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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 28. Jul 2025, 15:27
von buxtebrawler
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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast (2025)

„Es gibt viele Parallelen zu 1997.“

Als alter Jason/Michael/Freddy-Schlitzerkino-Freund konnte ich dem von Wes Craven mit „Scream“ angestoßenen Slasher-Revival in der zweiten Hälfte der 1990er einiges abgewinnen, fand somit „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ und „Düstere Legenden“ gar nicht verkehrt. Teil 3 der nachtragenden Letzter-Sommer-Reihe allerdings war eine aufs Jahr 2006 datierende Direct-to-DVD-Produktion, die nicht weiter der Rede wert ist. Dies befand man offenbar auch bei der Planung dieses Legacy-Reboots des dritten Teils, der an dessen Stelle tritt. Will sagen: Dieser dämlicherweise genauso wie Teil 1 betitelte Film von Nachwuchs-Regisseurin Jennifer Kaytin Robinson („Do Revenge“) ist der neue Teil 3 – und dankenswerter kein Streaming-Produkt, sondern ein echter Kinofilm aus dem Sommer 2025.

„Ist das nicht nostalgisch?“ – „Nostalgie wird überbewertet.“

Immobilienmogul Grant Spencer (Billy Campbell, „Bram Stoker's Dracula“) hat zusammen mit dem Bürgermeister dafür gesorgt, dass die Erinnerung an den serienmordenden alten Fischer aus dem Jahre 1997 weitestgehend aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen wurde, schließlich sollen die Grundstückspreise im Küstenstädtchen Southport, North Carolina, wieder anziehen und der Ort wieder für den Tourismus attraktiv werden. Doch die Ereignisse scheinen sich nach der Verlobungsfeier Danicas (Madelyn Cline, „Outer Banks“) mit Grants Sohn Teddy (Tyriq Withers, „Tell Me Lies“) am 4. Juli zu wiederholen: Zusammen mit ihren Freundinnen und Freunden Ava (Chase Sui Wonders, „Bodies Bodies Bodies“), Milo (Jonah Hauer-King, „Arielle, die Meerjungfrau“) und Stevie (Sarah Pidgeon, „Gotham“) unternehmen sie einen nächtlichen Ausflug mit dem Jeep und halten nahe einer Kurve. Der unter Rauschmitteleinfluss stehende Teddy albert auf der Küstenstraße herum, weshalb ein heranfahrendes Auto auszuweichen versucht und durch die Leitplanke hindurch in die Tiefe stürzt, wobei der Fahrer sein Leben lässt. Die Clique fürchtet, durch diesen Unfall massive Probleme zu bekommen und vereinbart Stillschweigen. Ein Jahr später leben Danica und Teddy getrennt; in Wyatt hat sie einen neuen Verlobten und lädt zur Brautparty, in deren Rahmen sie eine Glückwunschkarte anonymen Verfassers erhält, in der nichts außer der beunruhigenden Nachricht „I know what you did last summer“ steht. Von diesem Moment an kann sich die Clique ihres Lebens nicht mehr sicher sein, denn der in Ölkleidung gehüllte und mit Enterhaken und Harpune ausgestattete, Rache nehmende Fischer scheint zurück zu sein – und macht unerbittlich Jagd. Doch wer steckt wirklich dahinter? Danica, Ava & Co. beginnen, sich mit ihrer Tat und den Folgen auseinanderzusetzen und nehmen unter anderem Kontakt zu Julie James (Jennifer Love Hewitt) und Ray Bronson (Freddie Prinze Jr.) auf, den Überlebenden der Mordserie 1997…

„Machst du auch noch deine Skincare-Routine, wenn jemand stirbt? Die Antwort lautet: Ja!“

Es ist durchaus eine Wohltat, mal wieder einen klassischen und doch brandneuen Slasher im Kino zu sehen: Verantwortungslos handelnde Jugendliche, die sich auch mit den Konsequenzen konfrontiert inadäquat verhalten und denen es daraufhin an den Kragen gehen soll. Die Bande um die hassenswerte Möchtegern-Beauty-Queen Danica, die in einem luxuriösen Anwesen in ihrer pinken Glitzerwunderwelt lebt, besteht aus schablonenhaften Figuren ohne jeden Tiefgang, was hin und wieder etwas schade, nichtsdestotrotz aber nun einmal ein Subgenre-Standard ist. Vom Kinosessel oder dem heimischen Sofa aus wünscht man ihnen also die Pest an den Hals und erschrickt sich vor sich selbst, wenn sie dann tatsächlich blutig niedergemetzelt werden (es sei denn man ist eine Gorehound und feiert gerade das). Durch die bald als unangemessen empfundene Brutalität des Schlitzers erwischt man sich dabei, sich doch auf die Seite der Verfolgten zu schlagen und schlägt die Hände überm Kopf aufgrund ihres dämlichen Verhaltens in diversen Gefahrensituationen zusammen. So weit, so typisch, so schön.

„Ich geb' dir den Code zu meinem Krypto-Wallet!“

Leider – und damit bekommt dieser Film dann auch rasch größeren Probleme mit seiner inneren Logik – tötet die Racheinstanz hier auch völlig Unschuldige, wodurch die Sympathie doch ziemlich rasch zu den Twens übergeht. Diese werden von Flashbacks an die schicksalhafte Nacht geplagt; ihr Publikum bekommt es mit billigen False Scares zu tun, aber eben auch mit gut inszenierten und atmosphärisch stimmigen Terrorszenen sowie einem spannenden Whodunit? inklusive falscher Fährten. Von der Polizei braucht die Clique keine Hilfe zu erwarten, denn die ist voll auf Kurs des Bürgermeisters und des Immobilienfuzzies. Dies verleiht dem Film eine ähnliche Autoritäts- und Kapitalismuskritik wie sie einst in „Der weiße Hai“ transportiert worden war und sich durch diverse Bereiche des Horrorgenres zieht. Was 1997 geschah, wird für die Zuschauerinnen und Zuschauer vor allem von True-Crime-Podcasterin Tyler (Gabbriette) aufgedröselt, die sich vorher dem gleichgeschlechtlichen Sex mit Ava auf dem Flughafenklo hingegeben hatte – ein bisschen bi schadet nie.

