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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 1. Jul 2012, 17:52
von buxtebrawler
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Blutiger Schatten
Der junge Student Stefano (Lino Capolicchio) will seinen Bruder, den Priester Don Paolo (Craig Hill) auf einer kleinen venezianischen Insel besuchen und lernt im Zug die hübsche Stefania (Sandra Sellani) kennen, die das gleiche Ziel hat. Auf Murano angekommen findet er seinen Bruder jedoch in Sorge, denn mit der Gesellschaft des Städtchens steht es nicht zum Besten: offenbar pflegen einige der eher weniger gemochten Subjekte der Stadt die Gesellschaft mit einem Medium, das regelmäßig Seancen abhält und er steht wegen seiner Erfolglosigkeit unter großem Druck. Während eines Gewitters sieht er noch dazu den Mord an einer Frau auf dem Stadtplatz, doch das Opfer wird erst später gefunden - und der Mörder weiß offenbar, daß er beobachtet worden ist, denn er erpresst Don Paolo nun. Dafür machen sich Stefano und Stefania an die Ermittlungen, während der Killer sich durch die Teilnehmer der Seancen arbeitet...
„Um mich herum gibt es nur noch Schweigen!“

„Blutiger Schatten“ aus dem Jahre 1978 ist der zweite Film und damit auch der zweite Giallo des italienischen Regisseurs Antonio Bido („Die Stimme des Todes“), von dem man danach nicht mehr sonderlich viel hörte. Stefano (Lino Capolicchio, „The House with the Laughing Windows“) besucht seinen Bruder, Priester Don Paolo (Craig Hill, „Meine Kanone, mein Pferd... und deine Witwe“), auf der venezianischen Insel Murano in der Nähe Venedigs. Dort wird er mit einer verschrobenen Inselgemeinschaft, die mit einem Medium Seancen abhält, ebenso konfrontiert wie mit rätselhaften Morden. Zudem sieht sich Don Paolo Erpressungsversuchen scheinbar unbekannter Herkunft ausgesetzt und Stefano kann mysteriöse Erinnerungsfetzen nicht richtig zuordnen. Zusammen mit Sandra (Stefania Casini, „Suspiria“), mit der er vor Ort angebändelt hat, beginnt er seine Recherchen...

Deutlich von klassischen Gialli der Marke Argento inspiriert, erzählt Bido eine verhältnismäßig simple Geschichte offenbar so kompliziert wie möglich, ohne dabei nachhaltig die frühen Verdachtsmomente des Genrekenners erschüttern zu können. Der Spannung indes tut dies wenig Abbruch, schließlich kann man sich als Zuschauer nie wirklich sicher sein und möchte sich letztendlich bestätigt sehen. Dennoch hätte die Handlung hier und da etwas Straffung vertragen können, wenngleich die in mystisch-gruselige Stimmung getauchte Atmosphäre des Films sich durchaus wohlig bahn bricht. Regelmäßige Blutbäder verursachen die „blutigen Schatten“ nicht, doch der eine oder andere Mord wurde äußerst brutal und dazu handwerklich gelungen inszeniert. Genretypisch bekommt man es auch hier mit einer Dopplung der Täterfrage ebenso zu tun wie mit einem gewissen Erotikfaktor, der sich besonders in einer schönen Szene auf dem Flokati vor prasselndem Kaminfeuer findet. Diese kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Romanze zwischen Sandra und Stefano eher aufgesetzt wirkt; noch unglaubwürdiger ist die angebliche geschwisterliche Verwandtschaft Paolos und Stefanos – die beiden wirken vielmehr wie Vater und Sohn und die Rollenzuordnung des Films damit reichlich bizarr.

Auch das Handlungselement der Erinnerungsfetzen, die in diesem Falle Stefano einzuordnen versucht, ist aus diversen Gialli bekannt, wird hier jedoch wenig überraschend aufgelöst. Leider fällt man generell der Schwäche einiger Genrevertreter anheim, die schlussendliche Auflösung, die Zusammensetzung aller mysteriösen Momente zu einem gelösten Puzzle, nur so herunterzurattern, als hätte man zuvor zu sehr getrödelt und müsse gegen Ende verlorene Zeit aufholen. Dafür weiß aber die provokante, Verlogenheit und Bigotterie des Klerus anprangernde Ausrichtung von „Blutiger Schatten“ zu gefallen, zumal die Geschehnisse unterlegt wurden von einem bisweilen sehr eigenwilligen, fast schon wahnwitzigen, zu jedem Zeitpunkt jedoch äußerst hörenswerten Progrock-Soundtrack Stelvio Ciprianis, eingespielt von niemand Geringerem als der Gruppe Goblin. Meines Erachtens ist es insbesondere die Musik, die „Blutiger Schatten“ letztlich dann doch unzweifelhaft aus dem Genredurchschnitt heraushebt und zu starken Alleinstellungsmerkmalen verhilft. Lino Capolicchio hat optisch ein bisschen etwas eines jungen Roman Polanskis, Sandra Sellani hingegen wurde – wie jedem im Film – zeitweise eine geheimnisumwitterte Aura zugeschrieben, bleibt ansonsten aber abgesehen von ihrer körperlichen Attraktivität drehbuchbedingt eher unauffällig. Prinzipiell sind alle schauspielerischen Leistungen als in Ordnung zu bezeichnen, lediglich die Interaktion untereinander erscheint aufgrund eingangs beschriebener Merkwürdigkeiten gerne mal etwas gewöhnungsbedürftig.

Fazit: „Blutiger Schatten“ – für erfahrenere Gelbsüchtige sicherlich ein Festschmaus aus der B-Riege, doch auch anderen sollte Bidos Film überdurchschnittliche Thrillerunterhaltung bescheren, über deren Schwächen man angesichts stimmiger Bilder und des Charmes vergangener Tage gern hinwegsieht, sich wegen der nicht immer pointierten Dramaturgie aber auch etwas in Geduld üben muss.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 5. Jul 2012, 15:20
von buxtebrawler
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Die Unbekannte
Irena, eine junge und hübsche Frau aus der Ukraine, die in ihrer Vergangenheit scheinbar Schreckliches erfahren musste, lebt in einer italienischen Stadt. Aus zunächst unbekannten Gründen will sie einen Job als Haushälterin bei einem reichen Ehepaar bekommen, koste es was es wolle. Bald gelingt ihr das auch, und sie baut eine enge Beziehung zu der Familie auf, besonders zu der kleinen Tochter der Eheleute, die an einer seltenen neurologischen Krankheit leidet. Doch dann taucht eine Person aus Irenas früherem Leben auf...
„Die Unbekannte“ des italienischen Autorenfilmers und Oscar-Preisträger Giuseppe Tornatore („Der Zauber von Malèna“) aus dem Jahre 2006 vermengt klassische Drama-Elemente mit reichlichen Thriller-Versatzstücken. Irena (Kseniya Rappoport, „Die Schaukel – Kacheli“) zieht aus der Ukraine nach Norditalien und versucht, dort Fuß zu fassen. Sie bemüht sich um eine Anstellung aus Haushälterin beim wohlhabenden Ehepaar Adacher und baut eine enge Beziehung zu dessen kleiner Tochter Tea (Clara Dossena) auf. Doch warum sollte es ausgerechnet diese Familie sein? Und was hat es mit Irenas Vergangenheit auf sich, die sie Stück für Stück einzuholen droht?

