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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Fr 7. Okt 2016, 19:46
von jogiwan
The Night Flier

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Der gewissenlose Richard Dees kommt immer dann zur Stelle, wenn die Grenzen des seriösen Journalismus überschritten werden und für die reißerische Zeitung „Inside View“ recherchiert er übernatürliche Vorgänge, die von der Polizei und Behörden vertuscht werden sollen und schreckt auch nichts davor zurück, Tatorte und Leichenfunde so zu verändern, dass diese möglichst plakativ verwende werden können. Als die Nachricht die Runde macht, dass eine Art Vampir nachts mit seinem Flugzeug entlegene Kleinflughäfen ansteuert und dort Leuten das Blut aus den Adern zu saugen, liefert er sich mit der ambitionierten Jung-Reporterin Katherine ein Gefecht um die Titelstory und schreckt dabei abermals vor unlauteren Methoden nicht zurück um den als „Night Flier“ getaufte Serienmörder auf die Schliche zu kommen…

„The Night Flier“ ist einer dieser King-Verfilmungen, bei denen man sich im Grunde wohl nichts Großartiges erwartet und die einen dann doch überraschen können. Irgendwie habe ich mir im Vorfeld lediglich eine weitere Variation des Vampir-Mythos erwartet, die der 1997 entstandene Streifen zwar auch beinhaltet – doch das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt viel mehr auf dem skrupellosen Reporter und seinen sehr fragwürdigen Methoden um zu einer guten Titelstory zu kommen. Dessen Wege kreuzen sich eines Tages mit einem mysteriösen Vampir, der mit seiner Cessna des Nächtens Kleinflughäfen ansteuert um den Angestellten das Blut abzuzapfen und zu dem der Reporter auch eine besondere Verbindung zu haben scheint, während auch die Konkurrenz aus dem eigenen Haus nicht schläft und sich ebenfalls dem „Night Flier“ an die Fersen heftet. Die üblichen Sympathieträger sucht man in der verfilmten Kurzgeschichte jedenfalls vergeblich und mir war auch lange Zeit nicht klar, auf welches Ende der Streifen eigentlich hinauslaufen könnte. Originell fand ich auch, dass die durchaus blutigen und fast schon übertriebenen Effekte des Streifens ja bewusst die Story des Films reflektieren und auch das eigentliche Ende kam für mich recht überraschend. Auch wenn The Night Flier“ sicherlich nicht zu den großen Genre-Highlights zählt, so fand ich diese kleine und fiese King-Verfilmung dann auch dank des geschätzten Miguel Ferrer in der Hauptrolle doch recht gelungen und unterhaltsam.

Tattoo - Rette deine Haut

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Kurz bevor Marc die Polizeischule abschließen kann, gerät er auf einer Party im Berliner Underground in eine Razzia und wird beinahe von Kommissar Minks mit Drogen erwischt. Wenig später bekommt er durch die Nähe zur Szenen von diesem dennoch das Angebot an einem Fall mitzuarbeiten, in dem es Opfer geht, denen bei lebendigen Leib Teile ihrer Haut herausgeschnitten wurden. Während die beiden Ermittler daher immer weiter in die Untiefen Berliner Feierszene und der Tattoo- und Bodymodifikation-Szene eintauchen und weitere Opfer nicht ausbleiben, gerät auch das ohnehin bereits nicht sonderlich einfache Leben der beiden unterschiedlichen Polizisten immer mehr aus den Fugen.