„Jetzt hab‘ ich stressbedingten Haarausfall...“

Das Danica-Äquivalent aus Teil 1, Helen Shivers, erscheint Danica surreal in einem Traum, womit Sarah Michelle Gellar ihren Gastauftritt erhält. Die Rollen der weiteren 1997er-Veteranen Julie und Ray fallen größer aus. Kunststück: Im Gegensatz zu Helen leben sie ja noch. Doch, hier ist schon viel Schönes für Freundinnen und Freunde des gepflegten ‘90er-Slashs bei, inklusive Zitaten aus den Vorgängerfilmen (vom Grundsujet abgesehen u.a. der durchgeknallt wirkende Trinker innerhalb der Clique) und all den Verweisen auf eben jenen. Eine echte Überraschung nach „Scream“-Manier birgt die Enttarnung gegen Ende, die mit einer doppelten Wendung einhergeht. Ein bisschen doof ist das alles aber schon auch ein bisschen; und es wird immer doofer, weil der Epilog den vorausgegangenen Wahnsinn ohne Not relativiert und der Film kein Ende findet: Auf den ersten Teil des Abspanns folgt eine weitere Sequenz, die es nicht gebraucht hätte, und schließlich bekommt auch noch Brandy aus der ersten Fortsetzung ihren Gastauftritt.

„Ich sollte anfangen zu trinken!“

So werde ich am Ende das Gefühl nicht los, dass dieser Film mit seinen durchtrainierten Jungs und moppeligen Mädchen, die man uns als Schönheiten verkaufen will (ich will nicht unken, aber ist dieser Cast evtl. der Regisseurin geschuldet?), einen Teil seines verstörenden Potentials ungenutzt lässt und womöglich beim Schnitt in der Postproduktion nicht immer die klügste Entscheidung getroffen wurde, um noch diesen Final-Girl-Aspekt, jene Referenz etc. unterzubringen. Versöhnlich stimmt hingegen Bullys punkige Indie-Nummer „Days Move Slow“ im Abspann.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 29. Jul 2025, 14:53
von buxtebrawler
Schimanski: Die Schwadron

„Schimanski, was hier zurzeit läuft, ist der totale Krieg!“

Das Jahr 1997 in der deutschen Fernsehkrimi-Landschaft: Seit einem Jahr ermittelte Dieter Pfaff als Berliner Kommissar Sperling in abendfüllenden Episoden im ZDF, ein Jahr später richtete der WDR seinen „Tatort“-Zweig in Form eines in Köln angesiedelten Teams neu aus. Aber die ARD setzte noch einen drauf, indem sie den Duisburger Kult-„Tatort“-Kommissar Horst Schimanski (Götz George) reaktivierte und ihm ein Spin-off spendierte, das 17 Episoden lang von 1997 bis 2013 in unregelmäßigen Abständen sonntags zur „Tatort“-Zeit auf Sendung ging – die ersten drei Filme sogar in Abständen von nur jeweils einer Woche. Zwischen Schimmis letztem „Tatort“-Auftritt und seinem Spin-off-Debüt lagen sechs Jahre. Die schwierige Aufgabe, dieses zu inszenieren, oblag Regisseur Josef Rusnak („The Way We Are“), der auch zusammen mit Matthias Seelig das Drehbuch verfasste.

„Schwacher Magen?“

Nachdem ein brutaler Überfall auf ein von Albanern betriebenes Bordell etliche Menschenleben gekostet hat, lässt die Düsseldorfer Oberstaatsanwältin Bonner (Geno Lechner, „Schindlers Liste“) sämtliche gegen den Duisburger Kripo-Kommissar Schimanski anhängigen Verfahren fallen und holt ihn an seine alte Dienststelle zurück. Dafür muss er jedoch zunächst im belgischen Lüttich ausfindig gemacht werden, wo er als Boxtrainer mit straffällig gewordenen Jugendlichen arbeitet. Schimanski reagiert zunächst skeptisch, doch als er erfahren muss, dass sein ehemaliger Kollege Thanner kürzlich ermordet wurde, weiß er, dass er gebraucht wird. Die Staatsanwaltschaft befürchtet, bei der Duisburger Kripo könnte sich ein Maulwurf befinden, der mit den Gangstern gemeinsame Sache macht. Konkret richtet sich der Verdacht gegen den jungen Polizisten Tobias Schrader (Steffen Wink, „Schicksalsspiel“), auf den man Schimanski ansetzt. Nebenbei sucht und findet Thanners minderjährige Tochter Nina (Laura Tonke, „Ostkreuz“) den Kontakt zu Schimmi, der sich nun um sie zu kümmern gezwungen sieht…

„Ham‘ Sie sich ja wieder gut eingelebt in Ihrem Job...“

Mit Schimanski kehrte der Machismo zurück in die deutsche Krimilandschaft, das raubeinige Original mit der harten Schale, dem weichen Kern und dem Pfeifen auf jegliche Etikette. Der blitzgescheite Bulle mit dem richtigen Riecher, der gern mal nonverbal austeilt, aber gute Nehmerqualitäten hat. „Die Schwadron“ beginnt jedoch ohne ihn, nämlich mit dem spektakulären Überfall. Als Schimmi in Lüttich ausfindig gemacht wird, macht man ebenfalls kurzen Prozess: Alle Verfahren eingestellt, Thanner tot, ab morgen ist er wieder Bulle in Duisburg – keine Widerrede! Zurück in der Heimat lernt er auf unschöne Weise Thanners Tochter Nina kennen und hat anschließend die Lacher der Zuschauenden auf seiner Seite, wenn ein Blick in seinen Kleiderschrank verrät, dass er eine ganze Reihe seiner grauen Schmuddel-Parka besitzt – womit auch sein Outfit wieder perfekt wäre. Schimanski ist zurück, ihr Nulpen!

Eine kurze Rückblende zeigt Thanners Tod, was nur eine vieler Härten dieses Falls ist, in dem der eine oder andere Finger verdammt locker am Abzug sitzt. Schimmi kommuniziert viel über Blicke und gibt ohne Rücksicht auf persönliche Verluste alles, wenn er einmal mehr unkonventionell vorgeht. Das überzeugt auch Oberstaatsanwältin Bonner, die sich an den blutverschmierten rehabilitierten Bullen heranschmeißt – die einzige Reminiszenz an dessen Frauengeschichten während seiner 29 „Tatort“-Einsätze. Die Ermittlungen führen einerseits ins Milieu, andererseits aber tatsächlich immer tiefer nach innen, also in die Polizei hinein. Doch zweifelt Schimanski daran, dass Schrader involviert ist, dessen er sich annimmt. Daraus entsteht eine interessante Beziehung zwischen gegenseitigem Miss- und Vertrauen(svorschüssen). Mehrere deftige Actionszenen lassen’s kräftig krachen, während sich die Handlung als zunehmend polizeikritisch erweist, wenn sie das Phänomen der (hier verdeckt organisiert auftretenden) Selbstjustiz thematisiert.

