bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Uncertain Guest - Du bist nicht allein
Der wohlhabende Architekt Félix (Andoni Gracia) befindet sich nach der Trennung von seiner Freundin in einer schweren Lebenskrise. Bis eines Abends ein mysteriöser Fremder vor seiner Türe steht und ihn bittet, sein Telefon zu benutzen. Félix gewährt dem Fremden Einlass und zieht sich während des Telefonats in ein Nebenzimmer zurück. Als er ins Wohnzimmer zurückkehrt, scheint der Mann wie vom Erdboden verschluckt. Anfangs hält er es nur für Gehirngespinste, doch nach und nach geschehen merkwürdige Dinge in seiner luxuriösen Stadtvilla: Nachts hört er Schritte, findet eingedrückte Kopfkissen vor, und alles sieht so aus, als habe er einen ungebetenen Gast… Quelle: dtm.at
„Uncertain Guest – Du bist nicht allein“ ist das Spielfilm-Regiedebüt des spanischen Regisseurs Guillem Morales („Julia’s Eyes“) aus dem Jahre 2004. Architekt Félix (Andoni Gracia, „Bin ich schön?“) hat sich gerade von seiner Freundin getrennt und fühlt sich in seinem ausladenden, luxuriösen Anwesen reichlich allein und verloren. Nachdem er einem Fremden erlaubt, kurz hereinzukommen und sein Telefon zu benutzen, verschwindet dieser plötzlich, was den Auftakt zu einer Reihe mysteriöser Vorkommnisse in Félix’ Haus darstellt. Diese interpretiert Félix dahingehend, dass er nicht mehr allein ist, sondern sich jemand Fremder in seiner Stadtvilla eingenistet hat. Ist dem tatsächlich so oder fällt er einer ausgeprägten Paranoia anheim?

Ein unbemerkter Mitbewohner im Haus ist ein beliebtes Thriller-Motiv beispielsweise aus Filmen wie „Black Christmas“, den Morales mit Sicherheit gesehen hat. Die damit einhergehende urbane Paranoia hingegen erinnert stark an Polanski und dessen „Mieter-Trilogie“. Zudem handelt es sich um eine typische Zivilisationsangst, die mit steigender Wohnungsgröße abhängig vom Grad physischer wie psychischer Vereinsamung exponentiell wächst, wenngleich tatsächliche Fälle überliefert ist, was diese Ängste zusätzlich schürt. Dies ist der Stoff, aus dem Morales’ Film ist. Der Zuschauer sieht, was Félix sieht oder zu sehen glaubt. Unter nur spärlicher Verwendung von Filmmusik und Soundeffekten kommt es zu atemberaubend spannenden Einzelszenen, die Félix schließlich den Verstand verlieren und aus Angst aus seinem eigenen Haus auszuziehen lassen. Ob sich ein auf diese Weise verängstigter Mensch tatsächlich so verhalten würde, wie es Félix hier tut, sei einmal dahingestellt. Dem sich unaufhaltsam weiter ins Groteske steigernden Filmvergnügen tut dies indes keinen Abbruch.

Dieses lebt von seinen zahlreichen Wendungen, von denen die nächste bedeutet, dass Félix selbst zum unerkannten Mitbewohner bei seiner an den Rollstuhl gefesselten Nachbarin wird. Was Morales anfänglich noch den Zuschauer in höchste Anspannung versetzend, weil ihn eine Eskalation erwarten lassend, inszeniert und mit einer grandiosen Voyeur-/Sexszene aufpeppt (bereits die Sexszenen mit Félix‘ Ex-Freundin waren nicht zu verachten, was den Erotikfaktor betrifft), driftet alsbald in Komödiantische und verliert aufgrund seiner Absurdität jede Glaubwürdigkeit. Nicht zuletzt aufgrund des visuellen Wechselbads aus subjektiver Kameraführung und einen Gesamtüberblick verschaffenden Einstellungen bleibt „Uncertain Guest – Du bist nicht allein“ aber interessant und mitreißend. Nachdem sich zum Ende hin jedoch auch kleinere Längen eingeschlichen haben, wird ein düsteres, bitteres, wendungsreiches Finale eingeläutet, das etwas stärker die Konzentration des Zuschauers einfordert, der letztlich die Puzzlestücke selbst zusammensetzen muss und doch nicht alles minutiös erklärt bekommt, aber dessen graue Zellen angeregt werden. Ob sich dabei nicht doch die eine oder andere Logikschwäche eingeschlichen hat, vermag nach meiner mich zunächst mit einem leichten Fragezeichen auf dem Antlitz zurückgelassen habenden Erstsichtung nicht abschließend zu beurteilen.

Beurteilen kann ich aber in jedem Falle, dass Morales ein beachtliches Debüt gelungen ist. Ein über weite Strecken bedrückender, düsterer Paranoia-Thriller, der seinen von guten Schauspielern verkörperten Protagonisten das eigene Heim als letzten sicheren, behaglichen Rückzugsort nimmt, dabei seine Stimmung aber nicht konsequent durchhält, sondern aufweicht und beinahe der Lächerlichkeit preisgibt. Dies mutet indes eher wie ein bewusst eingesetztes Stilelement denn filmisches Unvermögen an, das mir jedoch nicht sonderlich gefällt. Ansonsten handelt es sich aber um eine weitere empfehlenswerte Thriller-Produktion aus Spanien mit einem starken Finale, die sowohl Freunde des Psychopathologischen als auch des Suspense-Nägelkauers ansprechen sollte.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Mysterious Skin
Hutchinson - USA: Im Sommer 1981 erleidet der 8jährige Brian Lackey (George Webster als 8jähriger Brian) während eines Baseballspiels seiner Kindermannschaft erstmals einen Ohnmachtsanfall, aus dem er fünf Stunden später mit blutender Nase erwacht. Es schließen sich weitere Blackouts an. Als Brian ungefähr zur selben Zeit mit seiner Mutter und seiner Schwester ein Ufo zu sehen glaubt, liegt die Vermutung nahe, dass Brians Blackouts im Zusammenhang mit Entführungen durch Außerirdische stehen. Im Sommer 1981 entdeckt der 8jährige Neil McCormick (Chase Ellison als 8jähriger Neil) erstmals seine homosexuellen Neigungen und befriedigt sich selbst, als er seine Mutter mit ihrem Liebhaber auf einer Schaukel beobachtet. Wenig später verliebt er sich in seinen Baseball-Coach, der erstaunlicherweise Neils Gefühle zu erwidern scheint. Zehn Jahre später prostituiert sich Neil (Joseph Gordon-Levitt), um sein Studentenleben zu finanzieren und begibt sich damit regelmäßig in ganz greifbare Gefahrensituationen. Zehn Jahre später nimmt Brian (Brady Corbet), der immer noch bei seiner besorgten Mutter lebt, Kontakt zu Menschen auf, die ebenfalls glauben, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Dabei kommen ihm Erinnerungsfetzen, die mit Neil zu tun haben. Er arrangiert ein Treffen, weil er glaubt, auch Neil sei als Kind von Außerirdischen entführt worden. Es scheint auch tatsächlich eine gemeinsame Vergangenheit zu geben, doch die sieht etwas anders aus, als Brian gedacht hat…
Der Roman „Mysterious Skin“ des US-amerikanischen Schriftstellers Scott Heims galt zunächst als unverfilmbar, bis sich der asiatisch/US-amerikanische Regisseur Gregg Araki („The Doom Generation“) an den Stoff heranwagte, der im Jahre 2004 in niederländisch-US-amerikanischer Koproduktion in die Kinos kam. Der Sommer des Jahres 1981 wird schicksalhaft für die beiden Achtjährigen Neil McCormick und Brian Lackey. Neils Sexualität erwacht, er spürt, dass er sich zum männlichen Geschlecht hingezogen fühlt. Sein Baseballtrainer nutzt dies aus, missbraucht den Jungen über einen längeren Zeitraum sexuell und gibt ihm dabei das Gefühl, nichts Falsches zu tun; Neil genießt die Zuneigung seines Idols. Der unsportliche Brian hingegen erwacht nach einem Zusammenbruch mit blutender Nase und kann sich nicht erinnern, was sich in den Stunden zuvor abgespielt hat. Er glaubt, von Außerirdischen entführt worden zu sein und widmet sein Leben als junger Erwachsener der Suche nach weiteren Entführungsopfern und seiner eigenen Vergangenheit. Neil verdingt sich währenddessen als sexuell äußerst freizügiger Strichjunge und zieht schließlich vom ländlichen Kansas in den Großstadtmoloch New Yorks. Brians Nachforschungen führen beide Jungen schließlich zusammen, die ganze Wahrheit über Brians Blackout offenbart sich durch sein Aufeinandertreffen mit Neil...

