House of the Lost Women - Jess Franco (1983)

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Maulwurf
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Re: House of the Lost Women - Jess Franco (1983)

Beitrag von Maulwurf »

Ihr Banausen! Ich bin an der Besprechung noch dran, aber Jogis frevelhaften Worten muss einfach etwas entgegengesetzt werden. Ich spüre geradezu, wie Jess und Lina im Grab rotieren. :opa: Mir gefällt er nämlich tatsächlich ziemlich gut. 7 von 10 Masturbationshilfen, mit leichter Tendenz nach oben.

Text wird also folgen, Bilder :sabber: selbstverständlich ebenfalls, und wenn ich dran denke auch gerne die Portokosten :D
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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buxtebrawler
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Re: House of the Lost Women - Jess Franco (1983)

Beitrag von buxtebrawler »

Maulwurf hat geschrieben: Do 19. Aug 2021, 12:16 Ihr Banausen! Ich bin an der Besprechung noch dran, aber Jogis frevelhaften Worten muss einfach etwas entgegengesetzt werden. Ich spüre geradezu, wie Jess und Lina im Grab rotieren. :opa: Mir gefällt er nämlich tatsächlich ziemlich gut. 7 von 10 Masturbationshilfen, mit leichter Tendenz nach oben.

Text wird also folgen, Bilder :sabber: selbstverständlich ebenfalls, und wenn ich dran denke auch gerne die Portokosten :D
Sehr schön - es ist meistens gut, eine zweite Meinung einzuholen. ;)
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Maulwurf
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Re: House of the Lost Women - Jess Franco (1983)

Beitrag von Maulwurf »

buxtebrawler hat geschrieben: Do 19. Aug 2021, 13:17 Sehr schön - es ist meistens gut, eine zweite Meinung einzuholen. ;)
OK, Du hast es nicht anders gewollt ...

The house of lost women
La casa de las mujeres perdidas
Spanien 1983
Regie: Jess Franco
Asunción Calero, Carmen Carrión, Antonio Mayans, Antonio Rebollo, Lina Romay


The house of lost women.jpg
The house of lost women.jpg (103.11 KiB) 195 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Gerald Kuklinski)

Vier Menschen, die in einem luxuriösen Haus auf einer ansonsten unbewohnten Insel feststellen müssen, dass die Hölle nicht immer nur die anderen sind, sondern manchmal auch sie selber. Der Vater, Mario Pontecorvo, war vor vielen Jahren in Argentinien ein erfolgreicher Schauspieler, musste aber wegen angeblicher sexueller Übergriffe fliehen. Jetzt lebt er in den Träumen von damals, kann aber meistens die Orte und die Zeiten nicht mehr richtig zusammen bekommen. Die ganze Situation überfordert und belastet ihn zunehmend psychisch, aber auch körperlich. Die eine Tochter, Desdemona, träumt vom Reisen über die ganze Welt. Und davon, entjungfert zu werden. Ihr Leben findet letzten Endes zwischen ausgiebiger Selbstbefriedigung und leeren Träumen statt. Die andere Tochter, Paulova, ist körperlich und geistig behindert, muss gefüttert werden, und hat das Gemüt einer Zweijährigen. Die Stiefmutter, Dulcinea, träumt von einem potenten Mann, der es ihr mit Hingabe und Stehvermögen so richtig besorgen kann, und auch wenn sie Paulova auf ihre distanzierte Art durchaus liebt, so hat sie doch kein Problem damit, die Tochter mit der Reitgerte ordentlich zu bestrafen. Dann kommt ein Fremder auf die Insel. Er nennt sich Tony Curtis, schaut gut aus, und er scheint Mario von früher zu kennen. Jeder projiziert etwas anderes auf Tony Curtis, und er kann unter Umständen auch den einen oder anderen Wunsch erfüllen. Aber was oder wer ist Tony Curtis? Und was geschieht mit der fragilen Gemeinschaft, die durch den Besuch des Mannes ganz plötzlich einen Kontrapunkt für alle Sorgen, Phantasien und Ängste bekommt?

