bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Die Herren Dracula
Der alternde Graf Dracula muss mit seinem aus der Art geschlagenen Sohn Ferdinand Transsylvanien den Rücken kehren. Für einige Jahre verlieren die Blutsauger sich aus den Augen, bis man sich im heutigen Paris wiedertrifft - der Vater ist inzwischen ein berühmter Vampirfilm-Star, der Sohn dagegen nur Nachtwächter. Die Liebe zu ein und derselben Frau, die der früh verstorbenen Mutter ähnelt, lässt die ungleichen Blutsauger zu erbitterten Rivalen werden.
„Sehen Sie ihn sich doch nur an: Der einzige Vampir, der so mittelmäßig wie ein Mensch geworden ist!“

„Die Herren Dracula“ ist eine französische Vampirkomödie von Regisseur Edouard Molinaro („Der große Blonde auf Freiersfüßen“) aus dem Jahre 1977 nach der Literaturvorlage „Der Vampir von Paris“ von Claude Klotz. Graf Dracula (Christopher Lee, „Dracula“) zeugt einen Sohn mit einer Sterblichen und wird Jahrhunderte später von den Kommunisten aus Rumänien vertrieben. Es verschlägt ihn nach London, wo er erfolgreich eine Filmkarriere antritt, während sich sein Filius Ferdinand (Bernard Menez, „Das große Fressen“) in Paris als Nachtwächter durchschlägt. Als sie sich nach längerer Zeit wiedertreffen und in dieselbe Frau (Marie-Hélène Breillat, „Der letzte Tango in Paris“) verlieben, entbrennt ein erbitterter Konkurrenzkampf…

Die Idee, einen Vampir mit den Problemen der Moderne zu konfrontieren, birgt natürlich reichlich komödiantisches Potential. Diese Idee dann auch mit einer Vater-Sohn-Fehde zu verbinden und einen so gar nicht den Klischees entsprechenden Vampirsohn, der zwischen dem menschlichen Leben auf der einen und dem Vampirismus auf der anderen Seite hin- und hergerissen ist, klingt nach dem Stoff für eine höchst amüsante Komödie. Zumal man Christopher Lee für eine der beiden Hauptrollen gewinnen konnte, obwohl dieser seiner Dracula-Rolle eigentlich längst abschwören wollte.

Nach einem wie aus einer britischen „Hammer“-Produktion entsprungenen Prolog vermischt Molinaro Parodie, Situationskomik, Liebesgeschichte und Familiendrama miteinander. All das geschieht sympathisch, kurzweilig und mit französischem Charme, lebt gewissermaßen aber mehr von seinen ungleichen, hervorragenden Hauptdarstellern als unbedingt von seinem Humor, der, wie sich mit fortschreitender Spielzeit herausstellt, wenig bissig, fast gefällig daherkommt. In dieser Hinsicht hätte man mehr aus dem Stoff herausholen können, dann wäre der kitschige Unterton angesichts der Entwicklung (Achtung, Spoiler: Durch die Liebe zu einem Menschen wird Ferdinand selbst zu einem...) weniger stark aufgefallen. Wann immer Molinaro sich an offensiverem Humor versucht, droht der Film, einem Stilbruch anheim zu fallen und gerät ein wenig ins Schlingern. Am besten funktioniert er als Parabel auf die Phase der Pubertät und der Abkapselung von den Eltern. Über weite Strecken ist auch das „Was wäre, wenn...“-Spielchen, das einen erhabenen Vampir mit Alltagsproblemen konfrontiert und zu Gedankenspielen dahingehend anregt, wie sich ein Vampir heutzutage verhalten müsste und wer aus der eigenen Nachbarschaft einer sein könnte, recht reizvoll, nutzt sich aber etwas schneller ab, als der Film sein Ende findet. Dieses fiel etwas eigenartig aus, versucht sich aber glücklicherweise nach einem leider eher flachen und eindimensionalen Finale nicht an einem klassischen „Happy End“.

Wer mit leiserem französischen Humor etwas anfangen kann, wird mit „Die Herren Dracula“ ebenso eine gute Zeit verbringen wie ein Christopher-Lee-Fan oder wissbegieriger Vampirfilm-Nerd. Allen anderen würde ich zunächst einmal eher zu Polanskis „Tanz der Vampire“ bzw. den de-Funès- und Richard-Höhepunkten raten (Louis de Funès bleibt auch gegen Dracula der Chefcholeriker und Pierre Richard der tollpatschigere und trotteligere Verlierer als Dracula-Zögling Ferdinand).
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Todes-Date
Die beiden gutaussehenden Studentinnen Lilly (Stefanie von Pfetten) und Constance (Kim Poirier) sind nicht die, für die sie alle halten, sondern sie sind Außerirdische, die nur aus einem Grund auf die Erde kommen: Nachdem sie sich mit den Menschen gepaart haben, beginnen sie, langsam die Erde zu übernehmen. Dabei spielt es für sie überhaupt keine Rolle, dass die Männer nach dem Sex sterben. Doch eines Tages sieht Luke (Corey Sevier) den Aliens dabei zu und sofort merkt er, dass er die letzte Rettung für die Menschheit ist und er alles versuchen muss, um die beiden aufzuhalten...
„Ich steh‘ in der Alien-Tafelrunde auf der Speisekarte!“

„Todes-Date“ ist eine kanadische Science-Fiction-Horror-Komödie von Regisseur Matthew Hastings („Bloodsuckers“) aus dem Jahre 2004. Eine außerirdische Lebensform schlüpft in die Gestalt heißer Schulmädchen und sucht zu Überlebenszwecken den Beischlaf mit dem männlichen Geschlecht an einem College. Leider überlebt der männliche Part die Paarung nicht und erfriert von innen. Luke (Corey Sevier) kommt dem Vorhaben auf die Schliche und versucht, die Menschheit zu retten…