Lange Zeit verlaufen beide aus Sicht ihrer Protagonisten in Rückblenden erzählten Handlungsstränge parallel zueinander. „Mysterious Skin“ wirkt dabei gleichermaßen wie ein Jugenddrama und Science-Fiction-Film, bis sich im zugegebenermaßen recht vorhersehbaren Ende herausstellt, was es wirklich mit Brians (Brady Corbet, „Funny Games U.S.“) vermeintlicher Entführung auf sich hatte. Doch der Weg dorthin ist gespickt mit einem provokant offenen und selbstverständlichen Umgang mit den Themen Pädophilie, Homosexualität und Prostitution, der in erster Linie daraus entsteht, dass Araki den unbedarften Neil (Joseph Gordon-Levitt, „Halloween H20“) sein Leben aus seiner eigenen Sicht erzählen lässt. Schwer verdaulich ist dabei, dass Neil am Sex mit seinem Trainer tatsächlich Freude zu haben scheint. Durch seine seltsame Gefühlskälte und seinen sorglosen Umgang mit seiner Sexualität jedoch wird bald deutlich, dass mit ihm etwas nicht stimmt und die Ereignisse deutliche Spuren, Narben auf Seele und Herzen, hinterlassen haben. Ohne mit der Wimper zu zucken, lässt er sich von schmierigen, älteren Männern für seine sexuellen Dienstleistungen bezahlen, lässt sich erniedrigen und begibt sich schließlich auch in handfeste Gefahrensituationen, die nicht gut für ihn ausgehen. Bis zu diesem Punkt findet er jedoch rein überhaupt nichts dabei, sein Leben auf diese Weise zu führen und redet offen darüber, als handele es sich um einen Job als Zeitungsausträger. In welchem Ausmaße hierfür ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität verantwortlich ist, dessen Grundstein in seiner Kindheit, der er beraubt wurde, gelegt wurde, erschließt sich dem Zuschauer nach und nach, ohne die Zusammenhänge mit erhobenem, lehrerhaftem Zeigefinger präsentiert zu bekommen. Das ist nicht nur mutig, sondern wirkt auch erst einmal stark irritierend bis verstörend, wenngleich nichts glorifiziert wird. Die ungewohnte Art, wie diese Themen behandelt werden, vermag insbesondere konservative Kreise zu entsetzen.

Auch Brian ist für sein Leben traumatisiert, doch bei ihm hat ein Verdrängungsmechanismus eingesetzt, den er verzweifelt und unnachgiebig zu überwinden versucht. Obwohl sie den gleichen Trainer hatten, wiesen Brians und Neils Leben scheinbar keine Parallelen auf, bis es endlich zum Treffen der beiden Jugendlichen kommt. Beide sind total entgegengesetzte Charaktere: Brian ist optisch der Typ „Klassenstreber“ und ein sensibler, zerbrechlich anmutender Gefühlsmensch, der unter seinem herrischen Grobian von Vater zu leiden hatte, mit dem er gebrochen hat, während Neil sich extrovertiert zahlreichen Exzessen hingibt und seine gebrochene Seele unter einer abweisend-coolen, hedonistischen Fassade erfolgreich verbirgt. Beiden gemein ist eine Entfremdung von der Welt der Erwachsenen. Brians Wege zu Neil führen über Ufo-Forschung und ein aufdringliches weibliches Entführungsopfer in Neils Freundeskreis; erst als Neil aus New York nach Hause kommt, um seine Mutter zu besuchen, kommt es zum lange herbeigesehnten Treffen.

Die totale, antimoralistische Offenheit des Films erinnert bisweilen an „Kids“, wobei „Mysterious Skin“ aber weniger Milieustudie als intensive Beleuchtung zweier Einzelschicksale ist. Araki taucht diese gern in grelles Ambiente und beherrscht die Ästhetisierung von Oberflächlichkeiten ebenso wie die mit voranschreitender Laufzeit zunehmenden leiseren Töne und die auch für Neil immer deutlicher als solche erkennbar werdenden Härten des Lebens – zwei junge Menschen stoßen bereits an ihre Grenzen und drohen auszubrennen, wenn andere mit weniger bewegter Vergangenheit gerade erst aufblühen. Neben dem hervorragend eingefangenen Schick der jeweiligen Epoche sind es aber allen voran die Schauspieler, die zu begeistern wissen und entschieden zum Funktionieren des Films beitragen: Sowohl die Neil und Brian als Achtjährige darstellenden Kinder als auch ihre jugendlichen Äquivalente spielen mit einer Glaubwürdigkeit und Intensität, die fast schon erschreckt und ihresgleichen sucht. Welche Ausstrahlung und Ausdrucksstärke Araki aus ihnen herauskitzelt, zeugt von einem großen Verständnis für die Arbeit mit Kindern und Jungdarstellern sowie für die sensible Thematik. Diese Schauspieler sind es, die „Mysterious Skin“ sein Gesicht geben, das sich vermutlich lange im Gedächtnis festsetzen wird, mit dem man den Film assoziieren wird: Eine Collage aus der Mimik von Kindern und Jugendlichen, die Unfassbares erfahren, Unfassbares durchleben und Unfassbares tun, innerhalb einer doppelmoralischen Gesellschaft, die die Täter einerseits ächtet, andererseits aber kaum versteckt sich nur allzu gern an jemandem wie Neil auslässt, auf welche Weise auch immer.

