Re: Salvatores Skizzen zu einer Studie der absoluten Kontingenz
Verfasst: So 28. Mai 2017, 21:27

Originaltitel: Waltz of the Bat
Produktionsland: USA 1971
Regie: Rick Beaty
Darsteller: Kandi Johnson, Barry Vane, Tyler Reynolds, Mira Vane
Es war auf dem Wiener Opernball, und zwar 1881, als sie einander kennenlernten: Der Erzschurke Graf Eric die Fledermaus und die unsterbliche Prinzessin Bee. Das erzählen uns die beiden zumindest in vorliegendem jeder Beschreibung spottenden Porno-Filmchen von 1972, wobei unsere Prinzessin stilecht in einem Bienenkostüm steckt, in dem ich nicht mal den verzogenen Nachbarsjungen zum Kinderfasching schicken würde, und unser Graf mit seinem schwarzen Mantel, seinem schwarzen Zylinder und dem schwarzen Spitzbart aussieht wie ein dritt- oder viertklassiger Coffin Joe. Bis zu dem Zeitpunkt in WALTZ OF THE BAT, als uns Prinzessin und Graf ein wenig von ihrer Hintergrundgeschichte berichten – und die wahl-, sinn- und ziellos aneinander montierten Sexszenen wenigstens mit dem Versuch eines Alibis umhüllen -, ist immerhin bereits eine Viertelstunde vergangen, in denen wir Zeuge vom Alltagstreiben der selbsternannten Fledermaus geworden sind: Wenn Eric nicht gerade durch die regenfeuchten Straßen San Franciscos stürmt, spricht er offensichtlich drogeninduzierte Hippie-Mädchen an, und überredet sie – wozu er angesichts seines Outfits und Auftretens schon ziemliche Engelszungen braucht – für einen 5-Dollar-Schein mit zu ihm zu kommen. Der Deal ist simpel: Sex gegen Geld, und Rosie, seine neuste Eroberungen, genauso einfältigl: Sie schlägt ein, obwohl es ihr doch irgendwie mulmig in der Magengegend zu sein scheint, denn kaum hat die Fledermaus sie in ihrem Wohnzimmer alleingelassen, um Wein zu holen, vertraut sie uns, direkt in die Kamera sprechend und damit die vierte Wand durchbrechend, ihre Bedenken an: „Boy, is this guy a sickie! I don’t know what it is but I always attract this kind of weirdos. But this guy really takes the cake. I hope it isn’t going too weird while we’re fucking.” Allzu extravagant wird der folgende, ausgedehnte Hardcore-Sex dann übrigens nicht, den der Graf verwöhnt seine Opfer mit Vorliebe oral, was allerdings in etwa so erotisch ist wie einem Ameisenbär bei der Nahrungsaufnahme zuzuschauen, und sowieso lenken mich von den expliziten Bildern fortwährend zwei Dinge ab: 1. Wie unfreiwillig komisch es wirkt, wenn Eric sein Dracula-Cape und seinen Zylinder fallenlässt, und darunter ein Schmerbauch, eine Halbglatze und ein spindeldürrer, wenig standfester Penis zum Vorschein kommen, und 2. Dass man – wie doch allein schon der Titel suggeriert! – für die musikalische Untermalung nicht etwa auf Johann Strauss‘ weltberühmte Operette DIE FLEDERMAUS von 1875 zurückgegriffen, sondern stattdessen – sofern meine Ohren mich nicht komplett täuschen – irgendeine Aufnahme von Tschaikowskis zwar ebenso weltberühmter, dann aber doch noch themenfremderer OUVERTURE SOLENELLE aus dem Jahre 1812 recycelt hat.

