Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini (1975)

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Moderator: jogiwan

Captain Blitz
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von Captain Blitz »

jogiwan hat geschrieben:
ugo-piazza hat geschrieben: :? Welcher denn?
Der Captain meint wohl "Salon Kitty"
Ja, genau, der Name fiel mir nicht ein. Andere Sportart hin oder her, auch da tue ich mich schwer. ;)
ugo-piazza hat geschrieben: Deine Frage ist echt schwierig zu beantworten. Gewiss ist Pasolinis letztes Werk filmgeschichtlich relevant, aber es ist ein sehr unverdaulicher Brocken, bei dem es lange gedauert hat, sich da mal ranzuwagen. Und an eine Zweitsichtung habe ich mich seit Jahren nicht rangetraut.
So ist es. Filmgeschichtlich relevant, thematisch und inhaltlich mehr als unbequem bis unerträglich und ob man sich "Die 120 Tage von Sodom" öfters als einmal ansehen möchte, steht auf einem anderen Blatt. Der ist halt kein "Unterhaltungsfilm" im Sinne seltsamer Naziploiation-Werke mit fragwürdigen Ideen, sondern ein nachhaltig verstörender Arthouse-Schocker ohne Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten, der einem auch unter Garantie den Abend verdirbt. So oder so!
Ich wollte mir keinen von denen bei Kaffee und Schokotorte anschauen. ;)
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karlAbundzu
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von karlAbundzu »

Arkadin hat geschrieben:
jogiwan hat geschrieben:
ugo-piazza hat geschrieben: :? Welcher denn?
Der Captain meint wohl "Salon Kitty"
Der ist aber nicht nur eine andere Liga, sondern auch eine ganz andere Sportart.
jogiwan hat geschrieben:
ugo-piazza hat geschrieben: Deine Frage ist echt schwierig zu beantworten. Gewiss ist Pasolinis letztes Werk filmgeschichtlich relevant, aber es ist ein sehr unverdaulicher Brocken, bei dem es lange gedauert hat, sich da mal ranzuwagen. Und an eine Zweitsichtung habe ich mich seit Jahren nicht rangetraut.
So ist es. Filmgeschichtlich relevant, thematisch und inhaltlich mehr als unbequem bis unerträglich und ob man sich "Die 120 Tage von Sodom" öfters als einmal ansehen möchte, steht auf einem anderen Blatt. Der ist halt kein "Unterhaltungsfilm" im Sinne seltsamer Naziploiation-Werke mit fragwürdigen Ideen, sondern ein nachhaltig verstörender Arthouse-Schocker ohne Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten, der einem auch unter Garantie den Abend verdirbt. So oder so!
Schön zusammengefasst. Sollte man meines Erachtens nach auch mal gesehen haben.
Möchte ich auch noch mal so unterschreiben.
Aber auch: Sehr faszinierend bei einer Zweit- oder Drittsichtung, wie der Film auf einen selbst wirkt. Und dann, vielleicht nach den extras, zu merken, dass man einen "intelektuellen" Blick nur sehr schwirig hinbekommt.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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sergio petroni
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von sergio petroni »

