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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 11. Dez 2022, 18:46
von jogiwan
Taxi Girl

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Die hübsche Marcella besitzt ein Taxi samt Konzession, was im Italien der Siebzigerjahre jedoch nicht selbstverständlich ist. Ihre Eltern würden sie lieber in einem biederen Beruf oder verheiratet hinter dem Herd sehen, wobei sich die selbstbewusste Frau weder von gängigen Moralvorstellungen, männlichen Kollegen, noch von dubiosen Fahrgästen aus der Ruhe bringen lässt, die sie immer wieder mit der Polizei in Berührung bringen. Als sich der Polizist Walter in die junge Frau verliebt und um ihre Hand anhält, lässt sich die dralle Marcella aber auf Geheiß des Polizeipräsidenten lieber auf ein gefährliches Spiel als Lockvogel ein, der einen berüchtigten Mafiosi endlich zur Strecke bringen soll.

Was sich nicht so alles auf Netflix findet… eine „Commedia sexy all'italiana“ mit Edwige Fenech, George Hilton und noch weiteren bekannten Gesichtern wie Alvaro Vitali, der hier jedoch eher zurückhaltend agiert. Der Film ist auch voll und ganz auf Frau Fenech und ihre Reize zugeschnitten und konzentriert sich auf die turbulenten Abenteuer der selbstbewussten Frau, die durch ihre Arbeit auf allerlei seltsame Menschen trifft und einen berüchtigten Paten zur Strecke bringen soll. Dabei nimmt sich der Film nie sonderlich ernst und wirkt in seiner emanzipierten Botschaft auch sympathisch. Ich muss ja ehrlich gestehen, dass italienische Komödien ja normalerweise nicht mein Fall sind, aber „Taxi Girl“ ist unterhaltsam, witzig und hat das Herz am richtigen Fleck. Und wenn es am Ende durch das Gelände eines Filmstudios geht und dabei auch noch das suspirianische „Haus zum Walfisch“ mit seiner blutroten Fassade als Kulisse kurz zu bestaunen gilt, geht einem auch das Genre-Fan das Herz auf. Wenn dann am Ende alle Handlungsstränge und Figuren zusammenlaufen passiert ja auch noch etwas seltsam Versöhnliches, was in Zeiten wie diesen auch Herz und Seele gut tut. „Taxi Girl“ ist ein Feelgood-Movie für altgediente Genre-Haudegen, das gute Laune verbreitet. Zu bestaunen auf Netflix im italienischen Original mit deutschen Untertiteln.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 13. Dez 2022, 19:33
von jogiwan
Wednesday - Staffel 1

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Die junge Wednesday rebelliert gegen die Welt, ihr Elternhaus und gegen gutbürgerliche Konventionen, in dem sie ihren Willen notfalls auch mit Gewalt durchsetzt. Als sie wiederholt von der Schule fliegt, wird sie von ihren Eltern ins Nevermore Internat gesteckt, in dem sich die Außenseiterin in bester Gesellschaft von anderen Jugendlichen mit besonderen Gaben wiederfindet…

Den Hype um die Serie beim jungen Publikum kann man schon verstehen und „Wednesday“ ist am Puls der Zeit mit hübschem Look, Diversity-Cast bzw. Figuren und den üblichen Zutaten einer Netflix-Teenie-Serie in Richtung Fantasy-Horror. „Wednesday“ ist tatsächlich den Harry-Potter- und Twilight-Filmen näher als den beiden Addams-Kinofilmen und der Serie, mit denen ich aufgewachsen bin. Eigentlich würde man meinen, dass die Figuren bei Tim Burton ja in besten Händen wären, was hier aber seltsamerweise nicht der Fall ist. Eine liebenswerte Verschrobenheit und morbides Settigs sucht man ja eher vergeblich, stattdessen ist alles auf Hochglanz und Zeitgeist gebürstet, was doch irgendwie schade ist. Die Addams waren ja schon immer angenehm anders und aus der Zeit gefallen, doch im Falle der seltsam zynisch-egozentrisch und unterkühlt erscheinenden „Wednesday“ wird jegliches Potential in diese Richtung Persiflage gutbürgerlicher Befindlichkeiten einer eher actionlastig erzählten Geschichte aus dem Bereich Fantasy-Horror geopfert, bei der trotzdem irgendwie Ecken und Kanten fehlen und alles immer zu sehr auf die Generation Tik Tok, CGI und unendliche Vermarktungsmöglichkeiten zugeschnitten scheint. Die Serie ist nicht schlecht, aber doch auch ziemlich austauschbar und nicht das, was ich mir erwartet bzw. im besten Falle erhofft hatte. „Wednesday“ macht zweifellos Spaß und lässt sich gut gucken, aber es fehlt auch einfach der morbide Charme, Humor, der Mut politisch korrekte Pfade zu verlassen und „Wednesday“ könnte im Grunde genauso gut das Serien-Remake von „Die Insel der besonderen Kinder“ sein. Irgendwie schade, auch wenn das der Großteil der jugendlichen Seher:Innen egal sein wird.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 14. Dez 2022, 19:29
von jogiwan
Die Totenliste

