Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Moderator: jogiwan
Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Vergebung
Originaltitel: Luftslottet som sprängdes
Alternativtitel: Girl Who Kicked the Hornet's
Herstellungsland: Schweden, Deutschland / 2009
Regie: Daniel Alfredson
Darsteller: Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Michalis Koutsogiannakis, Anders Ahlbom, u.a.
Story:
Lisbeth Salander (Noomi Rapace) hat die Machenschaften von Alexander Zalatschenko(Georgi Staykov), ihrem Vater durchkreuzt, liegt jedoch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, genauso wie Zalatschenko selbst. Damit ist sie ein leichtes Ziel für die Geheimdienstgruppe, die ihre Enthüllungen über die Verwicklungen wichtiger öffentlicher Personen in den Mädchenhandelsskandal unter den Teppich kehren wollen. Prompt findet sie sich vor Gericht wieder, wo sie mit ihrer speziellen psychiatrischen Vorgeschichte und ihrem Verhalten natürlich schlechte Karten hat. Also ermittelt ihr Journalistenfreund Michael Blomkvist (Michael Nyqvist) unter Hochdruck, um die Vertuschung zu verhindern und Lisbeth zu rehabilitieren, was weder einfach, noch ungefährlich ist, denn der hünenhafte und schmerzunempfindliche Killer Niedermann ist auf freiem Fuß... (quelle: ofdb.de)
Originaltitel: Luftslottet som sprängdes
Alternativtitel: Girl Who Kicked the Hornet's
Herstellungsland: Schweden, Deutschland / 2009
Regie: Daniel Alfredson
Darsteller: Michael Nyqvist, Noomi Rapace, Michalis Koutsogiannakis, Anders Ahlbom, u.a.
Story:
Lisbeth Salander (Noomi Rapace) hat die Machenschaften von Alexander Zalatschenko(Georgi Staykov), ihrem Vater durchkreuzt, liegt jedoch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, genauso wie Zalatschenko selbst. Damit ist sie ein leichtes Ziel für die Geheimdienstgruppe, die ihre Enthüllungen über die Verwicklungen wichtiger öffentlicher Personen in den Mädchenhandelsskandal unter den Teppich kehren wollen. Prompt findet sie sich vor Gericht wieder, wo sie mit ihrer speziellen psychiatrischen Vorgeschichte und ihrem Verhalten natürlich schlechte Karten hat. Also ermittelt ihr Journalistenfreund Michael Blomkvist (Michael Nyqvist) unter Hochdruck, um die Vertuschung zu verhindern und Lisbeth zu rehabilitieren, was weder einfach, noch ungefährlich ist, denn der hünenhafte und schmerzunempfindliche Killer Niedermann ist auf freiem Fuß... (quelle: ofdb.de)
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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Re: Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Links die Frontansicht der Box, rechts das Cover der Einzel-Veröffentlichung
Vergebung (Schweden, Dänemark, Deutschland 2009, Originaltitel: Luftslottet som sprängdes)
Tage der Abrechnung
Lisbeth Salander (Noomi Rapace) kommt im Krankenhaus langsam wieder zu Kräften. Doch er Arm des Gesetzes klopft bereits energisch an ihre Türe, Lisbeth steht ein Prozeß mit schwerwiegenden Anklagepunkten bevor. Der behandelnde Arzt zögert die "Auslieferung" seiner Patientin heraus, aber ewig wird sich die offizielle Genesung Salanders nicht aufschieben lassen. Hinter den Kulissen rauchen derweil diverse Köpfe, Lisbeth stellt eine Gefahr für gewisse Herrschaften dar, man will sie gern endgültig aus dem Verkehr ziehen. Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist) erweist sich einmal mehr als zuverlässiger, aufrichtiger und kämpferischer Freund. Er arbeitet mit Erika Berger (Lena Endre), und den anderen Mitgliedern der Millennium-Redaktion, an einer explosiven Ausgabe des Magazins. Das Heft soll Lisbeth endlich entlasten, während man die Drahtzieher öffentlich an den Pranger stellen will. Die Lage spitzt sich nach und nach zu, die Verschwörer schrecken vor keiner Schweinerei zurück. Millennium steht vor einer Zerreißprobe, Erika erhält anonyme Drohungen, doch Mikael lässt sich nicht einschüchtern. Während die "Sektion" auf ein gefälschtes Gutachten von Dr. Teleborian baut, der Lisbeth bereits im Kindesalter "betreute", erhält Mikael Hilfe von unerwarteter Seite. Eine Komponente entzieht sich in diesem Spiel jeglicher Kontrolle, der grausige Killer Ronald Niedermann (Mikael Spreitz), der Lisbeth unbedingt in die Finger bekommen will...
