften, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ungeliebtes Spielzeug und verlassene Tiere bei sich aufzunehmen. Mit seiner Magie verschafft er Pikadon die Möglichkeit all seine Wünsche zu erfüllen und diese erinnert sich an ihren traurigen Besitzer, dessen Leben ebenfalls schon bald grundlegend auf den Kopf gestellt wird…

Sion Sono ist ja einer der wenigen Regisseure, denen Berührungsängste in ihrem Output vollkommen fremd sind und so hatte der unberechenbare Vielfilmer wohl mal Lust auf einen herzerwärmenden Familienfilm mit viel Musik und Magie, bei dem natürlich aber immer wieder sein schelmischer Humor aufblitzt. Dieser sorgt auch dafür dass hier sowohl große und kleine Kinder auf ihre Kosten kommen und wo sonst schon würde Sozialdrama, Weihnachtsfilm, popkulturelle Satire, Märchen und Kaiju-Film so konsequent und stimmig zusammenkommen, wie im Falle von „Love & Peace“? Hier wird nicht nur dick aufgetragen, sondern das Programm mit sprechenden Spielzeug, Tierbabys und Godzilla-Schildkröte auch konsequent zwei Stunden durchgezogen. Zu viel möchte man ja nicht verraten, aber wie die Figur des Ryoichi kommt auch der Zuschauer aus dem Staunen nicht mehr raus und trotzdem bietet „Love & Peace“ bist zum großen Finale auch keinerlei Durchhänger und bringt auch seine ganzen Handlungsfäden harmonisch zusammen. Das Einzige, was ich an dieser Stelle bemängeln könnte, sind die teils etwas lahm wirkenden Songs, die ich mir persönlich im Kontext des Streifens etwas eingängiger und schmissiger gewünscht hätte, aber ansonsten ist Sion Sonos Werk ein sehr schönes und vor allem vollkommen unberechenbares Filmereignis für Leute mit Humor, die ebenfalls gerne über Genregrenzen hinweg denken und sich auch vor märchenhaften Ereignissen, Musik und Kitsch nicht abschrecken lassen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 4. Aug 2016, 19:50
von jogiwan
Suicide Circle

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Nachdem in den nächsten Tagen hoffentlich „Norikos Dinner Table“ bei mir eintrudelt, gab es gestern noch einmal „Suicide Circle“ und die Sichtung bestätigt auch meine bisherigen Eindrücke, dass „Suicide Circle“ wie auch „Kairo“ in der Kiste der J-Horror-Filme nicht wirklich etwas zu suchen hat. Zwar hat der Auftakt mit den 54 Schülerinnen sicherlich seinen Platz im der jüngeren Filmgeschichte gefunden und es gibt ein paar Überschneidungen wie dunkle Korridore, ausgedehnte Spannungsmomente und Geistererscheinungen, aber der Rest dreht sich eher um Phänomene wie Massenhysterie um eine Art verselbstständigter Selbstmordkult mit vielen Verweisen auf popkulturelle, religiöse und gesellschaftliche Gegebenheiten, die hierzulande größtenteils unbekannt sein dürften. Als westlicher Zuschauer kann man auch eher nur verwundert dem episodenhaften Treiben folgen, dass der Regisseur Shion Sono für den Zuschauer bereithält und sich über ein paar Ecken eine eventuelle Auflösung herbei denken. Aber um eine Auflösung scheint es in dem Streifen ja ohnehin nicht zu gehen, sondern vielmehr um ein wagemutiges Szenario, dass den Zuschauer mit überzeichneten Mitteln über gesellschaftlichen Missständen zum Nachdenken anregen soll.