Die Kamera fängt atmosphärische Bilder des industriellen, zugleich abgewrackt erscheinenden Duisburgs ein, konsequenterweise findet das Finale dann auch innerhalb einer lebensfeindlichen Industrieanlage statt – einem Parkett, das Schimanski beherrscht. Der Epilog spielt wieder in Lüttich, aber wir wissen natürlich, dass Schimanski zurückkehren wird – noch ganze 16 Mal. „Die Schwadron“ ist ein Action-Krimi mit Abstrichen beim Realismus und ohne Schimmis ‘80er-Jahre-Charme, die gegen nihilistische ‘90er-Roughness eingetauscht wurde. Regisseur Rusnak hat die Aufgabe gemeistert, sowohl eine vielen altbekannte, manchen aber vielleicht noch fremde Figur unter ganz neuen Voraussetzungen wiedereinzuführen, auf die Vergangenheit Bezug zu nehmen, ohne es dabei zu übertreiben, und eine unterhaltsame Balance zwischen gar nicht einmal so trivialer Handlung und Schauwerten zu finden. Es ihm leichter gemacht haben dürfte Götz George, der anscheinend nichts verlernt hatte, voll im Saft stand und schnell zur gewohnten Schnoddrigkeit seiner Paraderolle zurückfand.

Dass gleich dieses Debüt zentimeterdick aufträgt, einen beachtlichen Bodycount aufweist und Schimmi bedenklich an der Grenze zur wenig glaubwürdigen One Man Army kratzt, wird hier noch von der Wiedersehensfreude überlagert. Schimmi! Schön, dass du zurück bist – ich hatte dich vermisst.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 31. Jul 2025, 11:32
von buxtebrawler
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Garfield in Hollywood

„Ach, zu schade, dass keiner von euch ein Talent hat...“

Garfields sechster Zeichentrick-Kurzfilm „Garfield in Hollywood“ alias „Garfield im Showgeschäft“ erschien im Jahre 1987 und entstand wie gewohnt unter der Regie Phil Romans nach einem Drehbuch des Garfield-Zeichners Jim Davis.

„Es ist Showtime!“

Als sich Jon gemeinsam mit Garfield und Odie die Talentshow „Haustier gesucht“ im Fernsehen ansieht, wünscht er sich, dass auch seine Haustiere über Showtalent verfügten. Dass dies sehr wohl der Fall ist, beweisen ihm die beiden auf dem Fuße, sodass Jon sich zusammen mit ihnen als Rock’n’Roll-Trio anmeldet und man tatsächlich in die Sendung eingeladen wird…

Der Prolog zeigt Garfield als wenig beliebten Stand-Up-Comedian auf dem Gartenzaun. Während der Aufzeichnung im Fernsehstudio gehen sämtliche Konkurrenznummern schief, was irre komisch und der humoristische Höhepunkt dieses 25-minütigen Filmchens ist. So haben Garfield & Co. leichtes Spiel, gewinnen den Wettbewerb und fahren mit ihren 1.000 Dollar Preisgeld nach Hollywood. Dort träumt Garfield von verschiedenen Rollen und versucht, wie auch Odie, zum Star zu werden, worunter ihre Beziehung zu Jon leidet – ihr Herrchen beachten sie kaum noch. Beim Jahresendausscheid von „Haustier gesucht“ bekommt man wieder spaßige Nummern zu sehen, doch werden Garfield, Odie und Jon diesmal nur Zweitplatzierte, womit der Traum von der großen Showkarriere dahin ist.

Die Film- und Fernsehbranche bekommt hier ein paar Seitenhiebe zu spüren, wenn auch ohne, dass „Garfield in Hollywood“ sonderlich satirisch ausfiele. Garfields Vermenschlichung ist mittlerweile weit vorangeschritten, sein Verhalten karikiert allzu menschliche, nicht sonderlich schmeichelhafte Eigenarten und Verhaltensmuster. Der Humor ist eher sanft und familientauglich und dieser Kurzfilm damit ein typischer kurzweiliger Zeichentrickspaß seiner Zeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 31. Jul 2025, 15:04
von buxtebrawler
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Die drei Tage des Condor

„Mr. Turner kommt schon wieder zu spät.“

US-Regisseur Sydney Pollack („Yakuza”) verfilmte mit dem 1975 erschienen „Die drei Tage des Condor“ den im Vorjahr veröffentlichten Roman „Die 6 Tage des Condor“ James Gradys mit seinem Lieblingsschauspieler Robert Redford in der Hauptrolle, mit dem er mehr als halbes Dutzend Filme zusammen drehte. Der New-Hollywood-Thriller greift das seit der Watergate-Affäre in weiten Teilen des Bevölkerung verbreitete Misstrauen gegenüber den Geheimdiensten auf und bestätigt dieses.

„Wann werden Sie sich endlich angewöhnen, den Dienstweg einzuhalten?“

CIA-Agent Joseph Turner (Robert Redford, „Der Clou“) hat beruflich eigentlich nichts anderes zu tun, als unter seinem Decknamen „Condor“ Bücher noch und nöcher zu lesen, um sie dahingehend zu analysieren, ob sie für die CIA irgendwelche relevant werden könnenden Informationen enthalten. Während er eines Tages in der Mittagspause ist, richtet ein Killer (Max von Sydow, „Der Exorzist“) Josephs ganzes Team hin. Verständlicherweise fürchtet nun auch Joseph um sein Leben und bittet seine Vorgesetzten darum, für seinen Schutz zu sorgen, die jedoch offenbar entgegengesetzte Interessen verfolgen. Joseph scheint vom Freund zum Feind geworden zu sein, weshalb auch immer. In seiner Sorge und Verzweiflung zwingt er die ihm auf der Straße begegnende Fotografin Kathy (Faye Dunaway, „Bonnie und Clyde“) dazu, ihm in ihrer Wohnung Unterschlupf zu gewähren. Nachdem er ihr Vertrauen gewonnen hat, beginnt er eigenverantwortlich, nach den Hintergründen des Massakers und dem Motiv zu recherchieren…

„Ich glaube, Sie lesen ein bisschen zu viel...“

Auf die funkig groovende Titelmelodie folgt bald völlig unvermittelt der kaltblütige Überfall auf Condors Büro, wobei er alle Kolleginnen und Kollegen verliert. Dass Condor kein klassischer Held ist, verdeutlichen seine Methoden: Mir nichts, dir nichts kidnappt er de facto eine unschuldige Frau und nutzt auch schon mal andere Menschen als lebendige Schutzschilde. Leider kann sich die Handlung das Stockholm-Syndrom-Klischee nicht verkneifen und nutzt es gar als Aufhänger für eine etwas bizarre Romanze, indem Condor seine Frau mit Kathy betrügt. Auf die Idee, sich einfach mal zu verkleiden oder sonstwie unkenntlich zu machen, um nicht mehr als wandelnde Zielscheibe unterwegs zu sein, kommt er hingegen nicht.