Sei’s drum, Tschaikowski ist mir sowieso lieber als Strauss, und vor allem gut dazu geeignet, die Monotonie des mehrminütigen Balzens, bei dem der behaarte Hintern des Grafen gerne in Großaufnahme gezeigt wird, irgendwie erträglich zu machen. Schon eher schmunzeln lässt die Szene, die ich eingangs schon beschrieben habe: Nachdem Fledermaus-Eric fertigkopuliert hat, befindet sich Rosie offenbar unter seinem hypnotischen Bann, und er, der sich nunmehr als Zuhälter entpuppt, schickt sie mit weiteren Dollar-Scheinen los, um weiteres Frischfleisch zu besorgen, mit dem er schlafen und das er dann, zum Sex-Zombie mutiert, für sich auf den Strich schicken kann. Genau das plaudert der Graf, schon wieder mitten durch die vierte Wand hindurch, bei einem Glas guten Rotweins aus, während er es sich gegenüber der Kamera in seiner wenig aristokratischen Sitzecke gemütlich gemacht hat. Parallel dazu wird zur Zauberbiene geschnitten, die wechselweise eine Banane schält oder ein Honigbrötchen knabbert, und nicht mit Kalauern der Marke „I’m Princess Bee! Like in all the B-Movies!“ hinterm Berg hält. Bei ihr wiederum handelt es sich um eine Märchen-Fee, die seinerzeit, auf besagtem Opernball, von Eric verführt worden ist, und ihm allein dadurch, ohne es zu wollen freilich, die Unsterblichkeit verschafft hat. Nicht nur ist die Fledermaus bereits hundertvierzig Jahre alt – sieht aber, wie er stolz und an der Haut seiner Arme herumzupfend, verkündet, keinen Tag älter aus als vierzig -, sondern seit dem erotischen Intermezzo mit der Bienenprinzessin auch im Besitz magischer Kräfte, die er ausnahmslos einsetzt, um wehrlose Mädchen zur Bereicherung seiner Geldbörse zur Prostitution zu zwingen. Damit ist jetzt aber Schluss!, entscheidet unsere Bienenfee, und schwärmt aus, um ihrem Rivalen endgültig das Handwerk zu legen…

Welchen Rauschmitteln genau dieses Story nun geschuldet sein mag, das sollen spätere Forscher im Sektor des transgressiven Kinos klären. Ich für meinen Teil möchte es erstmal bei ein paar Beobachtungen belassen, die sich diesem schlicht unglaublich derangiertem Stück Fleischfilm im Sinne von Clifford Geertzs Thick Description annähern: Ich sammle einfach mal, was ich gesehen und empfunden habe. WALTZ OF THE BAT ist nicht wirklich stimulierend. Die Sexszenen sind fad, unästhetisch. Die Inszenierung hilft den espritlosen Nahkämpfen ebenfalls auf keine Sprünge, die sie anders aussehen lassen würden als durchschnittliche US-Amerikaner Anfang der 70er, die in eher hässlichen Privatwohnungen eher unspektakuläre sexuelle Handlungen aneinander vornehmen. Die Story wurde nicht ersonnen, um etwas zu erzählen, sondern ist ein Fass ohne Boden, das, mehrmals die Richtung wechselnd, plump durch die gerade mal siebzig Minuten rollt. Mal trifft die Bienenprinzessin auf in geschlossenen Räumen ihre Friedenspfeife rauchende Indianer, fragt sie nach dem Weg zu Eric, und bleibt natürlich erstmal für ausgiebigen Sex bei ihnen hängen. Ein anderes Mal wohnen wir endlos langen Szenen bei, die lediglich schildern, wie Eric mehrere Frauen in seine Gewalt bringt, und sie in seinem Bett sich wälzen lässt, während er daneben sitzt, und Rotwein schlürft. Selbst das Finale ist mit dem Ausdruck „befremdlich“ noch milde umschrieben: Endlich treffen Honigbiene und Fledermaus aufeinander, sie bläst ihm einen, lässt ihn das Morgengrauen vergessen, worauf die Sonnenstrahlen ihn – wie weiland Graf Orlok – in ein Häufchen Staub verwandeln. Sprüche wie „It tastes sour…“, als Eric – was er, glaube ich, fünfundzwanzig Prozent seiner Leinwandpräsenz tut – gierig wie ein Vampir über ein weibliches Geschlechtsteil herfällt, oder „He’s in meat“ sind zwar nicht sonderlich amüsant, deuteten jedoch ansatzweise darauf hin, dass die Verantwortlichen dieses Giftschrankstreifens ihre Agenda mutmaßlich selbst nicht allzu ernstgenommen haben. Gleiches muss für die Schauspieler gelten, von denen wenigstens bei Kandi Johnson (als Honey Lang) so etwas wie subtile Selbstironie zu spüren ist, - andererseits: wie hätte die gute Dame eine Rolle seriös verkörpern sollen, bei der sie eine Garderobe mit sich herumträgt, für die mancher Kostümverleiher seine Lizenz verlieren würde? -, während ihr Kontrahent Barry Vane (als Eric Fledermaus), wenn es drauf ankommt, mehr damit zu kämpfen hat, überhaupt vor laufender Kamera eine Erektion zu bekommen. Eine ungestüme Montage-Sequenz gegen Ende reißt einen zwar regelrecht aus dem Halbschlaf heraus, hat dann aber offenbar auch keinen weiteren Zweck, als etwas Screentime zu schinden - zumal in ihr sowieso ausnahmslos frühere Szenen stakkatoartig neu miteinander verbunden werden. Am besten noch fand ich die Idee, die Schauspieler immer mal wieder direkt Kontakt zum Rezipienten aufnehmen zu lassen. Das bringt einen frischen - ich hätte fast geschrieben: knackigen - Wind in die ansonsten recht steife Sache, der einem, wenn man das denn unbedingt will, eine selbstreflexive Meta-Ebene vor die Füße weht, mittels der man noch jede noch so große Kino-Katastrophe irgendwie adeln kann.

