Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von karlAbundzu »

14.5.22 Hafen Vegesack
Den 400 Jahre Hafengeburtstag im Bremer Stadtteil Vegesack nahmen wir mal zum Anlass, größere Menschengruppen und wie man sich in diesen fühlt, zu testen. Immerhin war gutes Liveprogramm angekündigt und Schiffe und Büdchen. Nun, die meisten Schiffe waren wohl gerade unterwegs, und die Büdchen zu wenige (dazu mit der doofen deutschen Angewohnheit, sich nicht respektvoll oder fair anderen Wartenden zu begenen), aber die Bühne war groß. Bier gab es auch an diversen Kiosken (gut, dass ich mich da auskenne), und vor der Bühne war es gut gefüllt aber nicht eng. Bzw. nach dem Deutschpoprocke Tenski, von dem wir das Ende mitbekamen wurde es da erst mal richtig leer.
Dann kamen PALOMA and the Matches. Eine junge Band aus Bremen. Paloma ist eine junge, sehr charmante Frau, die nicht nur sehr gut singt, sondern sich auch gerne und gut bewegt. Gut, ihr Vater ist Tanz- und Fitnesstrainer. Sie singt auf eine moderne Soul-Art. Die Band spielt einen Mix aus Surf, 60s, Kraut und irgendwas. Das ist eine spannende Mischung. Wäen es bei den ersten zwei drei Songs noch eher so Richtung Gute Laune Poprock geht, was ich gut fand, wurde es danach schräger, spannender. Ein besonders schöner Song hatte einen orientalischen Rhythmus zB. Die Leute kamen nach und nach näher und tanzten, blieben aber alle ein bischen entfernt, mag an den guten Liedern oder der mega charmanten Paloma liegen, die nicht nur die Bürofrauen, den jungen Mädels und die Männer allen Alters u den Finger wickelte. Prima Stunde bei bestem Wetter.
Danach kamen die Busters aus Wiesloch, aber auch mit Bremen - Bezug. Ihre ersten LPs kamen vom hiesigen Weser Label, also Punkumfeld. Eine Zeitlang habe ich sie oft gesehen, sie bespielen den Schlachthof hier eigentlich jedes Jahr zum Jahresende. Und sie haben in ihrem Sound eingies probiert. Angefangen im strengen 2TOne mit leichtem Pop-Appeal haben sie später rockiges, poppiges und auch mal ein ganzes Album Roots-Ska integriert. Also war ich gespannt, wer noch so dabei ist, und was geboten wird.
Und sie legten ordentlich los, mit alten Songs, 2Tone-Vibes, die frühen Madness sei hier mal als Haupteinfluss genannt. Ein fetziges Instrumental als Opener, dann am der Sänger auf der Bühne und mir klappte der Mund auf, total jung. Klang aber sehr wie der erste. Super.
Und sie spielte allerlei alte Hits, viele meiner Lieblinge, Summer Time, Stay Rude, Dead or Alive, kaum Pause, schöne Instrumentals, immer treibend, immer zum Tanzen. Es wurde voller, aber nie unangenehm. An den bei dem Busters-Sound sehr wichtigen Bläsern (Posaune, Saxofon, Trompete) eher ältere Herren, aber mit was für eine Power: Sie hatten ständig Einsatz, dazu ausgedehnte eigene Anteile/Solos, die dauerten, bis ich dachte, ohauerha, gleich platzt der Kopf, nein, sie tanzten und skankten auch immer dann, wenn sie gerade nicht pusten mussten. Beeindruckend!
Die Leute hatten viel Spaß, es waren einigen Ska-Köpfe da, und es war rundum gelungen. Mal sehen, am 28.12. sind sie wieder in der Stadt.
Danach hatten wir nicht so recht Bock auf Flo Mega (ehrlich gesagt, auf den haben wir nie Lust), flugs nach Hauseund leider noch den deutschen Beitrag vom ESC mit bekommen.
Fazit: Draussen unter vielen Menschen gehts, habe ich irgendwie keine Manschetten mehr, ist doch gut. Und Paloma , Busters sowieso, kann ich live nur empfehlen!
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von buxtebrawler »