„Die andere Seite tut es auch!“

Pollacks Film vermittelt interessante Einblicke in die damalige Telefonüberwachungstechnik und zeichnet ein Bild der CIA als staatsterroristische Organisation, was, beschäftigt man sich mit der deren Geschichte, alles andere als weit hergeholt erscheint. Gegen Ende wartet man mit überraschenden Wendungen auf, während man über die gesamte Distanz seine Spannung sowohl aus der Frage nach der weiteren Unversehrtheit Condors als auch jener nach dem Motiv für das Massaker bezieht. Letzteres setzt sich nach und nach bruchstückhaft zusammen, es geht um einen von Condor verfassten Bericht. Etwas leicht macht es sich die Narration damit insofern, dass sie ihrem Filmpublikum dessen Inhalt unnötig lange verschweigt. Ich hoffe, ich spoilere nicht zu viel, wenn ich festhalte, dass es um Regime Changes im Nahen (aus US-Sicht: Mittleren) Osten zwecks Zugriffs auf die Ölvorräte geht, also um ein ganz reales Thema US-amerikanischer Außenpolitik. Erwartungsgemäß zynisch erklärt man sich und agiert man im Finale. Menschenleben, auch der eigenen Leute, müssen hinter ökonomischen Interessen zurückstehen.

Ähnlich wie beim zwei Jahre zuvor erschienenen „Serpico“ wird hier die Presse als mögliche Verbündete für die rechtschaffende Seite ins Spiel gebracht, wobei das Ende – auf sehr gelungene Weise – offenbleibt. Irgendwie passend: Die immer wieder opulent eingefangenen Twin Towers. Seinem Anspruch wird „Die drei Tage des Condor“ gerecht, schauspielerisch, technisch und ästhetisch ist erwartungsgemäß alles sahnig; nur die Handlung erscheint zuweilen etwas aufgebläht und gestreckt.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 1. Aug 2025, 17:02
von buxtebrawler
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Ich werde immer wissen, was Du letzten Sommer getan hast

„Aber er tötet... nur Teenager.“

Nachdem ich mir jüngst den neuen dritten Teil im Kino angeschaut hatte, sah ich mir für den direkten Vergleich auch den bisher ausgesparten ursprünglichen dritten Teil an, jene verrufene Direct-to-DVD-Produktion, die im Jahre 2006 und damit viel zu spät – acht Jahre nach Teil 2 – nachgeschoben worden war. Der französische Musik-Videoclip-Regisseur Sylvain White debütierte mit „Ich werde immer wissen, was Du letzten Sommer getan hast“ im Spielfilmfach.

„Es war ein Unfall!“ (behaupten böse Zungen auch von diesem Film…)

Es ist der 4. Juli auf einem Jahrmarkt in Broken Ridge, Colorado: Die Fünferclique aus Amber (Brooke Nevin, „Coole Weihnachten“), Colby (David Paetkau, „Final Destination 2“), Zoe (Torrey DeVitto, „One Tree Hill“), P.J. (Clayton Taylor, „Die jungen Meisterdetektive“) und Roger (Seth Packard, „Wild-West-Biking“) hat sich, bezugnehmend auf die Mordserie des alten Fischers Ende der 1990er-Jahre, einen großangelegten Streich überlegt, um die Besucherinnen und Besucher das Fürchten zu lehren: Roger verkleidet sich als der Fischer mit dem Enterhaken und macht scheinbar Jagd auf die Jugendlichen. Nach einer Konfrontation auf einem Gebäudedach sollte P.J. eigentlich einen coolen Stunt auf dem Skateboard hinlegen, doch der geht gehörig schief: P.J. wird von einem geparkten Traktor regelrecht aufgespießt. Die vier Verbliebenen schwören sich, kein Wort über das Geschehene zu verlieren, damit sie nicht mit P.J.s Tod in Verbindung gebracht werden. Doch ein knappes Jahr später erreicht Amber eine Vielzahl von SMS-Nachrichten mit dem Inhalt „I know what you did last summer“. Und tatsächlich: Der rachsüchtige Fischer lässt nicht mehr lange auf sich warten. Wer steckt dahinter? Der Verdacht fällt auf Sheriff Davis (Michael Flynn, „Halloween 4“) – P.J.s Vater…

„Wir nehmen es mit ins Grab!“

Das Ensemble ist komplett neu, der Bezug zu den vorausgegangenen beiden Filmen wird konstruiert. Der ansehnliche Vorspann in modernistischer Videoclip-Optik weiß zu gefallen und mit dem Auftauchen des Killers lässt man sich beileibe nicht viel Zeit – auch wenn es sich lediglich um den kostümierten Roger handelt. Es folgen das übliche Prozedere der sich aus der Verantwortung stehlenden Jugendlichen und der obligatorische Zeitsprung zum nächsten Sommer. Ein Terror-Angriff in einer Gondel ist passabel inszeniert, wenngleich er nicht ohne das Horrorfilm-Klischee-Unwetter auskommt. Die Morde im weiteren Verlauf gehen in der Umsetzung klar, auch ohne sonderlich splatterig zu sein; blutig sind sie allemal. Das klassische Whodunit? legt falsche Fährten, kurioserweise geraten gleich zwei Polizisten unter Verdacht. Mehrere Punk- bzw. Alternative-Songs fanden in den Film, manche davon, wie bei einem Auftritt Zoes mit ihrer Band, gar intradiegetisch.

„Was letzten Sommer passiert ist, hat alles verändert!“

Es fehlt jedoch das Fischerstädtchen-Flair des Originals, mit dem verglichen dieser Teil wie eine Discount-Variante wirkt. Die Videoclip-Ästhetik, die im Vorspann noch Freude bereitete, beginnt, im Film vermischt mit typischer Direct-to-DVD-Optik, irgendwann zu nerven, wenngleich bei den Farbfiltern ein Wille zu atmosphärischer Stimmung erkennbar bleibt – unter der jedoch jegliche sommerliche Anmutung zu ersticken droht. Den Figuren gegenüber verspürt man eine noch größere Distanz als in den vorausgegangenen Filmen. Dass sich der (Achtung, Spoiler!) meuchelnde Rächer plötzlich als übernatürliche Entität erweist, funktionierte so ähnlich in mancher „Freitag der 13.“-Fortsetzung gut, erweist sich hier jedoch als keine sonderlich zielführende Wendung, zumal sie das Whodunit? komplett ad absurdum führt. Amber avanciert von einem Moment zum anderen zum über sich hinauswachsenden, mutigen Final Girl, das sofort akzeptiert, es mit einem Untoten (oder so) zu tun zu haben, womit endgültig jegliche Glaubwürdigkeit flöten geht. Und der Epilog revidiert dann gar noch das Finale.