In dieser albernen Teenie-Horror-Komödie, die pubertäre Phantasien von dauergeilen und dominanten Nymphomaninnen bedient, wird nicht nur kein einziges Klischee ausgelassen, sondern bereits von vornherein klargestellt, worum es hier geht. Das hat zur Folge, dass sich keine rechte Spannung entwickeln will, während man dem altbekannten „Wer fickt, stirbt“-Spielchen beiwohnt, das regelmäßig in tentakeligen CGI-Spezialeffektspektakeln mündet. Eine wie auch immer geartete Atmosphäre kommt auch keine auf, denn „Todes-Date“ ist kaum mehr als eine unbefriedigende Aneinanderreihung von lustigen, romantischen, sentimentalen, traurigen etc. Szenen; ständig ändert der Film seine Stimmung. Gegen Ende schlägt man gar einen Haken zu einer unglaubwürdigen, moralingeschwängerten Wendung und lässt selbst diese wieder fallen, als eine aufrichtig liebende Außerirdische (Kitschalarm!) dennoch sterben muss. Das führt die Sympathieverteilung der Charaktere endgültig ad absurdum und setzt dem permanent mit logischem Menschenverstand nicht nachvollziehbaren Verhalten der menschlichen Protagonisten (nun gut, es handelt sich um libidogeplagte Jugendliche…) die Krone auf. Das Ende ist vorhersehbar, ergibt aber ebenfalls wenig Sinn. Fast die gesamte Handlung wurde aus diversen Genrefilmchen zusammengeklaubt und ziemlich mies zusammengesetzt.

Gut möglich, dass man ursprünglich zumindest ein Stück weit satirische/parodistische Absichten verfolgte, ähnlich wie Rodriguez seinerzeit mit „Faculty – Trau keinem Lehrer!“. Das Ergebnis jedoch ist ein nur schwer genießbares, unterdurchschnittliches, seelenloses Stück Teeniehorror für die MTViva-Generation, zusammenhanglose Unterhaltung, oberflächlich, unlustig und immer dann am nervigsten, wenn es am witzigsten sein möchte. Fast schon ein Kunststück ist es zudem, eine sexuell derart aufgeladene Handlung so prüde und bieder umzusetzen: Nach anfänglich ein wenig nackter Haut hat man grundsätzlich angezogen Sex. „Todes-Date“ eckt nirgends an, sondern berührt höchstens peinlich. Die Darsteller sind ausnahmslos glattgebügelte, austauschbare Teeniefressen, was den Erinnerungswert des Films weiter gen null tendieren lässt. Sollte es einmal zu einem Mangel an Alternativen kommen, ist Hastings‘ Film als Popcorn-Kino-Zwischenmahlzeit in anspruchsloser Runde bei ein paar Kaltgetränken sicherlich guckbar – Kameraarbeit, Musik etc. sind durchaus auf der Höhe der Zeit –; wenn auch nur, um festzustellen, wie überflüssig ein Film wie dieser eigentlich ist… trotz einer Ausgangskonstellation, bei der man meinen sollte, prinzipiell gar nicht so viel falsch machen zu können: Willige Weiber, gehirnamputierte Gören, asoziale Außerirdische und tentakelige Tentakeln.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Todes-Date 2
Sam und seine Kumpel sind Freshmen an einer kleinen Universität in der verschneiten Provinz und harren als solche erwartungsvoll ihrer baldigen Entjungferung durch sittenlose Studentinnen der Geisteswissenschaften. Letzteres scheint sich anzubahnen, als ausgerechnet ein Trio besonders blonder Supermiezen den plumpen Avancen der Knaben im Gegensatz zur Regel nicht ausweicht. Als sich die Damen als außerirdische Vampire entpuppen, naht Hilfe in Form eines diesbezüglich erfahrenen Senior.
Drei Jahre nach der kanadischen Teenie-Science-Fiction-Horror-Komödie „Todes-Date“ erschien 2007 in US-Produktion der Nachfolger „Todes-Date 2“ unter der Regie Jefferey Scott Landos („Acarophobia: Cami - Königin der Insekten“). Eine Gruppe College-Studenten startet einen Wettbewerb, wer am meisten Mädels flachlegt und stößt dabei fatalerweise auf eine außerirdische Rasse in der Hülle blonder Sexbömbchen, die sich äußerst paarungswillig zeigt. Dumm nur, dass der tentakelige Sex mit ihnen meist tödlich für die Männchen ausgeht…

„Todes-Date 2“ verwendet das gleiche Rezept wie sein bereits nicht sonderlich gelungener Vorgänger: Pubertäre Teenie-Phantasien, CGI-Action, peinliche Klischees und unlustige Gags. Es gibt etwas nackte Haut und diesmal mehr Monsteraction und mehr Kämpfe. Neu ist, dass sich die Außerirdischen optisch in die sexuellen Wunschträume der lüsternen Knaben verwandeln. Die handgefertigten Alienkostüme sehen gut aus, die Spezialeffekte aus dem Computer nicht. Die Reaktionen der Abziehbilder-Charaktere dieser Farce sind emotional unangemessen, die ganze Sause erscheint flach, überflüssig und lockt niemanden hinterm Sofa vor. Ein Ska-Punk-Soundtrack hält als musikalische Untermalung des debilen Treibens her.

Wieder mit von der Partie ist die männliche Hauptrolle aus Teil 1, Luke, gespielt von Corey Sevier. Dina Meyer und Tobin Bell aus „Saw“ haben Gastauftritte und fallen deutlich zwischen den 08/15-Jugendlichen auf.