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So ein Streifen wie „Die Totenliste“ ist schon ein ziemliches Kuriosum. Da dreht John Huston einen Mystery-Thriller, der mit einer A-Riege an Darstellern wirbt, die im Film dann mehr oder minder gar nicht vorkommen bzw. Mini-Cameos unter dicken Latex-Masken haben und quasi bis zur finalen Auflösung nicht zu erkennen sind. Die Geschichte über eine mysteriöse Mordserie in Großbritannien ist ja völlig an den Haaren herbeigezogen, mehr als konstruiert und wenig glaubhaft. Dennoch mach die Schnitzeljagd nach dem Mörder, der dem Geheimagenten und seinem französischen Kumpel immer eine einen Schritt voraus zu sein scheint und dabei wenig zimperlich zur Sache geht, doch auch wieder Spaß. Zwischendurch tauchen immer wieder Figuren auf, die sehr offensichtlich mit dicker Maske durch die Gegend laufen und der Reiz des Films scheint es dann wohl zum Teil auch darin zu bestehen, diese Weltklassedarsteller zu erkennen. Oder so ähnlich… Ansonsten ist „Die Totenliste“ eher mittelprächtig und statt Spannung ist eher Schmunzeln angesagt, wenn der französische Kriegsveteran seine Lebensweisheiten von sich gibt. Ich habe mich im Gegensatz zu Ugo aber auch durchaus gut amüsiert und irgendwie ist „Die Totenliste“ auch so etwas wie ein trashiger „Whodunnit“-Thriller mit allerlei Nebenschauplätzen und FX-Werkschau, bei dem die finale Auflösung der namhaften Gaststars unter ihrer Maskierung als vermeintliche Schlusspointe aber dennoch für den Verlauf des Streifens völlig nebensächlich und willkürlich erscheint.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 16. Dez 2022, 19:23
von jogiwan
Brennen muss Salem

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Die zweiteilige Reihe war seinerzeit und in jungen Jahren einer meiner ersten Berührungspunkte mit Grusel und Horror und daher hat diese Adaption von Tobe Hooper auch einen großen Stein bei mir im Brett. Den Zusammenschnitt kann man ja getrost vergessen, aber die Version mit knapp 3 Stunden geht schon klar, auch wenn einem stets bewusst ist, dass man es hier mit einer TV-Produktion zu tun hat. Alles wirkt etwas bieder und brav und bleibt auch stets hinter den Möglichkeiten zurück. Dennoch hat „Brennen muss Salem“ schon ein paar echt schöne Momente, in denen einem der Oldskool-Schauer über den Rücken lauft und Reggie Nalder als Obervampir ist auch eine sehr eindrucksvolle Erscheinung. Sicherlich gibt es viel bessere Adaptionen und dem Buch wird der Streifen auch nicht gerecht, aber insgesamt schon eine schöne Auffrischung von jugendlichen Erinnerungen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 17. Dez 2022, 19:23
von jogiwan
Django - Kreuze im blutigen Sand

