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Darsteller(innen): Christian Ulmen, Katarzyna Maciag, Fabian Hinrichs, Waldemar Kobus, Lucas Gregorowicz, Jens Münchow, Alexandra Schalaudek, Klaudiusz Kaufmann, Waldemar Obloza, Dariusz Toczek, Henryk Nolewajka, Maja Bohosiewicz, Pawel Tomaszewski, Marcin Tyrol, Norbert Hinzmann, Pawel Tucholski, Mariusz Slupinski u. A.
Frieder Schulz (Christian Ulmen) war mal Sänger einer Rockband, doch seit drei Jahren arbeitet er in Polen als Chef einer Niederlassung eines deutschen Unternehmens. Seine "Rock' n Roll" Vergangenheit sieht man ihm nicht mehr an, weshalb sich die junge Pattie (Maja Bohosiewicz) wundert, dass ihre Cousine Gosia (Katarzyna Maciag) den biederen Deutschen heiraten und mit ihm in ein typisches Einfamilienhaus ziehen will. Gosia ist unsicher, vermutet in Frieder aber noch verborgene Qualitäten. Dieser hat einen Tag vor seiner Hochzeit ganz andere Sorgen, da er weiß, dass sein Chef die Fabrik in Polen auflösen will und eine neue Filiale in der Ukraine eröffnen möchte, wo die Löhne billiger sind. Um die Mitarbeiter zu beruhigen, die von dieser Konsequenz nichts ahnen, verspricht er ihnen noch eine Gehaltserhöhung. Als dann auch noch seine alten Kumpels aus der früheren Band vor seiner Haustür stehen, bricht das Chaos vollends los - die geballten Vorurteile zwischen den Polen und den Deutschen stoßen aufeinander...
In der deutsch-polnisch koproduzierten Culture-Clash-Liebeskomödie „Hochzeitspolka“ aus dem Jahre 2010 treffen der Spezialist für norddeutsche Provinz Lars Jessen („Dorfpunks“) als Co-Autor und Regisseur und Fremdscham-Experte Christian Ulmen, der bereits in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ denselben Genre-Mix absolvierte, in der Hauptrolle aufeinander.
„Du hast dich ganz schön verändert, kann das sein?“
Frieder Schulz (Christian Ulmen), ehemaliger Sänger einer lokalen Rock-Coverband in der niedersächsischen Heide, führt seit drei Jahren die Niederlassung eines deutschen Unternehmens an der polnischen Ostgrenze. Dort steht seine Hochzeit mit seiner polnischen Lebensgefährtin Gosia (Katarzyna Maciag, „Blind Date“) bevor. Ihn belastet jedoch, dass ihm sein Chef eröffnet hat, die polnische Fabrik schließen zu wollen, weil in der Ukraine das Lohnniveau noch niedriger sei. Seiner gerade streikenden Belegschaft sagt Frieder davon erst einmal nichts, erhöht aber deren Gehalt. Rechtzeitig zur Hochzeit kommen unangekündigt seine alten Bandkollegen der „Heide Hurricanes“ zu Besuch, was zu zusätzlichen Problemen führt. Und ausgerechnet Bandmitglied Jonas (Fabian Hinrichs, „Schwerkraft“) ist der Sohn des kapitalistischen Fabrikchefs…
„Die nächste Attacke muss sitzen!“
Die Bandmitglieder versichern sich gegenseitig die Treue zum Rock’n’Roll, was sich als Rückblende entpuppt, mit der Jessen den Film eröffnet. Drei Jahre später könnte die Band für Frieder nicht weiter zurückliegen. Er hat Karriere gemacht, ist weggezogen, will heiraten und ein Einfamilienhaus beziehen – ganz der bürgerliche Weg also, der erst von der Betriebsschließung und dann von der Ankunft seiner alten Freunde durchkreuzt zu werden droht. Der ernste Aspekt der ungewissen Zukunft für seine Mitarbeiter wird komödiantisch aufgelockert, indem aus den versprochenen 14 % Lohnerhöhung per Stille-Post-Prinzip immer mehr werden.
Als Jonas und Konsorten – seine ehemalige Band – am Abend vor der Hochzeit aufschlagen, werde übliche Junggesellenabschiedsrituale durchexerziert, von der engagierten Stripperin Ines (Alexandra Schalaudek, „Lammbock – Alles in Handarbeit“) übers Gucken alter Band-Videos (in denen sie Kiss covern) bis hin zu einem interessanten Trinkspiel, das sich Schnapsschach nennt. Die Band performt den Tote-Hosen-Prollsong „Eisgekühlter Bommerlunder“, den Frieder seiner Frau später unplugged vorspielt. Die Besonderheit ist, dass all dies mit dem Aufeinanderprallen provinzieller norddeutscher und ebensolcher ostpolnischer Kultur einhergeht. Nach der Heirat sind irgendwann sind alle besoffen, auf Kabbeleien folgen Provokationen und Schläge. Eine Massenschlägerei entbrennt, Frieders Band wird rausgeworfen. Und als Gosia von den Fabrikschließungsplänen erfährt, gibt es auch noch Zoff zwischen ihr und Frieder. Der Abspann wurde in die Partyreste eingearbeitet, das ist gewitzt gemacht. Dazu erklingt eine polnische „Eisgekühlter Bommerlunder“-Version und nach dem Abspann wartet noch ein Bonus-Gag auf die entsprechend geduldigen Teile des Publikums.
Polnische Dialoge sind untertitelt, die ganz dicken Bretter bohrt „Hochzeitspolka“ aber nicht. Lösungen bietet er auch kaum an, sorgt aber für gute kurzweilige Unterhaltung. Dass Jessen etwas davon versteht, norddeutsche Figuren komödiantisch zu inszenieren, konnte er erneut unter Beweis stellen. Der Culture-Clash-Aspekt und damit einhergehende Humor ist dabei lediglich der Aufhänger für eine Geschichte über durch zynische ökonomische Entscheidungen verursachte Existenzängste, fragile Freundschaftsbande und durch finanzielle Sicherheit möglichwerdende Lebenslügen. So bekommen hier vor allem deutsche Spießer und Freizeitrebellen ihr Fett weg, was sich vielleicht angesichts solcher Gags wie dem US-indigenen, bei der polnischen Polente arbeitenden Schamanen nicht gleich auf den allerersten Blick erschließt.
Ulmen als prinzipiell gutherziger, aber überforderter Typ, der es unmöglichen allen rechtmachen kann, trägt einen Film schauspielerisch, der für meinen Geschmack etwas weniger schaumgebremst, vielmehr gern etwas bissiger hätte ausfallen dürfen – mit dem ich seinem ernsten Fundament zum Trotz aber Spaß und Zerstreuung fand.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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