„Die Unbekannte“ setzt sich gleich mit einer ganzen Reihe von Themen auseinander, als da wären die Probleme von auf sich allein gestellten Immigrantinnen, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Kindesadoptionen – sowie das individuelle Schicksal einer ums Leben kämpfenden, starken Frau. Nach bester Italo-Thriller-Manier konstruiert Tornatore eine komplexe Geschichte, die sich erst nach und nach dem Zuschauer zu verstehen gibt, der sorgfältig mit immer neuen Informationen versorgt wird, bis sich im dramatischen Ende alles zu einem großen Puzzle zusammensetzt. Dabei wurde intelligent genug vorgegangen, dass auch tatsächlich alles einen stimmigen Sinn ergibt, statt als reines Mittel zum Zweck die aberwitzigsten Wendungen zu etablieren. Ebenfalls ganz in Landestraditionen stehen dabei die visuellen Stilmittel Tornatores, der ganz selbstverständlich nackte Haut ebenso mit der Kamera einfängt wie insbesondere im sozialdramatischen Kontext verstörende Gewaltausbrüche. Was manch Zuschauer als exploitative Ausschlachtung betrachten und zum Naserümpfen verleiten dürfte, erachte ich schlichtweg als ungeschönte Ehrlichkeit dem Publikum gegenüber, die auch den einen oder anderen Euro-Drama-Muffel aufhorchen lassen sollte. Zu keinem Zeitpunkt verkommt „Die Unbekannte“ zu einem übertriebenem Melodram oder zu einem Alibi für den Appell an niedere Instinkte; Tornatore findet gekonnt seinen Platz zwischen beiden Extremen.

Die Handlung, über die ich an dieser Stelle möglichst keine spoilerverdächtigen Details verraten möchte, erzählt dabei eben keine alltägliche, lediglich etwas aus den Fugen geratene Situation oder durch eine Verkettung unglücklicher Umstände entstandene Geschichte, sondern bedient sich als Ausgangspunkt der Missstände eines für viele Zuschauer sicherlich weitestgehend unbekannten ehemaligen Ostblock-Staats, um davon ausgehend eine mit zahlreichen Überraschungen und Aha-Momenten versehene Dramaturgie zu entwickeln. Aus Sicht Irenas, einer attraktiven Frau mittleren Alters, verfolgt man das Geschehen und wird immer wieder mit Rückblenden aus Irenas Vergangenheit konfrontiert, die sie in Form eines tiefliegenden Traumas wie eine zentnerschwere Last, aber auch als Motivator mit sich herumschleppt. Wer aufgrund aller Konstruktion den Realismus des letztlich tieftraurigen und oder vielmehr weil keine wirklichen Lösungen anbietenden Films anzweifelt, mag in Bezug auf manch Detail recht haben; ein sensibles Publikum jedoch wird abstrahieren und sich an das Gefühl erinnern, wenn einmal selbst alles über einem zusammenbrach, weil man sich in eine 100%ig sicher geglaubte Sache verrannt hatte. Damit verfügt die „Die Unbekannte“ über die Spannung eines Thrillers, ist aber gleichsam in der Lage, gar zu Tränen zu rühren – ganz gleich, welchen persönlichen Zugang man zur vordergründigen Thematik hat.

Die Optik und Ausstattung des Films ist ein Genuss, insbesondere immer dann, wenn die Verlorenheit einer gegen die Anonymität der Stadt, ja, des ganzen fremden Landes ankämpfenden Irena spürbar wird, wenn man hin- und hergerissen ist zwischen Respekt für die wie eine Löwin kämpfende Frau, zwischen Entsetzen über auch ihr Gewaltpotential und tiefem Mitleid für ihre geschundene Existenz. Maßgeblich dazu bei trägt, neben einem wie immer die Stimmung der Ereignisse perfekt interpretierenden Soundtrack von Il Maestro Morricone höchstpersönlich, selbstverständlich die Russin Kseniya Rappoport, die eine unheimlich facettenreiche, einwandfreie schauspielerische Leistung zeigt. Ihre anfängliche Verschlossenheit weicht im Laufe der Spielzeit vielen emotionalen Momenten, für die sie ihr Innerstes nach außen zu kehren scheint. Mit der kleinen Clara Dossena in ihrer Rolle steht Rappoport eine begabte und hochgradig niedliche Kinderdarstellerin zur Seite, deren Rolle nicht minder facettenreich an- und von ihr entsprechend ausgelegt sowie von Tornatore fabelhaft in Szene gesetzt wurde. Bei aller Mutter-Kind-ähnlichen Beziehung Irenas und Teas bleibt der Kitsch stets außen vor, die Reaktionen / das Verhalten Teas überwiegend nachvollziehbar und oftmals angenehm betont kindlich statt für ihr Filmalter allzu reif. Andere Nebenrollen verblassen daneben selbstredend, was im Falle Teas eigentlicher Eltern aber bewusst eingesetzter Kniff des Drehbuchs ist. Mutter Valerie Adacher (Claudia Gerini) wirkt auf Irena – und damit auch auf den Zuschauer – zumeist wie eine latente Gefahr, die sowohl die Beziehung zwischen Irena und Tea als auch Irenas bis zum Schluss in seiner Intention unbekannten Plan zu zerstören, zu durchkreuzen droht. Dass auf die Nebenrolle nicht tiefschürfender eingegangen wird, unterstreicht Irenas Tunnelblick, den sie sich angeeignet hat. Irenas ehemaliger Zuhälter ist der typische, klischeehafte Fiesling, wie man ihn erwartet. All diese Charaktere agieren in einer düsteren, tristen Atmosphäre, die nur wenige Farbtupfer bereithält und liebeserfüllte zwischenmenschliche Beziehungen als letzten Zufluchtsort in einer kaputten, ungerechten Welt empfiehlt – um letztlich selbst diese infrage zu stellen und damit mit einem Bein im Pessimismus zu wurzeln.

„Die Unbekannte“ präsentiert sich einem anspruchsvollen Publikum, ohne die einheimische Filmtradition zu verleugnen, und überzeugt auf ganzer Linie, indem er die nötige Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung, zwischen inhaltlicher Tiefe und Nachvollziehbarkeit, zwischen Spannung, Dramatik, Sentimentalität und Traurigkeit trifft. Ein überaus gelungener Film, der von einem breiten Publikum entdeckt zu werden gilt – vom nach Ungewöhnlichem suchenden Arthaus-Seher über Italo-Kino-Aficionados bis hin zu einem Mainstream-Publikum, das auch einmal an (verglichen mit dem momentan so angesagten „Blockbuster“-Bombast) leiseren Tönen und ausgewogenem Erzähltempo Gefallen findet. Außen vor bleiben lediglich Scheuklappenträger sowie Ideologen, die aufgrund der Thematik einen politischen Film erwarten.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 5. Jul 2012, 22:11
von buxtebrawler
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King Kobra
Eine riesige Kobra-Schlange versetzt die Bürger eines Provinzortes in Panik. Der Reptilienexperte Dr. Hendrix (Jon Korkes) kann sich das Phänomen nicht erklären. Dorfpfarrer Farrow (Fritz Weaver) macht einen Druidenfluch verantwortlich...
„Wissen Sie, was ein Schwein mit einem Heiligen gemeinsam hat? Beide werden nach Ihrem Tod mehr verehrt als zu Lebzeiten!“

US-TV-Serien-Regisseur Bob Claver („Familie Munster“) durfte sich 1981 mit „King Kobra“ auch einmal an einem Tierhorror-Rip-Off versuchen. Genauer gesagt handelt es sich bei „King Kobra“ eigentlich um einen Tier-/Okkult-Horror-Crossover: Ein skrupelloser Geschäftemacher will in einem US-amerikanischen Provinznest eine Hunderennbahn eröffnen, doch vom Beelzebub persönlich besessene, steilgehende Giftschlangen machen ihm einen Strich durch die Rechnung, als diese die Jagd auf den von irgendwelchen Druiden in x-ter Generation verfluchten Dorfpfaffen (Fritz Weaver) eröffnen...