Dass es ausgerechnet ein muskulöser Baseballtrainer mit kräftigem Schnauzbart, zu dem die Eltern ihre Kinder wie im Falle Brians gern schicken, damit sie etwas von seiner „Männlichkeit“ abbekommen, ist, der nicht nur homosexuell, sondern auch noch pädophil veranlagt seinen Trieben freien Lauf lässt, ist die Dekonstruktion eines Männlichkeitssymbols und ein heftiger Tritt gegen die vermeintlich heile Welt US-amerikanischer Kleinstädte. Ein Sakrileg für so manchen, in überholten Vorstellungen von Geschlechterrollen Gefangenen, für sicherlich jeden Zuschauer aber in erster Linie ein Film, den man erst einmal sacken lassen muss, dessen direkte Art und fast vollkommener Verzicht auf Sentimentalität eine mit den bunten, schönen Bildern kontrastierende Schroffheit an den Tag legt, die bei genauerer Überlegung hervorragend zur inhaltlichen Härte passt. Ein absolut sehenswertes, in seiner Ehrlichkeit einzigartiges Drama, in dem sich insbesondere Gordon-Levitt als Darsteller hervortut und eine unvergessliche, ihm viel Abverlangende Leistung abliefert. Keinesfalls richtet sich „Mysterious Skin“ vornehmlich an eine homosexuelles Publikum; Araki war weise genug, seinen Film nicht in seiner Zielgruppe zu beschneiden.

Am Ende ist Brian an seinem „Ziel“ angekommen; wie es für beide weitergeht, erfährt man nicht. „Mysterious Skin“ bietet keine Lösung an – welche sollte das auch sein? Ich weiß es nicht und bin trotzdem sehr angetan.
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Willkommen in der Hölle
Nachdem eine Gruppe Banditen eine Postkutsche ausrauben, verstecken sie sich in einer verlassenen Geisterstadt. Da jeder scharf auf das erbeutete Gold und die schöne Mary ist, gehen die Gangster aufeinander los. Richtig prekär wird die Situation dann, wenn der friedliebende Lee auftaucht und den Gangstern zeigt, dass man mit blauen Bohnen nicht weit kommt...
„Willkommen in der Hölle“ alias „Mátalo“, das unter der Regie von Italo-Regisseur Cesare Canevari im Jahre 1970 in italienisch-spanischer Koproduktion entstandene Remake des (mir unbekannten) Italo-Westerns „Die sich in Fetzen schießen“ gilt als experimenteller, polarisierender Western. Was das Experimentelle betrifft, kann ich das ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben. Was das Polarisierende dieser nihilistischen, aufs Wesentliche reduzierten Story um den kaltblütigen, geldgierigen Killer Bart (Corrado Pani, „Cleopatra, die nackte Königin vom Nil“) mitsamt seiner kurzlebigen Zweckgemeinschaften und ihrer filmischen Umsetzung betrifft, kann ich das nur bedingt.

Dialogarmut in Western ist keine Erfindung Canevaris und wird durch den frühen Exitus sämtlicher Mexikaner sowie den Verzicht auf komödiantische Nebenrollen erreicht. Die in ihrer Konsequenz beachtliche ausschließliche inhaltliche Ausrichtung auf Habgier und der damit verbundene Pessimismus hingegen lassen durchaus aufhorchen, die Handlung wirkt wie gefiltert von sämtlichen Nebenschauplätzen anderer thematisch ähnlich gelagerter Italo-Western. Das dadurch entstehende Vakuum füllt Canevari aus mit allerlei psychedelisch anmutenden Kunstgriffen, die „Willkommen in der Hölle“ über weite Strecken wie einen Drogenrausch erscheinen lassen. Die bunten Farben, mit denen hier gearbeitet wird, sind ebenso wie der rockig-progressive Soundtrack ein krasser Kontrast zur inhaltlichen Tristesse und passen hervorragend zur verspielten Kameraarbeit, die auf sämtliche Konventionen pfeift und sich den Weg bahnt für zahlreiche für einen Western hochgradig ungewöhnliche Techniken, die den unvorbereiteten Zuschauer eiskalt erwischen. Jedoch gehe ich nicht konform mit der gern kolportierten Ansicht, dass man diese entweder lieben oder hassen würde. So ist es beispielsweise der paranoiden Atmosphäre des Misstrauens und der Missgunst durchaus zuträglich, wenn für Sekundenbruchteile immer wieder Augen in Großaufnahme in die Szenenabläufe geschnitten werden, so wirkt es andererseits jedoch extrem selbstzweckhaft, wenn sich die Kamera urplötzlich in schwindelerregender Geschwindigkeit sekundenlang im Kreis dreht. Für mein Empfinden halten sich sehenswerte, originelle Ingredienzien in etwa die Waage mit künstlerisch-selbstverliebten Ausflügen der nicht nur irritierenden, sondern auch leicht nervigen und nichtssagenden Sorte.

Ungewöhnlich ist es auch, wenn die nominelle Hauptrolle plötzlich mir nichts, dir nichts abzuleben scheint und der Film lange Zeit ohne sie auskommen muss. Dass (Achtung, Spoiler!) Bart seinen Tod nur vorgetäuscht haben könnte und zurückkehren würde, ahnt man indes tatsächlich nicht unbedingt voraus, da man einem schrägen Film wie diesem derartige Brüche mit der Erwartungshaltung des Publikums durchaus zutrauen würde. Insofern hat „Willkommen in der Hölle“ den Überraschungseffekt auf seiner Seite – ebenso, wie wenn nach einer Aneinanderreihung fieser Sadismen schließlich der Bumerang über den Colt siegt und Lou Castel („Töte Amigo“) als Ray somit den Schurken den Garaus macht. In rabiaten Szenen hält auch das alte Thema des um die Gunst von Frauen Buhlens Einzug, wenngleich es auch hierbei in erster Linie um Macht und Besitzansprüche zu gehen scheint. Mithilfe christlicher Symbolik werden zudem einige Metaphern religiöser Natur erzeugt, was auch kein Novum, aber gern gesehenes Beiwerk ist.

Leider sah ich eine extrem, sinnentstellend verstümmelte deutsche Kinofassung, die es mir verbietet, näher auf Dramaturgie, innere Logik etc. der Handlung einzugehen. Auf mich wirkt „Willkommen in der Hölle“ aber so oder so wie ein Destillat atmosphärischer Westernszenen, das in seiner wie eingangs erwähnt weitestgehend reduzierten Handlung angereichert wurde mit von der Hippiekultur beeinflussten Stilelementen (die ich nicht alle einzeln aufzählen möchte) und einer daraus resultierenden, nicht immer souverän oder zielführend eingesetzten künstlerischen Freiheit, die so bedeutungsschwanger dann eben doch nicht ist. Auch schauspielerisch bewegt man sich am Rande zur Unterordnung unter die stilistischen und ästhetischen Exzesse, fährt aber eine ganze Reihe für sich genommen starker und erinnerungswürdiger Einzelszenen auf, in denen die Mimik ihrer Protagonisten gut zur Geltung kommt.