„Ich werde immer wissen, was Du letzten Sommer getan hast“ fehlt es nicht nur an Budget und memorablen Figuren, sondern vor allem an Inspiration und Seele. Für Slasher-Fanatiker(innen) und -Allesgucker leidlicher unterhaltsamer glatter Durchschnitt; alle anderen werden sich fragen, was das soll.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 5. Aug 2025, 15:47
von buxtebrawler
Schimanski: Blutsbrüder

„Ich bin nicht mehr Bulle, ich bin nicht mehr im Dienst und ich hab‘ keinen Bock mehr auf Krimi, klar?!“

Die nur eine Woche nach dem Debüt am 16. November 1997 erstausgestrahlte zweite Episode des „Tatort“-Spin-offs „Schimanski“ vereinte den von Götz George gespielten Kult-Kommissar wieder mit seinem Schöpfer Hajo Gies, der „Blutsbrüder“ nach einem Drehbuch Hansjörg Thurns inszenierte. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Buddy-Cop- und Roadmovie.

„Der Mensch geht dahin, wo's am wärmsten ist, Herr Schimanski!“

Eigentlich möchte der ehemalige Duisburger Kripo-Kommissar Horst Schimanski (Götz George) in Ruhe in Lüttich mit seiner Freundin Marie-Claire (Denise Virieux, „Der Ochsenkrieg“) leben, als ihn die Düsseldorfer Oberstaatsanwältin Ilse Bonner (Geno Lechner) erneut um seine Hilfe bittet: Klaus Mandel (Christoph Waltz, „Du bist nicht allein – Die Roy-Black-Story“), in Belgien einsitzender Versicherungsbetrüger, der vor sechs Jahren zudem verdächtigt wurde, seinen Prokuristen ermordet zu haben, will als Kronzeuge gegen seinen ehemaligen Partner Krüger (Hans-Werner Meyer, „Charlie & Louise - Das doppelte Lottchen“) aussagen. Dafür soll Schimanski ihn nach Deutschland überführen. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn Auftragsmörder versuchen Mandel das Lebenslicht auszuhauchen, bevor er seine Aussage tätigen kann…

„Sie sind für mich ein kleines, mieses, charakterloses Arschloch!“

Auch dieser Fall beginnt also in Lüttich, das in wahrlich schönen Bildern präsentiert wird. Weniger schön ist der Streit zwischen Schimmi und seiner Freundin, denn diese ist unzufrieden mit ihm, der gerade erst mit seinem Paraglider auf dem Frühstückstisch des Hausboots landete, hat in Maurice (Germain Wagner, „Sweet Little Sixteen“) einen Nebenbuhler und plant, mit diesem durchzubrennen. Parallel dazu schmuggelt ein schwitzender Dicker Geld zu Mandel, dessen Fall nun neu aufgerollt werden soll. Rückblenden zu damaligen Ereignissen werden immer mal wieder unter einem kalten Blaufilter eingeschoben, dienen aber eher der Atmosphäre denn der Informationsvermittlung.

„Vorurteile gleich im Keim ersticken!“

Mandel ist ein schmieriger Typ, den Schimanski damals kräftig verwemste und ihn auch jetzt wieder bei jeder sich bietenden Gelegenheit – derer Mandel viele provoziert – eine reinhaut. Die belgischen Polizisten, die die beiden verfolgen, erweisen sich als falsch, was der Auftakt für eine an Roadmovies erinnernde Odyssee ist; eine wilde Fahrt, die mehrmals action- und stuntreich sowie bleihaltig unterbrochen wird und während der man sich gegenseitig das Leben rettet. Das schweißt zusammen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn nach einem schweren Autounfall ist man an „Flucht in Ketten“ gemahnend mit Handschellen aneinandergekettet. Und als Mandel sich Schimmis Waffe krallt, ist Schimmi gewissermaßen gar dessen Geisel.

„Keine Haare am Sack, aber im Puff drängeln...“

Eine Wendung zeigt Mandels sanfte und sympathische Seite und zugleich seine Beweggründe, aus dem Knast zu kommen: Seine jugendliche Tochter liegt im Krankenhaus. „Blutsbrüder“ entwickelt zunehmend „Nur 48 Stunden“-Buddy-Humor, der Regisseur Gies und seinem Ensemble sehr gut von der Hand geht. Während einer Bahnfahrt freunden sich Mandel und Schimanski regelrecht miteinander an. Eine Rückblende in Schimanskis Jugend zeigt das Tanzlokal „Blue Café“, in dem Chris Rea einen gleichnamigen Song zum Besten gibt. Doch auch während der Bahnfahrt schwebt man in Gefahr. Nicht nur Momente im Krankenhaus würzen diesen Fall zusätzlich mit etwas Sentiment. Der Showdown findet in besagtem, längst stillgelegtem Tanzlokal statt und ist packend inszeniert.

Schimanski bekommt seine obligatorische Biertrinkszene und muss sich wieder dumme Sprüche über seine zeitlose Jacke anhören, ist herrlich lakonisch, grummelig, proletenhaft – das volle Programm, die reinste Freude. Hajo Gies hatte nichts verlernt und inszenierte eine bockstarke Episode, die sich bei den Großen das eine oder andere gekonnt abgeguckt hat und innerhalb von nicht einmal 90 Minuten eine starke Charakterentwicklung und beste Unterhaltung für einen öffentlich-rechtlichen Sonntagabend um 20:15 Uhr bietet. Waltz noch vor seiner großen Karriere und George zu einem Zeitpunkt, zu dem er schauspielerisch niemandem mehr etwas zu bewiesen brauchte, bilden einen prima Gegensatz, bei dem die Chemie zwischen den Mimen zu stimmen schien. Gerne mehr davon!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 7. Aug 2025, 13:35
von buxtebrawler
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Zeuge einer Verschwörung

„Das Komitee möchte ausdrücklich betonen, dass keine Beweise für eine Verschwörung vorliegen.“

US-Regisseur Alan J. Pakula war als guter Beobachter nah an den Befindlichkeiten der US-amerikanischen Gesellschaft, aber auch an der undurchsichtigen, sich von der Bevölkerung entfremdet habenden Politik dran. Auf dieser Grundlage drehte er die Filme „Klute“, „Zeuge einer Verschwörung“ und „Die Unbestechlichen“, denen gemein ist, politische Verschwörungen zu thematisieren und die deshalb als sog. Paranoia-Trilogie zusammengefasst werden. „Zeuge einer Verschwörung” aus dem Jahre 1974 entstand nach einem Roman Loren Singers, wobei das von David Giler und Lorenzo Semple Jr. verfasste und von Pakula unter Zeitdruck improvisiert vollendete Drehbuch lediglich dessen Grundidee aufgriff.

