Seite 1 von 1

Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Fr 8. Jul 2011, 23:05
von Slim Naughton
Wo wir mal wieder bei alten Schätzen aus Hollywoods Horror-Preziosen-Kabinett sind, da sei auch folgender Streifen wärmstens empfohlen:

OT:
Dr. X

Jahr: USA 1932
R: Michael Curtiz

Mit grauenvoller Regelmäßigkeit schlägt der "Mondschein-Mörder" zu , und zwar immer in der Nähe des Forschungsinstituts von Dr. Xavier. Die Cops geben dem Doc noch eine Chance: Er muss selbst den Killer entlarven, der vermutlich einer seiner vier - nun ja - spleenigen Wissenschaftler ist. Hierfür hat sich der Doc ein feines Experimenterl ausgetüftelt.

Aus unserer Review:
Horrorthriller, der aus heutiger Sicht weniger gruselt, als vielmehr durch seine starke Atmosphäre auftrumpft. Er vermischt gekonnt die Horrorgrundmuster „Mad Scientist“ und „Old dark House“: Da fehlen weder Laboratorien mit allerlei seltsamen Apparaturen, die brummen und blitzen oder das sturmumtoste riesige Landhaus mit riesigen Fluren, Geheimtüren und einem leicht dämonischen Butler (George Rosener). Ein weiteres Plus sind die Schauspieler: Lionel Atwill, Star des frühen Horrorfilms, spielt den oberflächlich freundlichen Institutsleiter mit einem unheimlichen Unterton, etwa, wenn er im Vorfeld des Versuchs dem noch zu überführenden Mörder direkt den Selbstmord nahelegt. Die verdächtigen Professorenkollegen sind allesamt schön schräg und skurril sowie jeweils mit einem speziellen Handicap geschlagen. Der Humorschiene tut Lee Tracy als hibbeliger, schreckhafter Zeitungsreporter Genüge: Beispielsweise rettet ihn eine explodierende Scherz-Zigarre vor der Hand des sich von hinten anpirschenden „Monsters“, während er völlig ahnungslos den Zigarrenspender verflucht. Fay Wray als Xaviers Tochter Joan sieht süß aus und darf sich schon mal für "King Kong" kurz warm schreien.
Der Film ist aus vertragsrechtlichen Gründen in Zweifarbtechnicolor gedreht, kam aber bereits bei seiner Uraufführung als Schwarz-Weiß-Kopie heraus. Glücklicherweise liegt den jüngsten TV-Ausstrahlungen aber die Farbversion zugrunde, was die künstliche Atmosphäre noch intensiviert.

Lieblingszitat:
"Ah! Synthetisches Fleisch!"

Der Streifen entstand erstaunlicherweise für Warner, die im Gegensatz zu Universal mit Horror nicht so viel am Hut hatten. Allerdings drehte Curtiz für Warner, ebenfalls mit Atwill und Wray, mit dem "Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts" einen weiteren Horrorfilm, der heute als Klassiker gilt. Auch dieser Film war ursprünglich farbig.

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Sa 9. Jul 2011, 01:39
von buxtebrawler
Den kenne ich leider noch nicht. Eine deutsche DVD-Auswertung ist nicht erhältlich, oder?

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Sa 9. Jul 2011, 22:28
von Slim Naughton
Ne, soweit ich weiß, gibt's nur 'ne US-VÖ. Läuft aber ab und an in der Glotze, und zwar die Farbversion.

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Sa 9. Jul 2011, 22:52
von buxtebrawler
Slim Naughton hat geschrieben:Ne, soweit ich weiß, gibt's nur 'ne US-VÖ. Läuft aber ab und an in der Glotze, und zwar die Farbversion.
Muss ich mal die Augen nach offen halten.

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Sa 19. Dez 2020, 07:55
von Maulwurf
Wunderbarer Mad Scientist-Streifen in starkem Gothic-Ambiente, dargereicht in Zweifarb-Technicolor. Fast wähnte ich mich im Kabinett des Dr. Caligari, so eindringlich und sinister wirkte dieser Film. Völlig zu Unrecht so unbekannt und hinter den Klassikern von James Whale und Tod Browning versteckt. DOCTOR X ist tolles Spannungskino mit famos aufspielenden Schauspielern und sehr sehenswert.

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Mi 24. Nov 2021, 05:42
von Maulwurf
... und nun nochmal ein ganz klein wenig ausführlicher:

Der geheimnisvolle Dr. X
Doctor X
USA 1932
Regie: Michael Curtiz
Lionel Atwill, Fay Wray, Lee Tracy, Preston Foster, John Wray, Harry Beresford, Arthur Edmund Carewe, Leila Bennett, Robert Warwick, George Rosener, Willard Robertson, Thomas E. Jackson


Doctor X.jpg
Doctor X.jpg (121.12 KiB) 288 mal betrachtet
OFDB

Die Presse nennt ihn den Moon Murder, denn er tötet nur bei Vollmond, und er verstümmelt seine Opfer auf furchtbarste Weise. Aufgrund von Indizien weiß die Polizei, dass der Mörder aus dem Umfeld des Chirurgischen Instituts von Dr. Xavier kommen muss, der von dieser Anklage aber gar nicht begeistert ist, und um den Ruf seiner Anstalt fürchtet. Er erbittet von der Polizei 48 Stunden, die er nutzen will, um mit Hilfe eines wissenschaftlichen Experiments den wahren Mörder zu finden. Gemeinsam mit vier Kollegen und seiner Tochter Joanne zieht er sich in sein Landhaus auf Long Island zurück, um das Experiment durchzuführen: Alle Teilnehmer sind mit Handschellen an ihre Stühle gefesselt, alle Türen sind abgeschlossen, und der Butler Otto soll von den Augen der entsetzten Teilnehmer so tun als ob er Joanne ermordet. Doch zu diesem Zeitpunkt steckt bereits jemand anderes in Ottos Kleidung. Der wahre Mörder …