Somit bleibt für mich unterm Strich eine die Grenzen des Genres auslotende, interessante Herangehensweise an den klassischen Italo-Western, die mir recht gut gefiel, mich aber nicht in einem Maße forderte, dass ich verwirrt und verstört Schwierigkeiten hätte, sie am unteren oder oberen Ende der Bewertungsskala anzusiedeln. Ich zücke vorerst vorsichtig grundsolide (wer hat da „langweilige“ gesagt?) 7 von 10 Punkten und behalte mir die Sichtung einer weniger entstellten Fassung ausdrücklich vor.
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Das Grauen kommt nachts
Nach dem Mord an einer jungen Frau verdächtigt die Polizei den Kriminalpsychologen Dr. Herbert Lyutak. Dieser gesteht den Mord auch seiner Frau und gibt als Grund seine Frustration über Potenzprobleme an, doch dann geschehen weitere Morde, an denen Lyutak unmöglich beteilgt gewesen sein kann. Inspektor Edwards steht vor einem Rätsel: Versucht etwa jemand, den Fokus der Ermittlungen von Lyutak wegzulenken?
„Das Grauen kommt nachts“ – alias „Delirum“. Giallo-Kenner und Freunde der gediegenen italienischen Unterhaltung verziehen ihr Gesicht regelmäßig zu einer debil grinsenden Fratze, wird dieser Film von Renato Polselli aus dem Jahre 1972 erwähnt. Doch zunächst zum Inhaltlichen: Dr. Herbert Lyutak (Mickey Hargitay, „Scarletto – Schloss des Blutes“, „Lady Frankenstein“), ein impotenter Kriminalpsychologe, meuchelt selbst gern regelmäßig junge Frauen und hat schwer einen an der Waffel. Als die Polizei ihm langsam auf die Schliche kommt, geschehen jedoch weitere Morde, die seine Handschrift tragen, er aber unmöglich begangen haben kann. Hat er jemanden mit seinen Taten inspiriert? Versucht jemand, ihm auf diese Weise ein Alibi zu verschaffen? Oder wie oder was?

Obwohl die Handlung mit ihrer genretypischen Dopplung des Antagonisten eigentlich gar nicht sonderlich komplex ist, stellt sich dem unvorbereiteten Zuschauer schon bald die letztgenannte Frage, denn die Art und Weise, wie Polselli daraus ein Drehbuch formte und seinen Film letztlich inszenierte, kann durchaus zum im Originaltitel genannten Geisteszustand führen. So mag es gewissermaßen Genrestandard sein, seinen Charakteren psychopathologische Hintergründe zu geben und sie sich verdächtig machend leicht neben der mentalen Normalspur anzusiedeln. Doch Polselli scheint sich dieses Element herausgegriffen und gnadenlos überstrapaziert zu haben, so dass sich nahezu alle Mitwirkenden mit Haut und Haar dem Irrsinn hingeben und sich in maßlos übertriebenem Overacting ergehen. Das bewirkt, dass ihre Entscheidungen kaum mehr nachvollziehbar erscheinen, weder aus rationaler noch aus psychologischer Sicht. Hinzu kommt ein Schnitt, der häufig ebenso schwierig nachzuvollziehen ist und die Handlung in viele kleine Puzzlestücke – um nicht zu sagen: Scherben – zersprengt, die der Zuschauer dann zusammensetzen darf, um ihr folgen zu können.

Derweil wird dieser aber immer wieder abgelenkt von überaus offenherzigen Sleaze-Attacken, die gern in Form sado-masochistischer Phantasien des Docs auftreten. „Das Grauen kommt nachts“ wäre vermutlich gern ein Erotik-Psycho-Thriller, bekommt durch diese Szenen aber vielmehr den Anstrich eines unbeholfenen, selbstzweckhaften Schmuddelfilmchens. Nun kann ich nicht behaupten, dass das nicht auf seine eigene Weise zu gefallen wüsste, zumal man mit Rita Calderoni („Nude for Satan“) als Herberts Frau Marcia über eine ansehnliche und durchaus interessante Schauspielerin verfügt. Polsallis Film ernstnehmen zu können, verhelfen diese Einlagen indes kein Stück. Schon gar nicht in Anbetracht der restlichen Darstellerriege, in der Hargitay noch den neben der Calderoni professionellsten Eindruck macht und mit seinem Hang zu exaltierter Mimik recht gut in seine Rolle passt. Denn was die anderen, überwiegend unbekannten Mimen aufzubieten haben, passt in seiner unfreiwilligen Komik bestens in die grobschlächtig inszenierte und rein gar nichts auf so etwas wie eine innere Logik gebende, mit mindestens einem Bein felsenfest im Trash verwurzelte, groteske Farce, die „Das Grauen kommt nachts“ geworden ist.

Zu diesem Eindruck trägt, das muss fairerweise erwähnt werden, sicherlich die deutsche Synchronisation ihren Teil bei, die anscheinend entweder allzu wörtlich oder aber sinnverzerrend übersetzte. Evtl. ist es aber auch nur mein noch immer naives Vertrauen in die Fähigkeiten von Filmemachern, in diesem Fall nicht Signore Polselli unüberprüft die gesamte Verantwortung dafür zuzuschreiben, dass ein zu Unrecht Verdächtigter, der genreüblich auf eigene Faust ermittelt, sich am Telefon mit „Ich bin’s, der Kartoffel!“ meldet, sein Geschäft im Park verrichtet und anschließend das Ergebnis desselben als Beweisstück anführt. Andererseits wird es sich wohl kaum um Übersetzungsfehler handeln, wenn sich die Polizei so unfassbar dämlich wie in vermutlich kaum einem anderen Giallo verhält oder eine obskure, scheinbar zusammenhanglose Wendung die nächste jagt. Doch hat „Das Grauen kommt nachts“, der mir, was seine Mordszenen betrifft, im Übrigen nicht als übermäßig ausufernd in Erinnerung ist, leider auch seine Längen und Streckmittel; durchgehendes Amüsement über den aus der Art geschlagenen Genrebeitrag bietet er vermutlich lediglich Die-Hard-Giallokennern, die sich an jedem Detail erfreuen.

Während ich diese Zeilen tippe, stelle ich allerdings fest, dass „Das Grauen kommt nachts“ in meiner Erinnerung wesentlich verschrobener und damit lustiger wegkommt, als ich es während meiner Sichtung empfand. Ein Film also, der nach einer Zweitsichtung schreit – gut möglich, dass er dabei wächst. Zunächst gebe ich jedoch meine Italo-Sudel-Trash-obligatorischen 4 von 10 instinktiven Verdachten metaphysischen Charakters und plane bereits meinen nächsten Absturz ins cineastische Delirium.
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Neon Maniacs
Sobald es Nacht wird kommen sie heraus und töten jeden der ihnen begegnet. Mit unbarmherziger Grausamkeit verfolgen sie ihre Opfer. Sie sind Monster, Ausgeburten der Hölle. Und sie scheinen unverwundbar zu sein. Es sind die NEON MANIACS!
„Du könntest heute Abend mit mir ins Kino gehen!“ – „Ja! Da wäre nur eines: kein Horrorfilm!“

Der in erster Linie als Kameramann tätig gewesene Joseph Mangine lieferte im Jahre 1986 mit „Neon Maniacs“ seine zweite von nur zwei Regiearbeiten (die erste datiert auf 1968) ab, ein exemplarisches Stück US-80s-Horror-Schund aus der dritten Reihe.