„King Kobra“ beginnt erst einmal damit, dass sich ein Mann selbst aus dem Zug wirft und hat damit die unfreiwillig provozierten Lacher bereits auf seiner Seite. Die Tierhorror-Story nach Schema F – von geldgierigen Geschäftemachern ignorierte Warnungen, eine die Gefahr herunterspielende Polente und/oder Bürgermeister etc. – wurde durch hanebüchene Okkult-Elemente aus der christlichen Mythologie angereichert, was sich in einer Reihe von Bibelzitaten und Kruzifix-Fuchtelei bemerkbar macht. Um es kurz zu machen: Die Handlung ist weitestgehend kompletter Murks, uninspiriert und schlecht zusammengeklaubt.

Die recht langatmig vor sich hin dümpelnde Geschichte lässt zwischenzeitlich aber nicht nur wegen der teils haarsträubenden Dialoge aufhorchen, sondern hat neben ein paar netten Make-up-Effekten eine ganze Reihe eindrucksvoll in Szene gesetzter, echter Schlangen zu bieten. Deren Angriffe wurden zwar sehr durchschaubar getrickst und ansonsten hält man sich mit Spezialeffekten sehr zurück, jedoch dürften Nahaufnahmen fauchender Kobras manch Phobiker auf die Palme bringen. Viel mehr hat „King Kobra“ dann aber auch tatsächlich nicht zu bieten, denn selbst der Showdown, auf den sich der Film zäh hinschlängelt wie die Massen am DDR-Bananenstand, fiel enttäuschend unspektakulär und ideenlos aus. Wenigstens dümpelt der damals zeitgenössische Synthie-Soundtrack ganz nett vor sich hin und sorgt für ein wenig 1980er-Nostalgie.

Schauspielerisch schlägt „King Kobra“ weder großartig nach oben oder unten aus, wie beinahe der gesamte Film ist auch der Cast nach kurzer Zeit bereits fast vollständig vergessen. Angemerkt sei aber noch, dass Christina Applegate, die später mit „Eine schrecklich nette Familie“ als Kelly Bundy durchstartete, in ihrer ersten Rolle als kleine Göre zu sehen ist. Die Tiersnuff-Szene mit der possierlichen Maus, die man in einer Mausefalle zerquetschte, sorgt zusätzlich für einen halben Punkt Abzug, weshalb mehr als 3,5/10 für diesen Trash aus der unteren Schublade beim besten Willen nicht drin sind – selbst nicht aus Sicht eines verklärten Horror-Senti-Mentalisten wie mir, der in den glorreichen 80ern begierig alles aufgesogen hat, was das TV-Programm in dieser Hinsicht zu bieten hatte und für so etwas normalerweise immer noch ein Bonuspünktchen parat hat.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 6. Jul 2012, 15:38
von buxtebrawler
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The Eye
Nach einer Hornhaut-Transplantation kann die im Kindesalter erblindete Mun ihre Umwelt wieder schemenhaft wahrnehmen. Doch sie sieht mehr als sie sollte: Nachdem Mun im Krankenhaus beobachtet, wie eine alte Frau nachts von einem schwarzen Mann aus dem Zimmer geleitet wird, erfährt sie am nächsten Tag, dass die Frau in der Nacht gestorben sei. Die unheimlichen Geschehnisse mehren sich und Mun begreift: Sie sieht die Verstorbenen, bis sie vom Tod geholt werden! Um diesen Fluch aufzulösen, begibt sich Mun zusammen mit dem jungen Doktor Wah auf die Suche nach den Spuren der Hornhaut-Spenderin...
„The Eye“ ist einer der früheren Filme der Gebrüder Danny und Oxide Pang („The Messengers“) aus Hongkong, der im Jahre 2002 in Hongkong’scher/thailändischer/singapurischer Koproduktion entstand. Die im frühen Kindesalter erblindete Mun bekommt die Hornhaut einer Verstorbenen transplantiert, sieht aber fortan mehr Dinge, als ihr lieb ist: Geisterhafte Erscheinungen aus dem Reich der Toten scheinen sie zu verfolgen und sie wird Zeuge, wie der Sensenmann frisch Verstorbene zu sich holt. Zusammen mit dem jungen Doktor Wah begibt sie sich auf Spurensuche: Wer war die Spenderin und was ist ihr zugestoßen?

Grob könnte man den Ostasia-Grusler „The Eye“ mit „The Ring meets Final Destination meets The Sixth Sense“ umschreiben, denn die Einflüsse sind unübersehbar. Doch handelt es sich dabei sicherlich nicht um die schlechtesten Referenzen. Verglichen mit anderen asiatischen Suspense-Horror-Produktionen findet man sich in der recht stringent erzählten Geschichte schnell zurecht. Obgleich es gegen Ende eine durchaus überraschende Wendung gibt, legte man es nicht darauf an, den Zuschauer über Maßen zu verwirren oder auf falsche Fährten zu locken. Dabei erscheint „The Eye“ keinesfalls wie biedere Mainstream-Ware, sondern hält eine Reihe Gänsehaut garantierender Schock- und Gruselszenen parat und punktet mit gelungenen Spezialeffekten. Atmosphärisch indes begibt man sich nicht vollends in die pessimistische Düsternis manch Mitbewerbers, sondern bewegt sich im sozialen Miteinander des Großstadtambientes und lockert die Geschehnisse durchaus angenehm mit einer etwas schrägen Romanze auf. Vorwerfen könnte man „The Eye“ lediglich, es in mancherlei Hinsicht mit dem Herzschmerz dann doch ein wenig zu übertreiben, ansonsten steht ihm seine stets nachvollziehbare, nie übertriebene Emotionalität aber sehr gut zu Gesicht.

„The Eye“ bedient sich in der menschlichen Psyche verwurzelter Skepsis vor Transplantationen fremder Körperteile und spinnt daraus eine Handlung die sich mit dem schleichenden Verlust der eigenen Persönlichkeit in einer von Leid und Tod geprägten Umwelt auseinandersetzt. Seine Zutaten, die ihn als Genrefilm kennzeichnen, wurden wohldosiert und die Wendung gegen Ende lässt mir noch beim Tippen dieser Zeilen einen Schauer über den Rücken fahren. Insofern haben die Pang-Brüder alles richtig gemacht, indem sie die richtige Balance zwischen leichter Konsumierbarkeit und typisch asiatischer Note fanden. Ein sicheres Händchen bewies man auch bei der Wahl der Darsteller, insbesondere die zerbrechlich wirkende Angelica Lee („Koma – Steh auf oder du stirbst“ ) in der Hauptrolle weiß zu überzeugen und ihre Rolle sensibel zu spielen. Ein außergewöhnlich guter Geigen-Soundtrack unterstützt die Stimmung des Films perfekt und findet seinen Höhepunkt in einer in die Handlung integrierten, wunderbaren künstlerischen Darbietung.