Die Inhaltsangabe zu "Vergebung" habe ich bewusst kurz und oberflächlich gehalten. Die Gefahr von Spoilern ist zu gross, schnell könnte ich zu viel über die beiden vorherigen Teile verraten. Das Finale der Trilogie knüpft unmittelbar an das Ende von "Verdammnis" an. Auch bezüglich der eingesetzten Stilmittel, liegen "Verdammnis" und "Vergebung" sehr nah beieinander. "Verblendung" schwelgte ausufernder in herrlichen Landschaftsbildern, bot noch mehr "grosse Geste", ohne dabei den Inhalt zu vernachlässigen (was man glücklicherweise keinem der drei Filme vorwerfen kann). Der Auftakt führte die Hauptcharaktere ein, die gemeinsam an der Lösung eines alten Kriminalfalls arbeiteten. "Verdammnis" geht tiefer auf die Figuren Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist ein, der Zuschauer erfährt mehr über die tragische, erschreckende Vergangenheit der jungen Frau. In "Vergebung" laufen die Fäden zusammen, gerät die Verdorbenheit der "Bösewichter" ans Tageslicht. Sicher hätten Blomkvist und Salander noch jede Menge Potential für weiteren Stoff, doch bekanntlich ist ihr Schöpfer Stieg Larsson leider verstorben.
"Vergebung" ist der ruhigste Teil der Trilogie. Dies hängt mit dem langen Krankenhausaufenthalt von Lisbeth zusammen, die anschliessend aus der Klinik ohne Schonfrist in Haft wandert, um sich vor Gericht den zahlreichen Vorwürfen zu stellen. Wer auf ein Finale mit viel Krawall und Tempo baut, könnte eventuell eine Enttäschung erleben. Ich begrüße die eher bodenständige Ausrichtung des dritten Films, der sich auf die Qualitäten seiner Charaktere verlässt. Nur selten rappelt es kurzeitig im Karton, letztlich kommt auch Lisbeth wieder zu einer kleinen Actionsequenz. Über die Klasse der Mitwirkenden, habe ich bereits in den Kurzkommentaren zu den Vorgängern, ein paar eindeutige Zeilen geschrieben. Noomi Rapace und Mikael Nyqvist sind perfekt, Anders Ahlbom rückt als Dr. Peter Teleborian stärker in den Fokus, seine Leistung ist ebenso tadellos. Es wäre ermüdend immer wieder das gleiche Loblied anzustimmen, daher will ich es bei dieser kurzen Anmerkung zu den Schauspielern belassen.
Trotz der angenehm unhektischen Erzählweise, wirkt "Verdammnis" auf mich manchmal ein wenig unrund geschnitten. Gerade deswegen bin ich sehr auf die längeren Fassungen der Trilogie gespannt, die im Februar auch in Deutschland auf DVD und BD erscheinen werden. Will man unbedingt einen Kritikpunkt finden, so kann man "Vergebung" vorwerfen, dass der Film nicht mehr viele neue Erkenntnisse über Lisbeth preisgibt, sondern mehr in Richtung Polit-Thriller tendiert. IMHO gelingt die Gradwanderung überzeugend, denn in "Verdammnis" hängt man dem Charakter Lisbeth Salander jede Menge Fleisch auf die Knochen. Eine weitere Auswalzung würde vermutlich zu einer Übersätting führen, die von ihr ausgehende Faszination sogar beschädigen.