14.05.2022, Freiraum Itzehoe: HARBOUR REBELS + BOLANOW BRAWL

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Über zwei Jahre hatten wir kein Konzert mehr gegeben, doch unsere „postpandemische“ Konzertsaison sollte beginnen, wie die präpandemische endete: mit den HARBOUR REBELS. Obwohl, eigentlich sollten wir für RED BRICKS eröffnen, die ohne Sänger zurzeit jedoch aufgeschmissen sind. Dankenswerterweise sprangen HARBOUR REBELS umgehend und unkompliziert ein. Konspirativ näherten wir uns an diesem lauen Frühlingsnachmittag in Kleingruppen dem Itzehoer Freiraum, der sich etwas versteckt, weil unausgeschildert hinter Industriegebäuden auf einem ehemaligen Areal für Bahnmalocher befindet. Vor ein paar Jahren hat die Freiraum-Crew um Melissa und Dietmar im Schweiße ihres Angesichts dort alte Bahngleise aufgeschüttet und ‘ne muggelige Veranstaltungsbude etabliert, in der nun regelmäßig Subkulturelles stattfindet. Im Inneren verbindet ein schnieker Tresen den Backstage- mit dem Bühnenbereich, zu trinken gibt’s u.a. kaltes Ratsherrn (mein Lieblingspils!) und im Gartenbereich kann man sich in Liegestühle fallenlassen, aus denen man in meinem Alter nur schwer wieder hochkommt. Dass ich überhaupt zu diesem Gig hochkommen würde, stand die Woche über auf der Kippe, da mich – erstmals seit Jahren! – ausgerechnet jetzt ‘ne miese Erkältung erwischt hatte. Freitagmittag aber hatte ich entschieden, die Nummer durchzuziehen und mir mein Kamillosan-Rachenspray (Tipp!) eingepackt. Nachdem alles aufgebaut und der Sound gecheckt war, gab’s lecker Mampf vom Orientimbiss.

Wenige Falafelfürze später ließen wir unser neues Intro aus der Konserve erklingen und stiegen wie gewohnt mit „Total Escalation“ in unser Set ein. Boah, geil – endlich wieder live zocken! Ein warmes Gefühl der Euphorie überkam mich. Dass es Probleme mit der Monitoranlage gab und ich mal wieder dazu neigte, dagegen anzuschreien, mich selbst auf der Bühne kaum zu hören: geschenkt. Immerhin hielt meine Stimme größtenteils durch, offenbar klang ich schlicht rotziger als sonst. Neben unseren üblichen Songs war auch wieder „Cliché“, unsere zweitjüngste Nummer, im Set, und unser betäubungsmittelmissbrauchskritischer „Saufen ist geiler als koksen“-Song „Not My Thing“ feierte seine Livepremiere. Die wohl so knapp 30 Menschen im Publikum tanzten paar Runden, verließen aber auch in Teilen die Bude, weil es ihnen zu laut gewesen sei (?!), und lauschten vor der geöffneten Tür weiter – Kippe in der einen, Mische in der anderen Hand –, oder alberten vor der Bühne herum und schossen Selfies. Zu fünft auf derselben war’s ganz schön eng, sodass ich beim Gestikulieren immer mal wieder versehentlich in Keith‘ Bass grabschte, was die eine oder andere Unterbrechung zum Instrumentenstimmen nach sich zog. Fast alles wie früher also! Etwas gewöhnungsbedürftig hingegen das überwiegend purpurne Licht, das ab und zu kurz unvermittelt wechselte, um sich schnell wieder irgendwo zwischen rosa und lila einzupendeln. Nach zwölf Songs inklusive Zugabe war für uns Feierabend.