Mit „Tattoo“ hat Robert Schwentke einen überraschend soliden Thriller aus deutscher Produktion abgeliefert, der auch sehr düster daherkommt und sich hinter seinen internationalen Vorbildern nicht verstecken braucht. Dieses ist neben „Schweigen der Lämmer“ wohl David Finchers „Sieben“ der hier eindeutig Pate stand und zu dem auch zahlreiche inhaltliche Ähnlichkeiten und Parallelen vorhanden sind. Dennoch ist „Tattoo“ zum Glück immer eigenständig genug und hat mit der Tattoo- und Body-Modifikation-Szene auch einen Aufhänger, der im Jahr 2002 auch bestens funktionierte. Bei der Geschichte und den Figuren selbst hingegen muss man wohl das ein- oder andere Auge zudrücken und gar so glaubwürdig biegt der Plot über den innerlich zerrissenen Jung-Ermittler und seinen nicht minder gebeutelten Mentor ja nicht um die Ecke und auch die Geschichte über Tattoo-Sammler geht bisweilen doch sehr in die „Urban Legend“-Ecke. Einzig als Szene-Portrait ist der auf ein breiteres Publikum zugeschnittene Streifen wohl völlig ungeeignet und dennoch ist „Tattoo“ geschickt aufgebaut, stets zeigefreudig und hat hübsch abgefuckte Location, die den düsteren Look und Auflösung des Streifens auch stets zuträglich sind. Insgesamt alles recht positiv und mehr oder minder stimmig und so ist es auch wenig verwunderlich, dass der Regisseur mittlerweile international seinen Weg gemacht hat.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Sa 8. Okt 2016, 19:50
von jogiwan
Langoliers - Verschollen im Zeitloch

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Die knapp dreistündige TV-Miniserie „The Langoliers“ ist zwar sicher kein Überflieger, aber kommt hier irgendwie auch etwas zu schlecht weg. Die Geschichte über eine unfreiwillige Zeitreise weniger Flugpassagiere in einem Linien-Jet spielt ja doch auf sehr nette Weise mit menschlichen Urängsten und ist dabei trotz Mystery auch immer etwas soapig, was wohl Auftragsgebern, Zeit seiner Entstehung und Budget geschuldet ist. Dieses war offensichtlich auch nicht allzu hoch, was sich spätestens bei den arg billigen Computereffekten zeigt, die im letzten Drittel auf den Zuschauer losgelassen werden und den Streifen im Bewusstsein vieler Fans in eine sehr trashige und billige Richtung gerückt haben. Der Rest ist eine Art Schnitzeljagd mit interessanten Ansätzen durch die Zeit, der etwas Straffung und der ein- oder andere inhaltliche Überraschung zwischendurch sicher nicht geschadet hätte, aber von einem Ausfall meines Erachtens genauso weit entfernt sind. Die drei Stunden vergehen aber auch in der Auffrischung recht zügig, was auch an den halbwegs sympathischen aber nur sehr oberflächlich gezeichneten Figuren liegt, die aber geradewegs aus der Gut-/Böse-Klischeekiste zu entstammen scheinen. Trotzdem ist auch dank dem geschätzten David Morse als heldenhafter Pilot alles im grünen Bereich und heutzutage würde man aus der literarischen Vorlage ja ohnehin eine mehrstündige Endlos-Serie mit vielen Staffeln, offenem Ende und noch viel weniger Antworten machen und insofern bin ich auch froh, dass es im Falle von „Langoliers“ auch „nur“ 180 durchschnittliche Minuten inklusive Happy End geworden sind.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: So 9. Okt 2016, 19:32
von jogiwan
Das Missen Massaker

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Obwohl ihre eigene Mutter im Missen-Zirkus wahnsinnig geworden ist und seitdem in einer Irrenanstalt lebt, nimmt die hübsche und Horrorfilm-begeisterte Jasmin an der Wahl zur „Miss Zürich“ teil und gewinnt den Bewerb, nachdem die eigentliche Siegerin durch ein schreckliches Unglück nicht mehr selbst an der Endausscheidung teilnehmen kann. Doch das Leben und der Bewerb gehen weiter und so fliegt Nachzüglerin Jasmin mit ihren zahlreichen Konkurrentinnen zur „Miss Schweiz“-Wahl auf eine Südsee-Insel, wo für den großen Bewerb geprobt und die Werbetrommel gerührt werden soll. Auf der abgelegenen Insel lernt sie nicht nur die Ellbogenmentalität unter den zickigen Teilnehmerinnen, sondern mit Serge auch ihre erste Liebe kennen und es dauert ebenfalls nicht lange, bis sich ein erbarmungsloser Killer unter die hoffnungsfrohen Missen mischt und eine nach der anderen aus dem Weg räumt…

