Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von jogiwan »

Snuff 102

Bild

Originaltitel: Snuff 102

Herstellungsland: Argentinien / 2007

Regie: Mariano Peralta

Darsteller: Andrea Alfonso, Julián Alfonzo, Rodrigo Bianco, Nicolás Blanco, Lucas Delgado

Story:

Eine junge Journalistin recherchiert im Internet über den Mythos der sogenannten "Snuff"-Filme und entdeckt dabei gar Abscheuliches, jedoch auch nichts, was die Existenz dieser Filme beweisen würde. Daher sucht sie einen bekannten Psychologen auf, der sich auf diese Art von Thematik beschäftigt und der interessierten Journalistin allerlei Dinge über das Konsum- und Sehverhalten der heutigen Zeit verrät und gleichzeitig auch Mutmaßungen anstellt, welche Beweggründe die Täter und nach welchen Auswahlkriterien die Opfer ausgesucht werden könnten. Doch das ist erst der Beginn einer Reise in das absolute Grauen und wenig später findet sich die Frau mit zwei weiteren Opfern in einem dunklen Raum, in dem ein maskierter Mann beginnt, eine nach der anderen zu töten und dieses auf Bändern mit den Nummer 100, 101 und 102 zu dokumentieren...
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jogiwan
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Re: Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von jogiwan »

Ach Gottchen, was für ein Dreck! Der Film ist ja neben seiner Thematik auch deswegen bekannt, weil der Regisseur bei der Premiere des Films von Teilen des aufgebrachten Publikums verprügelt wurde. Das kann ich nach Sichtung jetzt auch ein bisschen verstehen, da "Snuff 102" nach technischen Gesichtspunkten eigentlich gar kein Spielfilm ist, sondern eine Low-Budget-Underground-Amateur-Grütze, bei der die fragmentarische Geschichte über eine junge Journalistin als Aufhänger dient, mal so nebenher ein paar weibliche Opfer auf abscheuliche Weise zu malträtieren und dieses unter dem Deckmantel eines Spielfilms unter die Leute zu bringen. In "Snuff 102" vermisst man nicht nur auf Darsteller- und Regisseur-Seite jegliches Talent, sondern auch die "ach so realistischen" Effekte sind relativ leicht zu durchschauen. Das Bildmaterial, dass teils auch aus Internet-Schockvideos besteht wirkt wahllos aneinander montiert auch stets so bearbeitet und mit nervtötenden Soundtrack unterlegt, dass man als Zuseher schon sehr viel Wohlwollen mitbringen muss, um sich dieses "Werk" bis zu seiner ganz, ganz banalen Auflösung fertig anzusehen. Peratlas Streifen ist jedenfalls "Tesis" auf ganz, ganz arm und ungefähr so stelle ich mir dann auch die Werke von Fred Vogel vor - aber ein Interesse die zu sichten, besteht ja gleich gar nicht.
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purgatorio
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Re: Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von purgatorio »

jogiwan hat geschrieben:Ach Gottchen, was für ein Dreck! Der Film ist ja neben seiner Thematik auch deswegen bekannt, weil der Regisseur bei der Premiere des Films von Teilen des aufgebrachten Publikums verprügelt wurde.
:shock: ach was? Noch im Saal? Dann muss der Film ja richtig kacke gewesen sein :lol:
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jogiwan
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Re: Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von jogiwan »

ja, ist er auch - aber die Contenance hätte ich vor Ort deswegen auch nicht verloren. Ich frage mich aber was das für Subjekte sind, die einem derartigen Film auf der IMDB dann eine volle Punktzahl geben und noch etwas von Innovation und "einmaligen Erlebnis" faseln. Da möchte man dann wohl auch gar nicht weiter darüber nachdenken und ich bin ja auch keiner, der das Internet nach möglichst herben Schockvideos durchforstet. "Snuff 102" ist aber einfach nur langweilig, abgeschmackt und vor allem auch sehr schlecht und erzählerisch vollkommen dilletantisch gemacht.
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Tomaso Montanaro
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Re: Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von Tomaso Montanaro »