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„Django – Kreuze im blutigen Sand“ ist der erwartbare Western-Mist mit dunkel geschminkten Darstellern, die in die Luft springen und Pirouetten schlagen, wenn sie von einer Kugel getroffen werden. Der wortkarge und todbringende Held heißt hier eigentlich Cjamango, aus dem die deutsche Fassung kurzerhand einen Django macht. Dieser hat sein Gold verloren und gerät beim Zurückholen desselben zwischen zwei verfeindete Parteien. Soweit so bekannt gibt es dann noch eine hübsche Frau und ein nervendes Balg, denen zwar wie allen anderen habgierigen Figuren eine tiefergehende Charakterisierung verweigert wird und die mehr schlecht als recht die minimale Handlung vorantreiben. Geschossen wird dafür die ganze Zeit, der Bodycount übersteigt das übliche Maß und dennoch ist es wieder einmal die alte Leier von Habgier und dem Bösen im Menschen, das dafür sorgt, dass dem Sargtischler die Arbeit so schnell nicht ausgeht. Ganz übel auch die deutsche Kalauer-Synchro, die hier mal so gar keinen Sinn ergibt und im völligen Widerspruch zur eher düsteren Geschichte steht. Ansonsten austauschbar bis zum Anschlag gibt es hier auch nichts Nennenswertes, an das man sich gerne erinnern würde und daher wurde die Eindrücke der Sichtung bis zur finalen Schlusspointe auch gleich nebenher mit drei Bieren weggeschwemmt. Auf dein Wohl, Cjamango – und auf Nimmerwiedersehen! :wink:

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 18. Dez 2022, 18:53
von jogiwan
Heavy Metal Parking Lot

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Am 31. Mai 1986 findet in Maryland ein Konzert der britischen Metalband Judas Priest statt. Diese befinden sich gerade am Höhepunkt ihres Erfolgs und daher sind auch scharenweise Fans zu diesem Event angereist. Filmemacher John Heyn und Jeff Krulik mischen sich mit ihrer Kamera bewaffnet am Parkplatz vor der Konzerthalle unter die Fans und haben ein Stimmungsbild der amerikanischen Metalfan-Szene der Achtziger eingefangen, dass unbeschwert, Bier-lastig und aus der Zeit gefallen wirkt.

Metal ist ja bekanntlich so gar nicht meine Baustelle, aber durch den Genre-Film gibt es ja immer wieder Berührungspunkte mit Kutten-Trägern und langzottigen Metalfans, die sich ja zumeist als durchaus als sympathische Zeitgenossen herausstellen. Die Doku „Heavy Metal Parking Lot“ präsentiert in 17 Minuten ein Stimmungsbild aus den Achtzigern und zeigt Metal-Fans aus den Staaten, die sich anlässlich eine Judas Priest-Konzerts in Maryland versammeln und am Parkplatz vor der Konzerthalle vorglühen bzw. sich mit Joint und Dosenbier auf Rob Halford und Konsorten einstimmen. Sonderlich gehaltvoll ist das Ganze zwar nicht und die meisten Fans blärren einfach nur „Priest“ in die Kamera, aber schon auch irgendwie spaßig. In Maryland trägt man statt Leder und Nieten lieber ausgewaschene Bandshirts oder gar nix und wünscht sich die Legalisierung von Drogen oder einen Backstage-Pass. Ob Judas Priest, Dokken, Iron Maiden oder doch die Scorpions die bessere Metal-Band sind, erfährt man in den kurzweiligen 17 Minuten jedoch leider nicht und irgendwie ist das Ganze doch sehr kurz ausgefallen. Auf der nicht ländercodefreien Doppel-Blu-Ray gibt es aber noch tonnenweise Bonusmaterial mit und für Fans, sowie augenzwinkernde Persiflagen der Regisseure, wenn 10 Jahre später das ganze Konzept des Kurzfilms bei einem Neil Diamond-Konzert und einer völlig anderen Zielgruppe wiederholt wird. Metal wird nie meine Baustelle sein, aber Berührungspunkte darf es weiterhin gerne geben.

Freaks

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jogiwan hat geschrieben: Di 1. Dez 2015, 07:26 Großartiger Streifen und einer meiner allerersten Horror-Erfahrungen, auch wenn der Film in der Horrorecke eigentlich gar nichts zu suchen hat. Aber man kann sich schon gut vorstellen, dass Tod Browning mit seinem 1932 gedrehten Streifen das Publikum und seinen Freaks gleich ganz ordentlich verschreckt hat und „Freaks“ seinerzeit doch recht verstörend gewesen sein muss. Doch wer glaubt, dass die missgestalteten Menschen vorgeführt werden irrt und der Streifen ist vielmehr ein Dokument der Menschlichkeit, das diesen damals geschmähten und der Sensationslust des Publikums preisgegebenen Außenseiter als Menschen mit Gefühlen und natürlichen Bedürfnissen präsentiert. Dennoch musste der Streifen laut Wikipedia seinerzeit um ein Drittel gekürzt werden, da er mit seinen Figuren und drastischem Ende das Publikum zu sehr schockierte und sich der Streifen mit den damalig geltenden Moralvorstellungen der Gesellschaft nicht vereinbaren ließ. Das hat sich ja mittlerweile geändert und „Freaks“ hat mittlerweile den Ruf, den er auch verdient und in „American Horror Story: Freak Show“ wird der Film auch ausreichend gehuldigt. Ein wirklich sehenswertes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und vielleicht findet man ja irgendwann in verstaubten Archiven oder in einer russischen Salzmine die ursprüngliche Fassung des Streifens.
Gestern nochmal geschaut, gibt es hier nicht viel zu ergänzen. Toller Film und findet endlich das fehlende Drittel. :engel:

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 19. Dez 2022, 19:35
von jogiwan
Die Kreidelinie

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Das kinderlose Ehepaar Paula und Simon finden eines Nachts auf der Strasse ein erschöpftes und traumatisiertes Kind, dass auf der Fahrbahn wankt. Als sie sich am nächsten Tag im Krankenhaus um den Zustand des Kindes informieren, entdecken sie gemeinsam mit den Ärzten, das sich das auf Klara getaufte und stumme Kind nur innerhalb einer Kreidelinie bewegt und diese nicht überschreitet. Da Klara auch Vertrauen in Paula gefasst hat, stimmt die Kinderpsychologin einem Experiment zu und überlässt das Kind dem Paar, dass sich daraufhin um das Kind kümmert. Wenig später geschehen aber seltsame Dinge und das Kind, wie auch Paula reagieren zunehmend aggressiv auf die Versuche die beiden zu trennen…

Spanischer Thriller mit spannender Ausgangslage, die allerdings auch sehr viel Wohlwollen vom Zuschauer erfordert, wenn ein traumatisiertes Kind so einfach einem Ehepaar überlassen wird, das sich jedoch rührend um das Kind kümmert. Es ist ja lange nicht klar, was hinter der ganzen Sache steckt und der Zuschauer wird natürlich auch etwas an der Nase herumgeführt. „Die Kreidelinie“ braucht auch etwas, bis er in die Gänge kommt, während es am Ende dann doch recht schnell geht, was manchen Zuschauer wohl auch verwirren dürfte. Ansonsten ist der Thriller routiniert gespielt, hübsch gefilmt und auch die Geschichte konfrontiert vor allem den österreichischen Zuschauer mit unschönen Dingen aus der näheren Vergangenheit und ich fühlte mich auch angenehm an den unaufgeregt erzählten, aber umso effektiveren „The Vanishing – Spurlos verschwunden“ erinnert, der ebenfalls nur wenige, plakative Elemente benötigt, um den Zuschauer nachhaltig zu verstören. „Die Kreidelinie“ erreicht das zwar nicht ganz, ist aber auf einem guten Weg und wenn man Euro-Thriller mag, dann sollte man auch den hier nicht verpassen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 21. Dez 2022, 19:30
von jogiwan
Sturm des Jahrhunderts

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Kurz vor einem angekündigten Mega-Wintersturm erscheint ein Fremder auf der abgelegenen Insel Little Tall Island und ermordet eine alte Frau. Als der Polizist und Supermarkt-Besitzer Mike den Mann mit seinem Kollegen festnimmt, lässt sich dieser widerstandslos festnehmen und wird in eine Zelle gesteckt, während draußen der Sturm Fahrt aufnimmt. Als sich alle Bewohner im Keller des Rathauses treffen um in Sicherheit zu sein, passieren jedoch seltsame Dinge und Bewohner sterben auf mysteriöse Weise oder verhalten sich ungewöhnlich. Mike erkennt rasch, dass der Fremde mit seinen scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten damit zu tun hat und dieser stellt wenig später auch eine Forderung, die auch die Dorfgemeinschaft während des Jahrhundert-Sturms auf eine zusätzliche Probe stellt…