„Jemand versucht, mich umzubringen...“

Während eines politischen Empfangs wird die Reporterin Lee Carter (Paula Prentiss, „Testament in Blei“) Zeugin, wie ein für die Präsidentschaft kandidierender Senator auf dem Space-Needle-Bauwerk in Seattle erschossen wird. Drei Jahre später berichtet sie dem Journalisten Joe Frady (Warren Beatty, „Bonnie und Clyde“), dass mittlerweile sechs Zeugen jenes Ereignisses tot seien. Sie bezweifelt, dass es sich um natürliche oder Unfalltode handelte, und fürchtet, bald ebenfalls aus dem Weg geräumt zu werden. Frady hält seine mit ihm befreundete Kollegin für paranoid, muss sich nach ihrem baldigen Ableben jedoch eingestehen, dass sie vermutlich Recht hatte. Bei der Recherche nach den Hintergründen und der Suche nach den Tätern gerät er selbst mehrmals in Lebensgefahr und stößt schließlich auf die „Parallax Corporation“, die Bürger rekrutiert, um sie zu Attentätern zu machen. Da er nach einem Anschlag auf seine Person als tot gilt und somit eine gewisse Freiheit genießt, bewirbt er sich bei Parallax, um mehr über das Unternehmen und dessen Methoden in Erfahrung zu bringen…

„Finden Sie sich damit ab, manche Leute wollen eben sterben.“

Sowohl der Originaltitel „The Parallax View“ als auch der Name der Corporation verweisen auf die Verschiebung der eigenen Perspektive, die die Hauptrolle Joe Frady teils ereilt und die er teils selbst vornimmt. Als Zuschauerinnen und Zuschauer folgen wir ihm dabei in diesem Verschwörungs-Thriller, der mit dem Politempfang und dem Attentat auf der Space Needle beginnt, dieses mit einer spektakulären, aber kurzen Verfolgungsjagd des Attentäters aufs Dach des hohen Gebäudes verbindet und dabei noch nicht erahnen lässt, dass er im weiteren Verlauf den einen oder anderen ungewöhnlichen Weg der Präsentation einschlagen wird.

Drei Jahre nach dem Attentat lernen wir Joe als rebellischen Journalisten kennen, der auch schon mal mit der Polizei in Konflikt gerät, wie eine wüste Schlägerei, die er sich mit einem Redneck-Deputy in einer Bar liefert, veranschaulicht. Der Sheriff hingegen scheint zunächst in Ordnung und hilfsbereit zu sein, was sich jedoch bald als Trugschluss erweist: Er will Joe umbringen. Die Verschwörung zieht sich also bin in die Niederungen der Exekutive. Joe sucht und findet den letzten überlebenden Zeugen des Attentats, bis er selbst beinahe bei einem Anschlag sein Leben lässt und fortan als tot gilt. Bis hierhin ist Pakulas Film recht tempo- und actionreich, zudem sehr geradlinig erzählt. Nachdem sich Joe bei der aggressive Wutbürger instrumentalisierenden Parallax Corporation beworben hat, lässt er einen suggestiv-manipulativen Test über sich ergehen, den Pakula in voller, knapp fünfminütiger Länge und ohne jeden Filter 1:1 dem Filmpublikum zeigt. Das ist sehr interessant und provokativ gemacht.

Ungefähr ab diesem Zeitpunkt ändert sich der Stil des Films, indem er immer mehr an Tempo verliert. Die Szenen werden ausgedehnter und inhaltsärmer, die Kameraarbeit distanzierter. Pakulas Intention dürfte gewesen sein, ein Gefühl der Ohnmacht und des Kontrollverlusts des Protagonisten zu vermitteln. Das Finale findet gar in Echtzeit statt und ist wahrlich schwere Kost. Die Aussage des Films stellt zu einer Zeit, in der reihenweise reaktionären Kreisen missliebige Personen der politischen Öffentlichkeit ermordet wurden, die Einzeltätertheorie speziell hinsichtlich der tödlichen Attentats auf John F. Kennedy infrage, welche starken Zweifeln zum Trotz bis heute aufrechterhalten wird. Dazu, wer genau dahintersteckt, äußert sich der Film jedoch bewusst nicht.

Ein starker Film, der die in weiten Teilen der damaligen Bevölkerung schwelende Stimmung aufgreift, bestätigt und verstärkt wiedergibt. Und der einzige mir bekannte Film, in dem eine Pong-Partie gegen einen Schimpansen zu sehen ist!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 8. Aug 2025, 17:04
von buxtebrawler
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French Connection II

„Was hat meine Akte im Scheißhaus zu suchen?!“

William Friedkins Cop-Thriller „French Connection” alias „Brennpunkt Brooklyn” aus dem Jahre 1971 war ein Erfolg und zudem mit einer Art offenem Ende versehen, sodass Überlegungen hinsichtlich einer Fortsetzung naheliegend erschienen. Glücklicherweise betraute man mit dieser nicht irgendjemanden, sondern den US-Spezialisten für solche und ähnliche Stoffe John Frankenheimer, der sie zwischen „König Ballermann“ und „Schwarzer Sonntag“ auf Grundlage eines im Gegensatz zu Teil 1 rein fiktionalen Drehbuchs realisierte. „French Connection II“ kam im Jahre 1975 in die Kinos.