Fazit: Jeder Teil der Trilogie hat seine Besonderheiten. "Verblendung" ist optisch beeindruckender als die beiden Nachfolger. "Verdammis" dient der Entwicklung der Figuren, "Vergebung" lässt die Reihe (vornehmlich) ruhig ausklingen. Exemplarisch ist die letzte Szene zwischen Salander und Blomkvist. Völliger Verzicht auf Kitsch und Plattheiten, trotzdem -gerade deshalb- sehr emotional und berührend. Mir hat die Trilogie schöne Stunden bereitet, ich freue mich sehr auf die Sichtung der "Director's Cut" Ausgaben. Die Blu-ray bietet auch bei "Vergebung" eine sehr ansprechende Qualität. Häufig ist das Bild körnig, die Farben sind sehr stimmungsvoll. Das Boxset ist hübsch aufgemacht, die Scheiben sind in einem schicken Digipak untergebracht, welches in einem stabilen Schuber sein gemütliches Zuhause findet. Dem Set liegt eine Bonus-DVD bei. Leider habe ich die zusätzliche DVD noch nicht geschaut, dies wird aber bald nachgeholt, vielleicht zur Einstimmung auf die langen Versionen.
Gut bis sehr gut = 7,5/10 (Gesamtbewertung der Trilogie: 8/10 (sehr gut). Ich spüre es, da geht noch mehr, da ist noch Luft nach oben. An den Langfassungen führt kein Weg vorbei!)
Lieblingszitat:
"Das war kein versuchter Mord. Das war Selbstverteidigung."
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Re: Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Auch der dritte und letzte Teil der „Millennium-Trilogie“ nach den Romanen des schwedischen Schriftstellers Stieg Larsson erschien im Jahre 2009 in schwedisch-deutscher Koproduktion, Regie führte wie beim Vorgänger „Verdammnis“ der Schwede Daniel Alfredson („Wolf“), das Drehbuch stammt erneut von Jonas Frykberg. Auch in diesem Falle habe ich die Literaturvorlage nicht gelesen und zunächst einmal die Kinofassung anstelle des längeren Director’s Cuts gesehen.
„Vergebung“ knüpft nahtlos an „Verdammnis“ an, beide Filme hängen enger miteinander als mit dem Auftakt der Trilogie zusammen und bilden eine Einheit. Als eigenständiger Film funktioniert „Vergebung“ wenn überhaupt nur sehr bedingt, die Kenntnis des Vorgängers scheint mir unabdingbar. Nachdem die unbequeme Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) im Laufe der Ereignisse aus „Verdammnis“ mit der erschreckenden Wahrheit konfrontiert wurde, dass ihr gehasster, sadistischer Vater Alexander „Zala“ Zalatschenko (Georgi Staykov), entstellt von durch Lisbeth im Kindsalter zugefügten Brandwunden, ein ehemaliger, nach Schweden übergelaufener russischer Spion ist, der einer geheimen, staatlich subventionierten Politgruppe angehört und von den Behörden unbehelligt sowie gut abgesichert seinen mörderischen Umtrieben nachgehen kann, sie zudem ihren Halbbruder Ronald, ein hünenhaftes Monstrum ohne Schmerzempfinden, das es ebenfalls auf sie abgesehen hat, kennenlernte, kam sie bei der finalen Konfrontation mit ihrer „Familie“ beinahe ums Leben. Ronald befindet sich auf der Flucht, ihr Vater und sie werden im Krankenhaus behandelt. Gleichzeitig wird Mordanklage gegen Lisbeth erhoben, die in Notwehr mit einer Axt auf ihren Vater einschlug. Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist), Enthüllungsjournalist für sein „Millennium“-Magazin, dessen Wege sich bereits in den vorausgegangenen beiden Teilen kreuzten, versucht, Lisbeth zu helfen...