Bild Bild

Gesehen wurde die Originalfassung in Zweifarb-Technicolor, und es ist kaum zu glauben, was so ein bisschen Farbe ausmacht. Prinzipiell erstmal ein Mad Scientist-Fest in gotischem Ambiente, geben die Farben der Geschichte eine Tiefe, die sie eigentlich gar nicht verdient hat. Bei der Sichtung wähnte ich mich ein paar Mal fast im KABINETT DES DR. CALIGARI, so raffiniert und fantasievoll wird hier mit dem Technicolor umgegangen. Die Szenen in denen der Mond scheint und die Wissenschaftler alle so richtig nervös werden, das ist schon fortgeschrittene Gruselkunst.

Überhaupt, die Gruselkunst. William K. Everson schreibt über DOCTOR X „… vollgestopft mit zupackenden Händen, einem unheimlichen Laboratorium, einem vermummten Killer, Gasdüsen, Geheimtüren, einer wundervollen Ansammlung von Verdächtigen …“ (1), und damit hat er die Stimmung und den Inhalt des Films perfekt beschrieben. Ich persönlich mag Lee Tracy als komischen Journalisten Lee Taylor überhaupt nicht – Sein Humor kommt deutlich vom zeitgenössischen Slapstick, den Slowburn hat er sich von Oliver Hardy abgeschaut, und seine dummen Sprüche und sein Verhalten gegenüber der starken Fay Wray schaden dem Film in der ein oder andere Szene sogar eher. Dafür hat es mit der erwähnten Fay Wray als Joanne Xavier eine toughe und selbstbewusste Heldin mit Hang zur Schrecksekunde, die in ihren Szenen den Bildschirm deutlich beherrscht, und den affigen Lee Taylor schnell in seine Schranken weisen kann.

Bild Bild

Aber eigentlich ist das alles eitles und intellektuelles Geschwätz über einen Film, der mit seiner Atmosphäre und seinen Farben einfach erstklassig unterhält und eine Menge Spaß macht. Klassischer Grusel in einem gotischen Ambiente mit verrücktem(?) Wissenschaftler, erstklassigen Schauspielern und wunderbarer Atmosphäre – Da hat dann sogar Nervensäge Lee Tracy eine tolle Szene, wenn ein Plastikskelett am Nylonfaden auf- und abwippt, und er lächelnd dazu den Takt klatscht … Großes Kino!

(1) William K. Everson: Klassiker des Horrorfilms, München 1980

Bild Bild

Bild Bild

7/10

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 17:07
von Arkadin
Ich mag den Film sogar noch einen Tick lieber als den objektiv besseren "Geheimnis des Wachsmuseums" vom selben Team. Letzterer ist eleganter, opulenter und hat mit Glenda Farrell den weitaus besseren "snappy reporter". Denn Lee Tracy ist in der Tat schon sehr hartes Brot. Der Reporter war übrigens damals so eine Art Markenzeichen von Warner Brothers, die zu der Zeit ja eher erdige Gangster-/Großstadtfilme machten.
Aber dadurch ist "Mr. X" ist auch sehr viel kruder und kantiger. Und die Maske vom Killer ist wirklich eklig. LONG LIVE THE SYNTHETIC FLESH!

Hier würde ich gerne mal eine tolle Restaurierung der 2-Farb-Version sehen. "Wachsmuseum" hat ja schon solch eine Behandlung spendiert bekommen und was man davon so auf YouTube sieht ist das spektakulär geworden. Leider derzeit nur als US-Blu-ray mit Region Code erhältlich. Bitter.

Ich habe da nur die US-DVD (in der sehr empfehlenswerte "Hollywood Legends of Horror Collection") der Bild okay ist. Und das "Wachsmuseum" als Bonus auf der deutschen DVD des Remakes mit Vincent Price. Und wenn man da mal das Bild mit der US-Restauration vergleich... WOW! Da haben die echt noch eine ganze Menge rausgeholt. Das ist fast ein anderer Film.

Re: Der geheimnisvolle Dr. X - Michael Curtiz (1932)

Verfasst: Do 25. Nov 2021, 20:23
von Maulwurf
Arkadin hat geschrieben: Do 25. Nov 2021, 17:07 Ich habe da nur die US-DVD (in der sehr empfehlenswerte "Hollywood Legends of Horror Collection") der Bild okay ist.
Und von der auch die Screenshots sind :smile:

Und die Maske vom Killer ist wirklich eklig.
So isses:
Bild

Ganz im Gegensatz zur äußerst attraktiven Frau Wray:
Bild

Ich mag den Film sogar noch einen Tick lieber als den objektiv besseren "Geheimnis des Wachsmuseums" vom selben Team.
Das ist zu lange her dass ich den gesehen habe. Aber ich bekomme gerade richtig Lust drauf. VIelen Dank für die Inspiration!