Wahrscheinlich werden jetzt einige über mich schelten, denn dieser Streifen hat durchaus seine Anhänger.
Aber ich kann und will nicht verstehen, was daran gut sein soll: Da werden ständig Frauen misshandelt und zwischendurch gibt ein Typ seinen Kommentar ab, der wohl irgendwie philosophisch sein soll.
Angereichert ist das Ganze mit einem nervtötenden Soundtrack und Videomaterial aus so echten (!) wie grausamen Tierversuchen. Sorry, da bin ich sehr empfindlich. Nach gut der Hälfte war Schluss mit dem Stuss.

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Salvatore Baccaro
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Re: Snuff 102 - Mariano Peralta (2007)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Nach vielen Jahren, in denen ich immer mal wieder über den Namen dieses Films gestolpert bin, hielt ich es nun an der Zeit, doch einmal selbst einen Blick auf diesen Streifen zu werfen, der oft und gerne als einer der schockierendsten, verstörendsten, traumatisierendsten Einträge in die Kinogeschichte gehandelt wird.

Dass der Argentinier Mariano Peralta – im Gegensatz zu Zunftgenossen wie dem bereits von Jogi erwähnten Fred Vogel – zumindest den Versuch unternimmt, seinem Publikum etwas mehr mit auf den Weg zu geben als abartigen Faux-Snuff, beweisen die Monologe des Psychoanalytikers, der von einer Studentin, - (die wiederum wirkt wie ein blasser Abklatsch der Heroine in dem ebenfalls bereits erwähnten TESIS) –, bezüglich medialer Gewalt ausgequetscht wird. Ich kann nicht behaupten, dass ich einige der von dem guten Mann vorgebrachten Thesen inhaltlos und uninteressant fand. Vor allem wirkt es, als ob Drehbuchautor Peralta tatsächlich mal seine Nase in das eine oder andere Buch des postmodernen Philosophen Jean Baudrillard gesteckt hat: Wenn der namenlose Intellektuelle beispielweise davon spricht, dass der menschliche Körper in der Pornographie einer Fragmentation unterzogen wird, der einer Zerstückelung durch das Kameraobjektiv gleichkommt, oder den Wechsel als erotisch erachteter Körperzonen durch die Jahrhunderte nachverfolgt, wo einmal die Schultern einer Frau, dann die Handgelenke das ultimative Objekt männlicher Begierden darstellten, oder aber auf ein globales Kollektivbewusstsein hinweist, das identisch sei mit den virtuellen Räumen, deren Demarkationslinien zur physischen Realität kaum noch klar zu begrenzen sind, dann klingt es zumindest für mich, als sei ich mitten in ein Hochschulseminar zu poststrukturalistischer Medientheorie hineingestolpert. Auch die immer wieder aufgerufene Kapitalismus- und Konsumkritik, die Verlagerung leiblicher Begierden ins Digitale, oder die Diagnose einer das Abendland fest in ihrer Gewalt haltenden Porno-Politik schreien derart nach Baudrillards Schriften aus den 70ern und 80ern, dass ich ebenso wenig an einen Zufall glauben mag wie daran, dass das Verwerfen jeglicher Moral und ein Ausspruch à la „Wenn unsere Datenübertragungsrate unendlich ist, wieso sollten wir dann unsere Lüste limitieren?“ nicht von amoralisch-libertinären Denkern wie Nietzsche oder Sade inspiriert sind. Nicht bilden die Litaneien des Mannes kein haltloses Geschwätz, sondern haben ihre Entsprechung in der spezifischen Ästhetik, die sich Peralta für sein irgendwo zwischen Spielfilm und Experimentalfilm kreisendes Werk ausgesucht hat: Die frei flottierenden und beliebig miteinander kombinierbaren Zeichen, mit denen wir es im World Wide Web zu tun haben, strukturieren auch SNUFF 102, da der Film sich einer narrativen Kohärenz, einer linearen Handlung, einer klassischen Dramaturgie vollständig verweiger und stattdessen seinerseits eine Sammlung von Fragmenten darstellt, die in seinen besten Momenten so wirken, als würde der Regisseur sich selbst gerade relativ wahllos mit seinem Mouse-Cursor durch einschlägige Internet-Schock-Seiten klicken, - und wir schauen ihm in Echtzeit dabei zu. Eine Kultur des Mosaiks ist es, die Peralta uns – erneut im Einklang mit Baudrillard – präsentiert: Die großen Erzählungen sind vorbei, und zurückbleiben entkontextualisierte Clips, die gar nicht angetreten sind, in ihrem Verbund so etwas wie Sinn zu stiften. Mit Godard hätte man an das Ende von SNUFF 102 auch die Texttafel „Fin de histoire, Fin de cinéma" heften können. In einem verblüffenden metareflexiven Moment bespiegelt sich der Film einmal sogar selbst: Als der Snuff-Killer sich an einer Schwangeren zu schaffen macht und wie ein Wüterich ihren Bauch mit Tritten traktiert, scheint der Film in seiner Materialität zu zerreißen; ein Text erscheint, der die rhetorische Frage stellt, ob die wahre Ethik des Kinos nicht darin zu suchen sei, dass man der Versuchung widersteht, wirklich allem zur Sichtbarkeit zu verhelfen; manchmal bedeuten Scheuklappen den moralischeren Weg, - also genau jene Scheuklappen, die sich SNUFF 102 selbst immer mal wieder aufsetzt, um das Bild gerade in den drastischeren Gewalteingriffen mit einer Schwarzblende zu überziehen.