Kommt bei Filmfreunden gemeinhin der Trilogieauftakt „Verblendung“ am besten weg, so muss ich zugeben, dass mir nach Erstsichtung aller drei Teile in der jeweiligen Kinofassung dieser Abschluss noch eine Idee besser gefiel, was insbesondere an der meines Erachtens äußerst einnehmenden Geschichte liegt. Nicht nur, dass „Vergebung“ endlich alle Geheimnisse um Lisbeths Person lüftet und ihre Vergangenheit aufdeckt, nachdem man in den ersten beiden Teilen zunächst sehr zurückhaltend („Verblendung“), dann verstärkt („Verdammnis“) an sie herangeführt wurde, nein, „Vergebung“ entwickelt sich darüber hinaus nach dem actionlastigeren Vorgänger zu einem reinrassigen Polit-/Justiz-Thriller, indem er den in „Verdammnis“ gesponnen Faden aufnimmt und aus ihm eine gewohnt intelligente und komplexe, dabei jedoch wunderbar in die Tiefe gehende Politposse strickt, die mir eng mit der jüngeren schwedischen Geschichte verknüpft scheint. „Vergebung“ spinnt ein Intrigennetz, eine Verschwörungstheorie um eine zu Zeiten einer „bürgerlichen“ Regierung etablierten, von oberster Stelle legitimierten Geheimagentensache, die zu einem sich jeglicher Kontrolle entziehenden, antidemokratischen Selbstläufer wurde, der unter zukünftigen Regierungen gar in Vergessenheit geriet, aber deren Involvierte ein luxuriöses Leben von der Öffentlichkeit unbemerkt führen und unbehelligt mafiaähnliche Strukturen aufbauen konnten. „Verdammnis“ und „Vergebung“ greifen vorsichtig das nationale Trauma ungeklärter mörderischer Attentate auf fortschrittliche schwedische Politiker wie Olof Palme auf, der 1986 auf offener Straße erschossen wurde.
Dies geschieht auf subtile Weise, denn explizit ausgesprochen wird es zu keinem Zeitpunkt. Die Filme bzw. Larssons Romane zeigen aber, wie sich mächtige Strukturen außerhalb der offiziellen Politik entwickeln und an empfindlicher Stelle einnisten. Kritisch setzt man sich mit konspirativ agierenden Organen wie der „Sicherheitspolizei“ auseinander und zeigt sie als keinesfalls der öffentlichen Ordnung, Recht und Gesetz verpflichteten Diener des Gemeinwohls, sondern als verbrecherische, kriminelle Vereinigung, für die Mord ein legitimes Mittel ist. Ein wenig Abstraktionsfähigkeit des Rezipienten vorausgesetzt, lassen sich mühelos Parallelen zu tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse ziehen, nicht nur in Schweden. Dass es ausgerechnet der Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander bedarf, um diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen und empfindlich in ihrer Existenz zu stören, ist ein inspirierender Revoluzzertraum, der beide Randbereiche – Punk-Subkultur und Computer-Hacking – als gesellschaftliche Kräfte wahr- und ernstnimmt, statt sie anhand alberner Klischees vorzuführen. Die Relevanz zivilen Ungehorsams, der Bedarf an intelligenten, individuellen Freigeistern und Kämpfern wie Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist als Hoffnung für ein in Angst und Obrigkeitshörigkeit erstarrten, doch hinter dem biederen Schein sich selbst zerfleischendes System ist ein dominantes Thema der Film- und damit vermutlich auch Buch-Reihe, abstrakt genug, um Ansprüchen an Unterhaltung zu genügen, dabei jedoch realitätsnah genug, um zumindest nachdenklich hinsichtlich fragwürdiger Autoritäten, als gegeben hingenommener Umstände und antisozialer Vorurteile zu stimmen.
Während die alternden und kranken Verschwörer also erkennen, dass sich die Schlinge um sie zuzieht und ihre Zeit abgelaufen ist, nimmt eine letzte große Vertuschungsaktion ihren Lauf. Morde und Selbstmorde werden begangen und Lisbeth Salander soll mundtot gemacht werden, indem sie u.a. auf Grundlage eines gefälschten Gutachtens ihres ehemaligen, sie ebenfalls misshandelt habenden Psychiaters Dr. Teleborian (Anders Ahlbom) des versuchten Mordes überführt und ins Gefängnis gesteckt werden soll. Nun bekommt Blomkvist Gelegenheit, sich mittels seiner Kontakte, seines journalistischen Ehrgeizes und Geschicks massiv für Lisbeth Salander einzusetzen, die ihrerseits lernen muss, fremde Hilfe anzunehmen, nachdem sie zeitlebens auf sich allein gestellt war. Ans Krankenbett gefesselt und zur Passivität gezwungen, bleibt „Vergebung“ trotzdem eindeutig auf sie als Hauptrolle ausgerichtet. Moderne Kommunikationsmittel spielen dabei eine noch stärkere Rolle als zuvor, insbesondere in Hinblick auf Smartphones. Diese kleinen Geräte werden als wichtige, mächtige Utensilien in die Handlung integriert und finden weit über genregewohnte Klischees wie Netzausfälle in brenzligen Situationen hinaus Verwendung. Auf die Berücksichtigung modernen Nippes wie Facebook und Konsorten verzichtete man dankenswerterweise. Auch hier erscheinen die Computerhacking-Attacken indes als allzu leichte Fingerübungen und etwas arg vereinfacht dargestellt.