Auch „Todes-Date 2“ sei nur weitestgehend anspruchslosen Genrefans empfohlen, ich kann diesem schlecht zusammengeklauten Blödsinn nicht viel abgewinnen.
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Der letzte Exorzismus
Der smarte und attraktive Erweckungsprediger Reverend Cotton Marcus ist sehr erfolgreich in seinem Job, dabei fehlt ihm immer öfter der wahre Glaube zu Gott und dem was er täglich tut. Er nutzt sein Schauspieltalent nicht nur für evangelikale Messen, sondern auch für lukrative Teufelsaustreibungen, bei denen er in mitreißenden Shows arme Gläubigerseelen von ihren vermeintlichen Dämonen befreit. Von einem TV-Team gefilmt, will er der Menschheit zeigen, dass es so etwas wie einen Exorzismus nicht gibt, aber irgendwie verläuft alles anders als geplant...
„Der letzte Exorzismus“ ist ein Beitrag zum Okkult-Horror-Genre im „Mockumentary“/„Found Footage“-Stil, ein Film also, der mit vermeintlich dokumentarischen, per Handkamera gedrehten Bildern arbeitet, um Authentizität zu suggerieren. Der Film erschien in US-Produktion im Jahre 2010, Regie führte der deutsche Daniel Stamm („A Necessary Death“).

Über den Erweckungsprediger Cotton Marcus wird ein Dokumentarfilm gedreht. Er soll einen seinen Glauben verloren habenden, mit mehr oder weniger geschickter Rhetorik und schauspielerischem Talent seinem Job nachgehenden Mann porträtieren und ihn bei seiner letzten Teufelsaustreibung, die er mit Taschenspielertricks und wenigen psychologischen Kniffen durchführt, begleiten. Ziel ist es, Exorzismen als faulen Zauber und Scharlatanerie zu entlarven…

Über weite Strecken ist „Der letzte Exorzismus“ eine vor Religionskritik nur so strotzende, humorvoll, sarkastisch bis zynisch dargereichte Abrechnung mit organisierter Religion, welche als Ware dargestellt wird, die es an willige Gläubige zu verkaufen gilt. Marcus ist dabei ein intelligenter, adretter junger Mann, der seine Talente dafür aufwendet, in Marktschreier- und Gebrauchtwarenhändler-Manier eine Botschaft unters Volk zu bringen, an die er selbst nicht mehr so recht glaubt. Diese Szenen treffen exakt den richtigen Ton, ohne ins Moralistische oder gläubige Menschen Beleidigende abzudriften. Marcus erscheint dabei aufgrund seiner Offenheit und Selbstkritik, aber auch seiner sachlichen Nüchternheit sympathisch und wird behutsam zu einer Art Identifikationsfigur aufgebaut, ohne ihn zu irgendetwas Besonderem zu stilisieren. Vernunftbetont und ohne böse Absichten möchte Marcus seinen letzten Job durchziehen, den Betroffenen damit wirklich helfen, aber auch dazu beitragen, dass dank des Dokumentarfilms Kirchenobere es zukünftig schwerer haben, vermeintlich besessene Menschen im Rahmen fragwürdiger Teufelsabtreibungen zu misshandeln. Er geht im Rahmen seiner Möglichkeiten respektvoll mit den tiefreligiösen Einheimischen in der Provinz um, in die er gerufen wurde, um der Tochter eines alleinerziehenden Vaters den Teufel auszutreiben, muss sich aber mit dem abweisenden und aggressiven Sohn der Familie, der ihn durchschaut hat, herumschlagen. Aus dem Konzept lässt er sich zunächst nicht bringen.

Dem Film gelingt es also, dem Zuschauer einen Scharlatan ein gutes Stück weit als Sympathieträger zu verkaufen. Das liegt neben der Charakterisierung Marcus‘ an der glaubwürdigen schauspielerischen Leistung des US-TV-Serien-Darstellers Patrick Fabian ebenso wie an dem Kontrast zwischen dem aufgeklärten Marcus mit seiner bunten Religionspartywelt und der tiefgläubigen Provinz, die verbittert und trist wirkt. Kein Wunder, dass man sich angesichts einer beinahe wie aus Backwood-Terror-Filmen entlehnten Stimmung an Marcus hält, der sich dem Zuschauer bereits geöffnet und glaubhaft dargelegt hat, keine Folterinstrumente im Keller zu haben. Zunächst kein Wässerchen trüben könnend scheint seine besessene Klientin Nell, die unschuldig-naiv von Ashley Bell gespielt wird. Nun liegt es in der Natur eines Okkult-Horror-Streifens, dass man es tatsächlich mit übersinnlichen, finsteren Mächten zu tun bekommt. Doch obwohl dies jedem Zuschauer klar sein sollte, gelingt Daniel Stamm das Kunststück, ihn diesen Umstand zeitweise fast vergessen zu lassen, ihn in Sicherheit zu wiegen, ihn mit Marcus‘ Anti-Exorzismus-Aussagen überzeugt zu haben. Ab diesem Punkt verläuft „Der letzte Exorzismus“ nach gängigen Subgenre-Konventionen, d.h. Nell wird immer unheimlicher und die eigenartigen Vorkommnisse häufen sich, auch sichtbar für den Zuschauer – wenngleich man darauf verzichtet, den Klassiker „Der Exorzist“ visuell und den Ekelfaktor betreffend toppen zu wollen und lediglich einige unvermeidbare Szenen zeigt – nichts Neues, aber nach wie vor effektiv. Der „Mockumentary“-Stil bietet hingegen originelle Möglichkeiten, die auch genutzt werden.