Die „Neon Maniacs“, eine zwölfköpfige wortkarge Gruppe von Monstermutanten oder so, mordet sich brutal durch San Francisco. Backfisch Natalie (Leilani Sarelle, „Basic Instinct“) ist die einzige Überlebende des Massakers und niemand will ihr so recht Glauben schenken – außer der jungen Mitschülerin Paula und Natalies neuem Freund Steven (Clyde Hayes, „Freitag der 13. – Das letzte Kapitel“). Beim „Battle of the Bands“ kommt es zum Showdown…

Richtig, das war’s im Prinzip schon, denn viel mehr Handlung hat „Neon Maniacs“ nicht zu bieten und die vorhandene lässt stark zu wünschen übrig. Das schnell dahingeschmiert wirkende Drehbuch gibt sich keinerlei Mühe, die Maniacs mit einer Hintergrundgeschichte, einem Motiv oder sonst irgendetwas zu versehen, was ihnen zu so etwas wie einer eigenen Mythologie verhelfen könnte. So sind sie einfach plötzlich da, niemand weiß, woher sie kommen oder wohin sie gehen, aber meucheln im Prolog gleich ordentlich drauf los. Immerhin stattete man das dreckige Dutzend mit individuellen Masken und Fähigkeiten aus, was an typische 80er-Comic- und/oder Actionfigur-Pop-Kultur erinnert und von einer leider ebenfalls nicht näher erläuterten Neon-Maniacs-Sammelkarten-Szene zu Beginn des Films unterstrichen wird.

Angereichert wird das banale Geschehen mit der obligatorischen Romanze zwischen Natalie und Steven, doch seine Qualitäten hat der trashige Flick selbstverständlich ganz woanders: Einmal mehr ist es die handgemachte Make-up- und Spezialeffektarbeit, die neben der vollen Dosis 80er-Atmosphäre das Interesse des Genrefreunds weckt. Die Masken der Maniacs sind mal weniger, oft aber mehr gelungen, die Metzelszenen fielen mitunter recht brutal aus und ansehnliche Melt-Effekte und Schleimspritzereien sorgen für wohligen Ekel – die Maniacs sind nämlich mit schlichten Wasserpistolen zu bekämpfen, worauf sie dahinzuschmelzen neigen.

Ob das nun eine so gute Idee ist, sei dahingestellt, ebenso wie die mit gleich zwölf mörderischen Freaks verdammt hoch bemessene Anzahl an Antagonisten. Doch obwohl man durch zwölf individuelle Monstren eigentlich genug filmfüllendes Potential haben sollte, geht „Neon Maniacs“ im Mittelteil arg die Luft aus und streckt sich durch seine anscheinend unverzichtbaren Musik- und Tanzeinlagen mühsam auf Spielfilmlänge. Denn was liegt nahe, wenn Monster und Mutanten die Stadt verunsichern? Richtig, man geht zum Singen und Tanzen auf eine Halloween-Party – auf dieser entpuppt sich Steven sodann als Schnulzensänger, dessen Nummern sich mit denen einer Hair-Metal-Band abwechseln! Der ansonsten eingesetzte Synthie-Soundtrack muss dafür innehalten. Ja, das ist das volle 80er-Brett!

Schauspielerisch geht das alles für eine solche Genreproduktion ganz in Ordnung, ins Langzeitgedächtnis spielt sich jedoch höchstens „No Name“ Donna Locke in ihrer anscheinend einzigen Rolle als Paula, weil sie irgendwie reichlich eigenartig aus der unvorteilhaften Wäsche glotzt. Sinn ergibt „Neon Maniacs“ vorne und hinten nicht, was man leicht euphemistisch mit einem „offenen Anfang und offenen Ende“ beschreiben könnte. Wer jedoch in Kindheitstagen vom Videothekenfutter traumatisiert wurde und seitdem süchtig ist nach 80er-Kreaturenspektakeln, wird auch trotz aller Unzulänglichkeiten mit den „Neon Maniacs“ nostalgisch verklärt eine nicht unangenehme Zeit verbringen – auch damit ächzt sich Mangines Film aber lediglich mit Ach und Krach auf eine Durchschnittsposition, die ich mit 4,5/10 beziffere.
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Shadow Hunter
Für den L.A.-Cop Cain - ausgebrannt vom harten Polizeidienst - klingt es fast wie Urlaub : Routine-Festnahme eines Indianers im Navajo-Reservat. Als er "Nakai Twobear" - der unter dem Verdacht steht eine Serie abartiger Morde verübt zu haben - in Tuba-City übernimmt, ahnt er noch nichts Böses. Die Navajos fürchten "Twobears" Grausamkeit. Auch haben sie Angst, daß er sich ihrer Seelen bemächtigt. Der gewalttätige Einzelgänger scheint auch noch über geheimnisvolle Willenskräfte zu verfügen. Er entkommt in die Wildnis des Reservats. Cains Suchtrupp nimmt die Verfolgung des auf der Flucht weiter mordenden, inzwischen schwer bewaffneten "Twobear" auf. Die junge indianische Fährtensucherin kennt die Tricks des Flüchtenden, der sie immer stärker in Fallen und in den Bann des Bösen lockt. Entsetzt stellt Cain fest, daß er selbst zum Gejagten wird. Jetzt kämpft er nicht nur um sein Leben, der Teufel "Twobear" will auch noch seine Seele ... (Covertext)
„Hat man dich geschickt, um Nakai Twobear abzuholen? Das ist bitter – bitter für dich!“

In seinem 1992 fürs US-amerikanische TV produzierten und 1993 ausgestrahlten Mystery-Thriller „Shadow Hunter“ schickt US-Regisseur J.S. Cardone („The Slayer“, „Arizona-Killer“) Scott Glenn („Das Schweigen der Lämmer“) als frisch von seiner Frau getrennten, gestressten Großstadt-Cop John Cain in ein Reservat der Navajo-Indianer, um den des mehrfachen, bestialischen Mordes verdächtigen Nakai Twobear (Benjamin Bratt, „Demolition Man“) festzunehmen. Nachdem zunächst alles nach Plan zu verlaufen scheint, manipuliert Twobear die Psyche seines Häschers, kann in die Wildnis entkommen und mordet unbeeindruckt weiter. Zusammen mit einigen Indianern, unter ihnen eine attraktive junge Fährtensucherin, macht Cain sich auf die Jagd, wird aber selbst zum Gejagten des sich seiner Seele bemächtigenden, gefürchteten Indianers...

„Shadow Hunter“ beginnt mit starken Bildern aus dem Los-Angeles-Kiezghetto-Milieu, die u.a. mit ihren neonblauen Ausleuchtungen atmosphärisch noch stark der End-80er-Großstadtmelancholie verhaftet sind. Passend dazu ertönt ein schmissiger Saxophon-Soundtrack. Doch schon bald bekommt John Cain, der als Bulle vom Typ „harter Hund mit sensiblem Kern“ und mittlerweile ausgemachten Psychoproblemen eingeführt wird, seinen gefährlichen Auftrag (so läuft das bei den Amis...?) und reist ins ländliche, abgelegene Reservat. Von nun an mutiert Cardones Thriller mit Mystery-Anleihen mindestens zur Hälfte zu einem US-Heimatfilm, der mit Fernweh weckenden Naturaufnahmen der bergigen Landschaft zu Lande sowie aus der Luft nicht geizt. Das Saxophon weicht sphärischen Synthesizer- und Panflöten-Klängen, kontrastreich wird das naturverbundene Leben der Indianer dem zuvor gezeigten Großstadtmoloch gegenübergestellt und dem Zuschauer die Indianerkultur nahe gebracht.

Denn Cain freundet sich mit seinen indianischen Kollegen an, lernt durch sie viel dazu und findet in der Fährtensucherin, die letztlich eine der wenigen Überlebenden sein wird, sogar eine neue Partnerin – was wenig überrascht, denn die obligatorische Romanze kündigt sich bereits frühzeitig an. Doch neben all diesen stets kitschverdächtigen Zutaten ist da ja noch der mysteriöse, motivlos tötende und mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestatte quotenböse Indianer Twobear, der ab und zu diabolisch in die Kamera blicken und grafisch natürlich wenig explizit seiner sadistischen Ader freien Lauf lassen darf. So kommt es zu ein paar seltenen Schockszenen, wirklich etwas über seine Hintergründe, seine Motive etc. erfährt man nicht.