Die überlange Handlung fällt aufgrund ihrer Komplexität ruhiger und dialogreicher als gewohnt aus, bleibt dabei jedoch dramaturgisch gekonnt spannend genug, um den Zuschauer sich solidarisch mit Blomkvist und Salander erklären zu lassen und mitzufiebern, mitzubangen und angesichts des gesamten Ausmaßes Lisbeths persönlicher Katastrophe emotional berührt und durch den Film geführt zu werden. Die einzelnen Handlungsstränge laufen auf eine Gerichtsverhandlung mit der weitestgehend gesundeten Salander hinaus, der es nachvollziehbar, doch respekteinflößend gelingt, ihrer Linie treu zu bleiben und den Gerichtssaal zu ihrer Bühne umzufunktionieren. Der Ablauf des Gerichtsverfahrens vermag sicherlich das kritische Bewusstsein des Zuschauers in Bezug auf vermeintlich unangreifbare Gutachten und ihre wirkungsvolle Einsatzmöglichkeit als Waffe gegen unbequeme Zeitgenossen zu schärfen. Dass es im Vorfeld zu einer Zusammenarbeit Blomkvists mit dem Verfassungsschutz kommt und sich seine Schwester Annika (Annika Hallin) erfolgreich als Anwältin Lisbeths annimmt, stellt dabei aufgrund der von beiden Protagonisten angebrachten Skepsis keinen wirklichen Stilbruch dar und bewahrt den Film vor dem Vorwurf plakativer, pessimistischer Schwarzmalerei. Wie sehr sich letztlich vor Gericht die Ereignisse überschlagen ist indes eine Fokussierung auf einen glücklichen Ausgang, der bei genauerer Hinterfragung dann doch etwas überkonstruiert erscheint, hilft aber, die schier unerträglichen Ungerechtigkeiten auch für den Zuschauer auf befriedigende Weise zu sühnen.
Im Epilog lässt man sich sodann auch die Gelegenheit nicht nehmen, noch einmal auf die nach wie vor unübersehbare und das Leben verkomplizierende traumatische Störung insbesondere Lisbeths einzugehen, die wiederum jeglichen Verdacht des Aufkommens typischen Hollywood-Kitsches unmissverständlich ausräumt und den Bogen zurück zum düsteren, ernüchternd-realistischen Stil der Reihe spannt. Dass Regisseur Alfredson erneut eher als souveräner Handwerker denn als künstlerischer Virtuose in Erscheinung tritt, mag bisweilen etwas schade sein, verleiht „Vergebung“ jedoch auch auf seine Weise eine gewisse Schroffheit, die letztlich aufgrund der starken, von guten bis hervorragenden Schauspielerin getragenen Handlung keiner weiteren Ausschmückung bedarf – wenn auch hier und da sicherlich, gerade in bedeutenden Einzelszenen, mehr möglich gewesen wäre. Doch auch für sich genommen sind Mordversuche im Krankenhaus oder ein erneutes Aufeinandertreffen mit dem blonden Hünen Niedermann kleine dramaturgische Höhepunkte, die für einen Moment das bitterernste Polit-/Justiz-Thriller-Sujet aufweichen bzw. variieren. Aus meiner persönlichen, sicherlich nicht ganz gesellschaftlichpolitisch und subkulturell unvorbelasteten Sichtweise ist „Vergebung“ ein absolut würdiger Abschluss der aufgrund des viel zu frühen Todes Larssons zur Trilogie geschrumpften Reihe; ein nordeuropäischer Thriller, der sein Herkunftsland in einem interessanten, kritischen Lichte präsentiert sowie Anspruch und Unterhaltungswert grandios und unwidersprüchlich miteinander verbindet – und in dem im Übrigen nichts und niemandem vergeben wird.