„Das Missen Massaker“ von Michael Steiner ist ein kurzweiliger, aber leider nur mittelprächtig gelungener Versuch sich augenzwinkernd über gängige Miss Wahlen lustig zu machen und das Ganze in einer Horrorkomödie zu verpacken. Dabei hat der Streifen des „Sennentuntschi“-Regisseurs zweifelsfrei gute Momente und Ansätze und ist auch sehr schön gemacht, aber so richtig will der Streifen nicht funktionieren und setzt sich auch stets immer zwischen alle Stühle. Als Komödie zu übertrieben und als Slasher zu harmlos ist der sommerliche Streifen zweifelsfrei auch sehr auf schweizerische Verhältnisse zugeschnitten und wer sich nicht ein wenig mit regionalen Befindlichkeiten und Celebrities auskennt, wird auch nicht jeden Gag verstehen. Derartige Bewerbe haben ja ohnehin kein gutes Image und werden ohnehin von der breiten Masse als angestaubtes Relikt aus vergangenen Jahrzehnten wahrgenommen und so würde imho auch gar keine Notwendigkeit bestehen, das ganze Szenario und die Figuren in eine vollkommen groteske Ecke zu rücken und da wäre auch sicher mehr möglich gewesen. Auf der anderen Seite bietet der nicht ganz ernstgemeinte Film aber schon ein paar sehr lustige Momente und einen Streifen, der sich für sein Finale auch noch die Titelmelodie von „Cannibal Holocaust“ von Riz Ortolani ausborgt, muss man ja eigentlich auch in sein Herz schließen. Der amerikanische, bösartigere und weitgehend unterschätzte Streifen „Gnadenlos schön“ ist aus der Ecke sicher die bessere Wahl, aber dahinter kommt dann gleich die wesentlich seichtere und an den schweizerischen Kinokassen herb gefloppte Variante aus dem Alpenländle und in Erwartung einer sommerlichen Misswahl-Parodie mit Slasher-Elementen wird „Das Missen Massaker“ auch dank hübscher Darstellerinnen und lustiger Ideen nicht groß enttäuschen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 10. Okt 2016, 20:15
von jogiwan
Harper's Island - Episode 1 - 5

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12teilige Serie, die mir von einem netten Menschen als Slasher-Fan empfohlen wurde. Erinnert auch von den Settings und FIguren her etwas an "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast". Zwar ist die Geschichte über eine Hochzeitsgesellschaft auf einer Insel mit düsterem Geheimnis schon auch etwas soapig, aber der Bodycount kann sich in den ersten Folgen schon mal sehen lassen und die Geschichte und Darsteller machen ebenfalls Laune. Jeder könnte der Mörder sein, jeder macht sich irgendwie verdächtig. Gefällt! :nick:

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 11. Okt 2016, 20:01
von jogiwan
Seed

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Bei Boll-Filmen weiß man ja bereits vorher auf was man sich einlässt und dennoch schafft es „Seed“ noch die niedrigsten Erwartungen an einen Film noch scheinbar mühelos zu unterbieten. Erzählerisch hat diese vollkommen unsympathische Gore-Platte ja absolut nichts zu bieten und präsentiert Episoden aus dem Leben eines gebeutelten Ermittlers und eines schweigsamen und fleißigen Serienkillers, die im Handkamera-Stil aufgenommen und lediglich aneinandergereiht werden. So bekommt der Zuschauer seine dilettantische Verhaftung, eine missglückte Hinrichtung und eine darauf folgende Rache präsentiert, bei der Boll wohl keine Lust hatte, diese auf irgendeine Weise dramaturgisch zu verbinden, zu erklären oder Rücksicht auf eine etwaige Logik zu nehmen. Das „Herzstück“ des Films ist dabei eine mehrminütige Szene, in der Seed einer Frau in einer einzigen Einstellung den Kopf mit einem Hammer zermantscht und die den Zuschauer dann auch zeigt, worum es Boll in „Seed“ eigentlich geht: ein brutales, sinnbefreites und höchstmöglich plakatives Gore-Spektakel für Leute ohne jedweden Anspruch und Teenies, die sich mit so etwas im Pausenhof brüsten möchten. „Seed“ kann und will man erst gar nichts Positives abzugewinnen und obwohl ich eigentlich schon lange damit aufgehört Filme nach einem Punkteraster zu bewerten, scheint es mir in diesem Falle durchaus gerechtfertigt, dieses System für eine erinmalige Ausnahmewertung zu reaktivieren: 0 Punkte