Damit sei „The Eye“ allen Genrefreunden ans Herz gelegt; grundsätzlich Interessierte, die noch Berührungsängste mit ostasiatischen Produktionen haben, finden hiermit eine gute Einstiegsmöglichkeit.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 9. Jul 2012, 22:40
von buxtebrawler
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Sartana
Als Johnny nach vielen Jahren Haft in seinen Heimatort zurückkehrt, herrscht dort sein geisteskranker Bruder Sartana. Zusammen mit seiner Banditenhorde raubt der selbsternannte General die Stadt und viele umliegende Ortschaften aus. Johnny will ihn aufhalten, doch keiner will etwas mit ihm zutun haben. Einerseits aus Angst vor Sartana, andereseits weil ihn alle für einen Mörder halten. Doch Johnny ist unschuldig. Zusammen mit einem jungen Mann, der durch Sartanas Quälereien stumm geworden ist, zieht Johnny gegen seinen Bruder in den Krieg.
„Ich habe zehn Jahre lang unschuldig im Gefängnis gesessen – und ich sage dir: Irgendjemand wird dafür büßen müssen!“

„Sartana“ von Regisseur Alberto Cardone („Django – Die Geier stehen Schlange“) aus dem Jahre 1966 – der erste Italo-Western, in dem ein Sartana verkommt (wenngleich er nichts mit der nachfolgenden „Sartana“-Filmreihe zu tun hat) und mein erster Film mit dem berüchtigten Anthony Steffen. Es handelt sich um eine italienisch-deutsche Koproduktion; am Drehbuch beteiligte sich u.a. der Österreicher Rolf Olsen („Blutiger Freitag“).

Nach zehn Jahren Haft kehrt Johnny (Anthony Steffen, „Der letzte Zug nach Durango“) in seine Stadt zurück – und muss mitansehen, wie sein soziopathischer Bruder Sartana (Gianni Garko, „Django der Bastard“) unter Billigung seiner Mutter (Carla Calò, „Schweinehunde beten nicht“) die Stadt und ihre Einwohner beraubt, quält und terrorisiert, wenn er sie nicht gleich tötet. Johnny wendet sich gegen seinen Bruder, doch wird fälschlicherweise von den übrigen Bewohnern ebenfalls für einen Mörder gehalten – weshalb er fast allein auf weiter Flur steht. Nur der stumme Jerry (Roberto Miali, „Rächer ohne Gnade“) schließt sich ihm im Kampf gegen Sartana an…

„Du hast dich sehr verändert, wenn dir das Auspeitschen eines Unschuldigen Freude macht!“

Diese Familientragödie nach Kain-und-Abel-Vorbild im staubigen Gewand eines Italo-Westerns aus der B-Riege kommt in der zensierten deutschen Fassung reichlich unblutig daher und bietet mit Anthony Steffen einen Protagonisten, dem böse Zungen gerne mal eine weitestgehende Ausdruckslosigkeit in der Mimik unterstellen. Doch bereits zu Beginn straft er Kritiker Lügen, denn immerhin kann er in Kampfszenen durchaus so richtig aggressiv gucken. Die meiste Zeit kommt er jedoch mit seinem traurigen Blick aus einem völlig verschwitzten Antlitz aus – und das wirkt nicht nur auf gewisse Weise mitleiderregend, was ihm unweigerlich Sympathiepunkte einbringt, sondern passt auch gut in diesen Film; denn immerhin hat er im Kampf gegen die eigene Familie auch noch das ganze Dorf gegen sich und ist somit der personifizierte einsame Westernheld wider Willen –
da kann man schon mal etwas betrübt aus der Wäsche gucken.

Steffens Antagonist, Brüderchen Sartana, spielt Garko nach Vorbild eines Klaus Kinskis und gibt sich redlich Mühe, die Menschenfeindlichkeit seiner Rolle mit einer gehörigen Portion Wahnsinn zu untermauern. Chris Howland („Am Sonntag will mein Süsser mit mir segeln gehen“) bringt mit seiner Nebenrolle als Krämer und Waffenhändler etwas Humor in das ansonsten inhaltlich betont harte und zynische Treiben. Den stummen, vom peitschenschwingenden Sartana ganz besonders erniedrigten Jerry, lässt man für den Zuschauer die erste charakterliche Entwicklung durchmachen, indem er sich als überaus mutig erweist und über sich hinauswächst. So richtig interessant wird es jedoch, wenn die Handlung nach und nach sämtliche Verklüngelungen privilegierter und mächtiger Stadtbewohner untereinander offenbart und auch die Mutter der ungleichen Brüder ihre Hintergrundgeschichte sowie einige originelle, starke Szenen erhält. Carla Calò steht die Verbitterung ins Gesicht geschrieben, ihr Leben als Dienstmädchen machte sie zur eiskalten Verbrecherin, die den neuen Luxus genießt, den ihr ihr Sohnemann beschert. Eine typische Italo-Western-Handlung also, die keinen Raum lässt für eine romantische Verklärung des „wilden Westens“.

In der letzten halben Stunde wird es dann auch noch einmal so richtig pathetisch und man zieht sämtliche Register, um so viel wie möglich aus der Geschichte herauszuholen. Natürlich ist „Sartana“ kein Leone-Film, hat visuell aber dennoch einiges zu bieten; besonders eine aufregende Szene, in der sich Johnny und der zwielichtige Richter plötzlich des Nachts von Fackelträgern Sartanas umringt sehen, ist mir stark im Gedächtnis geblieben. Auch der Score von Michele Lacerenza kann sich hören lassen – kein Morricone, aber eine hörenswerte, die Stimmung des Films atmosphärisch unterstützende Arbeit mit Wiedererkennungswert. Was diesen dreckigen, tragischen Western am Aufstieg in die erste Genre-Liga hindert, ist die Glaubwürdigkeit. Je dicker das Drehbuch aufträgt – auch Beziehungen zu Frauen spielen eine Rolle, wenn auch keine vordergründige, und komplettieren die Irrungen –, desto besser unterhalten werde ich als Zuschauer einerseits, desto mehr Distanz baue ich aber auch andererseits zum Geschehen auf, das etwas zu steif und kalkuliert wirkt. Zudem hätte eine facettenreichere Charakterisierung Sartanas, die über die eines psychopathischen, sadistischen, hasserfüllten Mörders hinausgeht, dem Film gut getan. In der deutschen Fassung wirkt der Schnitt bisweilen ziemlich seltsam, beispielsweise wenn ein Mann eine Axt in den Bauch geschlagen bekommt, man lange sein schmerzverzerrtes Gesicht beim Todeskampf beobachtet und er im nächsten Bild plötzlich die Axt im Rücken hat. Das mag aber der verstümmelten deutschen Fassung geschuldet sein, weshalb mir eine wirklich fundierte Kritik eigentlich gar nicht möglich ist.

Die deutsche DVD von MCP wurde offensichtlich von vornherein als Wühltisch-Ausschuss produziert: Nicht nur, dass sie lediglich die unvollständige deutsche Fassung enthält, der Film liegt zudem im falschen Bildformat vor, das Material weist zahlreiche Jumpcuts, Verschmutzungen und Tonaussetzer auf, wurde anscheinend in keiner Weise nachbearbeitet. Das Cover wird durch einen hässlichen Flatschen verunziert, nicht einmal für ein Wendecover hat es gereicht. Schade.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 12. Jul 2012, 00:05
von buxtebrawler
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Never Sleep Again: The Elm Street Legacy

„Eins, zwei, Freddy kommt vorbei...“ - ...füllt die Kassen und verzückt die Zuschauer.

Zusammen mit seinem Kollegen Andrew Kasch drehte US-Dokumentarfilmer Daniel Farrands nach „His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th” im Jahre 2011 mit „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy” die ultimative Dokumentation zur „Nightmare on Elm Street”-Filmreihe um Pizzafresse und Traummann Freddy Krueger. 1984 von Wes Craven erdacht und von New Line Cinema produziert, hievte die Reihe den Slasherfilm auf ein neues Level und etablierte mit Freddy Krueger eine neue Horrorikone, die in vielerlei Hinsicht Einzug in die Pop-Kultur hielt und seit jeher (nicht nur) die Horrorfilmwelt bereichert.

