
Columbo: Schwanengesang
„Der Herrgott wird auf mich achten.“
Staffel 3, Episode 7 (die insgesamt 24.) der langlebigen US-TV-Krimireihe „Columbo“, die konsequent auf Whodunit? und i.d.R. auch auf Motivsuche verzichtete: „Schwanengesang“ mit Country-Legende Johnny Cash in der Rolle des Antagonisten entstand unter der Regie des Fernsehserienregisseurs Nicholas Colasanto, der zuvor bereits die Episode „Etude in Schwarz“ (1972) inszeniert hatte. Die Erstausstrahlung erfolgte am 3. März 1974.
„Ich erinnere mich an einen Bibelspruch: ,Die Rache ist mein!‘“
Tommy Brown, umjubelter Interpret christlicher Country-Songs und ehemaliger Sträfling, wird von seiner Frau und Managerin Edna (Ida Lupino, „Der Mann mit den zwei Frauen“) erpresst: Sie knöpft ihm fast sämtliche Einnahmen ab, um den Bau eines religiösen Prachttempels zu finanzieren. Im Gegenzug behält sie es für sich, dass er einst eine sexuelle Affäre mit seiner damals noch minderjährigen Background-Sängerin Maryann (Bonnie van Dyke, „Scream of the Wolf“) hatte. Eines Tages reicht es ihm: Der gelernte Militärflieger gibt vor, mit seinem Sportflugzeug und Edna sowie Maryann als Passagiere zum nächsten Auftritt fliegen zu wollen, betäubt die beiden jedoch mit vergiftetem Kaffee, springt mit einem Fallschirm während des Flugs aus der Maschine und schiebt den für die Damen tödlichen Crash auf die schwierigen Wetterverhältnisse. Zwar bricht er sich dabei ein Bein, doch das lässt seine Geschichte, er sei aus dem Flieger geschleudert worden und habe lediglich durch Zufall überlebt, nur noch glaubwürdiger erscheinen. Den Fallschirm versteckt er in einem hohlen Baumstamm. Doch die unauffindbare Thermoskanne (in der der Kaffee-Medikamenten-Mix war), der leere Pilotenkoffer (in dem sich der gefaltete Fallschirm befand) und der Umstand, dass sich Tommys Gitarre nicht mit an Bord befand, lassen Inspektor Columbo (Peter Falk) schnell skeptisch werden…
„Das ist wohl der grauenhafteste Kaffee, den ich je getrunken habe!“
Der „Schwanengesang“ beginnt mit einem Live-Auftritt Tommys, bei dem er Hank Williams‘ „I Saw The Light“ schmettert (das Cash tatsächlich aufgenommen und veröffentlicht hatte). Edna vertreibt anschließend sämtliche Autogrammjägerinnen und Fans, wodurch man einen ersten Eindruck ihres herrischen Charakters erhält. Cash lehnt seine Rolle nah an sein eigenes Auftreten an, ist auch hier der stets schwarzgewandete „Man in black“ – während Edna ganz in weiß einen Kontrast bildet. Ironischerweise bildet die fromme Unschuld in weiß hier nicht nur für Tommy, sondern auch fürs Publikum den unsympathischen Pol der Episode, während der Ex-Knacki und Schürzenjäger Tommy zum Sympathieträger avanciert, dessen Tat sich gut nachempfinden lässt.
„Wenn’s nach mir ginge, wär‘ die Sache vergessen!“
Tommys Schwager (Bill McKinney, „Zeuge einer Verschwörung“) ist jedoch sofort davon überzeugt, dass Tommy ein Mörder ist, und schlägt ihn nieder, als dieser etwas pietätlos eine Gartenparty gibt. In deren Rahmen bekommt man einen weiteren Liveauftritt Cashs geboten und darf sich an Columbos Mienenspiel erfreuen, als dieser erfährt, gerade von Eichhörnchen-Chili gekostet zu haben. Noch schwarzhumoriger ist das Akquisegespräch, das ein Bestatter mit Columbo führt. Seine Befragungen beginnt Columbo fast entschuldigend und konfrontiert Tommy mit verdächtigen Details, auf die dieser jedoch stets gute Repliken parat hat – rhetorische Duelle auf Augenhöhe. Aus seiner Abneigung gegen Edna macht Tommy dabei erst gar keinen Hehl.
„Ja: Neugierig, das sind sie wirklich!“
Columbos Ermittlungsarbeit besteht darüber hinaus aus Recherchen in Tommys Militärfliegerkarriere und im Besuch einer Talarmanufaktur, vor allem aber in einem sehr spannend inszenierten Showdown: Columbo stellt Tommy eine Falle, doch der Plan scheint nicht aufzugehen. Das ist Krimiunterhaltung auf gehobenem Niveau, wie generell die ganze Episode mit gutem Timing und einer angenehmen Mischung aus Johnny-Cash-Inszenierung, etwas Humor (u.a. erneut in Bezug auf Columbos Höhenangst) sowie starken Dialogen überzeugt. Etwas unangenehm wird es indes, wenn sich Tommy an die deutlich jüngere Background-Sängerin Tina (Janit Baldwin, „Phantom im Paradies“) heranschmeißt. Hierbei dürfte es sich um einen Versuch gehandelt haben, die Rolle Tommys ambivalenter zu gestalten, als sie es eigentlich ohnehin schon war. Möglicherweise vertraute man nicht gänzlich auf die Strahlkraft des Doppelmords (was reichlich kurios wäre).
„Sie können nicht immer gewinnen!“
Johnny Cash macht seine Sache ausgesprochen gut, ohne Columbo die Show zu stehlen, ist als Tommy jedoch kein Mann großer Emotionen. Die meiste Zeit strahlt er Souveränität aus und reagiert auch bei seiner obligatorischen Überführung gefasst, während der auch Columbo seine Sympathie nicht verhehlen kann: „Ein Mann, der so singen kann wie Sie, kann nicht ganz und gar schlecht sein…“ Das Interessanteste an Cashs Rolle ist meines Erachtens, dass er ein gutes Stück weit seine eigene Religiosität aufs Korn nimmt – immerhin ist es bei Tommy mit den Zehn Geboten nicht allzu weit her. Und dass christliche Musik hier in erster Linie dem Raffen von Geld zugunsten von Prunkbauten dient, darf sicherlich als Kritik an organisierter Religion wie den Kirchen verstanden werden.