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Do 13. Okt 2016, 19:56
von jogiwan
Harper's Island

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Schriftstellerin Abby Mills kehrt nach sieben Jahren in Los Angeles auf Harper’s Island zurück, da ihr bester Freund Henry seine Hochzeit auf der vor Seattle gelegenen Insel geplant hat und für eine Woche mit seiner Entourage das örtliche Hotel belegt. Doch die Rückkehr ist auch mit schlechten Vorahnungen begleitet, da ihre Mutter und fünf weitere Menschen von den Serienmörder John Wakefield ermordet wurden, der wenig später von ihrem Vater, dem örtlichen Sheriff, zur Strecke gebracht wurde. Doch der aufsehenerregende Fall scheint nicht endgültig geklärt und während die teils versnobte Hochzeitsgesellschaft mit Vorbereitungen beschäftigt ist, verschwindet einer nach dem anderen und auch Abby ist sich wenig später sicher, dass der wahre Serienmörder zum Schauplatz seiner einstigen Verbrechen zurückgekehrt ist.

„Harper’s Island“ ist eine eigentlich durch und durch sympathische US-Serie, die Murder-Mystery, „Whodunnit“ und Soap ganz harmonisch zusammenbringt und auch voll und ganz auf den Slasher-2.0-Fan zugeschnitten ist und zum Miträtseln einlädt. Dabei ist die Geschichte über eine mysteriöse Mordserie an den Teilnehmern an einer Hochzeitsgesellschaft auf einer abgelegenen Insel mit 13 Episoden bzw. knapp 520 Minuten aber zweifelsfrei auch etwas zu lange ausgefallen und obwohl man sich über mangelnden Bodycount nicht beklagen kann, gibt es zum Ende hin doch kleinere Durchhänger und teils Probleme die bisweilen recht hohe Spannung aufrecht zu erhalten. Ganz großartig ist die 2009 entstandene Serie ja im Mittelteil, der auch sehr packend ausfällt und mit turbulenten Entwicklungen und Morden am laufenden Band dem Zuschauer ja wirklich kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Die abgeschlossene Geschichte ist trotz zahlreicher Figuren dabei auch sehr spannend und übersichtlich aufgebaut und dennoch häufen sich in den letzten drei Folgen das unlogische Verhalten der Protagonisten um das Geheimnis des Mörders auch bis zum Ende der vorletzten Folge aufrecht zu erhalten und in der Finalfolge aufzulösen. Der Handlungsort ist stimmig, die Darsteller solide, die Morde der Freigabe entsprechend und so überwiegt auch überall das Positive, selbst wenn vielleicht eine oder zwei Folgen weniger dem Gesamtbild der Serie sicherlich gut getan hätten. Wer „Scream“ und „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ mag, kommt hier definitiv auf seine Kosten und „Harper’s Island“ bietet dem Slasher-Fan dank sympathischen Figuren, der gelungenen Erzählweise und dem überraschend hohen Dichte an Morden auch bis zum Schluss blutige, kurzweilige und überdurchschnittliche Unterhaltung. Tipp!

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 17. Okt 2016, 20:20
von jogiwan
Deliria över Düsseldorf: Forentreffen 2016