Das Finale indes, auf das der Film dramaturgisch gekonnt zusteuert, ohne sich in Subplots oder ausschweifenden Dialogen in einem ohnehin dialoglastigen Film zu verlieren, wurde zwar actionreich und bildgewaltig inszeniert, wirkt aber leider wie ein Fremdkörper gegenüber dem zuvor Gezeigten und durch jede x-beliebige andere Pointe austauschbar – als hätte man nie so ganz gewusst, wie man den Film eigentlich zu Ende bringen, welchen Schlusspunkt man setzen möchte. Es ist für Genrefreunde akzeptabel, keine Frage, es mangelt ihm aber an Bezugspunkten zur eigentlichen Handlung und vor allem an einem Aha-Effekt, den manch Zuschauer nach dem bis zu diesem Zeitpunkt sehr gelungenen Film erwartet haben dürfte. Im Prinzip vereinen sich hier Kirchenkritik und ein kitschiger und/oder exploitativer Appell an den ehrlichen, persönlichen Glauben mit genreüblichem Mummenschanz, was weder in irgendeiner Weise originell noch sonderlich erinnerungswürdig ist und „lediglich“ nach Genrestandard gut unterhält. Aber das ist doch auch schon mal etwas und mehr, als manch aktueller Film fertigbringt.
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Sweet Sixteen - Blutiges Inferno
Melissa Morgan ist ein Großstadtmädchen und sie ist es leid, ihren sechzehnten Geburtstag in einem kleinen, texanischen Dorf zu verbringen, während ihr Vater, welcher Archäologe ist, Ausgrabungen leitet an den nahe gelegenen indianischen Grabstätten. Die eifersüchtigen Mädchen aus dem Dorf haben sie aus ihren Tätigkeiten ausgeschlossen. Der junge, hübsche Indianer verschmäht ihre Gesellschaft. So bleibt Melissa zurück mit einer einzigen Entschädigung – alle jungen Männer zu nehmen, die es lieben würden, sich ihr anzuschließen, um etwas Sommerspaß zu haben. Es gibt nur ein Problem: alle Jungs, mit denen Melissa sich trifft, scheinen tot zu enden…
„Das Ganze ist eine komplizierte Angelegenheit!“

„Sweet Sixteen – Blutiges Inferno“ von US-Regisseur Jim Sotos („Forced Entry”) ist ein Beitrag zum Slasher-Subgenre aus dem Jahre 1983. Während Ausgrabungsarbeiten an indianischen Grabstätten einer texanischen, von Rassenhass geprägten Provinz muss einer nach dem anderen, der sich der sechzehnjährigen Melissa Morgan (Aleisa Shirley, „Spacehunter – Jäger im All“) nähert, sein Leben lassen. Wer ist der Täter und was ist sein Motiv?

Für seinen Film vermengt Jim Sotos eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit anti-indianischen Ressentiments selbstgefälliger Cowboys mit Motiven eines typischen Teenie-Slashers nach dem „Whodunit?“-Prinzip. So recht zusammenpassen will das leider nicht, zumal „Sweet Sixteen – Blutiges Inferno“ atmosphärisch reichlich dröge ausfiel. Durch seine Dialoglastigkeit in Form häufig grenzdebilen Gelabers bringt man den Film mühsam auf seine Länge, unterlegt von einem schmalzigen Soundtrack. Der Slasher-Part der Handlung hat indes durchaus Potential und bewegt sich mit seiner psycho-pathologischen Ausrichtung innerhalb der Genrekonventionen, wurde zwar um ein paar Ecken, nicht aber vollkommen hanebüchen konstruiert, ist aber nur mäßig spannend umgesetzt worden. Stattdessen herrscht lange Zeit Verwirrung, bis einen die Pointe erlöst – deren angestrebter großer Aha-Effekt dennoch ausbleibt.

Das deutsche Titelbeiwerk „Blutiges Inferno“ ist irreführend, denn auf optische Schauwerte, ob blutiger oder sleaziger Natur, wurde der Film nicht wirklich ausgerichtet. Hier und da wird mit Zeitlupen gearbeitet, die Gewalterruptionen auskosten und hervorheben, doch etwas wirklich Erinnerungswürdiges hat „Sweet Sixteen – Blutiges Inferno“ leider nicht zu bieten. Motivierte Schauspieler wie Bo Hopkins („The Wild Bunch“), Susan Strasberg („Ein toter spielt Klavier“, „Angst“) und Patrick Macnee („Reise zurück in der Zeit“) versuchen, gegen die schwache Regie anzuspielen, können den Film aber auch nicht wenigstens in die Durchschnittlichkeit retten, die er knapp verfehlt. Insofern ist „Sweet Sixteen – Blutiges Inferno“ in erster Linie für Slasher-Allesgucker und -Sammler interessant, darüber hinaus evtl. noch für diejenigen, die sich für Genrefilme mit Indianerthematik interessieren. Wer bessere Slasher sehen will, die sich primär um Außenseiterrollen einnehmende junge Mädchen drehen, sollte besser zu „Ab in die Ewigkeit“ oder auch „Blutweihe“ greifen.
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Zelle R17
In dem völlig überfüllten Westgate-Gefängnis gehören Gewalt und Angst zur Tagesordnung, der Gefängnisdirektor hat weniger Macht als die Wärter oder die Anführer unter den Insassen. Zu den unterdrückten Gefangenen gehört auch Joe Collins, der besonders unter den Machtspielchen des Captain Munsey leidet. Deshalb plant er gemeinsam mit seinen Zellengenossen einen Ausbruch. Doch das Vorhaben endet in einem Blutbad ... (Quelle: Laser-Paradise-DVD-Covertext)
„In diesem Haus gibt es nur Schmerzen!“

„Zelle R17“ ist ein hierzulande anscheinend noch weitestgehend unbekannter Film-noir von US-Regisseur Jules Dassin („Rififi“) aus dem Jahre 1947. Es handelt sich um einen frühen Gefängnisfilm. Im Westgate-Gefängnis plant eine Gruppe Insassen die Flucht vor dem eiskalten Regime des machtgierigen, sadistischen Oberaufsehers Captain Munsey (Hume Cronyn, „Phantom der Oper“).