Diesen versüßten uns die HARBOUR REBELS mit ihrem oft deutsch-, aber auch mal englischsprachigen Streetpunk voller Ohrwurmmelodien und von Sängerin Jules kräftiger Stimme geschmetterten Mitsingrefrains, der sich thematisch zwischen der eigenen Szene, Fußball, Kritik an der Gesamtscheiße und auch Persönlicherem, Ernstem wie einem Song über Depressionen bewegt. Jule führte mit launigen Ansagen durchs Set, das von gleich drei Coverversionen – „Because You’re Young“ (COCK SPARRER), „Skinhead Times" (THE OPPRESSED) und „Nich‘ mein Ding“ (HAMBURGER ABSCHAUM, Gitarrist Dennis‘ ehemalige Spielwiese) – abgerundet wurde. Nachdem Benny eine Gitarrenseite gerissen war, konnte Christian mit seiner Klampfe aushelfen, sodass eine längere Pause vermieden wurde und die gute Stimmung nicht absank. Der Laden war nach wie vor nicht gerade überfüllt, aber alle schienen ihren Spaß zu haben. Selbst beim St.-Pauli-Skinheads-Song nahm die Band entwaffnend jegliche Verbissenheit heraus, indem man ein Bandmitglied als HSVer „outete“ und man den anwesenden Hansa-Rostock-Anhänger in ein nettes Pläuschchen verwickelte. Anschließend tranken wir alle (außer Ole, der mit eigener Karre wieder nach Kiel zurück und deshalb bedauerlicherweise trockenbleiben musste) gemeinsam den Kühlschrank leer und manch einer feierte noch die erlesene Musikauswahl des nun auflegenden DJs ab, die von GIANNA NANNINI über NEW ORDER bis DRITTE WAHL reichte.

Itzehoe war ein idealer Warm-up für zukünftige Livegigs sowie eine schöne Gelegenheit, mal wieder aufs platte Land um Hamburg ‘rum herauszukommen und der Dorfpunkkultur zu frönen. Lediglich die Idee, den Merchstand im Backstage-Bereich aufzubauen, den daraufhin kaum jemand findet, wäre eventuell zu überdenken, haha… Behaltet den Freiraum e.V. ruhig mal im Auge, am 25. Mai spielen dort z.B. LOS FASTIDIOS mit ZOI!S. Danke an dieser Stelle noch mal dem Freiraum-Team sowie den HARBOUR REBELS für alles, Sandy dafür, mit gebrochenem Fuß als Fahrerin fürs Schlagzeug und zwei Fünftel unserer Band eingesprungen zu sein, sowie der Dame, die den Rest unserer HH-Delegation kurzerhand zum Itzehoer Bahnhof chauffierte, von wo aus wir feuchtfröhlich die Heimreise antraten und diverse Babytauben zu sehen bekamen…

P.S.: Nicht zuletzt danke an Ben German und Sandy für die Fotos (und Videos fürs Privatarchiv) unseres Gigs!

Reich bebildert auch hier:
https://www.pissedandproud.org/14-05-20 ... now-brawl/
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

@karl
Zu den Busters habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis! Waren immer so Oberschüler-Studenten ohne den echten Spirit.
Als sie in den frühen 90ern auf einem großen Open-Air in Berlin irgendwas von Scheiß-Glatzen faselten, war für mich der Ofen aus! Da wäre die Gelegenheit gewesen, dem Publikum zu vermitteln, dass Skinheads nicht nur Nazis sein müssen, sondern auch was mit Ska und schwarzer Musik zu tun haben können. Das haben die Ärsche schlicht vergeigt und ich hab's ihnen bis heute nicht verziehen. Ska ist Skinhead-Musik! Punkt!