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Nonnen bis auf Blut gequält

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„Flavia – Leidensweg einer Nonne“ hat ja nicht nur gefühlte 50 unterschiedliche, deutsche Titel, sondern zählt gemeinhin auch zur Sperrspitze des „Nunploitation“-Genre, obwohl Mingozzis geschichtlich und literarisch inspirierter Streifen kaum etwas mit den üblichen und auf das männliche Publikum wohl eher zugeschnittenen Nonnen-Lesbelei-Filmchen aus der Italo-Kiste zu tun hat. „Nonnen bis aufs Blut gequält“ ist aber entgegen seinen reißerischen Titeln ein eher dramatischer Film über eine von der eigenen Familie als Nonne weggesperrte Frau, die sich gegen ihr zugedachtes Schicksal und gegen ein männliches System auflehnt. Dabei spannt der Streifen den Bogen vom geschichtlichen Drama mit Religionsthematik zum Exploitation-Film und bietet auch eine fiebrig-delirierende Szene, die den Zuschauer mit plättendender Symbolik konfrontiert. Vielleicht doch ein ungewöhnlicher Auftakt für das diesjährige Forentreffen, der nach fachkundig-fundierter und gleichzeitig wie immer sehr unterhaltsamer Einführung unseres werten Salvatore und einer kurzen Trailershow auf das zahlreich eingefundene Publikum losgelassen wurde. Die deutsche Kinofassung war auch nahezu vollständig und meinem Empfinden nach lediglich eine Gewaltspitze fiel der Schere zum Opfer, während andere, nicht minder herbe Szenen unangetastet blieben. Auch wenn „Flavia“ sicherlich nicht zu der Kategorie der Partyfilme zählt und vereinzelt beim Publikum noch immer starke Reaktionen verursacht, war es auch absolut großartig diesen Film mit der wunderbaren Florinda Bolkan einmal auf großer Leinwand und bis zum bitteren Ende seiner mutigen Protagonistin zu sehen.

Der Kampfgigant

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Obwohl ich mit dem Kampfgiganten – siehe oben - ja erst 2015 das durchaus fragliche Vergnügen hatte, freute ich mich dennoch bereits auf die Auffrischung in Form des freitäglichen Zweitfilms, der uns nach eher schwerer Nonnen-Kost wieder in andere Stimmungsgefilden führen durften. Bruno Matteis Werke sind ja mittlerweile ohnehin gern gesehene (!) Stammgäste bei unseren Treffen und auch „Der Kampfgigant“ hat das Publikum natürlich nicht enttäuscht. Nach einer sympathischen Einleitung von Genre-Kenner Oliver Nöding, die krankheitsbedingt etwas anders als geplant ausfallen musste und einigen Trailern aus der Söldner- und Actionkiste entpuppte sich das Werk auch als Partyfilm, der das Publikum mit seiner überschwänglichen Testosteron-Action und Exploisions-Bombast auch mühelos zu Begeisterungstürmen und Spontan-Applaus hinreißen konnte. Der stoische Hauptdarsteller, die übertriebene Kawumm-Action zwischen militärischer Ernsthaftigkeit, Action-Diskont und Gaga, die dramatische Vater-Sohn-Beziehungskiste und die rasch aus dem Ärmel gezauberte weibliche Quoten-Figur mögen zwar erzählerisch nicht ganz ausgereift wirken, aber danach hat an diesem Freitagabend auch niemand verlangt. „Der Kampfgigant“ will auch gar nicht mehr sein, als voll und ganz auf eine auf das Actiongülle-Fanpublikum zugeschnittene Großpackung an unterhaltsamen Momenten und Ideen, bei der es auch weniger ins Gewicht fällt, dass Tempo, Witz und Tiefgang nicht die ganze Laufzeit gehalten werden können und die etwas aufgesetzt wirkenden Dispute zwischen Senator und dem Rest der militärischen Rasselbande der Spannung nicht gerade zuträglich sind. Dass es für mich so wirkte, dass der Streifen kein Ende findet, war aber wohl auch der zeitnahen Sichtung und der eigenen Müdigkeit geschuldet und hinterher gab es ja auch nur fröhliche Gesichter und Menschen zu betrachten, die sichtlich großen Spaß an dem schundigen Highlight, seinem Hauptdarsteller und diesem wunderbaren Abend hatten.