In einer seiner ersten Rollen spielt Burt Lancaster („Airport“) den Häftling Joe Collins, der als Rädelsführer der R17er-Schicksalsgemeinschaft hervorgehoben wird. Jules Dassin zeichnet ein düsteres, desillusionierendes Bild nicht nur von den unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis, sondern auch vom vorausgegangenen Leben der Zellengenossen. Rückblenden charakterisieren diese nach und nach und zeigen, durch welch unglückliche Verkettungen, durch welche Intrigen und Verrate, sie hinter jenen Gittern landeten, die wie eine Radikalisierung, eine Essenz des von Habgier und Egozentrik geprägten Lebens in einer trügerischen Freiheit wirken. Diese negative Weltsicht war damals stilbildend für das Genre und wird auch hier in einem unheimlich starken, in seiner Unerbittlichkeit und Härte auch heute noch verstörenden Finale auf die Spitze getrieben. Ungeschönt und konsequent lässt Dassin Sympathieträger blutig sterben, nachdem sie bis zum Letzten von Verzweiflung getrieben gegen ihr Schicksal angekämpft haben.

Bei allem Pessimismus ist „Zelle R17“ auch provokante, offensichtliche Anklage der Zustände in US-Haftanstalten und der Intriganten und Diktatoren, die in so vielen Mitmenschen lauern. Der von Captain Munsey betriebene Machtmissbrauch lässt sich ebenso problemlos auf andere Lebensbereiche projizieren wie der Verrat, dem die konspirative Gruppe anheimfällt. Wie jedoch auch in anderen Vertretern des Genres gestaltet sich bis zum sich aller Voraussicht nach tief im Gedächtnis festsetzenden Finale die Handlung verhältnismäßig gleichförmig. Grob in drei Abschnitte unterteilbar, braucht sie doch etwas, um in die Gänge zu kommen – was natürlich der gewissen Vorhersehbarkeit von Gefängnisfilmen geschuldet sein mag. Darsteller wie Lancaster, Hume Cronyn und Charles Bickford („Die Tage des Weines und der Rosen“) geben aber alles, um dem Geschehen die nötige Glaubwürdigkeit und Schwere zu verleihen, ohne in schwülstige Melodramatik abzugleiten. Auch Pathos wird größtenteils ausgespart, lediglich die behutsam eingesetzte orchestrale musikalische Untermalung unterstützt die Bilder und Dialoge zeitweise ein wenig in diese Richtung.

„Zelle R17“ ist eine ungeschliffene Desillusion, die den geduldigen Zuschauer mit einer Mutation zum schwarzen Hassbatzen belohnt. Für Gefängnisfilm- und Film-noir-Freunde Pflichtprogramm und für mich eine weitere Inspiration, mich mit letztgenanntem Genre zukünftig näher zu befassen.

„Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und trinke Whiskey. Und was macht Sie betrunken? Macht?“
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Phase IV
Zwei Wissenschaftler arbeiten in einem Forschungszentrum an Experimenten mit superintelligenten Ameisen. Mit Hilfe der hochtechnisierten Ausstattung, die ihnen zur Verfügung steht, gelingt es, die Kommunikation der Ameisen wahrzunehmen. Im Rahmen einer Testreihe versprühen die Wissenschaftler ein gelbes Gift über dem Ameisengebiet. Millionen der Insekten werden dadurch vernichtet, aber die Überlebenden werden stärker als es Ameisen je zuvor waren. Sie werden zur tödlichen Bedrohung für die Menschheit.
„Phase IV“ ist ein Science-Fiction/Tierhorror-Film von US-Regisseur Saul Bass aus dem Jahre 1974. Hervorgerufen durch astronomische Phänomene verbünden sich die Ameisenvölker in einem abgelegen Gebiet Arizonas gegen die menschliche Zivilisation und beweisen dabei eine höchst außergewöhnliche Intelligenz. Die Forscher Hubbs (Nigel Davenport, „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“) und Lesko (Michael Murphy, „Batmans Rückkehr“) richten vor Ort ein Laboratorium ein, um die Ameisen zu beobachten. Sie werden Zeuge nicht für möglich gehaltener Evolutionssprünge und geraten schließlich selbst in Gefahr.

Saul Bass hat sich in erster Linie durch seine künstlerischen Vorspann-Arbeiten für Regisseure wie Alfred Hitchcock einen Namen gemacht und zu Lebzeiten zwischen drei Kurzfilmen lediglich diesen einen Spielfilm gedreht – leider, denn „Phase IV“ ist ein beklemmendes, klaustrophobisches Meisterwerk, das seinesgleichen sucht und recht einsam zwischen zahlreichen gängige Genreklischees bedienenden Tierhorrorfilmen dasteht. Mit beeindruckenden Kameratechniken und -tricks erschuf Bass ein einer ganz eigenen Ästhetik folgendes, abstraktes, apokalyptisches Spiel mit den in kleinsten Lebewesen verborgenen Naturgewalten, statt riesenhafte Ungetüme oder gar Außerirdische auf die Erde loszulassen, und negiert die Menschheit als Krone der Schöpfung. In zahlreichen Nahaufnahmen und Zeitlupeneinstellungen studiert Bass die Insekten und schärft den Blick des Zuschauers für Details, um ihn gleichzeitig mit ihnen zu erschrecken. Modernste Technik trifft auf archaische Überlebens- und Anpassungskunst der Natur, die sich gegen den Menschen wendet, der zu Statist und Erfüllungsgehilfe der neuen Macht degradiert wird und feststellen muss, auch mit wissenschaftlicher Nüchternheit nicht mehr viel ausrichten zu können.