Kann ich WALTZ OF THE BAT empfehlen? Ich fürchte nein. Das soll nicht heißen, der Film sei nicht interessant, außergewöhnlich, verwirrend, letztlich genau einer von dem Schlage, dem ich mich gerne verschreibe. Aber was für mich gilt, das muss für den Rest der Menschheit mit Sicherheit nicht zutreffen. Wohl jeder, der noch halbwegs alle Sinne beisammenhat, wird dieses hanebüchene Stück Zelluloid langweilig, grenzdebil, wenn nicht sogar psychisch und physisch unerträglich finden. Immerhin, bei mir hatte der Film den positiven Nebeneffekt, dass ich seit Tagen nun schon im Tschaikowski-Fieber bin. Was für Violinkonzerte!, was für Klavierkonzerte!, von den Balletten fange ich mal gar nicht erst an…

Sei’s drum, Tschaikowski ist mir sowieso lieber als Strauss, und vor allem gut dazu geeignet, die Monotonie des mehrminütigen Balzens, bei dem der behaarte Hintern des Grafen gerne in Großaufnahme gezeigt wird, irgendwie erträglich zu machen. Schon eher schmunzeln lässt die Szene, die ich eingangs schon beschrieben habe: Nachdem Fledermaus-Eric fertigkopuliert hat, befindet sich Rosie offenbar unter seinem hypnotischen Bann, und er, der sich nunmehr als Zuhälter entpuppt, schickt sie mit weiteren Dollar-Scheinen los, um weiteres Frischfleisch zu besorgen, mit dem er schlafen und das er dann, zum Sex-Zombie mutiert, für sich auf den Strich schicken kann. Genau das plaudert der Graf, schon wieder mitten durch die vierte Wand hindurch, bei einem Glas guten Rotweins aus, während er es sich gegenüber der Kamera in seiner wenig aristokratischen Sitzecke gemütlich gemacht hat. Parallel dazu wird zur Zauberbiene geschnitten, die wechselweise eine Banane schält oder ein Honigbrötchen knabbert, und nicht mit Kalauern der Marke „I’m Princess Bee! Like in all the B-Movies!“ hinterm Berg hält. Bei ihr wiederum handelt es sich um eine Märchen-Fee, die seinerzeit, auf besagtem Opernball, von Eric verführt worden ist, und ihm allein dadurch, ohne es zu wollen freilich, die Unsterblichkeit verschafft hat. Nicht nur ist die Fledermaus bereits hundertvierzig Jahre alt – sieht aber, wie er stolz und an der Haut seiner Arme herumzupfend, verkündet, keinen Tag älter aus als vierzig -, sondern seit dem erotischen Intermezzo mit der Bienenprinzessin auch im Besitz magischer Kräfte, die er ausnahmslos einsetzt, um wehrlose Mädchen zur Bereicherung seiner Geldbörse zur Prostitution zu zwingen. Damit ist jetzt aber Schluss!, entscheidet unsere Bienenfee, und schwärmt aus, um ihrem Rivalen endgültig das Handwerk zu legen…