Das ist enttäuschend und trägt nun wirklich nicht dazu bei, für die bisweilen etwas langatmige, sich in ihrer politischen Korrektheit suhlende Inszenierung zu entschädigen. Schade, denn schauspielerisch ist das alles grundsolide und auf Basis der die Weite der wunderschönen Landschaft einfangenden Kameraarbeit und des Kulturaustausch-Subplots hätte man durchaus etwas machen können. So aber wurde Antagonist Twobear vollkommen unzureichend ausgearbeitet und erhält mehr Alibifunktion, um der häufig schwülstigen Abenteuerhandlung etwas entgegenzusetzen. Das reicht aber nicht und so versandet „Shadow Hunter“ im Mittelfeld zusammengeschusterter Genre-Mixe, bleibt trotz vieler interessanter Ansätze mutlos und inkonsequent und taugt unterm Strich mehr für eine kleine Dosis nachmittäglicher Wohlfühlatmosphäre als für nervenkitzelnden Mystery-Thrill.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Schwingen der Angst
In einem Indianerreservat, in welchem kürzlich Öl entdeckt wurde, kommt es zu einem Konflikt über Erlaubnis oder Verbot der Förderung, als eine Horde von blutsaugenden Fledermäusen beginnt, ihr Unwesen in der Gegend zu treiben. Der Wissenschaftler Payne (David Warner) und ein junger Indianer (Nick Mancuso) gehen den tödlichen Vorfällen nach und entdecken Übernatürliches...
„Ich bereite das Ende dieser Welt vor!“

„Schwingen der Angst“ ist einer von US-Regisseur Arthur Hillers („The Babe – Ein amerikanischer Traum“) wenigen Ausflügen in den Horrorbereich, wenn nicht sein einziger. Der 1979 entstandene Film ist grob dem Tierhorror-Subgenre zuzurechnen, denn titelgebend waren die possierlichen Vampirfledermäuse.

In einem Indianerreservat in New Mexico wurde Öl entdeckt. Es kommt zum Konflikt zwischen mit der Ölförderindustrie zusammenarbeitenden und traditionelleren, konservativen Indianern. Auch Indianerdeputy Youngman Duran (Nick Mancuso, „Alarmstufe: Rot“, in einer seiner ersten Rollen) steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber, noch radikaler geht jedoch der alte, weise Stammespriester Abner Tasupi (George Clutesi, „Die Prophezeiung“) vor: Er beschwört den Weltuntergang und stirbt kurz darauf. In der Folge kommt es zu überfallartigen Attacken durch Vampirfledermäuse – besteht ein Zusammenhang?

„Schwingen der Angst“ beginnt mit einer Abfolge unheimlich starker, faszinierender Bilder der amerikanischen Gebirgslandschaft, der unberührt wirkenden Natur vor dem Hintergrund des Sonnenauf- und -untergangs, unterlegt von vereinnahmenden sphärischen Ambientklängen, die exotische Mystik mit Folklore vermengen. Diese Elemente ziehen sich durch den gesamten Film und tauchen immer wieder zu den verschiedensten Gelegenheiten auf. Kameramann Charles Rosher Jr. verstand sein Handwerk, das mich an eine weniger artifiziell wirkende Variante des 80er-Ästhetikums „Razorback“ erinnert. Die eigentliche Handlung wird mit der typischen Ruhe der 1970er-Jahre und in zahlreichen Dialogen erzählt, unter deren Geschwätzigkeit sich viele bedeutungsschwangere, zitierwürdige Zeilen gemischt haben. Umso schockierender wirkt sodann der erste Angriff der Fledermäuse, der, wie auch alle weiteren, nicht sonderlich gehäuft auftretenden Fledermausszenen, gut getrickst wurde. Anscheinend arbeitete man zum Teil mit echten Tieren, denen laut Abspann kein Leid zugefügt wurde. Sehr angenehm.

In Gestalt des Fledermaus-Jägers Phillip Payne (David Warner, „Das Omen“) etabliert man eine an die Manie klassischer Vampirjäger erinnernde Figur, die ökologisch unkorrekt kein gutes Haar an Vampirfledermäusen lässt, welche in der Fiktion des Films ja aber auch tatsächlich Unschuldige zu töten versuchen. Zusätzlich angereichert wurde die Handlung mit der schwierigen Beziehung Durans mit der weißen Ärztin Dr. Anne Dillon (Kathryn Harrold, „Die Herzensbrecher“), mit kulturellen Konflikten und Visionen im Mescalin-Rausch. Leider wirkt der Schnitt des Films recht eigenartig und häufig unglücklich; man schafft es nicht, die mal mehr, meist aber eher weniger bedeutsamen Subplots dramaturgisch geschickt miteinander zu verknüpfen. Zum Teil mag das jedoch auch an meinem Sat.1-TV-Mitschnitt von Ende der 1980er oder Anfang der 1990er liegen, von dem ich nicht weiß, ob Zensoren nicht zusätzlich die Schere ansetzten. Trotz wirkungsvoller mystischer Stimmung gelingt es Hiller nur in den actionhaltigen Szenen, wirklich Spannung aufzubauen, ansonsten plätschert „Schwingen der Angst“ häufig eher dahin – stimmt aber immer wieder mit seiner Bildästhetik versöhnlich.

Fazit: Die weit verbreitete Fledermaus-Paranoia machte man sich für „Schwingen der Angst“ zunutze, um sich kritisch mit der Industrialisierung und Ausbeutung indianischen Lands auseinanderzusetzen – nicht ohne die geheimnisvolle Aura, die alte Schamanen/Stammespriester und ihre Riten umgibt, ein wenig auszuschlachten und für den Horrorfilm zu instrumentalisieren. Letztlich bleibt „Schwingen der Angst“ weniger wegen seiner Geschichte als vielmehr aufgrund seiner ausdrucksstarken Bilder in Kombination mit seinen zur Melancholie neigenden Klängen in Erinnerung, was die soliden schauspielerischen Leistungen sowie die angewandten Tricktechniken zu keinem Zeitpunkt gefährden. Die Stärken überwiegen und laden immer mal wieder dazu ein, „Schwingen der Angst“ während einer lauen Sommernacht in den Player zu schieben und sich genussvoll den faszinierenden Geschöpfen der Nacht und der indianischen Naturverbundenheit hinzugeben.
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Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key
Oliviero Ruvigny (Luigi Pistilli), ein Schriftsteller, der seine beste Zeit bereits hinter sich gelassen hat und dem Alkohol verfallen ist, lebt mit seiner Frau Irené (Anita Strindberg) auf einem abgelegenen Landsitz. Die Erinnerungen an seine tote Mutter, die er nicht bewältigt brechen als Gewalt und Erniedrigung gegen Irené hervor. Die angespannte Situation verschlimmert sich noch, als Olivieros Geliebte ermordet wird. Und der Besuch der aufreizenden Cousine Floriana (Edwige Fenech), deren Verführungskünsten bald beide Eheleute zu erliegen drohen scheint die Tragödie zu besiegeln. Weitere Mädchen werden getötet und immer weiter wächst der stille Hass der gedemütigten Irené...
Giallo meets Poe

„Kleidung ist, was die Welt ruiniert. Nackt sind wir alle gleich!“

Nachdem Italo-Regisseur Sergio Martino 1971 in Zusammenarbeit mit Kameramann Emilio Foriscot mit „Der Killer von Wien“ und „Der Schwanz des Skorpions“ zwei Gialli gedreht hatte, von denen mindestens erstgenannter zur Oberliga des Genres zu zählen ist, folgten nur ein Jahr später mit „Die Farben der Nacht“ und „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key“ zwei Kollaborationen mit Giancarlo Ferrando als für die Kinematographie Zuständigem. „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key” ist der erste Giallo aus dieser Reihe, der ohne George Hilton auskommt, dafür ist im Gegensatz zu „Der Schwanz des Skorpions“ die bezaubernde Edwige Fenech wieder mit von der Partie.