Spulte man für die „Freitag der 13.“-Dokumentation noch schnell einen Film nach dem anderen ab, nimmt man sich diesmal satte vier Stunden Zeit, um auch wirklich jedem Film, jeder Fortsetzung und sogar Spin-Offs wie der TV-Serie gerecht werden zu können. Man geht streng chronologisch vor und zunächst auf die Geschichte New Line Cinemas als Vertriebs- und Produktionsfirma ein. Man erfährt vom gruseligen realen Hintergrund des Stoffs und wie ausgerechnet Robert Englund zum metaphysischen Schlitzer Freddy Krueger wurde, nachdem man bei New Line Cinema auf volles Risiko setzte und den Film schließlich finanzierte.

So wird deutlich, wie Englund letztlich den Charakter erschuf, wie viel er selbst durch die Wandlung, die er erfuhr, sobald er fertiggeschminkt aus der Maske kam, einbrachte. Die sich um Selbstjustiz drehenden Fragen, die der Subtext der Filme weit subtiler als Cravens berüchtigter Rape’n’Revenge-Movie „The Last House on the Left“ aufwirft, finden Erwähnung, doch zu einer „intellektuellen Auseinandersetzung“ wird „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy“ nie und die Interpretation und Abstrahierung der einzelnen Handlungen bleibt weiterhin dem Zuschauer überlassen. Stattdessen plaudert eine unfassbare Anzahl an den Filmen Beteiligter, vom Produzenten über die verschiedenen Regisseure und Drehbuchautoren (eine stattliche Anzahl, die verschiedenste Handschriften und Einflüsse mitbrachten) über die Schauspieler bis hin zu Spezialeffektkünstlern, frei von der Leber weg von den Dreharbeiten und eine Anekdote ebenso nach der anderen aus wie zahlreiches informatives Insider-Wissen. Dabei wird wirklich jeder Film der Reihe ausführlich inkl. Ausschnitten, Videotestaufnahmen und Behind-the-scenes-Material beleuchtet, wird auch Selbstkritik laut, wird angenehmerweise unterschiedlichen Sichtweisen und Meinungen Platz eingeräumt. Der Humor kommt dabei nicht zu kurz; mein persönlicher Höhepunkt ist die Auseinandersetzung mit der ersten Fortsetzung, die gemeinhin als „der schwulste Horrorfilm überhaupt“ gilt – und niemandem fiel es während der Dreharbeiten auf! Sehr interessant ist aber auch, wie man diesen umstrittenen Teil im Nachhinein einordnet und bewertet.

Während ein „Nightmare“-Teil nach dem anderen auf dem Seziertisch landet, wird besonders ausführlich auf die Spezialeffektspektakel eingegangen – die meines Erachtens großen Stärken der Filmreihe. 80 Effektsequenzen in 90 Minuten, gedreht an nur 26 Tagen, sprechen eine deutliche Sprache. Wie die gesamte Filmreihe ein Fest für jeden Freund plastischer, handgearbeiteter Spezialeffekte ist, so ist der in dieser Dokumentation gebotene Blick hinter die Kulissen, für die die Künstler persönlich zur Verfügung standen, ein wunderbarer Einblick in den unglaublichen Aufwand, der betrieben wurde – und das unter oftmals schwierigen Drehbedingungen, wie beispielsweise beim viel umjubelten Teil 3. In diesem Zusammenhang erhält man Einblicke in das Filmgeschäft im Allgemeinen und das einer stetig wachsenden Independent-Produktionsfirma im Speziellen. Manch Fortsetzung wurde ziemlich hastig heruntergekurbelt und doch bewegte man sich stets oberhalb eines ordentlich Qualitätsstandards. „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy” weckt Verständnis für die Schwierigkeiten, denen solche Independent-Filme ausgesetzt sind, schärft den Blick für Details bei der Entstehung selbiger und überrascht zumindest diejenigen, die sich zuvor nicht tiefgehender mit der Thematik auseinandergesetzt haben, damit, wie man letztlich dank engagierter, professioneller Teams, viel Herzblut und dem richtigen Kalkül gleich mehrere Kassenrekorde brach.

Die Bereiche Merchandise, der zum wahren Overkill heranwucherte, und Zeitgeist, von dem man geprägt war, den man aber gleichzeitig mitprägte, werden ebenfalls behandelt; selbst die Rockgruppe Dokken, die seinerzeit das Titelstücke zu Teil 3, „Dream Warriors“, komponierte und damit voll im Trend lag, kommt zu Wort und gibt augenzwinkernd zu, dass der Song eigentlich viel zu hoch gesungen wurde. Generell findet sich insbesondere in Bezug auf Genreklischees und Selbstironie viel Humor in „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy” und nahezu alle Beteiligten, ob nun Wes Craven, Robert Englund, Heather Langenkamp oder John Saxon, um nur die bekanntesten Namen zu nennen, wirken wie sympathische Überzeugungstäter. Leider fehlen Johnny Depp, dem „A Nightmare on Elm Street“ den Start seiner Filmkarriere ermöglichte, und Patricia Arquette, die in Teil 3 glänzte. Größter Wermutstropfen der Dokumentation ist jedoch, dass die Fans beinahe komplett außen vor bleiben. Gerade Horrorfans zählen zu den treusten und im positiven Sinne „nerdigsten“ und hätten mit Sicherheit viel zu diesem Film beitragen können. Andererseits hätte dies natürlich auch die Laufzeit noch weiter ausgedehnt und wurde vermutlich aus genau diesem Grund weggelassen. Dennoch wären ein paar kurze, aber anschauliche Einblicke in Fan-Conventions etc. schön gewesen – immerhin bekommt man aber das eine oder andere gelungene Fan-Tattoo zu sehen. In dieser Hinsicht jedoch hat die „Halloween“-Dokumentation „Halloween: 25 Years of Terror“ die Nase vorn.

Alles in allem ist „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy” ein äußerst lohnenswerter Film sowohl für Fans der Reihe als auch für Skeptiker, die einmal erfahren wollen, was es mit diesem Freddy-Kult eigentlich auf sich hat. Aber auch all diejenigen, die sich zwischen beiden Polen einordnen, werden auf ihre Kosten kommen und überraschend kurzweilige vier Stunden voll geballter Genrefilm-Geschichte verleben, die übrigens – als Tüpfelchem auf dem I – von stilvoll animierten Intro- und Zwischensequenzen unterteilt werden. „Never Sleep Again: The Elm Street Legacy” war ein hehres Unterfangen, das sehr gut gelang; glücklicherweise in seiner Ausführlichkeit absolut untauglich, zum bloßen Bonusmaterial degradiert zu werden.

