Sword of God – Der letzte Kreuzzug - Bartosz Konopka (2018)

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Maulwurf
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Sword of God – Der letzte Kreuzzug - Bartosz Konopka (2018)

Beitrag von Maulwurf »

 
Sword of God – Der letzte Kreuzzug
Krew Boga
Polen/Belgien 2018
Regie: Bartosz Konopka
Krzysztof Pieczynski, Karol Bernacki, Wiktoria Gorodecka, Jacek Koman, Jan Bijvoet, Jeroen Perceval, Olivier De Sagazan,
Dominik Bak, Konrad Beta, Marcel Borowiec, Izabela Chlewinska, Halina Chmielarz


Sword of God - Der letzte Kreuzzug.jpg
Sword of God - Der letzte Kreuzzug.jpg (132.16 KiB) 167 mal betrachtet
OFDB

Nebel. Dunkle Wälder. Felsenlabyrinthe. Moos. Düsternis in wegloser Wildnis. Und mittendrin ein paar Menschen. Ein Stamm, inmitten einiger schwer zugänglicher Felsen lebend, von einem König und einem Schamanen angeführt, beten diese Menschen einen Gott namens Perun an. Sie hüllen sich in grobe Felle und schminken ihre Gesichter und Haare mit weißer Tonerde. Ein archaisches Leben auf Steinzeitniveau, die Waffen bestehen entsprechend in erster Linie aus behauenen Steinen.

In diese dunkle und in sich geschlossene Welt dringen Willibrord und Jan ein. Willibrord ist ein Missionar, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Menschen zum einzig wahren Gott bekehrt und eine Kirche gebaut zu haben, bevor in ein paar Monaten sein König mit den Rittern kommt. Die erste Herausforderung ist der Schamane, den er in einem Duell grausam tötet. Daraufhin teilt sich der Stamm in zwei Gruppen auf. Und diejenigen, die Willibrord folgen, sind schnell besser bewaffnet. Doch Jan, dem der Tod des Schamanen sehr nahe ging, geht einen anderen Weg. Er näht sich selber die Lippen zu und wird vom Hauptstamm daraufhin als Prophet verehrt. Die Tochter des Stammeskönigs verliebt sich in Jan, aber Willibrord sagt, dass Jan ein falscher Prophet ist. Und falsche Propheten müssen sterben, denn nur er selber ist der wahre Prophet.

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Bewegte Bilder aus einer völlig anderen Welt. Ich weiß, das mit der „anderen Welt“ schreibe ich öfters, und ich meine damit genauso oft L.A. Central wie die Hinterhöfe von Neapel. Aber das hier, das ist anders. Ganz anders. Fremd. Wild. Ungeheuerlich. Die Missionierung von Heiden auf einer kleinen Insel. Ein Priester, der Menschen zu dem einen wahren Gott bekehren will. Und willst Du nicht mein Bruder sein so schlag ich Dir die Fresse ein. Filme wie Aleksey Germans ES IST SCHWER EIN GOTT ZU SEIN fallen mir da ein, oder Frantisek Vlácils MARKETA LAZAROVÁ. Filme, die in dreckiger Düsternis spielen und zeigen, was Menschen Menschen antun können und vor allem auch wollen. Und es ist schier unglaublich, mit welcher Intensität und Kunstfertigkeit Kameramann Jacek Podgórski diese archaische und dunkle Welt in Licht und Schatten taucht und mit Bildern zum Vorschein kommt, die wie grausame Gemälde eine unsagbare Schönheit ausstrahlen. Gemalte Momente des Grauens und des finstersten Menschseins, umrahmt von dieser schrecklichen Harmonie der reinen Natur