Habe den 'mal in Karlsruhe auf der großen Leinwand gesehen. Die Erfahrung möchte ich
nicht missen.
Ist zwar schon ein paar Jährchen her, aber nach einer Zweitsichtung steht
mir der Sinn noch lange nicht...
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Salvatore Baccaro
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Vielleicht sei noch angemerkt, dass Pasolini der Sadeschen Vorlage insoweit wohl ganz bewusst nicht gerecht wird, indem er sie mit etwas verknüpft bzw. sie etwas untermengt, das in ihr de facto nicht stattfindet. Der europäische Faschismus scheint mir nämlich schon rein strukturell dem ziemlich entgegengesetzt zu sein, was de Sades "Helden" nicht nur in seinem 120-Tage-Bericht pausenlos propagieren. Wie Adorno ganz richtig herausgestellt hat, zeichnet sich der Faschismus durch eine recht bürokratische Gewandung aus, sprich: diejenigen, die den Tod austeilen, sind nicht viel mehr als Werkzeuge innerhalb einer Maschinerie, deren Macht auf Befehlen fußt, die selbst vom Opferblut unbefleckt bleibende Autoritäten erteilen. Plakativ gesagt: niemand kann sich Hitler vorstellen, wie er knüppelbewehrt Insassen eines Ghettos oder KZs zusammentreibt, diese Aufgaben übernehmen namenlos bleibende SS-Männer, was die Frage danach, wer nun der größere Verbrecher ist, derjenige, der das Verbrechen ausheckt und seine Umsetzung in Auftrag gibt, oder derjenige, der den Auftrag annimmt und unhinterfragt in die Tat umsetzt, zu einer, wie ich finde, kaum beantwortbaren macht. Fakt indes ist: im faschistischen System wurde quasi lust-los gemordet. Nicht umsonst spricht man ja vom sogenannten "industriellen Massenmord." Industriell, das heißt hier: technisch, verkopft, emotionslos. Zwar haben wir einen technischen Aspekt auch in Sades Schriften vorliegen, wenn seine Figuren, Täter wie Opfer, sich wie Fick-Maschinen gebärden und in den möglichsten und unmöglichsten Stellungen sterben oder spritzen, nichtsdestotrotz, und das ist wichtig, sind die Sadeschen Libertins stets individuelle Charaktere, die ihre Perversionen aus reinem Lustgewinn veranstalten, sowohl ausführende Organe als auch ausspinnende Hirne in einem, und damit eben definitiv keine Hitler-Antizipationen. Vielmehr haben die Sadeschen Gegenwelten viel mit Utopien zu tun. Klar ist: nicht für jeden werden diese verwirklichbar sein, denn die Natur, so der Kanon, hat es von Beginn an so eingerichtet, dass die Welt in zwei Kategorien zerfällt: die, vorsichtig ausgedrückt, Gebenden und die Nehmenden. Freiheit ist nur für eine begrenzte Anzahl möglich, die anderen dienen dieser dazu, ihre Freiheit ungehemmt ausagieren zu können. Dass man solche Ideen vor allem im Diskurs der Aufklärung lesen muss, deren philosophischen Gehalt Sade so sehr ins Extrem steigert, dass er sich quasi in sein Gegenteil verkehrt, und dass Sade zudem stets betont literarische Gegenentwürfe konstruiert, die fernab jeglicher Realität angesiedelt sind, das zeigt allein schon sein Sodom-Roman in der Tatsache, dass er in einem von der Wirklichkeit abgeschotteten, isolierten Ort angesiedelt ist, irgendein Schloss irgendwo im Schwarzwald, zu dem alle Brücke abgerissen worden sind, und das für die Dauer der Orgien außerhalb von Zeit und Raum zu schweben scheint. Somit stellt Pasolinis historisch ja eindeutig verorteter Film nicht wirklich eine Adaption oder gar eine Aktualisierung Sades dar, stattdessen bedient er sich Sadescher Grundmuster und Motive, um daraus eine ganz eigene Vision, oder besser: Anti-Vision zu stricken, in der das rational legitimerte Morden des Faschismus und die typischen Sade-Libertins mit ihren irren Sprüchen und ihrem übersteigerten Benehmen eine äußerst heftige Liaison eingehen.
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jogiwan
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von jogiwan »

Lustig auch wie immer die Kommentare dazu... ;)
blick.ch hat geschrieben: Urin-Dusche auf der Volksbühne Berlin

Traumberuf Schauspielerin

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BERLIN - Theater in Berlin? Da darf es ruhig mal ein wenig derber zugehen! So wie gestern Abend in dem Stück «Die 120 Tage von Sodom».

Da staunte das Publikum: Bei der Premiere des Theaterstücks «Die 120 Tage von Sodom» in der Berliner Volksbühne gab es Blut, Sperma und Urin zu sehen. Grund: Das Stück basiert auf einer legendären, filmischen Ge­walt­orgie.

Damals (1975) war das der grösste Skandal der Kinogeschichte. Regisseur Pier Paolo Pasolini (†53) ging es in den 70ern darum, den Leuten ihr eigenes Gewaltpotenzial vor Augen zu führen. Die Erinnerung an den Faschismus war noch frisch. Pasolini wollte klarmachen, wie tief die Menschheit fallen kann, wenn sie Gott verliert.

Pasolini selbst erlebte die Premiere übrigens nie. Die Aufführung war verboten. Als der Film dann doch in die Kinos kam, war Pasolini tot – ermordet von einem Strichjungen im italienischen Badeort Ostia. (jut)
quelle: http://www.blick.ch/people-tv/internati ... 03587.html
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purgatorio
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini

Beitrag von purgatorio »

jogiwan hat geschrieben:Lustig auch wie immer die Kommentare dazu... ;)
blick.ch hat geschrieben: Urin-Dusche auf der Volksbühne Berlin

Traumberuf Schauspielerin

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BERLIN - Theater in Berlin? Da darf es ruhig mal ein wenig derber zugehen! So wie gestern Abend in dem Stück «Die 120 Tage von Sodom».