P.S.: Der Gruselkrimi „Das Biest“ („The Bat“) mit Vincent Price von Crane Wilbur aus dem Jahre 1959 wurde als Inspirationsquelle leider unterschlagen. Soviel Zeit wäre doch sicherlich noch drin gewesen...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 13. Jul 2012, 23:24
von buxtebrawler
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Unseen – Das unsichtbare Böse
In einem abgelegenen Hotel hält ein älteres Geschwisterpaar den gemeinsamen, in Inzucht gezeugten, schwer missgebildeten und geistig zurückgebliebenen Sohn seit Jahrzehnten in den vergitterten Kellergewölben gefangen, um ihn vor der Außenwelt zu verbergen. Als eine Gruppe von 3 jungen Reporterinnen wegen den überbelegten Hotels der Umgebung dort einquartiert wird, kommt es zu einer blutigen Katastrophe, da die breiten Lüftungsschächte der Hotelzimmer direkt in die Kellergewölbe münden…
„Wenn du nicht gleich rauskommst, schick ich dir das Krümelmonster rein!“

„Unseen – Das unsichtbare Böse“ von US-Regisseur Danny Steinmann aus dem Jahre 1980 war nach einer Pornokomödie aus den 1970ern der erste Horrorfilm des späteren „Freitag der 13. Teil V“-Regisseurs, der zwischen diesen beiden Filmen noch „Savage Street“ drehte, bevor er nach nur vier Spielfilmen in der Versenkung verschwand. Aus mir unbekannten Gründen wollte er im vorliegenden nicht einmal als Regisseur genannt werden und fungierte als ein „Peter Foleg“.

Drei junge Journalistinnen verschlägt es in eine kleine kalifornische Ortschaft. Da sie dort keine Hotelzimmer mehr finden, nimmt sie der kauzige, alte Ernest (Sydney Lassick, „Einer flog über das Kuckucksnest“), der mit seiner Schwester Virginia (Lelia Goldoni, „Das Haus des Schreckens“) zusammenlebt, in seine ausladenden Gemächer auf. Doch im Kellergewölbe wartet das Grauen und eine Journalistin nach der anderen segnet das Zeitliche...

Irgendwo zwischen Psycho-Thriller und Slasher positioniert sich Steinmanns Film, der gar nicht schlecht ist, aber einige dramaturgische Schwächen aufweist. Mit einem unheimlich in Szene gesetzten Landhaus, guten oder zumindest dem Auge schmeichelnden Schauspielern – die weibliche Hauptrolle als „Final Girl“ der Journalistinnen wird von Barbara Bach („Malastrana“) gemimt –, nackter Haut und entsprechendem Voyeurismus sowie einem melancholisch-unheilschwangeren Score hält „Unseen – Das unsichtbare Böse“ zunächst einmal bei Laune. Doch leider wird der Zuschauer schnell – zu schnell – gewahr, woher der Hase läuft und Steinmann versäumt es, über längere Zeit zu verschleiern, was eigentlich wirklich drunten im Keller lebt und offensichtlich sein Unwesen treibt. Mit einer mäßig interessanten Beziehungskiste wird die Geduld des Publikums auf die Probe gestellt, während die Handlung vor sich hin dümpelt. Da der „Bodycount“ zudem gering ausfiel, darf man sich zwischenzeitlich durchaus fragen, ob das schon alles gewesen sein soll, woran auch die immer stärker thematisierten psychischen Defekte Ernests nicht viel ändern. Das Inzest-Motiv bekommt man recht dick aufs Brot geschmiert und Lassicks Overacting, das im Kontrast zur Traurigkeit und Introvertiertheit seiner Film-Schwester steht, ist es letztlich, das über den Mittelteil hinausrettet.

Dafür hat es dann aber das Finale wahrhaft in sich, wenn urplötzlich der schiere Wahnsinn regiert, Stephen Furst („Ich glaub' mein Straps funkt SOS“) eine irrsinnige Performance mit Mut zur (dann doch gar nicht so hässlichen) Hässlichkeit hinlegt und man unter viel Geschrei, Gekreische und Gebrüll so richtig aufdreht. Da mögen die Kampfszenen noch so bemüht und trotzdem wenig authentisch und der obligatorische Hitchcock-„Psycho“-Bezug kaum originell wirken; am Ende ist es der Showdown, der sich „Unseen – Das unsichtbare Böse“ im Gedächtnis festsetzen lässt und dann doch ziemlich deutlich über den Durchschnitt hievt. Versehen mit einer diesmal zwar erahnbaren, für viele aber sicherlich überraschenden Wendung bringt Steinmann das Thema behinderter Kinder und den Umgang mit selbigen auf die Agenda, in bester Exploitation-Manier, aber nicht auf die dumme Tour. Zeitlupenszenen kosten den einen oder anderen Moment zusätzlich aus und lassen die Blutarmut vergessen bzw. relativieren diese.

Ob „Unseen – Das unsichtbare Böse“ den Test der Zeit besteht, wird jeder für sich selbst entscheiden müssen. Mich als Genrefan hat Steinmann mit diesem Film passabel unterhalten können, wenngleich man aus den Motiven wesentlich mehr hätte herausholen können, hätte man konsequenter mit der Erwartungshaltung des Publikums gespielt. Verglichen mit „Freitag der 13. Teil V“ ist dies der bessere Film, evtl. sogar ein kleiner Geheimtipp.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 18. Jul 2012, 00:50
von buxtebrawler
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Gigant des Grauens
Glen Manning, der durch eine Plutonium Explosion zu einem Riesen mutierte, hat den Fall von der Staumauer, überlebt (siehe Teil 1: Der Koloß). Noch wütender als zuvor, beginnt er erneut sein todbringendes Zerstörungswerk, und scheint unaufhaltbar. Als er beginnt das Militär mit vollbesetzten Bussen zu bewerfen, holt man seine Schwester, die ihn von seiner Zerstörungswut abbringen soll...
„In meinen Dienstvorschriften steht kein Wort über fliegende Autos!“

Nachdem sein Monster- bzw. Riesenmenschen-Sci-Fi-Horror-Spektakel „Der Koloss“ gut ankam, drehte US-Regisseur Bert I. Gordon alias „Notorious B.I.G.“ ein Jahr später mit „Gigant des Grauens“ nicht nur die einzige Fortsetzung in seiner Filmographie, sondern auch seinen dritten Film des Jahres 1958.

Der durch eine Plutoniumexplosion zu einem Riesen mutierte Glen Manning hat überraschenderweise überlebt und treibt in Mexiko sein Unwesen. Das US-Militär fängt ihn ein und bringt ihn nach Los Angeles zurück – doch Manning kann sich befreien…

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich den Vorgänger leider nie gesehen habe, doch mit seinen vielen Rückblenden macht es „Gigant des Grauens“ einem leicht, einen Einstieg in die Thematik zu finden. Das ist aber ohnehin nicht schwer, denn diese lautet: 50s-US-Monster-Sci-Fi-Horror-Drive-In-B-Movie-Trash. Die Koloss- bzw. Gigant-Filme Gordons bedienen sich bekannter Motive aus Zyklopen- u.ä. Filmen, „invertieren“ sozusagen Jack Arnolds „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ und verarbeiten bzw. bedienen einmal mehr die Angst vor den Auswirkungen atomarer Strahlungen – auf ihre gewohnt naive Weise. Neu ggü. dem Erstling ist, dass Manning nun nicht nur riesengroß, sondern zudem auch noch entstellt ist, ihm fehlt quasi eine Gesichtshälfte. Dank gelungener Make-up-Arbeit stellt sich der gewünschte Effekt durchaus ein und Manning erscheint noch weiter von seinem menschlichen Ursprung entfernt als zuvor. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass man ihn lediglich noch Grunzlaute etc. von sich geben lässt, seine Metamorphose zum Animalischen beängstigende Ausmaße angenommen hat.