@bux
Freut mich für eure Live-Reunion!
Deine Konzert-Berichte lese ich immer gerne, da sie sehr "plastisch" sind und gut das Geschehen vermitteln.
"Los Fastidios", von denen ich mal wieder nicht wusste, dass sie noch existieren, wären sicherlich auch reizvoll. Leider habe ich vor mittlerweile etwa zehn Jahren beschlossen, dass ich zu alt für Konzerte bin.
Momentan trage ich mich tatsächlich mit dem Gedanken, "Komintern Sect" im Monkeys zu besuchen. Irgendwie fehlen mir die Konzerte leider doch.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von buxtebrawler »

FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Fr 20. Mai 2022, 02:46 @bux
Freut mich für eure Live-Reunion!
Deine Konzert-Berichte lese ich immer gerne, da sie sehr "plastisch" sind und gut das Geschehen vermitteln.
Vielen Dank :verbeug:
FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Fr 20. Mai 2022, 02:46Momentan trage ich mich tatsächlich mit dem Gedanken, "Komintern Sect" im Monkeys zu besuchen. Irgendwie fehlen mir die Konzerte leider doch.
Wann spielen die?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

buxtebrawler hat geschrieben: Fr 20. Mai 2022, 08:56
FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Fr 20. Mai 2022, 02:46Momentan trage ich mich tatsächlich mit dem Gedanken, "Komintern Sect" im Monkeys zu besuchen. Irgendwie fehlen mir die Konzerte leider doch.
Wann spielen die?
Das war vergangenen Freitag, also nicht gestern.
Soll gut gewesen sein! Ich hatte Merchandise in Auftrag gegeben, aber die Motivauswahl der Shirts lies zu wünschen übrig. Selbst anwesend war ich (natürlich) nicht.
Gib mir mal per PN eine Mail-Adresse, dann sage ich einem guten Freund, er soll dich bei den Empfängern zu seinem monatlichen Newsletter betreffs Punk in HH hinzufügen. Vielleicht kann er dann ja auch deine Band ein wenig promoten. :wink:
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von buxtebrawler »

FarfallaInsanguinata hat geschrieben: Sa 4. Jun 2022, 02:04 Das war vergangenen Freitag, also nicht gestern.
Soll gut gewesen sein! Ich hatte Merchandise in Auftrag gegeben, aber die Motivauswahl der Shirts lies zu wünschen übrig. Selbst anwesend war ich (natürlich) nicht.
Gib mir mal per PN eine Mail-Adresse, dann sage ich einem guten Freund, er soll dich bei den Empfängern zu seinem monatlichen Newsletter betreffs Punk in HH hinzufügen. Vielleicht kann er dann ja auch deine Band ein wenig promoten. :wink:
Ja, hatte ich dann auch noch mitbekommen, war aber auch nicht da - obwohl's quasi um die Ecke gewesen wäre... Habe aber gar nicht so den Bezug zur Band, so etwas fällt dann schnell bei mir durchs Raster,

PN bekommst du.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von fritzcarraldo »

Am 13.06.
The National.
Stadtpark Open Air. Hamburg.
https://www.stadtparkopenair.de/veranst ... -national/
9 Euro Ticket in der Tasche und Corona ist ja irgendwie offiziell vorbei. :kicher:
Bin gespannt.
"Das Leben ist noch verrückter als Scheiße!" (Joe Minaldi -Burt Young- Es war einmal in Amerika)

"J&B straight and a Corona!"
(Patrick Bateman, American Psycho)

https://www.latenight-der-fussball-talk.de
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von buxtebrawler »

05.06.2022, Barclays-Arena, Hamburg:
PET SHOP BOYS


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Es gibt diese Momente, in denen man über eine Konzertankündigung stolpert, die so gar nichts mit Subkultur zu tun hat, aber einen Act betrifft, der einen – mal mehr, mal weniger – schon sein ganzes Leben lang begleitet und sich nicht nur mit einer Handvoll Evergreens im Langzeitgedächtnis festgesetzt hat, die man in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder hervorkramt, sondern der auch im Radio nach wie vor omnipräsent ist und sogar weiterhin regelmäßig abliefert. Das britische Synthie-Pop-Duo PET SHOP BOYS ist so ein Fall. In den 1980ern haben Neil Tennant und Chris Lowe diesen Musikstil und aufgrund ihres immensen Erfolgs die Populärkultur jener Dekade mitgeprägt und waren seitdem nie weg. Die PET SHOP BOYS entwickelten sich musikalisch weiter, modernisierten ihren Sound und landeten immer mal wieder Treffer, die auch mich erreichten. Dies gelang ihnen vor allem mit der „Agenda“-EP aus dem Jahre 2019, mit der sie sich auf ihren ‘80er-Stil zurückzubesinnen schienen.