„Vergebung“ knüpft nahtlos an „Verdammnis“ an, beide Filme hängen enger miteinander als mit dem Auftakt der Trilogie zusammen und bilden eine Einheit. Als eigenständiger Film funktioniert „Vergebung“ wenn überhaupt nur sehr bedingt, die Kenntnis des Vorgängers scheint mir unabdingbar. Nachdem die unbequeme Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) im Laufe der Ereignisse aus „Verdammnis“ mit der erschreckenden Wahrheit konfrontiert wurde, dass ihr gehasster, sadistischer Vater Alexander „Zala“ Zalatschenko (Georgi Staykov), entstellt von durch Lisbeth im Kindsalter zugefügten Brandwunden, ein ehemaliger, nach Schweden übergelaufener russischer Spion ist, der einer geheimen, staatlich subventionierten Politgruppe angehört und von den Behörden unbehelligt sowie gut abgesichert seinen mörderischen Umtrieben nachgehen kann, sie zudem ihren Halbbruder Ronald, ein hünenhaftes Monstrum ohne Schmerzempfinden, das es ebenfalls auf sie abgesehen hat, kennenlernte, kam sie bei der finalen Konfrontation mit ihrer „Familie“ beinahe ums Leben. Ronald befindet sich auf der Flucht, ihr Vater und sie werden im Krankenhaus behandelt. Gleichzeitig wird Mordanklage gegen Lisbeth erhoben, die in Notwehr mit einer Axt auf ihren Vater einschlug. Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist), Enthüllungsjournalist für sein „Millennium“-Magazin, dessen Wege sich bereits in den vorausgegangenen beiden Teilen kreuzten, versucht, Lisbeth zu helfen...
Kommt bei Filmfreunden gemeinhin der Trilogieauftakt „Verblendung“ am besten weg, so muss ich zugeben, dass mir nach Erstsichtung aller drei Teile in der jeweiligen Kinofassung dieser Abschluss noch eine Idee besser gefiel, was insbesondere an der meines Erachtens äußerst einnehmenden Geschichte liegt. Nicht nur, dass „Vergebung“ endlich alle Geheimnisse um Lisbeths Person lüftet und ihre Vergangenheit aufdeckt, nachdem man in den ersten beiden Teilen zunächst sehr zurückhaltend („Verblendung“), dann verstärkt („Verdammnis“) an sie herangeführt wurde, nein, „Vergebung“ entwickelt sich darüber hinaus nach dem actionlastigeren Vorgänger zu einem reinrassigen Polit-/Justiz-Thriller, indem er den in „Verdammnis“ gesponnen Faden aufnimmt und aus ihm eine gewohnt intelligente und komplexe, dabei jedoch wunderbar in die Tiefe gehende Politposse strickt, die mir eng mit der jüngeren schwedischen Geschichte verknüpft scheint. „Vergebung“ spinnt ein Intrigennetz, eine Verschwörungstheorie um eine zu Zeiten einer „bürgerlichen“ Regierung etablierten, von oberster Stelle legitimierten Geheimagentensache, die zu einem sich jeglicher Kontrolle entziehenden, antidemokratischen Selbstläufer wurde, der unter zukünftigen Regierungen gar in Vergessenheit geriet, aber deren Involvierte ein luxuriöses Leben von der Öffentlichkeit unbemerkt führen und unbehelligt mafiaähnliche Strukturen aufbauen konnten. „Verdammnis“ und „Vergebung“ greifen vorsichtig das nationale Trauma ungeklärter mörderischer Attentate auf fortschrittliche schwedische Politiker wie Olof Palme auf, der 1986 auf offener Straße erschossen wurde.