Da staunte das Publikum: Bei der Premiere des Theaterstücks «Die 120 Tage von Sodom» in der Berliner Volksbühne gab es Blut, Sperma und Urin zu sehen. Grund: Das Stück basiert auf einer legendären, filmischen Ge­walt­orgie.

Damals (1975) war das der grösste Skandal der Kinogeschichte. Regisseur Pier Paolo Pasolini (†53) ging es in den 70ern darum, den Leuten ihr eigenes Gewaltpotenzial vor Augen zu führen. Die Erinnerung an den Faschismus war noch frisch. Pasolini wollte klarmachen, wie tief die Menschheit fallen kann, wenn sie Gott verliert.

Pasolini selbst erlebte die Premiere übrigens nie. Die Aufführung war verboten. Als der Film dann doch in die Kinos kam, war Pasolini tot – ermordet von einem Strichjungen im italienischen Badeort Ostia. (jut)
quelle: http://www.blick.ch/people-tv/internati ... 03587.html
Ein österreichischer Künstler, den ich sehr schätze, hat dort unter anderem die Fäden in der Hand: Gottfried Helnwein :nick:

Bild

vgl. http://www.helnwein.de/news/news_update ... =289&sg=50
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
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karlAbundzu
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini (1975)

Beitrag von karlAbundzu »

Klingt alles gut, der Kresnik hat ja auch mal spannende Sachen in Bremen gemacht.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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jogiwan
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini (1975)

Beitrag von jogiwan »

demnächst dann ungekürzt mit FSK18-Freigabe
Schnittberichte.com hat geschrieben: Die 120 Tage von Sodom - Uncut-Fassung bekommt nach Neuprüfung eine FSK-Freigabe ab 18 Jahren
Wicked Vision ließ Skandalfilm von Pier Paolo Pasolini neu prüfen


Pier Paolo Pasolinis Die 120 Tage von Sodom gehört zweifelsfrei zu den größten Skandalfilmen der 70er-Jahre. Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland bekam der Film häufig Probleme mit den landeseigenen Zensurbehörden. In Deutschland wurden damals vereinzelnd Kinorollen beschlagnahmt und das AG Saarbrücken ließ ihn sogar wegen Gewaltverherrlichung und harter Pornografie einkassieren. Die Beschlagnahme wurde dann aber auch wieder schnell aufgehoben.

[...]

Erst im Dezember 2022 hatte der neue Rechteinhaber Wicked Vision Erfolg und konnte nach 35 Jahren eine Listenstreichung erwirken (Begründung). Und jetzt ließ das Label Die 120 Tage von Sodom dann auch endlich von der FSK neu bewerten. Erwartungsgemäß erhielt die ungeschnittene Fassung die Einstufung "keine Jugendfreigabe".
quelle: schnittberichte.com
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Reinifilm
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini (1975)

Beitrag von Reinifilm »

jogiwan hat geschrieben: Do 22. Feb 2024, 09:23 demnächst dann ungekürzt mit FSK18-Freigabe
Schnittberichte.com hat geschrieben: Die 120 Tage von Sodom - Uncut-Fassung bekommt nach Neuprüfung eine FSK-Freigabe ab 18 Jahren
Wicked Vision ließ Skandalfilm von Pier Paolo Pasolini neu prüfen


Pier Paolo Pasolinis Die 120 Tage von Sodom gehört zweifelsfrei zu den größten Skandalfilmen der 70er-Jahre. Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland bekam der Film häufig Probleme mit den landeseigenen Zensurbehörden. In Deutschland wurden damals vereinzelnd Kinorollen beschlagnahmt und das AG Saarbrücken ließ ihn sogar wegen Gewaltverherrlichung und harter Pornografie einkassieren. Die Beschlagnahme wurde dann aber auch wieder schnell aufgehoben.

[...]

Erst im Dezember 2022 hatte der neue Rechteinhaber Wicked Vision Erfolg und konnte nach 35 Jahren eine Listenstreichung erwirken (Begründung). Und jetzt ließ das Label Die 120 Tage von Sodom dann auch endlich von der FSK neu bewerten. Erwartungsgemäß erhielt die ungeschnittene Fassung die Einstufung "keine Jugendfreigabe".
quelle: schnittberichte.com
Ich erwarte eine Deluxe-Zeitungspapier-Edition. :pah:
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Il Grande Silenzio
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Re: Die 120 Tage von Sodom - Pier Paolo Pasolini (1975)

Beitrag von Il Grande Silenzio »

War auch lange überfällig.
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