Als ich irgendwann 2019 oder Anfang 2020 davon erfuhr, dass sie auf Tour kommen würden, unterlag ich meiner diffusen Schwäche für ‘80er-Synthie-Pop und gelang es mir gerade noch, zwei Karten für den Hamburg-Gig im Mai 2020 zu besorgen. Dann kam die Covid-19-Pandemie und die Tickets landeten auf dem Stapel unbekannt verschobener Veranstaltungen. Der Ersatztermin 2021 fiel ebenfalls dem Virus zum Opfer, aber am Pfingstsonntag ’22 sollte es tatsächlich klappen! Die einst von O2-Arena in Barclaycard-Arena umgetaufte große Halle heißt mittlerweile Barclays-Arena, aber unsere alten Tickets besaßen noch immer Gültigkeit. Nach einer kräftigen Stärkung am Imbiss ging’s per S-Bahn nach Stellingen, wo wir ob des hervorragenden Wetters auf den Shuttle-Bus pfiffen und uns in einem Pulk weiterer PET-SHOP-Hools durch Parkanlagen hindurch den Weg zur Was-auch-immer-Arena bahnten. Bald hatte ich meinen Denkfehler bemerkt, das Publikum bestünde mit Sicherheit größtenteils aus Teenies, die die Band seit den ‘80ern hören. Ähm… Angesichts der tatsächlichen Besucherinnen und Besucher witzelten wir dann, dass wir uns statt vor einer Wall of Death vor einer Wall of Mums and Dads in Acht würden nehmen müssen.

Meine letzte Vorglüh-Pilsette zischte ich in der langen Schlange am Einlass, die erstaunlich schnell voranschritt. Der Grund: Taschen und ähnliches Gedöns jagte der Sicherheitsdienst kurzerhand durch Metalldetektoren und Impfnachweise entfielen. Der halbe Liter Bier kostet in der Arena mittlerweile amtliche 6 Öcken, ‘ne Piña Colada dafür nur 50 Cent mehr – und wenn man den richtigen Bierstand erwischt, gibt’s immerhin Duckstein statt Holstenplörre. Das Publikum setzte sich augenscheinlich aus einem Mainstream-Publikum in den besten Jahren, aber auch einigen Jüngeren, der „Zumindest einmal gesehen haben und ‘nen Haken dran“-Konzerttouri-Fraktion sowie ein paar ’80s-Abkultern zusammen. Ein Typ lief mit langen Haaren, Sonnenbrille, pinkem Stirnband, ebensolcher Tigerhose und „I Love The 80s“-Shirt rum, ein anderer sprach mich auf die HC-Aufnäher auf meiner Kutte an und versicherte, eigentlich auch eher aus jener Ecke zu kommen, aber nun einmal ebenfalls auf geilen ‘80er-Scheiß zu stehen.