Dies geschieht auf subtile Weise, denn explizit ausgesprochen wird es zu keinem Zeitpunkt. Die Filme bzw. Larssons Romane zeigen aber, wie sich mächtige Strukturen außerhalb der offiziellen Politik entwickeln und an empfindlicher Stelle einnisten. Kritisch setzt man sich mit konspirativ agierenden Organen wie der „Sicherheitspolizei“ auseinander und zeigt sie als keinesfalls der öffentlichen Ordnung, Recht und Gesetz verpflichteten Diener des Gemeinwohls, sondern als verbrecherische, kriminelle Vereinigung, für die Mord ein legitimes Mittel ist. Ein wenig Abstraktionsfähigkeit des Rezipienten vorausgesetzt, lassen sich mühelos Parallelen zu tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse ziehen, nicht nur in Schweden. Dass es ausgerechnet der Hackerin und Punkerin Lisbeth Salander bedarf, um diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen und empfindlich in ihrer Existenz zu stören, ist ein inspirierender Revoluzzertraum, der beide Randbereiche – Punk-Subkultur und Computer-Hacking – als gesellschaftliche Kräfte wahr- und ernstnimmt, statt sie anhand alberner Klischees vorzuführen. Die Relevanz zivilen Ungehorsams, der Bedarf an intelligenten, individuellen Freigeistern und Kämpfern wie Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist als Hoffnung für ein in Angst und Obrigkeitshörigkeit erstarrten, doch hinter dem biederen Schein sich selbst zerfleischendes System ist ein dominantes Thema der Film- und damit vermutlich auch Buch-Reihe, abstrakt genug, um Ansprüchen an Unterhaltung zu genügen, dabei jedoch realitätsnah genug, um zumindest nachdenklich hinsichtlich fragwürdiger Autoritäten, als gegeben hingenommener Umstände und antisozialer Vorurteile zu stimmen.
Während die alternden und kranken Verschwörer also erkennen, dass sich die Schlinge um sie zuzieht und ihre Zeit abgelaufen ist, nimmt eine letzte große Vertuschungsaktion ihren Lauf. Morde und Selbstmorde werden begangen und Lisbeth Salander soll mundtot gemacht werden, indem sie u.a. auf Grundlage eines gefälschten Gutachtens ihres ehemaligen, sie ebenfalls misshandelt habenden Psychiaters Dr. Teleborian (Anders Ahlbom) des versuchten Mordes überführt und ins Gefängnis gesteckt werden soll. Nun bekommt Blomkvist Gelegenheit, sich mittels seiner Kontakte, seines journalistischen Ehrgeizes und Geschicks massiv für Lisbeth Salander einzusetzen, die ihrerseits lernen muss, fremde Hilfe anzunehmen, nachdem sie zeitlebens auf sich allein gestellt war. Ans Krankenbett gefesselt und zur Passivität gezwungen, bleibt „Vergebung“ trotzdem eindeutig auf sie als Hauptrolle ausgerichtet. Moderne Kommunikationsmittel spielen dabei eine noch stärkere Rolle als zuvor, insbesondere in Hinblick auf Smartphones. Diese kleinen Geräte werden als wichtige, mächtige Utensilien in die Handlung integriert und finden weit über genregewohnte Klischees wie Netzausfälle in brenzligen Situationen hinaus Verwendung. Auf die Berücksichtigung modernen Nippes wie Facebook und Konsorten verzichtete man dankenswerterweise. Auch hier erscheinen die Computerhacking-Attacken indes als allzu leichte Fingerübungen und etwas arg vereinfacht dargestellt.
