Huda's Salon - Hany Abu-Assad (2021)

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Salvatore Baccaro
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Huda's Salon - Hany Abu-Assad (2021)

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Originaltitel: Huda's Salon

Produktionsland: Ägypten/Niederlande/Palästinensiche Autonomiegebiete 2021

Regie: Hany Abu-Assad

Cast: Manal Awad, Maisa Abd Elhadi, Ali Suliman, Samer Bisharat, Kamel El Basha, Omar Abu Amer


Bethlehem 2021: Eigentlich sollte es für Hausfrau und Mutter Reem ein harmloser Besuch in Huda’s Frisiersalon werden, - doch während sie noch mit ihrer Friseurin Klatsch und Tratsch austaucht, verspürt sie plötzlich eine zunehmende Müdigkeit. Kaum ausgeknockt, wird Reem von Huda und einem jungen Mann in ein Hinterzimmer verfrachtet, wo man die Bewusstlose auf einem Bett drapiert; während sich der Jüngling entkleidet und mit erigiertem Penis neben Reem kniet, präpariert Huda ihre Augen, sodass es auf den Photos, die sie von den beiden schießt, aussieht, als sei sie im Vollbesitz ihrer Sinne. Als Reem erwacht, hält Huda ihr eins der Polaroids unter die Nase, - garniert mit dem Versprechen, es ihrem eifersüchtigen Gatten zukommen zu lassen, sollte sich Reem nicht kooperativ zeigen. Huda nämlich ist für die im Untergrund operierende palästinensische Befreiungsarmee tätig – und Reem soll ebenfalls für Spitzeltätigkeiten rekrutiert werden, steht doch ihr Ehemann wiederum im Verdacht, mit dem israelischen Geheimdienst eine Duzfreundschaft zu pflegen…

Auch wenn manche Dialogszene recht statisch inszeniert und schauspielerisch sehr hölzern dargeboten wird; auch wenn HUDA’S SALON früh in zwei unterschiedliche Handlungen zerfällt, sodass wir per Parallelmontage, ohne dass die Geschichten einander noch großartig berühren würden, sowohl vom Schicksal Hudas erfahren, die sich alsbald in den Verhör- und Folterkellern des Mossad wiederfindet, wie vom Alptraum, den Reem durchlebt, die es einerseits nicht übers Herz bringt, ihrem Ehemann reinen Wein einzuschenken, und andererseits ihren Alltag kaum noch zu meistern vermag unter dem Damoklesschwert, jederzeit können die kompromittierenden Photos ans Tageslicht kommen; auch wenn die Mise en Scene generell die Konvention gepachtet hat, und die Dramaturgie gerade in den „Verhör-Szenen“ zwischen Huda und einem Geheimdienstler, bei denen die Verhörte und der Verhörende letztlich gar gegenseitige Sympathie füreinander empfinden, kaum noch existent scheint: Alles in allem ist HUDA’S SALON dann doch ein berührendes und beeindruckendes Drama, das zusehends ins Thriller-Genre kippt, und das mich mindestens zweimal kalt erwischt hat: 1) Bei der eröffnenden circa zehnminütigen Plansequenz, die unvermittelt von einem harmlosen Frisiersalon-Besuch in ausgesprochen schmutzige Geschäfte switcht, und die wohl vor allem dann komplett überraschend anmutet, wenn man den Film, wie ich, völlig unvorbereitet sieht, und 2) Bei der Hinrichtung von Huda’s männlichem Sidekick per Feuer durch den Mossad, deren realistische Inszenierung mir nun wirklich die Sprache verschlagen hat: In dieser Drastik habe ich solcherlei jenseits 70er-Exploitation-Kinos selten gesehen. Solche Nuancen wie zum Beispiel die vielen ruhigen Szenen zwischen Reem und ihrem Ehemann, bei dem deren Beziehung für uns jedes Mal eine neue Facette gewinnt, oder die Art und Weise, wie die "Funktionsweise" des Spionage-Frisiersalons aufgedeckt wird, und überhaupt diese rasiermesserscharfe und sich durchweg realistisch anfühlende Analyse von Politik und Patriarchat vorm Hintergrund des Konflikts zwischen Israel und Palästina lassen mich dann erst recht eine Empfehlung für diesen Arthouse-Thriller aussprechen.
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