
Evil Dead
Ein paar Tage in der absoluten Abgeschiedenheit einer Waldhütte ohne jeglichen Zugang zu Alkohol, das soll das bewährte Mittel für die gebeutelte Mia (Jane Levy) sein, die sich nach dem langsamen Tod ihrer Mutter in den Suff geflüchtet hatte. Ihr Bruder David (Shiloh Fernandez) hat drei gute Freunde um Mia versammelt: Olivia (Jessica Lucas), Eric (Lou Taylor Pucci) und Nathalie (Elizabeth Blackmore), die helfen sollen, die Zeit und den Entzug nicht zu lang werden zu lassen. Was sie jedoch nicht wissen, ist, daß die Hütte vor kurzem von einem Professor benutzt wurde, der dort das sogenannte "Buch der Toten", das in Menschenhaut gebundene "Neconomicon" untersucht hat und spurlos verschwunden ist. Doch das Buch ist noch dort und als Eric einige der mit Blut geschriebenen Passagen übersetzt, befreit er die Dämonen, die sich der jungen Leute nach und nach bemächtigen. Mia sieht in ihren Visionen den Schrecken kommen, doch ihr wird nicht geglaubt, bis sich schließlich der Wald rund ums Haus selbst gegen die Besucher erhebt und niemand mehr sicher ist...
„Ich werd‘ nicht weglaufen!“
Der Remake-Wahn im Horror-Genre nimmt kein Ende und nun hat es auch „Tanz der Teufel“ erwischt, einen DER Kultklassiker des Genres, 1981 als Low-Budget-Produktion von Sam Raimi hervorgebracht und seitdem mindestens eine Generation Horrorfans nachhaltig verstört, verzückt, inspiriert habend. Nach den vielversprechenden Trailern des Remakes jedoch wurde auch manch Remake-Skeptiker neugierig und freute sich wenigstens insgeheim auf den Film, den der Regisseur Fede Alvarez aus Uruguay drehen durfte, nachdem er zuvor lediglich durch einige Kurzfilme auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ihm zur Seite stand ein professionelles Team, u.a. Make-up-Künstler, die bereits mit Peter Jackson zusammengearbeitet hatten. Und so richtig „Remake“ ist der 2013 veröffentlichte „Evil Dead“ eigentlich gar nicht, er würde auch problemlos als Fortsetzung durchgehen.
Die drogenabhängige Mia (Jane Levy, „Suburgatory“) sucht mit ihrem Bruder David (Shiloh Fernandez, „Deadgirl“) und den drei Freunden Olivia (Jessica Lucas, „Cloverfield“), Eric (Lou Taylor Pucci, „Carriers“) und Nathalie (Elizabeth Blackmore) die Abgeschiedenheit einer einsamen Waldhütte, um einen weiteren – hoffentlich letzten – Entzug zu wagen. Doch die Hütte birgt schreckliche Geheimnisse: Tierkadaver im Keller zeugen von okkulten Ritualen – und ein unheilbringendes, jahrhundertealtes Buch wartet nur darauf, von einem neugierigen Besucher von seinem Stacheldraht befreit zu werden und ihn zu verführen, laut die beschwörerischen Zeichenfolgen auszusprechen und damit die Dämonen zu entfesseln…
Von einem hohen Härtegrad hatte man im Vorfeld etwas gehört. Und von Verzicht auf CGI-Effekte. Zumindest letzteres straft der Prolog Lügen, denn die Verbrennung eines von einem Dämon besessenen Mädchens erinnert nicht nur fatal an diversen Exorzistengrusel aus der Okkult-Kiste, sondern entstammt sehr offensichtlich dem Computer und wirkt so unrealistisch und anorganisch, dass sich der gewünschte Effekt nicht einstellt – ein denkbar schlechter Einstieg. Doch wenn danach die einzelnen Charaktere vorgestellt werden, gewinnt „Evil Dead“ an Qualität. Zwar geschieht dies im Schnelldurchlauf und betrifft in erster Linie das Geschwisterpaar, doch Mias Junkie-Look und -Verhalten ist gut getroffen, die Geschichte um eine vom langsamen Dahinsiechen der Mutter traumatisierte Familie und die daraus resultierenden psychischen Probleme, Schuldgefühle und -zuweisungen etc. erscheinen wesentlich durchdachter und realistischer als die übliche „Teenies oder Twens wollen Party im Wald machen und möglichst viel vögeln“-Prämisse. Dies passt auch gut in eine unter Borderline-Syndromen und Selbstzweifeln ächzende aktuelle Generation Jugendlicher und junger Erwachsener; da ist es ein Leichtes, Empathie für die Charaktere zu entwickeln, über Klischees wie den sehr nach Nerd-Hippie aussehenden Eric hinwegsehen muss man dennoch. Ein „guter Jugendlicher“, „böser/aufmüpfiger/moralisch nicht integerer Jugendlicher“ und „definitiv bis zum Schluss Überlebender“-Aufteilungsspielchen indes erspart man dem Publikum und trägt damit entschieden zur Unvorhersehbarkeit des Survival-Trips bei.