Dies geht natürlich zu Lasten evtl. im Vorgänger noch vorhanden gewesener Tragik hinsichtlich eines in einem Monsterkörper gefangenen menschlichen Geists. Doch wie dem auch sei: Als er erstmals in Überlebensgroße auf dem Bildschirm auftauchte und sein „Rööööaaaaarrrr“ von sich gab, habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind. Ja, da war er wieder, dieser Charme dieser alten Schinken, der einem solch diebische Freude bereitet. Die Spezialeffekte sind, insbesondere aus heutiger Sicht, meist leicht durchschaubar, offensichtlich wurden Mannings Szenen schlicht hinter den Vordergrund montiert. Die Größenrelationen stimmen dabei sicherlich nicht immer, aber darüber sieht man gern hinweg. Es sind definitiv die Inszenierungen des spärlich bekleideten Riesen, die die Stärken dieses Films ausmachen.

Ansonsten sieht es leider nicht allzu rosig aus, denn die Dramaturgie holpert bisweilen doch arg vor sich hin. Das liegt einerseits an der Vorhersehbarkeit der Ereignisse, andererseits aber auch am Unvermögen, emotionale Tiefe zu erzeugen, was man eigentlich durch die Konfrontation Mannings mit seiner sorgenden Schwester erreichen wollte. Dieser Aspekt wird aber nicht stringent verfolgt und bleibt lediglich oberflächlich, wenngleich er sicherlich ein guter Ansatz gewesen wäre, die Entfremdung von der geliebten Familie dramatisch und tragisch zu integrieren. Dennoch durchzieht den gesamten Film eine gewisse tragische Note, ohne jedoch sonderlich ernst zunehmen zu sein. Folgerichtig erscheint da das seinem Namen gerecht werdende Finale, das in Technicolor umgesetzt wurde, während der Rest des Films noch schwarzweiß daherkommt.

Nein, „Gigant des Grauens“ ist keiner dieser Filme, die einen denken lassen, früher wäre alles besser gewesen. Innerhalb nur eines Jahres wechselte der Hauptdarsteller von Glenn Langan zu Duncan 'Dean' Parkin, der nun in „Gigant des Grauens“ den Riesen mimt, und darf man diverser Literatur Glauben schenken, plagt man sich sogar mit Logikfehlern in Bezug auf den Vorgänger. Trotz einer Laufzeit von nur nicht einmal 70 Minuten gibt es die eine oder andere Länge und die wirklich bemerkenswerten Szenen – beispielsweise die Erdolchung eines Soldaten mit einer Riesenspritze – sind rar gesät und stammen zum Teil noch aus „Der Koloss“. Für Freunde klassischen B-Monsterhorrors hält Gordons „Gigant des Grauens“ aber ein kurzweiliges Vergnügen bereit, das passabel unterhält und den Charme längst vergangener Zeiten atmet – wenngleich andere Genrevertreter um einiges liebenswerter und vor allem origineller sind.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 18. Jul 2012, 17:49
von buxtebrawler
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Teufelskreis Y
Einen am Down-Syndrom leidenden und in einer Anstalt untergebrachten Bruder, eine Mutter (Phyllis Calvert), die ihn vor lauter Fürsorge fast zu erdrücken scheint und immer noch wie ein kleines Kind behandelt, und einen Stiefvater (Frank Finlay), der ihn am liebsten ebenfalls in eine Anstalt sperren würde - es ist eigentlich kein Wunder, dass sich Martin Dunley (Hywel Bennett) unter diesen Umständen immer wieder in die alternative Persönlichkeit des kleinen Georgie flüchtet. Als solchen lernt ihn die hübsche Susan Harper (Hayley Mills) unter widrigen Umständen kennen und hilft ihm aus einer misslichen Lage. Martin beginnt daraufhin eine regelrechte Obsession für die junge Frau zu entwickeln...
Mit „Teufelskreis Y“ lieferte der britische Regisseur Roy Boulting („Der Sonne entgegen“) im Jahre 1968 einen Thriller mit psychologischen Motiven ab, der zudem Züge eines Familiendramas trägt und die Grenze zum Horror streift.

Der junge Martin Dunley (Hywel Bennett, „Shelley“) blickt auf eine prekäre familiäre Situation: Sein Bruder leidet am Down-Syndrom, wurde in einer Anstalt untergebracht und hat nicht mehr lange zu leben. Seine überfürsorgliche Mutter (Phyllis Calvert, „Indiskret“) gibt sich derweil mit einem Kotzbrocken von Mann (Frank Finlay, „Lifeforce – Die tödliche Bedrohung“) ab, den Martin nicht als Stiefvater akzeptiert. Als Martin bei einem Ladendiebstahl ertappt wird, flüchtet er sich in die Rolle des mental zurückgebliebenen Georgie und lernt dadurch die attraktive Susan Harper (Hayley Mills, „Der Millionenschatz“) kennen. Ihr gegenüber bleibt er in seiner Rolle, stellt ihr nach und legt es darauf an, dauerhaft in ihre Nähe zu kommen. Der Plan geht auf und er zieht zu Susan und ihrer Mutter Joan (Billie Whitelaw, „Das Omen“) ins Haus, das an zwei weitere Herren untervermietet wird. Aus Martins Spiel wird Ernst...

Für „Teufelskreis Y“ stellt das Drehbuch gewagte pseudowissenschaftliche Thesen von genetischen Zusammenhängen des Down-Syndroms mit der Entwicklung psychopathischer Wesenszüge auf, die gefährlichen Ideologien von Sippenhaft und Diskriminierung Tür und Tor öffnen, weist aber direkt zu Beginn auf die Fiktivität dieser Überlegungen hin. Das ist gut so, denn „Teufelskreis Y“ ist kein selbstzweckhafter, auf vordergründige optische Schauwerte ausgerichteter Exploitation-Film, sondern gibt sich den Anstrich eines feinfühligen, vielschichtigen, niveauvollen Thrillers mit psychologischem Tiefgang. Nichtsdestotrotz ist Boultings Film natürlich im Exploitation-Bereich zuhause, wenn er sich vor pseudowissenschaftlichem Hintergrund latente Ängste des Publikums vor der Unberechenbarkeit geistig Behinderter zunutze macht, um daraus einen spannenden, unterhaltsamen Film zu spinnen.

Doch der Anspruch von „Teufelskreis Y“ geht weit darüber hinaus und das ist es, was ihn zu etwas Besonderem macht: Boulting lässt die Frage offen, wo bewusste Realitätsflucht zum Selbstschutz oder zur Durchführung von Straftaten endet und wo neurotischer, unkontrollierbar gewordener Wahn beginnt. All das vermischt das Drehbuch und macht es damit zu einer faszinierenden Angelegenheit für den Zuschauer, die Entwicklung der Geschichte zu verfolgen und über Martins bzw. Georgies Motive und Pläne zu rätseln. Zudem entwickelt sich Martin vom anfänglichen Sympathieträger zu einer handfesten Bedrohung, was die schizophrene Ambivalenz der Rolle ausmacht. Martins infantile Rückfalle in die Rolle des scheinbar kindlich-naiven Georgie sind zunächst eindeutig als Schauspielerei durchschaubar, doch die mit ihr einhergehenden, sich bahnbrechenden psychischen Abgründe stehen im krassen Gegensatz zu ihr und die Grenzen verschwimmen immer mehr.