Welchen Rauschmitteln genau dieses Story nun geschuldet sein mag, das sollen spätere Forscher im Sektor des transgressiven Kinos klären. Ich für meinen Teil möchte es erstmal bei ein paar Beobachtungen belassen, die sich diesem schlicht unglaublich derangiertem Stück Fleischfilm im Sinne von Clifford Geertzs Thick Description annähern: Ich sammle einfach mal, was ich gesehen und empfunden habe. WALTZ OF THE BAT ist nicht wirklich stimulierend. Die Sexszenen sind fad, unästhetisch. Die Inszenierung hilft den espritlosen Nahkämpfen ebenfalls auf keine Sprünge, die sie anders aussehen lassen würden als durchschnittliche US-Amerikaner Anfang der 70er, die in eher hässlichen Privatwohnungen eher unspektakuläre sexuelle Handlungen aneinander vornehmen. Die Story wurde nicht ersonnen, um etwas zu erzählen, sondern ist ein Fass ohne Boden, das, mehrmals die Richtung wechselnd, plump durch die gerade mal siebzig Minuten rollt. Mal trifft die Bienenprinzessin auf in geschlossenen Räumen ihre Friedenspfeife rauchende Indianer, fragt sie nach dem Weg zu Eric, und bleibt natürlich erstmal für ausgiebigen Sex bei ihnen hängen. Ein anderes Mal wohnen wir endlos langen Szenen bei, die lediglich schildern, wie Eric mehrere Frauen in seine Gewalt bringt, und sie in seinem Bett sich wälzen lässt, während er daneben sitzt, und Rotwein schlürft. Selbst das Finale ist mit dem Ausdruck „befremdlich“ noch milde umschrieben: Endlich treffen Honigbiene und Fledermaus aufeinander, sie bläst ihm einen, lässt ihn das Morgengrauen vergessen, worauf die Sonnenstrahlen ihn – wie weiland Graf Orlok – in ein Häufchen Staub verwandeln. Sprüche wie „It tastes sour…“, als Eric – was er, glaube ich, fünfundzwanzig Prozent seiner Leinwandpräsenz tut – gierig wie ein Vampir über ein weibliches Geschlechtsteil herfällt, oder „He’s in meat“ sind zwar nicht sonderlich amüsant, deuteten jedoch ansatzweise darauf hin, dass die Verantwortlichen dieses Giftschrankstreifens ihre Agenda mutmaßlich selbst nicht allzu ernstgenommen haben. Gleiches muss für die Schauspieler gelten, von denen wenigstens bei Kandi Johnson (als Honey Lang) so etwas wie subtile Selbstironie zu spüren ist, - andererseits: wie hätte die gute Dame eine Rolle seriös verkörpern sollen, bei der sie eine Garderobe mit sich herumträgt, für die mancher Kostümverleiher seine Lizenz verlieren würde? -, während ihr Kontrahent Barry Vane (als Eric Fledermaus), wenn es drauf ankommt, mehr damit zu kämpfen hat, überhaupt vor laufender Kamera eine Erektion zu bekommen. Eine ungestüme Montage-Sequenz gegen Ende reißt einen zwar regelrecht aus dem Halbschlaf heraus, hat dann aber offenbar auch keinen weiteren Zweck, als etwas Screentime zu schinden - zumal in ihr sowieso ausnahmslos frühere Szenen stakkatoartig neu miteinander verbunden werden. Am besten noch fand ich die Idee, die Schauspieler immer mal wieder direkt Kontakt zum Rezipienten aufnehmen zu lassen. Das bringt einen frischen - ich hätte fast geschrieben: knackigen - Wind in die ansonsten recht steife Sache, der einem, wenn man das denn unbedingt will, eine selbstreflexive Meta-Ebene vor die Füße weht, mittels der man noch jede noch so große Kino-Katastrophe irgendwie adeln kann.

Kann ich WALTZ OF THE BAT empfehlen? Ich fürchte nein. Das soll nicht heißen, der Film sei nicht interessant, außergewöhnlich, verwirrend, letztlich genau einer von dem Schlage, dem ich mich gerne verschreibe. Aber was für mich gilt, das muss für den Rest der Menschheit mit Sicherheit nicht zutreffen. Wohl jeder, der noch halbwegs alle Sinne beisammenhat, wird dieses hanebüchene Stück Zelluloid langweilig, grenzdebil, wenn nicht sogar psychisch und physisch unerträglich finden. Immerhin, bei mir hatte der Film den positiven Nebeneffekt, dass ich seit Tagen nun schon im Tschaikowski-Fieber bin. Was für Violinkonzerte!, was für Klavierkonzerte!, von den Balletten fange ich mal gar nicht erst an…