Die überlange Handlung fällt aufgrund ihrer Komplexität ruhiger und dialogreicher als gewohnt aus, bleibt dabei jedoch dramaturgisch gekonnt spannend genug, um den Zuschauer sich solidarisch mit Blomkvist und Salander erklären zu lassen und mitzufiebern, mitzubangen und angesichts des gesamten Ausmaßes Lisbeths persönlicher Katastrophe emotional berührt und durch den Film geführt zu werden. Die einzelnen Handlungsstränge laufen auf eine Gerichtsverhandlung mit der weitestgehend gesundeten Salander hinaus, der es nachvollziehbar, doch respekteinflößend gelingt, ihrer Linie treu zu bleiben und den Gerichtssaal zu ihrer Bühne umzufunktionieren. Der Ablauf des Gerichtsverfahrens vermag sicherlich das kritische Bewusstsein des Zuschauers in Bezug auf vermeintlich unangreifbare Gutachten und ihre wirkungsvolle Einsatzmöglichkeit als Waffe gegen unbequeme Zeitgenossen zu schärfen. Dass es im Vorfeld zu einer Zusammenarbeit Blomkvists mit dem Verfassungsschutz kommt und sich seine Schwester Annika (Annika Hallin) erfolgreich als Anwältin Lisbeths annimmt, stellt dabei aufgrund der von beiden Protagonisten angebrachten Skepsis keinen wirklichen Stilbruch dar und bewahrt den Film vor dem Vorwurf plakativer, pessimistischer Schwarzmalerei. Wie sehr sich letztlich vor Gericht die Ereignisse überschlagen ist indes eine Fokussierung auf einen glücklichen Ausgang, der bei genauerer Hinterfragung dann doch etwas überkonstruiert erscheint, hilft aber, die schier unerträglichen Ungerechtigkeiten auch für den Zuschauer auf befriedigende Weise zu sühnen.
Im Epilog lässt man sich sodann auch die Gelegenheit nicht nehmen, noch einmal auf die nach wie vor unübersehbare und das Leben verkomplizierende traumatische Störung insbesondere Lisbeths einzugehen, die wiederum jeglichen Verdacht des Aufkommens typischen Hollywood-Kitsches unmissverständlich ausräumt und den Bogen zurück zum düsteren, ernüchternd-realistischen Stil der Reihe spannt. Dass Regisseur Alfredson erneut eher als souveräner Handwerker denn als künstlerischer Virtuose in Erscheinung tritt, mag bisweilen etwas schade sein, verleiht „Vergebung“ jedoch auch auf seine Weise eine gewisse Schroffheit, die letztlich aufgrund der starken, von guten bis hervorragenden Schauspielerin getragenen Handlung keiner weiteren Ausschmückung bedarf – wenn auch hier und da sicherlich, gerade in bedeutenden Einzelszenen, mehr möglich gewesen wäre. Doch auch für sich genommen sind Mordversuche im Krankenhaus oder ein erneutes Aufeinandertreffen mit dem blonden Hünen Niedermann kleine dramaturgische Höhepunkte, die für einen Moment das bitterernste Polit-/Justiz-Thriller-Sujet aufweichen bzw. variieren. Aus meiner persönlichen, sicherlich nicht ganz gesellschaftlichpolitisch und subkulturell unvorbelasteten Sichtweise ist „Vergebung“ ein absolut würdiger Abschluss der aufgrund des viel zu frühen Todes Larssons zur Trilogie geschrumpften Reihe; ein nordeuropäischer Thriller, der sein Herkunftsland in einem interessanten, kritischen Lichte präsentiert sowie Anspruch und Unterhaltungswert grandios und unwidersprüchlich miteinander verbindet – und in dem im Übrigen nichts und niemandem vergeben wird.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- CamperVan.Helsing
- Beiträge: 10859
- Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40
Re: Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Nachdem "Verdammnis" mich etwas ratlos zurückließ, hat mich "Vergebung" wieder versöhnt. Ich mag ja Politfilme, in denen ein einzelnes Individuum alleine gegen den Rest der Welt kämpft.
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Allerdings gibt es in der Story doch einen gewaltigen Pferdefuß
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Allerdings gibt es in der Story doch einen gewaltigen Pferdefuß
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The more I see
The less I know
About all the things I thought were wrong or right
& carved in stone
The less I know
About all the things I thought were wrong or right
& carved in stone
Re: Vergebung - Daniel Alfredson (2009)
Bin nun mit den Langfassungen der Filme durch. Es war ein schönes -erweitertes- Wiedersehen.
Es bleibt dicken 8/10 (sehr gut) für die Trilogie. Finchers "Verblendung" werde ich Neugier schauen. Irgendwann.
Es bleibt dicken 8/10 (sehr gut) für die Trilogie. Finchers "Verblendung" werde ich Neugier schauen. Irgendwann.
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