FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Moderator: jogiwan

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purgatorio
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FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von purgatorio »

FULL METAL JACKET

Bild

Deutscher Titel: Full Metal Jacket
Originaltitel: FULL METAL JACKET

Regie: Stanley Kubrick
Produktionsland: Großbritannien, USA (1987)

Darsteller: Matthew Modine, Adam Baldwin, Vincent D'Onofrio, R. Lee Ermey, Dorian Harewood, Kevyn Major Howard, Arliss Howard, Ed O'Ross, John Terry, Kieron Jecchinis, Kirk Taylor, Tim Colceri...

Story:
Rekrutenausbildungslager Paris Island während des Vietnamkriegs: Der ultraharte Ausbilder Gunnery Sgt. Hartman drillt eine Gruppe von jungen Marines, darunter Private Joker (Matthew Modine), der die Geschichte auch erzählend begleitet. Hartman macht nicht nur Soldaten aus den jungen Männern, er bemüht sich auch Individualität und Schwächen zu vernichten, so daß lediglich eine mehrköpfige Killermaschine entsteht. Im Falle des geistig eh recht labilen Gomer Pyle (Vincent D'Onofrio) wirkt die Kur jedoch zu gut. Von Hartman geschliffen und gedemütigt, von den Kameraden gehaßt und geschlagen, rächt sich Pyle in der letzten Nacht, als er den unbeugsamen Hartman vor Jokers Augen erschießt und sich den Lauf des Gewehrs dann in den Mund steckt.
Der zweite Teil der Handlung spielt in Vietnam, wo Joker Kriegsberichterstatter geworden ist. Seine Haltung ist zwiespältig, doch Hartmanns Ausbildung ist nicht ohne Folgen geblieben. Als er sich für eine Reportage einer Gruppe Marines anschließt, wird die von einem Heckenschützen unter Beschuß genommen. Nach einem gnadenlosen Gefecht, wird für Joker und die anderen nichts mehr so sein, wie es vorher war...
(via ofdb)
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purgatorio
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von purgatorio »

Diesen Film halte ich ja für perfekt auf vielen Ebenen. Die Zweiteilung ist elementar – auch in ihrer Nachwirkung auf die Populärkultur. Die ersten 45 Minuten, die normale Buben ins endindividualisierte Marine Corps stürzen (Haare ab - alle gleich), erniedrigen, entwürdigen und zum Tötungsinstrument formen, sind in ihrer Wucht und Intensität beispiellos. Und auch der Bruch im zweiten Teil ist für die Filmgeschichte der Vietnam- und Kriegsverarbeitung unglaublich wichtig. Hier kommt nichts von dem, was man im Kanon des Vietnamfilms erwarten würde. Häuserkämpfe werden eben nicht mit Vietnam assoziiert. Und die Marines posieren wie Filmhelden („Sind Sie vielleicht John-Wayne? Oder bin ich das?“), erniedrigen die Vietnamesen, spielen die harten Männer und überspielen damit letztlich nur Furcht und Unsicherheit.

Stanley Kubrick hat abgewartet. APOCALYPSE NOW – knapp zehn Jahre eher, RAMBO und seine Chuck Norris-Äquivalente, dann PLATOON von Oliver Stone (um nur die Meilensteine aufzuzählen), Kubrick hat das alles abgewartet (OK, als Stone das Go für PLATOON erhielt, war Kubrick schon in der Produktion) und dann sein eigenes Vietnam-Kunstwerk geschaffen. Anders und wichtig und prägend auf so vielen Ebenen. Die Musik, die Wucht der Bilder, die narrative Struktur – hier passt alles. Und alles erfüllt einen Zweck. Als Knabe war mir die zweite Hälfte zu lang und gedehnt erschienen, heute sauge ich sie in mich auf. Die muss so sein, die ginge nicht besser!