„Die Luft in New York ist leider zu ungesund...“

Der ebenso harte wie kaputte New Yorker Bulle Jimmy „Popeye“ Doyle (Gene Hackman, „Bonnie und Clyde“) von der Drogenfahndung jagt dem französischen Heroin-Mafiaboss Charnier (Fernando Rey, „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“) nach Marseille nach, um ihm endgültig den Garaus zu machen. Im französischen Bullen Barthélémy (Bernard Fresson, „Z“) findet er einen Verbündeten, stößt ansonsten aufgrund seines rabiaten Vorgehens aber nicht auf ungeteilte Gegenliebe bei der Exekutive des Staats und hat bald auch ein Menschenleben auf dem Gewissen. Als Charniers Männer „Popeye“ in ihre Fänge kriegen, halten sie ihn gefangen und machen ihn heroinanhängig…

Frankenheimers Fortsetzung negiert grundsätzlich die Hoffnungslosigkeit des Endes aus Teil und beginnt direkt in Marseille, womit es sich um keinen New-York-Film mehr handelt. Wenig appetitliche Bilder der Fischverarbeitung werden von ebensolchen abgelöst, die Doyles Auftreten vor Ort zeigen. Während einer Razzia überschreitet er seine Kompetenzen und will einen V-Mann festnehmen, wobei es zu einem Toten kommt. Die französische Polizei reagiert verständlicherweise genervt und will Doyle wieder loswerden, der seinerseits mit Sprachbarrieren und dem Culture Clash kämpft. Er betrinkt sich mit einem Barkeeper; zeitweise geht es überraschend komödiantisch zu. Nachdem er die Polizisten, die ihn bewachen sollen, abgeschüttelt hat, wird er von Charniers Mafiosi zusammengeschlagen und entführt. Damit endet der Spaß abrupt.

Es handelt es um eine Zäsur, in deren Zuge Doyle zum Junkie gemacht und dadurch nahbar wird, das Mitgefühl des Filmpublikums bald auf seiner Seite weiß. Hierin unterscheidet sich die Fortsetzung in der Charakterzeichnung Doyles vom ersten Teil. Als Drogenwrack wird er der Polizei zurückgebracht und ist genauso schäbig und dreckig wie vieles andere in diesem Film. Auf eine Blutwäsche folgt ein kalter Entzug, den Frankenheimer durchaus anschaulich nachempfinden lässt. Er nimmt sich auch die Zeit für minutenlanges dämliches Gequatsche des noch immer völlig fertigen Doyle, der frappierende Ähnlichkeit mit Gestrandeten aus dem echten Leben aufweist. Dem lag offenbar eine gute Beobachtungsgabe zugrunde.

Als Doyle genesen ist, wird aus „French Connection II“ ein noch immer sehr gut gemachter, aber eben wieder konventionellerer Actionstreifen mit Schusswechseln und ähnlichen typischen Ingredienzien, einer zu Fuß unternommenen Verfolgungsjagd einer Straßenbahn (für die allein sich das Ansehen schon lohnt) und starken Spannungsszenen, die in einem Tabula rasa enden. Dass der Polizeichef Gürtel und Hosenträger trägt und somit offenbar ein Paranoiker ist, ist nur eines von vielen Details dieses mit einigem harschen Realismus aufwartenden, schnoddrigen Antihelden-Films, der mit einer einmal mehr beeindruckenden schauspielerischen Leistung Hackmans punktet und tatsächlich als mehr als gelungene Fortsetzung eingeordnet werden kann.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 11. Aug 2025, 17:53
von buxtebrawler
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Garfield macht Ferien

„Mein Leben hat alle Farbe verloren...“

Nach nur zwei Zeichentrick-Kurzfilm-Auftritten meldete der adipöse Stubentiger bereits Urlaubsbedarf an: „Garfield macht Ferien“ alias „Garfield in der Wildnis“ wurde wie gewohnt von Garfields Zeichner Jim Davis geschrieben für den US-Fernsehsender CBS unter der Regie Phil Romans produziert. Die Erstausstrahlung erfolgte am 26. Oktober 1984.

Garfield und Jon sind vom Alltagstrott völlig angeödet und schleppen sich mehr schlecht als recht saft- und kraftlos durch den Tag. Daher beschließen sie, gemeinsam Urlaub zu machen. Familienhund Odie ist natürlich auch dabei. Zu Garfields Enttäuschung will Jon campen, und als wäre das noch nicht unkomfortabel genug, treibt auch noch ein entlaufener Panther ausgerechnet dort sein Unwesen, wo Jon sein winziges Zelt inmitten der Natur aufgeschlagen hat…

Der Prolog ist komplett farbentsättigt; erst mit dem Vorspann – nachdem der Entschluss, Urlaub zu machen, gefasst wurde – hält die gewohnt bunte Funny-Comic-Farbe Einzug. Garfield malt sich visualisiert verschiedene Urlaubsziele aus, wodurch wir ihn in den verschiedensten Urlaubs-Outfits zu sehen bekommen. Durch Jons Campingpläne erweisen sich diese Tagträume jedoch schnell als Schäume. Vor Ort wird das Camping auf die Schippe genommen, wobei Jon die Rolle des naiven Optimisten zuteilwird, Garfield die des Dauernörglers und Odie, nun ja, der freut sich eben immer über alles.

Garfield lernt nach der Warnung vor dem Panther zunächst ein Karnickel und einen Biber kennen, dann aber leider auch besagte Wildkatze. Darauf hätte er verzichten können, denn diese greift tatsächlich an. Als einzige wurde sie nicht im karikierenden Funny-Stil gezeichnet, um die Ernsthaftigkeit der Gefahr, die von ihr ausgeht, herauszustellen. Natürlich geht das Abenteuer gut aus; der Weg zum Happy End dieses 24-Minüters ist gespickt mit diversen Musikeinlagen (die für die deutsche Fassung unübersetzt blieben). So singt Jon bereits auf der Hinfahrt ein Lied, das zum Duett mit Garfield gerät und nach der Ankunft fortgesetzt wird, abends am Lagerfeuer schmettert Jon eine Country-Nummer usw.

Das ist alles nett gemacht, familientauglich sowieso und kurzweilig unterhaltsam, die emotionale Tiefe der beiden vorausgegangenen Kurzfilme geht „Garfield macht Ferien“ jedoch ab.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 12. Aug 2025, 14:50
von buxtebrawler
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Together – Unzertrennlich

„Mehltau oder so was...?“

Nachdem „The Substance“ vorgemacht hatte, wie man den guten alten Bodyhorror wieder ins Kino bringt, zog der Australier Michael Shanks ein Jahr später mit seinem selbstgeschriebenen Regiedebüt „Together – Unzertrennlich“ nach. Produziert wurde dieser Indie-Film u.a. von den beiden Hauptdarstellern Alison Brie und Dave Franco, die hier nicht nur ein Pärchen spielen, sondern auch in der Realität miteinander liiert sind. Der Film ist eine Mischung aus mitunter tragikomischem Beziehungsdrama, Horror und Satire.