Irgendwie hab ich momentan wieder große Lust auf Stephen King und da immer noch ein paar seiner Mini-Serien fehlen, bin ich beim „Sturm des Jahrhunderts“ gelandet. Die kanadische Mini-Serie mit drei Teilen zu je knapp 85 Minuten ist auch überraschend gut gelungen und überzeugt mit interessanten Figuren, viel Schnee und unbekannten Gesichtern, die der Geschichte über seltsame Vorkommnisse auf einer entlegenen Insel ein authentisches Flair verleihen. Als King-Fan hat man sofort wieder vertrauliche Dinge und die viereinhalb Stunden vergehen auch wie im Flug, selbst wenn man das Finale wieder in einer Art und Weise erahnen kann. Bis dahin lässt man sich durchaus viel Zeit mit Charakterisierung und Atmosphäre, während sich die Ereignisse mehr und mehr zuspitzen. Ich fand „Sturm des Jahrhunderts“ trotz seiner Religionsbezüge sehr gelungen und die Story wird nicht wie aktuell in der Streaming-Serien-Landschaft so üblich breit ausgewalzt und mit zahlreichen Nebenhandlungsschauplätzen und Cliffhangern versehen. King geht ja immer und der Schnee-Fan in mir kommt hier ebenfalls auf seine Kosten. Ja, die Serie macht Spaß und wie ich gerade gelesen hab, mag auch der Schöpfer der Geschichte diese kanadische TV-Produktion sehr und hat sich wohlwollend darüber geäußert. Ich stimme hier gerne zu.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 23. Dez 2022, 20:37
von jogiwan
Stephen Kings Haus der Verdammnis

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Professorin Joyce Reardon interessiert sich für das Übernatürliche und steht deswegen bei ihren Kollegen auf der Universität in der Kritik. Um diese Phänomene zu beweisen, organisiert sie einen wissenschaftlichen Ausflug mit allerlei technischen Geräten und übernatürlich veranlagten Personen in das Anwesen der Rimbauers, dass mitten in Seattle dem Verfall preisgegeben wird, nachdem es zu zahlreichen unerklärlichen Vorfällen gekommen ist. Schon bei der Ankunft geschehen seltsame Dinge und der illustre Trupp aus unterschiedlichsten Leuten lernt die böse Seele des Hauses kennen, wobei nicht jeder der Teilnehmer das Wochenende unbeschadet überstehen wird…

Stephen Kings „Haus der Verdammnis” entpuppt sich leider als etwas wirres Sammelsurium aus allerlei Zutaten aus hundert Jahren „Haunted House“-Filmen, die man bereits schon viel zu oft in dutzenden von anderen Filmen gesehen hat. Übergroßes Vorbild ist natürlich „Bis das Blut gefriert“, dessen Intensität aber leider nicht einmal ansatzweise erreicht wird. Viel mehr geht hier alles in Richtung Geisterbahnfahrt und auch wenn die Voraussetzungen stimmen, wirkt das alles immer etwas überkandidelt, überladen und gleichzeitig auch unausgegoren. Meist gibt es in diesen Filmen ja nur eine Figur mit übernatürlicher Wahrnehmung, die sich dann als interessanteste und vielschichtigste Figur von allen herausstellt. Hier ist es gleich eine ganze Gruppe von Leuten, die mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit die seltsamsten Dinge übernatürlicher Art erleben und von Telekinese, Hellseherei bis hin zu Geistererscheinungen verzettelt sich die Geschichte in all seinen Nebenschauplätzen, bis man gar nicht mehr so recht weiß, worum es in „Rose Red“ überhaupt noch geht. Trotz der vier Stunden hat man das Gefühl, dass einiges fehlt und abgesehen von einer durchaus schönen Optik gibt es einfach zu viele Dinge, die hier entweder übertrieben, zu billig wiederverwertet oder auch liegengelassen werden. Wenn der Ausflug der Psychologin in das böse Geisterhaus wie in der Mini-Serie als Aufhänger für das Ganze tatsächlich einen Beweis antreten soll, dann wohl der, dass auch Stephen Kings Kreativität mal einen schlechten Tag haben kann.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 25. Dez 2022, 19:48
von jogiwan
Christmas Bloody Christmas

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Tori hasst Weihnachten und alles was damit zu tun hat und so hat die Schallplattenladenbesitzern an Heiligabend auch lieber ein Tinder-Date, als mit ihrer Schwester unterm Weihnachtsbaum zu sitzen. Doch es kommt anders, als sie mit ihrem Angestellten Robbie in einer Bar und wenig später im Spielzeugladen ihrer Freundin landet, wo es ebenfalls wenig christlich zugeht. Dummerweise steht dort auch ein Weihnachtsmann-Roboter, der aus ehemaligen Rüstungsmaterial umfunktioniert wurde und nach einer Fehlfunkton zur Axt-schwingenden und totbringenden Maschine wird und alles verhackstückt, was sich ihm in den Weg stellt.