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Der Großmeister der schmierigen und dunklen Erotik verfilmt Pier Paolo Pasolinis TEOREMA, so scheint es. Doch wo Pasolini seinen Klassiker mit viel Licht und noch mehr Künstlichkeit präsentiert, zieht sich Jess Franco zurück auf das Terrain, welches er in den frühen 80ern mit besonders viel Verve beackert hat: Zu den vereinsamten und verlorenen Menschen, die ihre Lebensunfähigkeit mit Sexualität und Gewalt zu kompensieren versuchen, und dabei nur noch tiefer in die Einsamkeit abrutschen. Oft bis zum Tod.

LA CASA… macht da keine Ausnahme. Vier Menschen, die psychisch alle vollkommen derangiert sind, und die ihre Macken mit unerbittlicher Grausamkeit aneinander ausleben. Da zeigt die ältere Tochter der geistig zurückgebliebenen wie man richtig onaniert. Da peitscht die Stiefmutter die Tochter mit der Reitgerte aus, immer kräftig auf den nackten Körper drauf damit es auch nur ja richtig wehtut. Die Stiefmutter treibt es auch vor den Augen des Ehemannes mit dem Fremden, und als das Pärchen ihres Voyeurs und seinen entsetzten Tränen ansichtig wird, da geht es als Antwort erst richtig zur Sache, nur mit wesentlich kälterem Blick. Gerald Kuklinski schreibt in seiner Besprechung auf Italo-Cinema von einer dysfunktionalen Familie, aber ich glaube, dass das noch viel tiefer geht. Die Schäden dieser Menschen sind sehr weitreichend und echte Psychosen.

Mario sitzt nur da und blättert in alten Erinnerungsalben. Ah, das war da und dort! Dann kommt er ins Grübeln: Oder an jenem Platz? Er weiß es einfach nicht mehr, und sein einziger Bezugspunkt ist die Stadt Mendoza in der Nähe von Buenos Aires, aber ob er wirklich jemals dort war? Mario lebt in seiner ganz eigenen Welt, über die er keine Kontrolle und keinen Überblick hat. Sein Gehirn ist ein einziges Chaos, und der einzige Mensch, der sich überhaupt noch die Mühe macht auf Marios Verwirrung einzugehen, ist Desdemona, die ihren Vater liebt. Unabhängig davon, wie man das Wort Liebe auffasst …

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Desdemona, die 18-jährige Tochter, gespielt von einer 28-jährigen Lina Romay mit straßenköterblonder Perücke. Desdemona, allein dieser Name. Laut der Wikipedia bedeutet Desdemona „unglücklich“, „unter einem Unstern stehend“, „vom Schicksal verfolgt“. Der Film beginnt mit Desdemona, die alleine an einem Strand entlangläuft, ihren üppigen Körper der Natur und der Kamera preisgebend, und traurig über das Meer sinniert. Weltschmerz pur, was streckenweise erstaunlich gut funktioniert. Eine 18-jährige, die in einem aufgezwungenen Zölibat lebt, sich dabei aber ihres aufregenden Körpers sehr wohl bewusst ist, hat natürlich nur ein einiges Ziel: So viel Sex wie möglich zu haben. Der einzige Mann auf der Insel ist ihr Vater, und der ist, wie aus einer Liebesszene mit Dulcinea zu entnehmen ist, eher impotent. Weswegen dann sogar Zigaretten oder Orangenschnitze zu Liebeswerkzeugen umfunktioniert werden.