Doch Bass war nicht nur ein genialer Ästhet und Techniker; er versteht es ebenso, eine Geschichte zu erzählen und sein Publikum für diese zu begeistern, ohne allzu viele Zugeständnisse an Sehgewohnheiten und Erwartungshaltung zu machen. Stattdessen verpflichtet er sich dem konstruktiv-experimentellen, innovativen Ethos vieler Beiträge des phantastischen Films der 1970er und wirkt seiner Zeit voraus, wenn er eine düstere, kalte und dabei faszinierende Atmosphäre erzeugt, der ein stetes Verlorenwirken der humanoiden Protagonisten innewohnt. Der dokumentarische Stil des Films in Zusammenhang mit seiner visionär eingesetzten Technik und seinen kreativen Bildern lässt einen dabei schon mal vergessen, wie arm die Handlung eigentlich an Hintergrundinformationen zu den Geschehnissen ist und wie übertrieben die Fähigkeiten der Ameisen ausgefallen sind, die es zu akzeptieren gilt. Glücklicherweise bleiben dem Zuschauer aber ellenlange pseudowissenschaftliche Monologe erspart, an deren Stelle ungefähr ab dem letzten Drittel eine aufgrund der mittlerweile fast vollständigen Entfremdung von der Umwelt (auch optisch durch widernatürliche Farbgebungen und an Raumanzüge erinnernde Kostüme der Schauspieler umgesetzt) zunehmend surreale Stimmung tritt, die in einem konsequenten, dem Film gerecht werdenden Finale mit halboffenem Ende mündet.

Aufgelockert wird die Handlung durch die Einführung der attraktiven Kendra Eldridge (Lynne Frederick, „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“), die zu den Männern stößt und für eine interessante Dreierkonstellation sorgt. Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln; im Vordergrund steht jedoch die Fauna, die auch dann, wenn sie nicht im Bild ist, allgegenwärtig und präsenter als ihre menschlichen Gegenspieler wirkt.

Vielleicht einer der besten Tierhorrorfilme überhaupt, mit Sicherheit einer der interessantesten.
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Ikarie XB 1
Im Jahre 2163 startet die Besatzung der IKARIE zu einer Expedition ins All. Ihr Ziel ist der Planet Alpha Centauri, auf dem sie voller Tatendrang eine friedliche Kolonie, frei von Korruption und Missgunst, aufbauen wollen. Unerwartet treffen sie jedoch auf ein fremdes Raumschiff, dessen Mannschaft sich offenbar gegenseitig umgebracht hat. Fast zeitgleich geraten sie in die Nähe eines Dunkelsterns, von dem eine rätselhafte Strahlung ausgeht. Geplagt von unüberwindlicher Müdigkeit, wird die Crew zudem von einer tödlichen Krankheit befallen. Verseucht von Strahlung und nicht mehr Herr über seine Sinne, schaltet der Koordinator lebenswichtige Geräte aus. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. (Quelle: Ostalgica/Al!ve-DVD-Covertext)
Inspiriert vom Roman „Gast im Weltraum“ des polnischen Autors Stanislaw Lem drehte der tschechoslowakische Regisseur Jindrich Polák („Pan Tau“) im Jahre 1963 den Science-Fiction-Film „Ikarie XB 1“ komplett in Schwarzweiß. Im Jahre 2163 bricht eine Raumfahrtexpedition zum Alpha Centauri auf, um einen neuen Planeten zu besiedeln. Auf dem Weg dorthin stößt man zunächst auf ein Raumschiff aus dem 20. Jahrhundert, auf dem sämtliche Besatzungsmitglieder den Tod fanden. Außerdem gerät man in den gefährlichen Strahlenkreis eines Dunkelsterns. Wird die Besatzung ihr Ziel erreichen?

In detailreicher, sehr gelungener Science-Fiction-Ausstattung erzählt Polák in betont ernstem Tonfall eine Geschichte von menschlicher Hoffnung, menschlichem Versagen und menschlicher Furcht. Ohne in ideologische Fahrwasser zu geraten wird unüberhörbare Kritik laut am selbstzerstörerischen Verhalten der Menschheit, das es zu überwinden gilt, sowie konkret an den Verbrechen des Dritten Reichs und den Gefahren unkontrollierbarer Massenvernichtungswaffen. Auf Horrorelemente wird vollständig verzichtet, Spannung wird erzeugt durch die Begegnungen mit der Vergangenheit, die bei Erscheinen des Films Gegenwart war, sowie vor allem die Konfrontation mit dem Dunkelstern, die richtiggehend gruselig ausgekostet wird und im Zusammenhang mit der weitestgehenden Nüchternheit des Films beängstigend dystopische Ausmaße annimmt – um letztlich jedoch in einem Hoffnung spendenden, offenen Ende zu münden.

Die Dramaturgie des Films mit seinen zweckmäßigen schauspielerischen Leistungen kann nur schwer guten Gewissens als dauerhaft fesselnd bezeichnet werden. Das Tempo zwischen den beiden Höhepunkten der Handlung wird immer wieder arg gedrosselt, auf Action oder ähnliche Stilelemente setzte man ausdrücklich nicht. Zwar wird dadurch die Monotonie an Bord während der langen Reise durchaus spürbar, doch dürfte auch die Aufmerksamkeit des Zuschauers darunter leiden. Aufzulockern versuchte man das Ganze beispielsweise mit einer unvermeidlichen Tanzeinlage, die wie auch bei der westlichen Konkurrenz mehr zum Schmunzeln als zu allem anderen einlädt. Dankenswerterweise verzichtete man dafür aber auf ausuferndes pseudowissenschaftliches Technik-Gesabbel und überflüssige Romanzen innerhalb der gemischtgeschlechtlichen Besatzung.