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Ans Herz gelegt sei hier die Lektüre von Gustav Hasfords „Höllenfeuer“. Das Drehbuch zum Kubricks Vollmantelgeschoss (Full Metal Jacket) basiert zum Großteil auf diesem Buch. Es ist in drei Akte unterteilt und erstreckt sich von der Ausbildung der Marines über den Häuserkampf hin zu einem Dschungelgefecht. Und alle Antihelden des Films finden sich hier bereits vorstrukturiert (wenn auch nicht zwingend mit den bekannten Namen). Aber Joker, Cowboy und Animal Mother geben den Ton an, der Drill Instruktor Hartman und auch Prv. Paula mit aller Tragik seiner Figur sind hier zu finden. Darum bietet die Lektüre von „Höllenfeuer“ nicht nur ein Wiedersehen mit den Figuren, die man schon kennt, sondern weitere erschütternde Einblicke in deren Denken und Wirken in Vietnam. Holy Shit, was für ein Scheisskrieg! Und: Ein ganz großes Buch! Unser Gun. Sgt. Hartman ist letztlich in seiner diabolischen Perfektion aber ein Produkt von R. Lee Ermey. Im Buch ist er zwar auch finster, aber was Ermey aus dieser Figur gemacht hat, ist für die Populärkultur von unschätzbarem Wert. Und dass, wo Ermey eigentlich nur zur Beratung am Set war. Den Drill Instruktor hatte man längst gecastet. Ermey – als tatsächlicher Ausbilder aus der Vietnamzeit – war zur Beratung für die Authentizität angestellt (wie hält man ein Gewehr, wie wird marschiert etc. apropos: Ermey hatte ein paar Jahre zuvor bereits einen Drill Instructor in THE BOYS OF COMPANY C gespielt). Nebenher schrieb er ein paar obszöne Beleidigungen auf - eine Geste der Höflichkeit. Und die führte er dann auch noch kurz vor. Und so, wie er sich die Uniform anzog, war er auch wieder ein fieser Motherfucker. Kubrick brauchte nur noch die Kamera laufen lassen. Das arme Würstchen, das diese Rolle eigentlich spielen sollte, wurde der Doorgunner im Helikopter („Krieg ist die Hölle! Hahaha!“) - ein Trostpflaster.

Zuletzt – für diejenigen, die dann und wann mal an der Authentizität der Ausbildungsdarstellung zweifeln – sei dieses Video empfohlen. Ein altgedienter Marine kommentiert die Eröffnungssequenz. Wenig spektakulär – aber: Seht euch die Kommentarsektion unter dem Video an. Was da noch an Storys, Erfahrungsberichten, Erzählungen und Anekdoten kommt und mit weiteren unfassbaren Sprüchen von DIs gewürzt ist, macht Freude. Da gehen einem die Augen auf.



Ein paar Beispiele:
"Even bob ross couldn't paint the shit i'm looking at right now"
"I could eat alphabet soup and shit out a better question than that"
"Over a million sperm running a race and you were the one that won. Jesus Christ I can't imagine the result if you had lost!"
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von Onkel Joe »

Hab ich damals im Kino gesehen und war geplättet.
Auf Video war der dann auf Vollbild gezogen und kam so nicht 100% in Fahrt. Ich muss den nun nach vielen Jahren mal wieder sichten. Ist ne sehr gute Idee..
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von buxtebrawler »

Erstaunlich, dass dieser wichtige Film hier noch gar kein Thema war. Ja, bedeutender Film, den ich mir am liebsten innerhalb einer Kubrick-Retrospektive noch einmal ansehen würde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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purgatorio
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von purgatorio »

Ich sah kürzlich in einem Making-Off, dass das Finale auch noch eine ganze Ecke heftiger werden sollte. Achtet mal drauf: Immer, wenn man Animal Mother (Adam Baldwin - nicht aus dem Baldwin-Clan) von hinten sieht, trägt er auf seinem Rücken eine Machete. Diese sollte eine Funktion bekommen. Im oben genannten Buch von Hasford verstümmeln die GIs die Heckenschützin nach ihrem Tod noch massiv. Animal Mother enthauptet sie mit seiner Machete, Alice (ein großer Schwarzer im Buch) hackt ihr im Anschluss noch die Füße ab. Er sammelt sie in einer großen Einkaufstasche. Zumindest die Enthauptung sollte im Film noch kommen. Deshalb sieht man häufig auch schon die Machete im Bild.