Der ausgebrannte, erfolglose Schriftsteller Oliviero Ruvigny (Luigi Pistilli, „The Good, the Bad and the Ugly“) bekämpft seinen Frust mit dekadenten Partys auf seinem schlossartigen Anwesen, Alkohol und Erniedrigungen seiner Frau Irené (Anita Strindberg, „Der Schwanz des Skorpions“) und hat zudem einen ausgeprägten Komplex in Bezug auf seine verstorbene Mutter entwickelt, die er gern mit Maria Stuart vergleicht. Eines Tages werden zunächst seine Geliebte und nur kurze Zeit später das Zimmermädchen ermordet, wodurch sich die Situation weiter zuspitzt, in die mitten hinein Olivieros attraktive Cousine Floriana (Edwige Fenech, „Sklaven ihrer Triebe“) platzt. Wer hat welche nicht nur sprichwörtlichen Leichen im Keller und warum?

Schnell wird die anders besetzte Verantwortlichkeit für die Kameraarbeit deutlich, die hier deutlich unprätentiöser und weniger experimentierwütig als unter Foriscot erscheint. Wie der Spagat zwischen Edgar-Allan-Poe-Gotik, auf dessen „The Black Cat“ der Film lose basiert, und hedonistischem Giallo-Schick gelingt, ist indes durchaus respektabel. Damit ist „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key” quasi das Gegenstück zu einem sonnendurchfluteten “Feel-Good-Giallo” à la „Der Killer von Wien”. Dafür sorgt in erster Linie das düstere Ambiente des Anwesens der Reuvignys, das wie ein Abbild Olivieros kranker Seele wirkt. Die geschickt konstruierte „Whodunit?“-Handlung lenkt den Verdacht zunächst komplett auf Oliviero, doch genreerfahrene Zuschauer wissen natürlich, dass das nicht die ganze Wahrheit sein kann. Und so findet sich folgerichtig auch hier die gern verwandte Dopplung als Charakteristikum, um letztendlich Edgar Allan Poe gerecht zu werden und das bekannte Motiv des Finales fulminant auszuspielen, ohne dabei an Spannung einzubüßen. Anita Strindberg spielt die geschundene, doch undurchsichtige Irené emotional, aber frei von jeglicher Übertreibung; sie beherrscht die Klaviatur der leiseren Töne – eine tolle Leistung! Weniger auf ein wechselhaftes Mienenspiel als vielmehr auf konsequente Verbitterung ausgelegt wurde Pistillis Rolle, dessen an psychischen Abgründen reicher Charakter sich nach und nach in seinem ganzen Ausmaße zeigt. Oliviero ist dabei ein Typ Mensch, über den mehr gesprochen wird, als dass er selbst spräche; aufgrund seiner Verschlossenheit erfährt der Zuschauer nicht immer sofort, was üble Nachrede und Intrige ist und was der Wahrheit entspricht. Pistilli entspricht so gar nicht dem Giallo-Sunnyboy, wie ihn beispielsweise ein George Hilton verkörpert, und passt damit perfekt in seine Rolle. Die entscheidende Nebenrolle wird Edwige Fenech zuteil, die das verschlagene Biest Floriana mimt und die sexuelle Aufgeladenheit der zwischenmenschlichen Beziehungen der Handlung auf ein neues Level hievt. Sexualität wird dabei, ganz gleich mit welchem Geschlecht, nie aus Liebe, sondern als Waffe, als Werkzeug zum Erreichen von Zielen oder schlicht zum Zeitvertreib eingesetzt. Im Zuge dessen kommt es natürlich zu einigen erotischen Szenen, die „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key” den Erotik-Thriller-Anstrich verpassen, der so vielen Gialli zuteil ist – nachdem bereits in der Anfangssequenz mit eingangs erwähntem Zitat die Freizügigkeit des Films betont wird.

Die verwendeten Spezialeffekte hat man allerdings wie auch die Stunts schon besser gesehen, diese fielen doch mitunter arg durchschaubar aus. Ganz wunderbar gelang es jedoch, die schwarze, auf den vertrauenserweckenden Namen „Satan“ hörende Katze in die Handlung zu integrieren, ohne dass es aufgesetzt oder überkonstruiert wirken würde. Trotz „Satan“ wird man als den Poe-Hintergrund betreffend unbedarfter Zuschauer nicht unbedingt darauf gestoßen, welche wichtige Rolle ihr noch zuteilwerden würde. Und auch, wenn „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key” zwischenzeitlich hier und da etwas die Puste auszugehen droht und man sich etwas zu sehr auf die stimmungsvolle Wirkung des Ambientes zu verlassen scheint, beweist man in den entscheidenden Momenten den richtigen Riecher für Dramaturgie und Suspense sowie ein Poe-Finale im Psycho-Thriller-Stil, das diesen Namen durchaus verdient. Musikalisch untermalt wird Martinos Film von einem geschmackvollen Spinett- und Streicher-Soundtrack Bruno Nicolais, der mit der Handlung korrespondierend ebenfalls zwischen zwei Welten wandelt, tendenziell jedoch eher der getragenen Schwere des Gothic-Thrill-Elements verpflichtet klingt.

Aufgrund der starken Konkurrenz nicht nur des Genres, sondern auch innerhalb Martinos Œuvre gebe ich nach meiner Erstsichtung hochverdiente 7/10 Punkte, gestehe dem Film aber zu, Potential nach oben zu besitzen und behalte mir eine entsprechende Korrektur zu einem späteren Zeitpunkt vor.
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The Child – Die Stadt wird zum Alptraum
Franco (George Lazenby), ein in Venedig lebender Bildhauer, erhält Besuch von seiner kleinen Tochter (Nicoletta Elmi), die bei ihrer Mutter (Anita Strindberg) lebt. Doch die Freude über den Besuch ist nur von kurzer Dauer: Am nächsten Morgen treibt das Kind tot in einem Kanal. Wie ein Besessener und blind vor Trauer beginnt Franco, sich auf die Suche nach dem Kindermörder zu machen, der die Lagunenstadt in Angst und Schrecken versetzt...
Italo-Regisseur Aldo Lado erschuf mit seinem nach dem doch eher dem Mystery-Thriller-/Horror-Bereich zuzuordnenden „Malastrana“ zweiten Spielfilm „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ im Jahre 1972 einen relativ eindeutig als Giallo erkennbaren Film in italienisch-deutscher Koproduktion. Bildhauer Franco (Ex-„James Bond“ George Lazenby, „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“) lebt von seiner Frau (Anita Strindberg, „Your Vice is a Locked Room and Only I Have the Key“) getrennt in Venedig. Seine kleine Tochter Roberta (Nicoletta Elmi, „Profondo Rosso“) kommt ihn besuchen, wird jedoch kurz darauf umgebracht. In verzweifelter Trauer macht sich Franco auf, den Mörder zu finden...