Nach der ersten Konfrontation Mias mit einer dämonischen Vision beginnt das erwartete Feuerwerk blutiger und ekliger Spezialeffekte, von dem im Vorfeld wahrlich nicht zu viel versprochen wurde. Die Protagonisten müssen sich als äußerst leidensfähig erweisen, wenn die dämonischen Kräfte zum Tanz der Teufel laden, von einem nach dem anderen Besitz ergreifen und mit ihnen machen, was sie wollen, nicht minder hart fällt die entsprechende Gegenwehr aus – da wird mit Hieb- und Stichwaffen und anderem Werkzeug und Gegenständen geschlagen, gehackt, gesägt, gerissen, verstümmelt, zerfetzt und ausgeweidet, der Splatteranteil in die Höhe getrieben, und das alles in Form einwandfreier, handgemachter Maskenbildner- und SFX-Kunst, dass es schon nicht mehr die reinste Freude ist, sondern eine Tor-Tour de force voller verdammt unangenehmer Szenen, die körperliches Unbehagen bereiten – wofür die Filmemacher ein gutes Gespür hatten. Die sog. „Torture Porn“-Welle ging gewiss nicht spurlos an Alvarez & Co. vorüber. Dabei jedoch nicht aus den Augen verloren wird die garstige Stimmung des Films, die Atmosphäre, die klaustrophobisch, hysterisch und paranoid das nackte Grauen in jedem Winkel lauern lässt, und das innerhalb eines dreckigen, düsteren Ambientes, das keinerlei Gemütlichkeit aufkommen lässt, kaum Momente zum Durchatmen feilbietet und weit entfernt ist von dem, was man gemeinhin als „wohligen Grusel“ bezeichnet. Nein, „Evil Dead“ agiert weit darüber, bekommt aber immer wieder die Kurve zurück zur Handlung, zur Mystik und Mythologie und zu seinen Charakteren mit ihren individuellen Stärken und Schwächen.
Dankenswerterweise geriet „Evil Dead“ weitestgehend humor- und ironiefrei; wenn überhaupt sind es vereinzelter schwärzester Humor und die Übertreibungen, die grenzüberschreitenden Detailaufnehmen des Körperhorrors und seine exzessive Anwendung, die ungläubige, möglicherweise belustigte Reaktionen hervorrufen – als wolle man den Beweis antreten, sehr wohl noch innerhalb des Genre-Sujets mit Gewalt schocken und überraschen zu können. In diesem Zusammenhang verzichtete man darauf, eine Art „neuen Ash“ zu etablieren zu versuchen; die speziell in den Fortsetzungen herausgearbeiteten Eigenarten der Rolle Bruce Campbells fehlen hier, wenngleich vieles als Tribut ans Original und damit auch an Ash zu erkennen ist. Fast schon zuviel des Guten – darüber bin ich mir noch nicht abschließend einig geworden – ist der Quasi-Wechsel der Hauptrolle gegen Ende, der – und da bin ich mir sicher – leider durch eine vollkommen absurde, unfreiwillig komische Reanimation eines totgeglaubten Mitglieds der Clique eingeläutet wird. Doch das eigentliche Finale entschädigt beinahe auch dafür, denn auf groteske Weise wird noch ein Pfund visuelle Härte auf die Waagschale geworfen. Vor der wunderschönen, auf seine eigene Weise fast schon epischen, in jedem Falle ein neues morbides Ästhetiklevel erklimmenden Kulisse regnenden Bluts, das nach dem überraschenden jähen Ableben Jeff Hannemans wie ein Omen wirkt, findet der finale Kampf Mensch gegen Dämon statt, in Bezug auf die Kriechbewegungen des Bösen vermutlich ostasiatisch inspiriert („The Ring“ & Co.). Als zunächst wenig auffällig im Gedächtnis gebliebene, sich jedoch ins Bedrohlich-Epische steigernde Musik und eine umso effektivere Geräuschkulisse unterstützen den Film nach Kräften, was sich besonders im Kino mit entsprechender Hardware als zusätzlicher stimmungsstiftender Faktor erwies. Und als wolle man es allen, die nach mehr Hintergrundinformationen schreien, auch noch recht machen, wird der Abspann genutzt, um ein bisschen was zum Buch zu erzählen, bevor Bruce Campbell ganz am Schluss doch noch seinen Mini-Auftritt bekommt. Doch das sind mehr oder weniger nette Gimmicks, die nicht nötig gewesen wären.