Bild Bild Bild
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Salvatore Baccaro
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Hierzu eine kleine Anekdote aus Schultagen: In jungen Jahren wurde ich mit dem Oeuvre Kubricks konfrontiert, als ARTE über wenige Wochen hinweg, wenn ich mich recht entsinne, nahezu sämtliche seiner Filme in einer Retrospektive präsentierte. Etwa zeitgleich beackerten wir im Musikunterricht der 7. oder 8. Klasse das Thema "Filmmusik". Unsere Musiklehrerin, eine sehr unsympathische, zuweilen regelrecht cholerische Dame, die seinerzeit frisch aus dem Lehramtsstudium gekommen sein musste, schlug uns einen Deal vor: Falls jemand sich bereit erklärte, der Klasse Filmbeispiele vorzustellen, und diese in Form eines kleinen Referats gemäß der filmmusikalischen Fachtermini zu analysieren, die wir zuvor durchgepaukt hatten, würde dem- oder derjenigen ein Sternchen winken, das unsere Lehrerin daran erinneren sollte, dem oder der Schülerin, wenn er oder sie am Ende des Schuljahrs auf der Kippe zwischen zwei Noten stehen würde, die bessere Note zuzuschlagen. Auf die Noten kam es mir gar nicht so sehr an, sondern eher darauf, meine zu knospen beginnende Filmleidenschaft zu teilen, als ich begeistert den Arm hob, um mir einen Vortrag zur "Kontrapunktischen Verwendung von Filmmusik" zu sichern. Hierzu ist mir nämlich sofort jene Szene aus FULL METAL JACKET in den Sinn gekommen, wo die Kampfhandlungen mit dem launigen Song "Surfin' Bird" von den Trashmen begleitet werden. Ich hörte die Lehrerin mich schon dafür loben, was für ein außerordentlich passendes Beispiel ich ausgewählt hatte, als ich zusammen mit einem Schulkameraden, der sich mir anschloss, die VHS mit meiner TV-Aufzeichnung des Films in den klassenraumeigenen Player schob. Aber nichts hätte mich auf den Wutanfall vorbereiten können, mit dem unsere Lehrerin die Präsentation noch vor Ende der Szene abbrach: Was uns denn einfiele, solch ein kriegsverherrlichendes Machwerk in ihrem Unterricht zu zeigen!; da sterben gerade Menschen auf dem Schlachtfeld und dazu erklingt ein fröhlicher Surf-Song!; natürlich bekommen wir dafür kein Sternchen, und sollen froh sein, wenn sie uns keinen Tadel ins Klassenbuch einträgt! Dass wir eigentlich vorgehabt hatten, im Anschluss noch die Banden-Prügelei aus A CLOCKWORK ORANGE mit Symphoniesoundtrack vom alten Ludwig van hinterherzuschieben, erübrigte sich dadurch selbstverständlich...
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von buxtebrawler »

Salvatore Baccaro hat geschrieben: Fr 9. Apr 2021, 14:54 Aber nichts hätte mich auf den Wutanfall vorbereiten können, mit dem unsere Lehrerin die Präsentation noch vor Ende der Szene abbrach: Was uns denn einfiele, solch ein kriegsverherrlichendes Machwerk in ihrem Unterricht zu zeigen!; da sterben gerade Menschen auf dem Schlachtfeld und dazu erklingt ein fröhlicher Surf-Song!; natürlich bekommen wir dafür kein Sternchen, und sollen froh sein, wenn sie uns keinen Tadel ins Klassenbuch einträgt! Dass wir eigentlich vorgehabt hatten, im Anschluss noch die Banden-Prügelei aus A CLOCKWORK ORANGE mit Symphoniesoundtrack vom alten Ludwig van hinterherzuschieben, erübrigte sich dadurch selbstverständlich...
Unfassbar, was sich alles Pädagoge oder Pädagogin schimpfen darf. Diese Lehrerin gehörte kräftig getollschockt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Salvatore Baccaro
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Oh, diese Frau war tatsächlich eine Bestie in Menschengestalt. Im gleichen Schuljahr schauten wir auch gemeinsam "Kevin allein zu Haus", damit uns klarwerden sollte, was man im filmmusikalischen Jargon unter "Mickey Mousing" versteht. Die Warnung der Lehrkaft, bevor sie die VHS dem Player überantwortete: Und wehe!, jemand von euch fängt an zu lachen! Den setze ich gleich vor die Tür! Wir sind hier, um uns wissenschaftlich mit dem Filmton auseinanderzusetzen und nicht, um uns zu amüsieren! Haha, man könnte meinen, ich sei im preußischen Militärgymnasium zur Schule gegangen...