So sehr ich also bereit bin, die ästhetischen Entscheidungen Peraltas und seinen theoretischen Überbau zu verteidigen, so wenig kann ich mich damit anfreunden, dass SNUFF 102 zum Großteil seiner Laufzeit aus genau den Körperfragmentierungen besteht, die der Film in seinen Dialogszenen anzuprangern vorgibt. Gleich mehrmals musste ich, - (was ich selten tue!) – die Vorspultaste bemühen, um die langwierigen, tatsächlich weniger aufwühlenden, sondern ermüdenden Folter- und Tötungsszenen zu überspringen, die zudem in einer Bildqualität dargeboten werden, dass man von den dargebotenen Gräueln mehr erahnen muss als erkennen kann. Immerhin konnte mir die Soundkulisse, die sich stellenweise anhört wie ein brünstiges Braunbärmännchen bei der Balz, manchmal ein kurzes Lächeln ins Gesicht zaubern, - ansonsten sind die Snuff-Eskapaden an Primitivität kaum zu überbieten, - und damit meine ich nicht nur den ihnen innewohnenden primitiven ostentativen Gestus, sondern vor allem auch ihre dilettantische Machart. Möglicherweise ist das auch ein Punkt, den Peralta machen wollte: Ähnlich wie CANNIBAL HOLOCAUST das exzessiv ausagieren, was man eine Metaebene höher als verachtenswert klassifiziert, - aber, puh, im Endeffekt bleibt SNUFF 102 dann doch eine konfuse Aneinanderreihung von gefolterten Frauen, klugem Geschwätz und (spärlich) eingestreuten Internet-Schocks wie beispielweise einer Schweineschlachtung, die zumindest bei mir keine gesteigerten Emotionen als eine lähmende Langeweile hervorzurufen imstande ist, (und den Wunsch, mal wieder einen Baudrillard-Band zur Hand zu nehmen.)

Wir raten ab. Aber auf die Fresse gehauen hätte ich dem Regisseur trotzdem nicht.
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