Was „Evil Dead“ natürlich abgeht, sind Charme und Originalität des Low-Budget-Originals. Alvarez’ Film ist ein gut durchkalkulierter, teurer Film, der in den Mainstream-Kinos fast ungeschnitten läuft und bereits Vorhandenes nimmt, um es etwas abgewandelt auf die Spitze zu treiben, zu extremisieren. Handwerklich und schauspielerisch arbeitete man absolut professionell. Doch während sich um Raimis „Tanz der Teufel“ viele Mythen ranken und er allein schon aufgrund seiner schwierigen Veröffentlichungsgeschichte und seiner Unterschlagungen von staatlicher Seite wohl auf ewig einen Sonderstatus innehaben wird, ist die einzige Hürde, die „Evil Dead“ im deutschen Kino zu bieten hat, die 18er-Freigabe. Zur Wertschätzung dürfte das nicht beitragen, ebenso wenig zu einer etwas verklärten Überbewertung, wie sie das Original möglicherweise mitunter erfährt. Raimis Original tanzte teuflisch im Untergrund, Alvarez’ Remake gibt sich einen edlen Anstrich und wird durch die Multiplexe gereicht, erstrahlt in digitaler Projektion und Surround-Sound. Diverse Kritikerreaktionen lassen bereits auf eine Überhöhung des Originals und Nichtakzeptanz des Remakes schließen, das eine erklärt man zur künstlerischen Avantgarde, das andere zum Stumpfsinn für Splatter-Kids, dem man jeglichen Tiefgang abspricht. Ironischerweise dürfte dies exakt die Reaktion sein, der sich seinerzeit Raimis Film ausgesetzt sah. Da werden plötzlich Maßstäbe angesetzt und Ansprüche gestellt, die bei genauerem Hinsehen vor allem eines offenbaren: Die Angst alternder Kritiker vor dem Verlust der Exklusivität ihres geliebten Kultfilms. Dabei sollten gerade sie wissen, dass diese unbegründet ist, denn allein schon aus o.g. Gründen verfügt „Tanz der Teufel“ über genügend Alleinstellungsmerkmale, die ihm auf ewig eine Ausnahmestellung in der Geschichte des Horrorfilms sichern werden. Dieser „Evil Dead“ hat meines Erachtens das Zeug dazu, eine neue Generation Filmfreunde im positiven Sinne zu traumatisieren, sofern diese dafür noch begeisterungsfähig genug ist. Dann würde es mich nicht wundern, wenn man auch in einigen Jahren oder Jahrzehnten noch von Alvarez und seiner Interpretation des Stoffs spricht – und zwar als wirklich gutes Remake – meines Erachtens der beste Non-Fun-Splatter seit langem. Und ich bin gespannt, was man in Zukunft von Fede Alvarez noch zu sehen bekommen wird – bezeichnender- und bekannterweise drehte auch Raimi lediglich einige Kurzfilme, bevor sein „Evil Dead“ sein Spielfilmlängen-Debüt wurde. Ein Zufall? Sicher nicht.
7,5 von 10 aufgeblätterten Necronomicons