Dem Faß den Boden schlug es indes aus, dass sie uns irgendwann später auch einen Beitrag von 3sat-Kulturzeit über György Ligeti vorsetzte. Ligeti verdankt seine popkulturellen Spuren ja vor allem dem Umstand, dass Kubrick einige seiner Kompositionen kongenial in 2001 einsetzte - aber unserer Lehrerin ist offenbar nicht mal bewusst gewesen, dass genau jener Regisseur, der in der Sendung über den Grünen Klee gelobt wurde für seine Verwendung avantgardistisch-klassischer Komponistionen, auch verantwortlich für das angeblich "kriegsverherrlichende Machwerk" gewesen ist, das die gute Frau wenige Wochen zuvor aufgrund einer einzelnen Szene in Grund und Boden verdammte... Mich zu melden und sie darauf hinzuweisen, traute sich mein damaliges jüngeres Selbst freilich nicht... :D
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sergio petroni
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von sergio petroni »

:offtopic:
Ja, diese Erinnerungen.
Mußte beim Lesen an meine damalige Deutschlehrerin denken, die uns in einer Freistunde den von mir vorgeschlagenen „Landhaus der toten Seelen“ gucken ließ.
Während des Films sackte die kleine, mit einer Art biederem Humor ausgestattete Dame immer mehr in sich zusammen, um dann beim finalen Twist mit einem gehauchten „Ohhhh“ ihre Unbedarftheit zu erkennen zu geben. Ich habe mich als Pennäler jedenfalls spitzbübisch über diesen Offenbarungseid gefreut.
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Re: FULL METAL JACKET - Stanley Kubrick (1987)

Beitrag von purgatorio »

Ich ergänze mal meine Lektürnotizen zu diesem Film-relevanten Buch noch in diesem Faden:

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Michael Herr: AN DIE HÖLLE VERRATEN (DISPATCHES)

Michael Herr, der als junger Kriegsberichterstatter in Vietnam unterwegs war und seine Gedanken und Erlebnisse in seinem vielbeachteten DISPATCHES verarbeitete, empfahl sich mit diesem Buch für die Drehbucharbeit zu FULL METAL JACKET. Den Kern des Films bildet aber die Verarbeitung eines anderen Kriegsberichterstatters, nämlich Gustav Hasfords HÖLLENFEUER. Bei der Lektüre sind mir nur zwei Stellen aufgefallen, die direkt in Kubricks Film Einzug hielten: (1) recht weit vorn ein paar Zitate des Bordschützen, der auch auf Frauen und Kinder schießt und (2) sehr weit hinten die Diskussion von Notizen auf Helmen und Feldjacken, speziell die ironische Brechung des Spruches BORN TO KILL in Kombination mit einem Peace-Button.

Insgesamt empfand ich die Lektüre von DISPATCHES als recht anstrengend. Die Einblicke in die Arbeit und vor allem die Freiheiten der Journalisten in diesem speziellen (Medien-)Krieg sind schon sehr aufschlussreich und interessant. Aber unterm Strich fehlt dem Buch ein gewisser Flow. Es liest sich furchtbar anstrengend, weil der junge Mann / Autor aus Gründen der Authentizität eine eher saloppe Sprache wählte. Und die wurde dann auch noch salopp ins Deutsche übersetzt. Und das auf dem Niveau der 70er Jahre - die flüssige Lesbarkeit leidet darunter enorm.

Warum das Buch seinerzeit so einen Impact hatte, erschließt sich natürlich schnell und eindringlich. Soldaten in Medien- und Kriegsgeilheit, die im Drogenrausch jeglichen Realitätskontakt verlieren und den Ernst der Lage gerne erst unter Feuer begreifen, während Journalisten in unkontrollierter Narrenfreiheit alles beobachten und dokumentieren um sich anschließend in Strandbars zu besaufen und rumzuhuren - das widersprach dem Bild des helden- und ehrenhaften Soldaten in allen Belangen. Besonders sticht ein episodisches Kapitel hervor, welches in Sprüngen viele kurze Interviews zu einem Panorama aus Kriegsgeschichten kombiniert, die allesamt lesenswert sind. Aber der Großteil des Berichtes ist dann doch sehr zäh und langatmig. Das wäre nach meinen Maßstäben auch mit 100 Seiten weniger erzählbar gewesen. Allerdings ist das mein streng subjektiver Eindruck, einem anderen mag diese Psychologisierung ja auch gefallen. Sei es drum: DISPATCHES ist im Kanon der zeitgenössischen Vietnamberichte durchaus relevant und allein darum einen Blick wert.
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