Darsteller(innen): William Holden, Gloria Swanson, Erich von Stroheim, Nancy Olson, Fred Clark, Lloyd Gough, Jack Webb, Franklyn Farnum, Larry J. Blake, Charles Dayton, Cecil B. DeMille, Hedda Hopper, Buster Keaton, Anna Q. Nilsson, H.B. Warner, Ray Evans, Jay Livingston u. A.
Die im Swimming Pool schwimmende Leiche von Joe Gillis (William Holden) erzählt dem Publikum, wie es dazu kam: als erfolgloser Drehbuchautor wird er von Schuldnern verfolgt, als er sich in einer abgelegenen Straße versteckt. So gerät er auf das Anwesen des vergessenen Stummfilmstars Norma Desmond (Gloria Swanson), die zurückgezogen mit ihrem Ex-Ehemann und Jetzt-Butler Max (Erich von Stroheim) lebt und seit Jahren "ihr Comeback" vorbereitet. Beide erkennen sofort die Möglichkeiten des anderen. Joe soll ihr ein Skript aufpolieren, sie ihn zum Star machen. Doch das Verhältnis beruht schon bald nicht auf Liebe, sondern auf Abhängigkeit, aus dem Joe irgendwann wieder entfliehen will, als der Erfolg sich nicht einstellen will. Doch die Diva ist so manipulativ wie besitzergreifend...
Mit dem im Jahre 1950 veröffentlichten „Boulevard der Dämmerung“ schuf US-Filmemacher Billy Wilder („Frau ohne Gewissen“) nicht nur einen großartiger Film noir, sondern einen Meta-Film: einen Hollywood-Film über Hollywood, einen Paramount-Film über Paramount. Vor allem aber einen Film über einen ehemaligen Stummfilmstar, der den Übergang zum Tonfilm nicht verkraftet hat.
„Der Tonfilm ist doch ein mächtiger Fortschritt...?“
Joe Gillis (William Holden, „Stalag 17“) ist tot, leblos treibt er im Pool eines Hollywood-Anwesens. Der Grund für seinen Tod lässt sich bis zu seiner schicksalhaften Verfolgung mit Stummfilm-Diva Norma Desmond (Gloria Swanson, „...aber das Fleisch ist schwach“) zurückverfolgen, die nur mit ihrem Butler Max von Mayerling (Erich von Stroheim, „Die große Illusion“) zusammenlebt und nicht recht wahrhaben will, dass sie im Tonfilmgeschäft nicht mehr zu den gefragten Aktricen zählt. Gillis ist ein erfolgloser und verschuldeter Drehbuchautor, dem Norma den Entwurf eines eigenen Skripts zur Überarbeitung vorlegt. Sie träumt davon, dass der Regisseur Cecil B. DeMille (spielt sich selbst) es verfilmt und ihr damit zu einem Comeback verhilft. Befeuert wird sie in ihrer falschen Selbsteinschätzung von der Fanpost, die ihr in Wirklichkeit Butler Max schreibt…
„Jedenfalls war es ein gemütliches Zusammensein mit diesem seltsamen Nervenbündel, diesem geheimnisvollen Max und dem toten Affen im ersten Stock, während der Wind von Zeit zu Zeit in den Orgelpfeifen wimmerte.“
Der tote Gillis stellt sich aus dem Off im Pool liegend vor und leitet per Rückblende die eigentliche Handlung ein, der er als Erzähler erhalten bleiben wird. Er benötigt dringend 300 Dollar, um sein Auto auszulösen, und versucht, ein Drehbuch bei einem Produzenten unterzubringen. Dessen Sekretärin Ms. Schaefer (Nancy Olson, „Menschen ohne Seele“) putzt sein Buch herunter. Auch bei anderen Adressen probiert er erfolglos, das Geld aufzutreiben. Nach einer Reifenpanne lernt er eine vermeintliche Witwe kennen, weil er mit dem Bestatter verwechselt wird. Es handelt sich um den nur mit Diener Max zusammenlebenden Stummfilmstar Norma Desmond und statt ihres Mannes ist ihr Affe gestorben. Norma schwingt theatralische Reden gegen die Entwicklung zum Tonfilm und die damit einhergehenden Veränderungen der Branche. Sie ist sehr von sich eingenommen und spricht gern in Hauptsätzen, dabei überwiegend im Befehlston.