Der Kartenkauf lag derart lange zurück, dass ich kaum etwas übers Konzert wusste. So hoffte ich, dass die PET SHOP BOYS nicht in erster Linie ein neues Album promoten, sondern möglichst viele Klassiker spielen würden – ohne mir bewusst zu sein, dass ich ein Konzert der „Dreamworld – The Greatest Hits live”-Tour besuche, ich also jeden Klassiker zu hören bekommen werde! Dass meine Liebste und ich uns mitnichten im Innenraum aufhalten werden, sondern zwei Sitzplätze auf dem Unterrang erworben haben, wurde mir ebenso erst auf dem Hinweg wieder klar wie der Umstand, dass es keinerlei Vorgruppe geben würde. Um 20:00 Uhr sollte es losgehen, ca. zehn Minuten vorher fanden wir uns auf unseren Plätzen ein und lauschten belangloser Fahrstuhlmusik in Endlosschleife. Die Herren ließen sich bitten, der Beginn verzögerte sich um ca. zehn Minuten. Als dann „Smalltown Boy“ von BRONSKI BEAT durch die gigantische Anlage schallte, atmeten alle, die ebenfalls von der vorausgegangenen Mucke genervt waren, erleichtert auf – und, ja: Das hatte doch schon mal Atmosphäre.

Nicht nur die Ränge waren bestuhlt, auch der Innenraum, was den Unterschied zwischen den Bereichen minimierte. Und als die BOYS auf der Bühne auftauchten und direkt mit der Working-Class-Synthie-Oi!-Hymne „Suburbia“ einstiegen, hielt es niemanden mehr auf den Stühlen. Mr. Tennant und Mr. Lowe allerdings standen in ihrer spacigen Kostümierung stoisch unter zwei Straßenlaternen, Lowe natürlich hinter seinem Keyboard (mit Monitor), und zeigten keinerlei Regung, während im Hintergrund digitale Animationen flimmerten. Sollte das den Rest der Show über so bleiben?

Nun ja, dass wir die beiden kaum erkannten, da sie nicht in Ausschnitten vergrößert auf die seitlichen Videoleinwände geworfen wurden: ja. Die Show an sich wechselte ab dem dritten Song jedoch beständig, ebenso die Hintergrundanimationen, in denen sich fiebrig tanzende Elektroimpulse mit Musikvideo-Ausschnitten abwechselten. Ständig wurde unbemerkt etwas umgebaut, kamen z.B. Percussionists auf die Bühne oder wechselten Aufbauten, Hintergründe und Kostüme. Warum man auf die Vergrößerungen auf den Videoscreens verzichtete, begriff ich mit der Zeit: Es hätte von der Show abgelenkt, die genau so aussehen sollte, wie sie sich einem präsentierte. Die BOYS als Teil davon, nicht überlebensgroß über ihr stehend. Elektronische Kälte und Stoizismus, konterkariert vom tanzbaren Songmaterial mit Tennants warmer, sanfter, dennoch charismatischer Stimme und dem melancholischen Touch so vieler Stücke. Auf „Suburbia“ folgte mit „Can You Forgive Her?“ ein Höhepunkt aus den 1990ern, „Opportunities (Let's Make Lots of Money)“ hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, überzeugte live aber vollends, „Where the Streets Have No Name (I Can't Take My Eyes Off You)“ übernahm und gab den Staffelstab ans großartige „Rent“, „Se a vida é“ war einfach, ja: schön, und vor „Domino Dancing“ nahm sich Tennant etwas Zeit, um die Entstehung des Songs zu erläutern. Den Refrain ließ man ausschließlich vom Publikum singen, ebenso später die Bridge von „Always On My Mind“, jener BRENDA-LEE-Coverversion, mit der einst Elvis große Erfolge feierte und die von den PET SHOP BOYS bis an den Rande des Schlagers – aber eben wirklich nur bis dorthin! – adaptiert wurde und ich in mein Herz geschlossen habe. Duettpartnerin für „What Have I Done To Deserve This?” war Clare Uchima, die sich zu den BOYS auf die Bühne gesellte.