Ein absolut furchtbarer Film und Joe Begos schickt sich wohl an, der nächste Rob Zombie zu werden. Jedenfalls beinhaltet „Christmas Bloody Christmas“ furchtbare Figuren, ständiges Gefluche und eine Story, die dünner ausgefallen ist als weihnachtliches Geschenkpapier. Die Fehlfunktion eines Roboters ist der Aufhänger der blutigen Sause, aber bis es soweit ist, muss der Zuschauer grottige Dialoge über Filme und Musk ertragen, die wohl lustig sein sollen und beweisen sollen, dass sich Joe Begos in der Materie gut auskennt. Dazu kommt eine neondurchflutete Optik, die mehr an Gaspar Noe als an die stillste Zeit des Jahres erinnern. Aber eigentlich wirkt das ja ohnehin alles inklusive Weihnachtsthematik und Sex-Talk nur sehr aufgesetzt und nervig und als der böse Santa dann aufdreht, geht auch das Gore-Level steil nach oben und dennoch kriegt „Christmas Bloody Christmas“ nie die Kurve und ist weder witzig, spannend noch sonst irgendwie interessant. Ich frag mich ja ernsthaft wie das Teil zu den halbwegs guten Bewertungen kommt, weil das was ich gesehen hab einfach nur ein langweiliger, uninspirierter und hoffnungslos grottiger Streifen ist, der rauskommt, wenn man als Regisseur einen Streifen dreht, den das Genre-Publikum als Anti-These zum harmonischen Weihnachtsfest vermeintlich unterhaltsam finden könnte.

Tommyknockers

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jogiwan hat geschrieben: Mi 5. Okt 2016, 09:29 „Tommyknockers“ ist ja neben „Es“ nicht nur eines der dickeren King-Bücher, sondern wurde ebenfalls Anfang der Neunziger fürs Fernsehen als Zweiteiler verfilmt. Während „Es“ aber gemeinhin als sehr gelungene Verfilmung gilt, hat „Tommyknockers“ aber weiter weniger Fans auf seiner Seite, was nach der erneuten Sichtung auch nachvollziehbar ist. So richtig kommt das knapp dreistündige Werk ja nie auf Touren und obwohl die Geschichte über einen seltsamen Fund in einer verschlafenen Kleinstadt durchaus okay geht, wirkt die Handlung in dem TV-Film unnötig gestreckt und verzettelt sich in seinen zahlreichen Nebenhandlungssträngen. Statt sich auf die fantastischen Elemente zu konzentrieren bietet Regisseur John Powers in der ersten Halbzeit und bei den Nebenrollen auch viel zu soapige Entwicklungen und klischeehafte Kleinstadt-Figuren, die der Gruselstimmung eher nicht zuträglich sind und meines Erachtens auch nur mäßig interessant sind. Die zweite Halbzeit macht da schon etwas mehr Spaß und als die Stimmung in dem Ort schlussendlich kippt, ist man als Genre-Fan wieder gerne dabei. Der Schluss wirkt dann aber ebenfalls etwas überhastet inszeniert und statt das Potential der Auflösung als Höhepunkt zu nutzen, bekommt der Zuschauer auch hier nur ein maues Finale serviert. Eigentlich schade, dass man aus der Geschichte und den Darstellern nicht mehr gemacht hat, als dieses spannungsarme, unterdurchschnittliche und viel zu lange Teil, dass seine Herkunft als TV-Film auch zu keiner Sekunde verleugnen kann.
Nachdem keiner meiner angepeilten Weihnachtsfilme den Weg zu mir gefunden hat, hab ich mit meiner King-Retrospektive weitergemacht und vielleicht war es Weihnachten - vielleicht auch die Tatsache, dass ich wusste was mich erwartet, aber gestern fand ich den nicht so übel. Klar ist "Tommyknockers" nicht sonderlich spannend und lässt viel Potential liegen, aber sonst lässt sich das Teil schon auch gucken. Bei King gibt es ja nicht nur Licht, sondern auch viel Schatten und "Tommyknockers" liegt da irgendwie genau in der Mitte.