Interessant ist dabei auch die Rolle, die beiden Familien – Martins eigentlicher und seiner auserkorenen – zuteilwird. Beide sind weit davon entfernt, Vorzeige-Bilderbuchfamilien zu sein, doch während Martin mit enormen psychischen Belastungen zu kämpfen hat, scheint das Verhalten seiner Gastmutter, die gerne mal ihre Gästen zu sich ins Bett hüpfen lässt, keinerlei negative Auswirkungen auf die intelligente und lebenslustige Susan zu haben. Was sich demnach genau in Martins Psyche abspielt, steht irgendwo zwischen den Zeilen geschrieben und bietet Interpretationsspielraum für das Publikum. Dieses kann sich darüber hinaus an einer Inszenierung erfreuen, die bei allen menschlichen Dramen und Tragödien genug Raum lässt für humorvolle Dialoge, im Zuge derer sich insbesondere der als Karikatur britischer selbstgefälliger Alltagsrassisten angelegte Gerry Henderson (Barry Foster, „Frenzy“) positiv hervortut. Sicherlich erfüllen einzelne Charaktere diverse Klischees, was jedoch zur Auswirkung hat, dass Martin innerhalb dieses Umfelds umso außergewöhnlicher wirkt. Die Überlänge merkt man „Teufelskreis Y“ kaum an, nach alter Hitchcock-Schule beherrscht Boulting Spannungsaufbau und Dramaturgie.

Die Stimmung des Films lebt von der Undurchsichtigkeit Martins und dem Zusteuern auf eine unvermeidbare Eskalation der Ereignisse, von der der Zuschauer nicht weiß, wann und in welcher Form sie auftreten wird. Atmosphärische Unterstützung erfährt Boulting dabei von der gepfiffenen Titelmelodie Bernhard Herrmans, die, zunächst harmlos und vergnügt klingend, zum Originaltitel „Twisted Nerve“ passend auf Dauer ein enervierendes, manisches Potential offenbart und über den kompletten Film verteilt in unterschiedlicher Form und Intonierung immer wieder eingesetzt wird. Quentin Tarrantino recycelte das Stück für „Kill Bill“, wodurch es zu ungeahnter Popularität gelangte. Die Glaubwürdigkeit der Handlung steht auf einem anderen Blatt, doch wer sich auf das genretypische Spiel mit der unberechenbaren menschlichen Psyche einlassen kann, sollte nur auf wenig Unzulänglichkeiten stoßen, da der Film in weiser Voraussicht eben nicht alles haarklein auseinanderseziert und erklärt. Mir persönlich ging in erster Linie die Phase, in der Martin sich in Vorbereitung auf sein Vorhaben beispielsweise einen muskulösen Körper antrainiert, etwas sehr schnell; als würde es nur wenig Aufwand erfordern, sich sowohl äußerlich wie innerlich in eine solche Rolle hineinzufinden.

Fazit: „Teufelskreis Y“ ist ein vielschichtiger, den Zuschauer vereinnahmender Psycho-Thriller mit einem Hauch Phantastik, der technisch wie schauspielerisch ohne Tadel Genrekost auf hohem Niveau und ohne sich selbst in vorgefertigten Muster einzuengen bietet, angenehm-typisch britisch mit viel Lokalkolorit ausfiel und sicherlich nicht so intelligent ist, wie er zu sein vorgibt, aber dennoch länger im Gedächtnis des Rezipienten nachwirkt. Ich liege zunächst bei vorsichtigen 7/10 Punkten, möchte dem Film aber noch eine gewisse Luft nach oben attestieren. Aufschluss wird beizeiten eine Zweitsichtung bringen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 19. Jul 2012, 17:54
von buxtebrawler
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Tanz der Vampire
Der zerstreute Professor Abronsius begibt sich mit seinem Schüler Alfred in die Tiefen der transsylvanischen Provinz, um den Legenden von Vampirismus in dieser Gegend auf den Grund zu gehen. Als im Gasthaus des nachts eine schöne Frau entführt wird, folgen die Vampirjäger der Spur bis zu einem Schloss. Dort wohnt der Vampir Graf Krolok (und dessen schwuler Sohn), der gerade eine Party für die örtliche Blutsaugerschaft schmeisst. Professor Abronsius und Alfred sollen als “Abendessen” herhalten…
„Tanz der Vampire“ ist Regisseur und Drehbuchautor Roman Polanskis („Rosemaries Baby“) Interpretation der Vampir-Thematik in Form einer beschwingten Horrorkomödie. Der Film stammt aus dem Jahre 1968, entstand in britisch-US-amerikanischer Koproduktion und stellt damit Polanskis Hollywood-Debüt dar. „Tanz der Vampire“ gilt seit langer Zeit gemeinhin als Klassiker.

Professor Abrosius (Jack MacGowran, „Der Exorzist“) und sein Schüler Alfred (Roman Polanski persönlich) suchen im Rahmen ihrer Vampirforschungen die transsylvanische Provinz auf und geraten in die Fänge des Vampirs Graf von Krolock (Ferdy Mayne, „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“) und dessen Gefolgschaft. Abrosius und Alfred versuchen, Wirtstochter Sarah zu retten und geraten selbst in tödliche Gefahr...

Polanski gelang es mit „Tanz der Vampire“, eine klassische Slapstick-Komödie mit Vampirfilm-parodistischen Elementen zu verknüpfen und in starke Bilder in kräftigen Farben zu tauchen, die viel winterlich-morbide Atmosphäre ausstrahlen. Daraus entstand eine im positiven Sinne alberne Komödie für die ganze Familie, an der sowohl die Kinder als auch ältere Freunde dieser Art Humors sowie zur Selbstironie fähige Horrorfans ihre Freude haben dürften. Dafür sorgen allein schon die schrulligen, kauzigen Charaktere, angefangen beim zerstreuten Professor Abrosius über den trotteligen Alfred, den schwulen Krolock-Sprössling Herbert (Iain Quarrier, „Wenn Katelbach kommt...“) bis hin zu den Dorfbewohnern, die allesamt aus herrlich geschminkten Charakterköpfen bestehen – von erotisch in Szene gesetzten drallen Dirnen wie Sharon Tate („Rosemaries Baby“), die die Tochter des Dorfwirts spielt, einmal abgesehen. Die mit viel Liebe zum Detail aberwitzig und überzeichnet ausstaffierten Kulissen bieten den richtigen Spielgrund für die sich in ihr abspielende Farce. Die mit schwelgerischer Kamera eingefangenen Außenaufnahmen der verschneiten Winterlandschaft setzen den hellen Kontrastpunkt zum dunklen Gemäuer und sind wunderschön anzusehen.

Der grundlegend sympathische und bei allen Albernheiten niveauvolle Film ist allerdings – sicherlich seiner Ausrichtung geschuldet – wenn überhaupt, dann nur bedingt als spannend zu bezeichnen. Wessen Humor er nicht trifft, dem wird er neben dem visuellen Genuss nicht viel zu bieten haben. Leider ist „Tanz der Vampire“ für meinen Geschmack auch immer wieder zu lange frei von musikalischer Untermalung, die, wenn sie denn eingesetzt wird, so manche Szene veredelt. Gewiss hätte man aus der Vampir-Thematik auch noch einiges mehr herausholen können, doch Polanski nimmt sich die Freiheit, sich von ihr nicht einengen zu lassen; zieht sein eigenes Ding durch, ohne allzu sehr auf die Genreklassiker zu schielen. Eine hervorragend und höchst amüsant choreographierte Tanzszene im Ballsaal ist dabei einer der Höhepunkte, die „Tanz der Vampire“ in all seiner Unbekümmertheit zu bieten hat. Ein weiterer ist die mit der Tradition der Komödien-Happy-Ends brechende Pointe.

Fazit: Sehenswerter Film, mit dem Polanski sein filmschaffendes Geschick ebenso beweist wie viel Humor, der so gar nicht zu seinen ansonsten gern düsteren Filmen passen will und wesentlich leichter verdaulich ist als der schräge „Was?“, für den er sich ebenfalls im komischen Bereich bewegte und eine Rolle übernahm.