Songs, die ich nicht kannte oder mir nicht mehr geläufig waren, hielten sich mit meinen favorisierten Hits die Waage, „Monkey Business“ und „Dreamland“ (auch mit Uchima) vom aktuellen Album „Hotspot“ waren die jüngsten Stücke. Natürlich war die eine oder andere Nummer dazwischen, die mich nicht gleich zu Begeisterungsstürmen hinriss und ich eher unter „nett“ oder „ok“ einordnen würde, aber richtigen Mist habe ich nicht vernommen, im Gegenteil: Sehr gefreut habe ich mich über „You Only Tell Me You Love Me When You're Drunk”, von dem Tennant in seiner Ansage meinte, dass es in Deutschland vielleicht kaum jemand kennen würde, da das Stück in erster Linie in der britischen Heimat ein Hit gewesen sei. Tennant schnappte sich doch tatsächlich eine Akustikklampfe und begleitete sich selbst. Ein besonderer Moment zwischen all den Elektroklängen. Ausgerechnet bei „Heart“, einem meiner ewigen Favoriten (der Videoclip!) war ich pinkeln und Getränkenachschub organisieren. Letzteres ging übrigens stets sehr flott, denn bei so einem PET-SHOP-BOYS-Konzert wird offenbar wesentlich weniger gesoffen als anderswo. Erstaunlich, ich weiß. Das VILLAGE-PEOPLE-Cover „Go West“ war ebenso gesetzter Standard wie die (Nicht-nur-)LBGTQ-Hymne „It’s A Sin“, mit dem der reguläre Teil endete.

„West End Girls“ und „Being Boring“ als Zugaben besiegelten ein satte 26 Songs umfassendes Konzert, bei dem ich entweder dauergrinsend und im Takt wippend dastand oder euphorisiert mitsang – und nicht so recht verstand, weshalb es mir nicht alle in der Arena gleichtaten. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Die allgemeine Stimmung war trotzdem gelöst, fröhlich und absolut entspannt. Was da letztlich alles vom Playback kam, kann ich natürlich nicht mit Gewissheit sagen, aber Tennant sang selbst und dass man sich die Mühe machte, zeitweise zwei Percussionsets aufzubauen und zu spielen, spricht dafür, dass man versuchte, so viel wie möglich live darzubieten. Auf diese Weise gefällt mir Techno-Muffel dann so’ne Show auch. Sound, Lightshow, Songauswahl, Tennants nicht gealterte Stimme – alles knorke, mit zwei Einschränkungen: Schade, dass nichts von „Agenda“ gespielt wurde; und die Lightshow verhinderte durch ihr quasi permanentes Gegenlicht, dass Madame und moi vernünftigere Fotos schießen hätten können. Gibt Schlimmeres. Das war dann also mein erstes richtiges Konzert einer Band aus dem goldenen Pop-Zeitalter – und hoffentlich nicht mein letztes. Kann mal bitte endlich jemand Cyndi Lauper nach Hamburg holen…?!

P.S.: Im Eintrittspreis inbegriffen war ein tatsächlich durch die Bank weg überaus freundliches und bei Fragen hilfsbereites Personal, zudem dürfte es sich um einen der Hamburger Veranstaltungsorte mit den meisten und saubersten Toiletten handeln. Dass man offensichtlich ums Wohlbefinden seiner Gäste bemüht ist, relativiert dann zumindest ein Stück weit den verglichen mit anderen Veranstaltungen, die wir für gewöhnlich besuchen, recht hohen Ticketpreis…

Leicht bebildert auch hier:
https://www.pissedandproud.org/05-06-20 ... shop-boys/
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von karlAbundzu »

Danke für den Bericht.
Ich werde in dieser Arena ja auch im Oktober sein, und hatte da schon bedenken, klingt ja aber gut.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Euer nächstes/letztes Konzert bzw. Live-Event

Beitrag von buxtebrawler »

karlAbundzu hat geschrieben: Do 9. Jun 2022, 13:09 Danke für den Bericht.
Ich werde in dieser Arena ja auch im Oktober sein, und hatte da schon bedenken, klingt ja aber gut.
Wen schaust und hörst du dir dort an?
Ich war vorher 2x bei Iron Maiden in jener Arena und hatte da, wenn ich mich recht entsinne, bis auf die Preise auch nix weiter auszustehen. Alle paar Jahre kann man so was wohl mal machen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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