Die Geschichte, die von diesen Bildern aus Licht und Dunkel wie Suchschweinwerfern punktuell angestrahlt wird, birgt dabei relativ wenig Überraschungen. Zwei Missionare auf dem Weg zu Himmelreich und Hölle, und dass dieser Weg von jeder Menge Leid und Tod gesäumt ist, das überrascht niemanden, der jemals einen Blick in ein Buch der Menschheitsgeschichte geworfen hat. Oder der Kirchengeschichte, denn Regisseur Bartosz Konopka legt die schwärende Wunde namens gewaltsame Missionierung schon mit einer reichlichen Menge Bosheit frei. Der Alleinvertretungsanspruch des Propheten und das bittere Ende all der bislang freien Menschen sind nur die zwei Eckpfeiler, zwischen denen sich die alte Geschichte von Unterwerfung und Tod abspielt. Es fällt auf, dass die kleine heidnische Gemeinschaft mit sich und mit der Welt in Einklang steht. Man lebt mit der Natur, nicht gegen sie, man schläft in großen, aneinandergekuschelten Gruppen, man berührt sich viel und zärtlich, es ist eine Gemeinschaft im besten Sinne. Dem steht Willibrord gegenüber, der Steine zerschlägt um ein Fundament für seine Kirche zu erstellen, welche er aus gefällten Bäumen bauen wird. Wenn die abgespaltenen und somit „bekehrten“ Heiden bewaffnet werden ist dies der bezeichnendste Punkt der Geschichte: Nun haben diejenigen, die bisher nicht so ganz zufrieden waren in der Gemeinschaft, die immer wieder Anzeichen von Unruhe bis hin zur Aggression gezeigt haben, nun haben diese Männer endlich die Möglichkeit zu zeigen was sie wollen. Sie können Macht ausüben, sie können ihre Gewaltfantasien herauslassen, sie können hemmungslos sein. Ob die Kamera dann Heiden mit Waffen zeigt, kriegslüsterne Soldaten des Weltkriegs oder Fußball-Hooligans, das ist in dem Augenblick gleich, und die Szenerie ist auch immer die gleiche. Der Anführer der vorneweg geht und aufstachelt, und das Fußvolk hinterher voller Vorfreude auf das große Schlachten. Da ist es schon vollkommen wurscht, ob hier die Kirche ins Spiel gebracht wird oder ob das eine andere Gruppierung wäre. Hier sind es halt in Felle gehüllte und naturnah lebende Menschen, die durch Nebel und bemooste Steine wandelnd inmitten karg-romanischer Landschaften ihre Urschreie ausstoßen sich ihrem gewaltsamen Tod nähern.

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Vom ästhetischen Standpunkt gesehen ist SWORD OF GOD großartiges Kino, das unbedingt auf die ganz große Leinwand gehört. Die Geschichte hinter diesen Bildern allerdings tut weh, und sorgt für viel Unruhe im Gedärm. Auch wenn die ein oder andere Szene vielleicht ein klein wenig zu langsam erscheint, so wird gerade durch diese langsame und ausgesprochen ruhige Erzählweise, die nicht von großartigen Actionszenen oder Schockmomenten lebt, sondern vielmehr vom langsamen Grauen, eine meditativ-schreckliche Atmosphäre aufgebaut, die dann, wenn der Film zu Ende ist, den Zuschauer zu seinem eigenen Erstaunen noch nicht verlässt. Diese hypnotischen Gemälde und die beunruhigende Erzählung gehen eine Einheit ein, die in ihrer Perfektion fast an die Gemeinschaft der Heiden erinnert. Und auf eine unbestimmte Art an einer Sehnsucht nach einem anderen, einem einfacheren Leben rührt. Allerdings einem ohne Kampf oder gar Missionierung.

VVITCH: A NEW-ENGLAND FOLKTALE mag als filmischer Vergleich dienen, oder besser noch VIKING VENGEANCE – Die Synthese aus schönem Arthouse und blutigem Naturschauspiel, eingebettet in eine Welt die wir modernen Menschen niemals verstehen werden, und die uns wahrscheinlich genau deswegen so fasziniert. SWORD OF GOD entführt uns in eine Welt aus Düsternis und Grauen und zeigt uns dort die Schönheit des Todes. Ein bemerkenswerter und berührender Film.

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