Dulcinea, die Stiefmutter. Die literarische Dulcinea ist das weibliche Traumbild bei Don Quijote, in deren Namen der alte Mann seine Heldentaten vollbringt, ohne dass sie jemals davon erfahren wird. Dulcinea ist also etwas wie ein unerreichbarer Zustand, was recht drollig ist, ist Dulcinea doch in einem Zustand, in dem sie zumindest bei ihrem Mann nichts erreicht. Oder, anders ausgedrückt, Marios Traumbilder, die auf seine Frau abzielen, können niemals eine Erfüllung erreichen. Das Abbild Dulcineas in seinem Geist wird immer ein Abbild bleiben, und niemals zu einer wirklichen Frau werden. Gleichzeitig scheint Dulcinea ein wenig wie die böse Stiefmutter aus dem Märchen zu sein. Sehr körperbetont, und immer auf der Suche nach erfüllendem Sex, ist sie gezwungen ihr Leben mit einem impotenten Mann, einer geistig behinderten Stieftochter eins, und einer ihr sexuell mittlerweile langsam den Rang ablaufenden Stieftochter zwei zu verbringen. Auch hier ist es nur logisch dass es zu Zwangszuständen der Seele kommt.

Und dann betritt Tony Curtis das Haus. Gutaussehend und geheimnisvoll zieht er alle Wünsche, Träume, und jedes Begehren auf sich. Tony Curtis ist, bei aller vermeintlichen Harmlosigkeit die in ihm steckt, ein Katalysator, der die in Riten erstarrte Familie durcheinanderwirbelt und für deren Auflösung er sorgt. Durch Curtis‘ Anwesenheit erkennt Mario wer er in Wirklichkeit ist und zieht daraus dann auch die finale Konsequenz, Dulcinea findet ihre Erfüllung in gutem Sex, und auch Desdemona sieht ihre Wunschträume erfüllt. Vorerst, doch wenn sie am Ende ihre kranke Schwester über die Insel schiebt, sich ihre Einsamkeit nur noch vergrößert hat, und sie gleichzeitig weiß, dass sie diese Insel niemals verlassen wird, dann ist dies ein dunkler und unglücklicher Schluss der den Zuschauer mit viel Traurigkeit in die Realität entlässt. Dazu eine schöne Musik von Daniel White, und wir sind umgehend wieder beim Weltschmerz …

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Die zentralen Momente, die auch den weitaus größeren Teil des Films einnehmen, sind die Sexszenen, und wie meist bei Franco in dieser Zeit, sind diese ruhig, dunkel und ausgiebig. Die wenigen Schnitte fordern von Kamera und Schauspielern das Äußerste, und vor allem GEMIDOS DE PLACER ist mir als Vergleich immer wieder eingefallen, wobei dieser in seiner Schnittfrequenz noch viel weiter geht. Aber gerade Lina Romay hat einige lange und sehr intensive Szenen, die verstörend und erotisch zugleich wirken. Die Schnitte sind deutlich als nachträglich eingefügt zu erkennen, um zum Beispiel beim Sex zwischen Dulcinea und Tony Curtis den weinenden Mario dazwischen zu schneiden. Aber der Akt selber wurde sichtlich in einem Take gedreht. Das Ergebnis sind intensive Szenen, die in ihren guten Momenten tief unter die Haut gehen, und in den nicht so guten immer noch gekonnt die Balance zwischen Erotik und Irritation einnehmen. Bemerkenswert sind dabei die oft im Hintergrund zu hörenden Szenen aus DALLAS sowie einige auf die Aktion im Vordergrund passend zugeschnittenen Werbespots, bei denen man dann nicht weiß ob man lachen oder weinen soll. Vordergründiger Sex mit hintergründiger Werbemessage – Film kann so schön sein …

Natürlich ist auch und gerade bei Jess Franco, der im Jahr 1982 sage und schreibe 13 Filme drehte, kein herausragendes Meisterwerk der Filmkunst zu erwarten (wieso eigentlich nicht?). Aber gegen Obskuritäten wie DAS SCHLOSS DER REITENDEN LEICHEN oder OASE DER ZOMBIES ist LA CASA.. sowieso schon ein Goldstück, und auch insgesamt betrachtet ragt dieser Film ein gutes Stück aus dem Oeuvre Francos heraus. Die Verbindung aus Sexualität und Psychose, aus Klaustrophobie und Sehnsucht, die gelingt nur wenigen Regisseuren so gut wie ihm, und hier ist das dunkle Spiel auch zudem noch hervorragend gefilmt und erstklassig anzuschauen.

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Jack Grimaldi
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