Das eigentlich Interessante an „Ikarie XB 1“ ist natürlich der filmhistorische und gesellschaftliche Kontext, in dem er betrachtet werden sollte. Er ist eines der Aushängeschilder des sozialistischen Science-Fiction-Films, der ebenso wie die reale Raumfahrt in Konkurrenz zu seinen westlichen Mitbewerbern jenseits des Warschauer Pakts stand. Roger Corman erkannte das Potential des Films, schnitt ihn um, versah ihn mit einem kitschigen, USA-freundlichen Ende und gab ihn als US-Produktion aus. Aus heutiger Sicht ist „Ikarie XB 1“ ein faszinierendes Zeitzeugnis des phantastischen Films der Ostblockstaaten, der angenehm eigenständig und ambitioniert wirkt und sich mit seinem Bemühen um Realismus und seiner anti-militaristischen Ausrichtung stark von oftmals eindimensionaleren und/oder trashigen westlichen Vertretern unterscheidet.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Nosferatu – Phantom der Nacht
Wie schon im Original von 1922: Ein Immobilienmakler aus Wismar wird im Deutschland des 19. Jahrhunderts zu Graf Dracula in Transylvanien geschickt, um diesem ein Haus in Wismar zu verkaufen. Als der Graf sich auf die Reise in sein neues Heim macht, geschehen grausame Dinge in Wismar...
„Die Stadtbewohner können sich eben nicht in die Seele eines Jägers versetzen.“

1979 schickte sich der deutsche Filmemacher Werner Herzog („Aguirre, der Zorn Gottes“), Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ und damit den klassischen Dracula-Stoff in deutsch-französischer Koproduktion neu zu verfilmen. Jonathan Harker (Bruno Ganz, „Der Untergang“) wird von Graf Dracula (Klaus Kinski, „Spuren auf dem Mond“) nach Transsylvanien beordert, um Verträge über einen Immobilienkauf abzuschließen. Dracula beißt Harker und reist nach Wismar, um sich auch an dessen Frau Lucy (Isabelle Adjani, „Ein mörderischer Sommer“) zu vergreifen. Wer kann den düsteren Grafen und damit die Seuche des Vampirismus aufhalten?

Droht Herzogs Neuverfilmung anfänglich noch, in den Kitsch abrutschen, wird schon bald sein wahres Anliegen deutlich: Herzog orientierte sich einerseits eng an Murnaus Vorlage – so sind viele Einstellungen sicherlich durchaus als Hommage zu verstehen –, ging in zwei entscheidenden Punkten aber eigene Wege: Zum einen ist Klaus Kinski in seiner Rolle als Graf Dracula in wahrhaftig furchteinflößender, sich dabei perfekt Kinskis natürlicher Gesichtszüge bedienender Maske weder das Monstrum aus dem Original, noch der erhabene, gentlemanartige Verführer anderer Verfilmungen, sondern eine von Einsamkeit und Isolation geplagte, unter der Bürde der Unsterblichkeit ächzende Kreatur, die wie ein Fehler der Natur wirkt und Mitleid erregt – zerbrechlich und gefährlich zugleich. Kinski absolviert diese Rolle mit (gewohnter) Bravour und hat trotz verhältnismäßig geringer Dauer seiner Auftritte eine wahnsinnige Präsenz sowie mit seiner leidgeplagten Mimik eine starke Ausstrahlung. Zum anderen rufen unter Herzog die transsylvanischen „Mitbringsel“ wie Ratten und Seuchen fast eine Apokalypse hervor und bringen beinahe ganz Wismar zum Erliegen. Die Ankunft des Grafen wird zum Symbol für großflächiges Verheeren und Tod einer Gesellschaft mitsamt ihrer Ordnung. Während andere „Dracula“-Interpretationen die sexuelle Metapher betonen, reizt Herzog seine Vision vom Ende der Zivilisation in beeindruckenden, morbiden Außenaufnahmen aus. Die Bilder gruseliger mexikanischer Mumien wirken in diesem Zusammenhang wie Propheten einer düsteren Zukunft.

Dabei kommt Herzogs Film quasi komplett ohne Spezialeffekte aus und ist weder sonderlich spannend, noch dramaturgisch pointiert. Stattdessen nimmt sich das langsame Erzähltempo alle Zeit für poetische Momente, denen eine negative, todessehnsüchtige Romantik und Schwermut innewohnt. Die künstlerische, dynamische Kameraführung arbeitet auf hohem Niveau und arbeitet viel mit Spiegelungen bzw. legt in gleich mehreren Szenen ihren Fokus auf das Fehlen des Spiegelbilds des Grafen. Die Musik Popol Vuhs beschwört alptraumhafte Assoziationen grafisch zurückhaltender Szenen herauf und ist starker Faktor für das sinnliche Aufgehen des Gesamtkunstwerks. Mit seinem laut eigener Aussage Versuch eines Genrefilms erweist sich Herzog als Meister des Erzeugens gruseliger Gänsehautatmosphäre, wie sie letztlich nur wenige „Dracula“-Verfilmungen zu bieten haben. Diese unwirtliche, höchst intensive Stimmung des Films ist es, die das Fehlen Genrefilm-typischer Charakteristika vergessen macht.

Star des Films ist Klaus Kinski, der in Zusammenhang mit der übermächtigen, gefangen nehmenden Stimmung des Films unter Herzogs Regie alle anderen Darsteller zu einfach gestrickten Marionetten degradiert, darunter selbst die Adjani, deren Rolle als Lucy sicherlich mehr Ausarbeitung verdient gehabt hatte. Selbst ein van Helsing findet nur am Rande statt. Konsequenz ist u.a., dass manch Dialogszene etwas gekünstelt wirkt. Inwieweit das Herzogs Absicht war, ist mir nicht bekannt; zurück bleibt nach Filmende das ungute Gefühl einer finsteren Kräften früher oder später ausgelieferten Menschheit, deren heiteres Treiben das Pfeifen im Walde des nahenden Exitus ist.