„Ich hab' das Gefühl, ich lebe mit was Totem!“

Die in Melbourne lebende Lehrerin Millie (Alison Brie, „Scre4m“) und der wenig erfolgreiche Rockmusiker Tim (Dave Franco, „Warm Bodies“) sind bereits eine ganze Weile zusammen. Die Beziehung kriselt mittlerweile, auch unter dem Druck Millies bester Freundin, die nicht allzu viel von Tim hält. Um der Partnerschaft eine neue Chance zu geben, beschließen die beiden, in eine ein paar Autostunden entfernt liegende ländliche Gegend zu ziehen – wobei dieses Unterfangen in erster Linie von Millie ausging und Tim wirkt, als habe er sich überreden lassen und fürchte sich vor einem Verlust persönlicher Freiheit, schließlich besitzt er nicht einmal einen Führerschein und begibt somit in eine noch stärkere Abhängigkeit zu seiner Lebensgefährtin. Auf der Abschiedsfeier im Freundeskreis macht Millie ihm gar einen Heiratsantrag, den er anzunehmen aber zögert.

Als sie nach dem Umzug ihre neue Umgebung erkunden, geraten sie in ein Unwetter und fallen in ein Loch im Wald, in dem sich Überreste einer religiösen Kapelle finden. Das sich dort sammelnde Wasser scheint klar zu sein und so trinkt Tim in Ermangelung von Alternativen davon. Man macht ein Feuerchen und verbringt die Nacht dort unten. Als sie am nächsten Morgen erwachen, hat sich einiges für sie verändert, denn dieses gemeinsame Abenteuer hat sie zusammengeschweißt…

„Es ist, als wären wir Magneten!“

Das Horrorgenre hat schon immer gern Vertrauen und Sicherheit suggerierende Institutionen, Konstrukte und Orte zu Horten des Schreckens gemacht, beispielsweise Wissenschaft, Ferienlager, Familien, Kleinstädte und Dörfer. „Together – Unzertrennlich“ knöpft sich das Ideal der innigen Zweierbeziehung vor, ohne dass er einen der Partner dabei zu einem Psycho- oder Soziopathen erklären würde. Die Ausgangslage suggeriert insofern ein Gefälle zwischen Millie und Tim, als Millie die Hosen anzuhaben scheint, während Tim reifeverzögert alten Jugendträumen von einer Karriere als Musiker nachrennt, ohne Millie sein eigenes Leben aber kaum auf die Reihe bekäme. Dass dies in erster Linie der Blick Millies Freundin auf die Beziehung ist, wird dadurch klar, dass sich Tim seiner Schwächen bewusst ist, durchaus verantwortungsvoll lebt und handelt und nicht zuletzt Millie auch weiterhin sehr an der gemeinsamen Beziehung gelegen ist.

Als Teil des Filmpublikums hat man gegenüber Millie und Tim einen Wissensvorsprung, denn der Prolog zeigte kurz, dafür deftig zwei Hunde, die aus jenem Loch getrunken hatten. Schanks lässt die Zuschauerschaft fortan daran teilhaben, wie Millie und Tim sich in ihre neue Umgebung einleben, privat wie beruflich, die rare Nachbarschaft in Person des Lehrerkollegen Jamie (Damon Herriman, „Once Upon a Time in... Hollywood“) kennenlernen und ihre Beziehung diskutieren, und mischt zunächst beiläufig, dann in immer höherer Dosis unerklärliche Phänomene (gegen die Tim Valium (das jetzt anders heißt) verschrieben bekommt), ein paar wenige, aber effektive Jumpscares bis hin zu echten Horror drunter, der in seinen grafischen Momenten ebenso beeindruckt wie verstört. Vorbereitet wurden diese indes früh in Form visualisierter Alpträume und Rückblenden mit jeweils kurzen, dafür umso entsetzlicheren Bildern.

So entpuppt sich „Together – Unzertrennlich“ als Parabel auf zu viel Nähe in einer Partnerschaft, die den Horrorgehalt zunehmend mit ein wenig Komik und satirischen Elementen anreichert, dadurch aber auch abschwächt, ohne aber dass eine Klamotte daraus würde. Hat es zunächst den Anschein, einer würde den anderen regelrecht absorbieren, gleicht man sich auch darin schnell einander an. Eine Anti-Romanze in Form einer Romanze, die am Ende Nähe und gegenseitige Abhängigkeit bis zur Selbstaufgabe regelrecht sarkastisch positiv konnotiert. Dabei handelt es sich um eine von im Prinzip nur zwei Wendungen des Films, dem seine zum trügerischen ländlichen Idyll passende ruhige und geradlinige Erzählweise guttut, und der Aristophanes‘ Thesen vom geteilt geborenen Menschen, der sein passendes Gegenstück sucht, auf bizarre Weise aufgreift.

Positiv fällt auch die Rolle der homosexuellen Filmfigur auf, deren Homosexualität genauso wenig exotisiert wird, wie sie in irgendeine Opferrolle gedrängt würde – ganz im Gegenteil. So räumt auch ihr übersteigerter monogamer Lebensentwurf mit etwaigen Schwulenklischees auf. Etwas irritierend, weil nicht hundertprozentig motiviert erscheint der eine oder andere ungewöhnlich harsche Dialog zwischen Millie und Tim, der womöglich etwas zu offensiv auf ihre Beziehungskonflikte hinweisen soll oder aber dem ansonsten äußert angenehmen Realismus geschuldet ist, der sich nicht zuletzt auch aus der Vertrautheit von Hauptdarstellerin und Hauptdarsteller miteinander speisen dürfte.

Zu gern aber hätte man mehr über den Kult, von dem Jamie berichtet, und der Kapelle erfahren: Weshalb ist sie eingestürzt? Welchen Ursprungs ist das Wasser in jenem Loch? Warum wurde aus dem vermissten Paar, das Tim letztlich finden wird, was aus ihnen wurde? Doch wohl sicherlich nicht nur wegen der Kostüm-/Masken- und Spezialeffekte, die sich dadurch eindrucksvoll in Szene setzen ließen, oder? Und wie man das symbiotische Endergebnis mit der Familie geklärt bekommt, wäre ein Thema für sich – von den Behörden ganz zu schweigen… So oder so: „2 Become 1“ der Spice Girls höre ich zukünftig mit anderen Ohren. Und ein vielleicht die eine oder andere Frage beantwortendes Pre- oder Sequel würde ich mir ansehen.

Bewertung: 7,5 von 10 Säbelsägen!