„Ich hatte den Eindruck, als wäre das ganze Haus von einer schleichenden Paralyse befallen...“
Das Skript, das sie ihn zu lesen geradezu verdonnert, empfindet er als dilettantisch und albern, bietet ihr aber an, es gegen Geld zu überarbeiten. Sie zwingt ihn, in ihrem Haus zu bleiben und quatscht ihm so oft unverhohlen in seine Arbeit rein, bis er es aufgibt, ihr zu widersprechen und endgültig einsehen muss, es mit einer realitätsverlorenen, gealterten, narzisstischen Diva zu tun zu haben, einem Relikt einer längst vergangenen Zeit. Norma schaut sich immer wieder ihre eigenen Stummfilme an – als Film im Film ist Erich von Stroheims „Königin Kelly“ mit Gloria Swanson in der Hauptrolle zu sehen, der damals unveröffentlicht blieb und ein finanzielles Fiasko gewesen sein soll. Normas Butler Max entpuppt sich als ihr Ex-Mann, laut dem sie bereits mehrere Selbstmordversuche hinter sich hat. Als Gillis auf einer Silvesterfeier in Lady-Godiva-Dialogen Ms. Schaefer vom Beginn näherkommt, begeht Norma ihren nächsten Suizidversuch. In Kooperation mit der mittlerweile enthusiastischen, einen moderneren Frauentyp repräsentierenden Ms. Schaefer könnte Gillis erfolgreich sein, doch stattdessen hat er sich von Norma abhängig gemacht und steht voll unter ihrer Fuchtel. In einer bizarren Szene imitiert diese Charlie Chaplin. Ein Missverständnis bei der Paramount lässt sie von einem neuen Karrierefrühling träumen – die Wahrheit verheimlicht man ihr. Und Gillis beginnt, sich heimlich mit Ms. Schaefer zu treffen…
„Wir hatten Gesichter, wir brauchten keine Worte.“
Wilder als Nestbeschmutzer: Seine in „Boulevard der Dämmerung“ verarbeitete Perspektive auf Hollywood stieß branchenintern nicht auf ungeteilte Zustimmung, ist aber nichtsdestotrotz ein Meisterwerk des Film noir. Stilistisch wendet er sich diesem mit seiner Schwarzweiß-Fotografie und den charakteristischen Ausleuchtungen zu, mit Norma als Femme fatale und Gillis als bedauernswertem Opfer, der seine Geschichte in Rückblenden erzählt und dabei herrlich bissig psychologisiert. Besagte Geschichte wiederum ist Noir-typisch verregneter urbaner Natur. Inhaltlich widmet Wilder sich dem Umstand, dass der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm viele Stars die Karriere gekostet hat. Die Figur Norma Desmond scheint unzweifelhaft von Gloria Swansons eigener Karriere inspiriert, Swanson beweist also viel Mut zur Selbstironie. Mit realen Schauspielernamen und Filmtiteln wird geradezu um sich geworfen, diverse Köpfe des Filmbetriebs spielen sich kurzerhand selbst, Dialoge und Handlung sollen Bezüge zu realen Ereignissen enthalten. Selbstverliebte Ex-Stars bekommen ebenso ihr Fett weg wie Produktionsfirmen, der (selbst-)kritische Blick auf den Hollywood-Zirkus war damals neu und ungewohnt – und ausgesprochen düster.
Narzisstinnen und Narzissten haben oftmals etwas Tragikomisches, so auch hier. Das konsequent böse Ende jedoch stellt klar, wie ernst es Norma meint. Max lässt ihre Verhaftung wie einen Filmdreh aussehen; Wilder schafft so einen einprägsamen, dem Wahnsinn Ausdruck verleihenden Epilog. Allem Realismus zum Trotz ist „Boulevard der Dämmerung“ kein dröges, quasi-dokumentarisches Melodram-Kino, sondern begeistert mit tollen Figuren, ebensolchen Dialogen, gerade auch schauspielerisch (Swanson gibt alles), mit fulminanter Noir-Ästhetik und einer spannenden Narration. Sollte man mal gesehen haben!
Dies empfand damals auch die Jury so. Statt beleidigte Leberwurst zu spielen, nominierte man den Film für elf Oscars und billigte ihm letztlich drei Stück tatsächlich zu.