Für Vampirfilm-Einsteiger ist „Nosferatu – Phantom der Nacht“ damit sicherlich keine leichte Kost und vermag Irritationen hervorzurufen. Wer am klassischen Gruselstoff jedoch schon immer insbesondere die leiseren morbiden Schattierungen und die desillusionierte Melancholie des Untergangs schätzte, wird mit Herzogs mittlerweile zurecht ebenfalls längst als Klassiker geltendem Film zwischen Expressionismus-Ehrerbietung, Kunstfilm und Gothic-Horror-Genrewerk, der beweist, wie fließend die imaginären Grenzen sind, voll und ganz auf seine Kosten kommen. Schade, dass Herzog keine weiteren in diese Richtung weisenden Arbeiten abgeliefert hat.
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Dracula im Schloß des Schreckens
Der berühmte Edgar Allan Poe wettet mit einem Journalist, dass dieser eine Nacht in einem Spukschloss, aus dem noch niemand lebendig herausgekommen ist, verbringen soll. Dort trifft der Journalist auf lebende Tote und verliert letztendlich seinen Verstand...
„Ihr Bruder hat mir gesagt, dieses Schloss sei unbewohnt.“ – „Damit hat er gar nicht so unrecht, denn ich bin... ich bin tot.“

Mit „Dracula im Schloß des Schreckens“ wiederverwertete der italienische Regisseur Antonio Margheriti („Asphaltkannibalen“) im Jahre 1971 in italienisch-deutsch-französischer Koproduktion den Stoff seines eigenes Films „Danse Macabre“, der 1964 noch in Schwarzweiß gedreht wurde und mir leider unbekannt ist, weshalb ich keine Vergleiche anbringen kann. Es handelt sich um einen klassischen Gothic-/Haunted-House-Horror-Streifen, in dem lediglich innerhalb der Dialoge der deutschen Synchronfassung Vampire vorkommen.

Edgar Allan Poe (Klaus Kinski, „Nosferatu – Phantom der Nacht“) wettet mit dem Journalisten Alan Foster, dass dieser keine Nacht in einem gefürchteten Spukschloss verbringen wird. Foster hält das Gerede über Menschen, die das Schloss betraten und nicht mehr lebend herauskamen, für Quatsch, vertraut auf seine weltlichen, rationalen Überzeugungen und willigt ein...

Klaus Kinski spielt also niemand Geringeren als Edgar Allan Poe persönlich, der als Aufhänger für Margheritis Schauermär herhalten muss – und das tut er voller Inbrunst und schlicht großartig. Zwar ist er in erster Linie lediglich im Prolog zu sehen, dürfte bereits damit aber jeden Kinski-Fan zufrieden stellen. Die eigentliche Hauptrolle wurde Anthony Franciosa („Tenebrae“) zuteil, der seine Sache gut macht und der Verlorenheit in den unheimlichen, alten Gemäuern ein Gesicht gibt, das er lange Zeit hinter einer abgeklärten, souveränen Fassade zu verbergen versucht. Als er jenes Schloss betritt, wird der Film sodann auch gleich unerwartet gruselig, wenngleich es etwas eigenartig anmutet, wie sehr ein einsamer Kerzenschein die ausladenden Räume zu erhellen vermag. Begleitet von einem wunderbar stimmigen, weil die morbide Atmosphäre des Films herrlich herauskitzelnden Soundtrack Ri(t)z Ortolanis, der viel mit unheimlichen Toncollagen und Geräuschkulissen arbeitet, wird Foster respektive der Zuschauer mit einigen Jumpscares konfrontiert, bis eine attraktive Dame ihn mit den Worten „Haben Sie mich für ein Gemälde gehalten?“ begrüßt und sich als Elisabeth (Michèle Mercier, „Die drei Gesichter der Furcht“), die Schwester des Schlossbesitzers, vorstellt. Ganz so einsam und verlassen scheint das Schloss nämlich doch nicht zu sein und mit zunehmender Spieldauer wird es gar ein einziges Kommen und Gehen in der ollen Bude. Die Kamera verwöhnt das Auge des Betrachters, wie man es von Italienern gewohnt ist, mit zahlreichen Zooms und Schwenks und fängt die ebenfalls gewohnte nackte Haut ein, die im Zuge der dunklen Romantik des Films ebenfalls zum Tragen kommt.

Wie Foster nämlich feststellen muss, birgt das Gemäuer einige düstere Geheimnisse; ein böses Beziehungsdrama spielte sich dort ab und zieht jeden Besucher in seinen todbringenden Bann. Todbringend war „Dracula im Schloß des Schreckens“ leider auch für eine Schlange, die vollkommen unnötigerweise für den ansonsten weitestgehend unblutigen Film ihr Leben lassen musste, was leider sauer aufstößt. Ansonsten ist Margheritis Film nämlich ein über weite Stecken gelungener Genrefilm, der größtenteils sorgfältig umgesetzt und mit einer schaurigen, bösartigen Pointe versehen wurde, sich aber auch immer wieder ein paar trashige Ausreißer erlaubt. Um pseudowissenschaftlichen Mumpitz kommt man ebenso wenig herum wie um die krampfhaft aufgesetzten, der deutschen Bearbeitung geschuldeten Vampir-Bezüge, die so gar nichts mit der Handlung gemein haben. Von Kinskis derwischhaftem Auftreten einmal abgesehen, bietet „Dracula im Schloß des Schreckens“ nichts Neues oder Innovatives und bewegt sich ausschließlich im enggesteckten Genrerahmen, sollte mit seiner Rezeptur aus Gotik-Schick, Geistererscheinungen, hübschen Frauen, Dramatik und sich steigerndem Wahnsinn des Protagonisten sowie seiner italotypischen Vorzüge aber den Nerv jedes Freundes gediegenen, altmodischen Gothic-Grusels treffen. Merke: „Vollkommen sterben kann man nur, wenn man darauf vorbereitet ist!“ – Wenn das keine vielversprechende Prämisse für vielen weiteren Gruselstoff ist...
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