„The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ beginnt mit einer Rückblende ins Jahr 1968, in dem in einem Skigebiet ein junges Mädchen Opfer eines sich hinter einem Schleier verbergenden Mörders wird, um anschließend im Venedig des Jahres 1972 einzusteigen. Die Szenen, die das glückliche Vater-Tochter-Verhältnis zeigen, werden in wunderschön sowohl mit künstlichem als auch dem natürlichen Sonnenlicht ausgeleuchteten Bildern, die die unbeschwerte Lebenskultur der romantischen Stadt zeigen, eingefangen. Doch nach dem Mord an Roberta verändert sich die Optik des Films. Wirkte der überragende „Malastrana“ wie eine Liebeserklärung an die „goldene Stadt“ Prag, scheint Lado mit Venedig das genaue Gegenteil vorzuhaben: In gedeckten Farben entromantisiert er die Lagunenstadt und inszeniert sie als einen Ort der Trauer und Tristesse, des sterbenden Lebensmuts, der düsteren Schatten und schmutzigen Gassen. Diese atmosphärische Meisterleistung, das Erzeugen dieser unwirtlichen Stimmung, ist die größte Stärke des Films, der als Giallo überwiegend mehr zum Krimi denn zum Psycho- oder gar Horror-Thriller tendiert, wenngleich die subjektive Kameraführung aus Sicht des Mörders für sehr unheimliche Momente sorgt.

Untermalt von einem zwischen fröhlich und enervierend pendelndem Kinderchor-Soundtrack des Maestros Ennio Morricone und mit einer schön wie selten erscheinenden Anita Strindberg als Augenschmaus und subtilen Erotikfaktor versehen, wird der Zuschauer Zeuge eines souverän aufspielenden, jegliche Erinnerungen an „James Bond“ hinter sich lassenden Lazenbys, den das Drehbuch verzweifelt und kraftzehrend von Indiz zu Indiz, von Nebendarsteller zu Nebendarsteller und von Ort zu Ort hetzen lässt, getrieben von nur noch einem einzigen Lebensinhalt. Dies geschieht intensiv und konsequent ernst genug, um ein empathiebegabtes Publikum die geringe Anzahl an Morden und den generell niedrigen Gewaltfaktor des Films, der sich wenig exploitativ gibt, schnell verzeihen zu lassen und mit einer deprimierenden Handlung zu fesseln. Leider – und das ist wiederum die größte Schwäche des Films – hat man letztlich kein wirklich starkes, überzeugendes Finale zu bieten, so dass „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ in erster Linie als ungewohnte Konfrontation mit den dunklen Seiten Venedigs, als trauriges Kriminaldrama italienischer Handschrift, im Gedächtnis bleibt, während die Auflösung hingegen womöglich schnell verdrängt werden wird. Damit wirkt Lados Film etwas unrund, die Geschichte nicht 100%ig ausgegoren, was eine italophile Zielgruppe, die diese Art von Filmen bzw. ihre Regisseure, Kameraleute und Komponisten in erster Linie für ihre Ästhetik schätzt, aber nicht sonderlich tangieren dürfte. Zudem scheint „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“ recht deutlich Inspirationsquelle für den populäreren „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ gewesen zu sein, dessen eigene Kreativleistung sich dadurch relativiert.

Allein schon wegen der rothaarigen, unter tausenden Kindern unverkennbaren Göre Nicoletta Elmi als ausnahmsweise einmal ganz normales Mädchen sehenswert.
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X – Urban Killer
Alkohol und der aus übermäßigem Verzehr resultierende Filmriss - so ergeht's auch dem Polizisten Javier, der eines Morgens aufwacht und sich an nichts aus der vergangenen Nacht erinnern kann. Dennoch wird er sofort zu einem Tatort gerufen, wo er die Leiche eines Mannes, der mit einer Schere abgeschlachtet wurde, findet. Diese Schere allerdings findet sich in seinem Auto wieder. Was also passierte in der letzten Nacht? Javier macht sich auf die Suche nach dem Mörder...
„Leute mit Problemen sind mir ein Gräuel!“

Der Thriller „X – Urban Killer“ ist das im Jahre 2002 veröffentlichte Debüt des spanischen Regisseurs Luis Marías. Der homophobe Bulle Javier (Antonio Resines, „Aktion Mutante“) steht nach einer durchzechten Nacht inkl. Filmriss in Verdacht, einen homosexuellen Friseur erstochen zu haben, da alle Indizien auf ihn als Täter hinweisen. Javier versucht, den Abend zu rekonstruieren…

Mit seinem durchaus respektablen Debüt versucht sich Marías an einem Film-Noir-beeinflussten Thriller ohne sonderlich sympathische Identifikationsfigur, denn Javier ist ein knorriger, rauer Typ, der unter seiner Schale einen verbitterten Kern vermuten lässt, der ihn zum eher unangenehmen Zeitgenossen macht. Die dialoglastige Handlung konstruiert eine Geschichte, die den Zuschauer zweifeln lässt, ob Javier der Mörder war oder nicht und ihn damit bei der Stange hält. Jeden, der schon einmal einen „Filmriss“ hatte, wird das Thema grundsätzlich ansprechen und zu „Was wäre, wenn…“-Gedankenspielchen einladen sowie eine gewisse Empathie Javier gegenüber begünstigen. Im letzten Drittel, wenn klar geworden ist, inwieweit Javier in den Mord verwickelt ist, versucht Marías, den daraus resultierenden Spannungsabfall mit einigen Schießereien u.ä. auszugleichen, wodurch der Härtegrad des Films steigt. Die letztliche Auflösung bekommt man allerdings erst ganz am Ende serviert, womit „X – Urban Killer“ in angenehmer Weise an klassische Suspense-Kriminalfilme sowie aufgrund des nicht gerade einfach zu erratenden Motivs auch ein bisschen an einen Giallo erinnert.

Weniger glaubwürdig ist hingegen, dass ausgerechnet Javier bei aller Insichgekehrtheit eine Art Frauenheld sein soll, doch das Thriller-Reißbrett sah derartige Szenen anscheinend vor. Die Kameraarbeit fällt recht statisch aus; es wird viel mit Schuss-Gegenschuss gearbeitet, was mit dazu bei trägt, dass „X – Urban Killer“ nicht immer frei von der sicherlich angestrebten düsteren Stimmung des Films nicht sonderlich förderlicher Hektik ist. Resines indes macht seine Sache gut und glaubwürdig, ein gern gesehener Charakterkopf des iberischen Kinos. Insgesamt ist Marías‘ Film ein netter Happen für Zwischendurch und unterhaltsam sowie spannend genug, um über die gesamte Laufzeit wenn nicht zu fesseln, so doch ein gewisses Grundinteresse aufrecht zu erhalten, letztlich aber nichts Besonderes oder Herausragendes. Solider, guter Durchschnitt, von meiner Warte etwa bei 5,5/10 anzusiedeln.
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