Mein Name ist Nobody

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Nach einer eher kurzen Nacht, dem Besuch der Innenstadt und dem Filmmuseum, sowie leckerem Essen vom Koreaner stand am Samstagnachmittag dann mit „Mein Name ist Nobody“ auch ein Film am Programm, der bei mir als kritischer Westernkonsument natürlich bereits im Vorfeld keine Begeisterungsstürme auslösen konnte. Auch dieser Streifen des erst kürzlich verstorbenen Tonino Valerii konnte mich und meine gemeinhin bekannten Aversionen gegenüber dem Genre nicht bekehren und die charmante Einleitung von Marco und Stefan und die Musik von Ennio Morricone fand ich noch Besten, während mich der Film trotz versuchter Unvoreingenommenheit und der davor natürlich geschickt platzierten Bud Spencer & Terence Hill-Trailershow weder begeistern, noch überzeugen konnte. Die Mischung aus episch angelegten Western, Slapstick-Comedy und Drama mit existenziellen Zügen über einen alternden, abgekämpften und müden Helden und seinem jugendlichen, schlitzohrigen und ambitionierten Gegenstück hat jedenfalls nicht so wirklich gezündet und ich fand die unterschiedlichen Elemente in diesem ebenfalls viel zu lang ausgefallenen Film aus vielerlei Gründen auch mehr schlecht als recht zusammengebracht und auch noch von einer meines Erachtens leider sehr unsympathischen Szene gekrönt wurde, in der reihenweise Pferde zu Fall gebracht wurden. Also eher kein Highlight wie eine „glitzernde Bordelltüre“, sondern eher ein Fall für die hinteren Ränge meiner bescheidenen Western-Liste. Anscheinend war ich aber ohnehin der Einzige im Saal, der den Streifen nicht schon seit Kindestagen an kannte und so standen die Reaktionen des bunt zusammengewürfelten Publikums auch gänzlich im Widerspruch zu meinen eigenen Eindrücken.

Der Gorilla

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Mit „Der Gorilla“ stand am zweiten Tag des diesjährigen Treffens in Düsseldorf dann auch ein Streifen am Programm, den wohl nur die Wenigsten kannten, die Neugier entsprechend groß war und der sich dann auch als das absolute Highlight dieses Jahres entpuppte. Nach einem für Action-Verhältnisse eher zurückhaltenden Start als Drama über einen Ex-Stuntmen, der sich sein Geld als Personenbeschützer verdienen muss und mit den Widrigkeiten seines Berufs und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber erpresserischen Banden hadert, geht „Der Gorilla“ in der zweiten Halbzeit ja völlig durch die Decke und lässt den Zuschauer fassungslos und geplättet zurück. Zuerst mit seiner sauspannenden Fahrstuhl-Szene, die auch ein Hitchcock nicht viel besser hinbekommen hätte und weil das noch nicht reicht, gibt es dann noch ein Entführungs-Finale, dass mit seinem menschenfeindlichen Zynismus kaum zu überbieten ist und dem zahlreich anwesenden Zuschauern reihenweise die Kinnlade runter klappen ließ. So etwas hätten wohl die wenigsten erwartet und auch meine Begeisterung kennt zwei Tage später noch keine Grenzen, was natürlich auch an der wunderbar erhaltenden Kopie lag, die im Rahmen des „Deliria över Düsseldorf“ erstmalig (!) im deutschen Kino gezeigt wurde. Mit meinen Eindrücken war ich ja nicht alleine und ich denke alle, die an diesem Samstagabend die „Black Box“ beim Filmmuseum verließen waren wohl von diesem - vom breiten Publikum bislang so sträflich vernachlässigten - Streifen aus der Italo-Kiste begeistert. Hier sollte – nein MUSS – es schleunigst ein würdiges Release geben und so sorgte auch der vierte und letzte Film des Forentreffens und dieses Mal sehr breit gefächerten Streifzugs durch das italienische Genre-Kino um mich herum für freudestrahlende und zufriedene Gesichter, die sich wohl so wie ich bereits auf das nächste Jahr und Treffen in Berlin freuen.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Di 18. Okt 2016, 20:20
von jogiwan
Otto - Der Außerfriesische

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Der lebensfrohe, nie um einen Rat verlegene und heimlich in die Kindergärtnerin Frauke verliebte Otto lebt in Friesland in einem auffallenden Leuchtturm und verdient sein Geld, in dem er ausländischen Touristen kleine Souvenirs verkauft. Als eine zwielichtige Firma ausgerechnet in Ottos Heimat eine Teststrecke für einen Hochgeschwindigkeitszug bauen möchte verkauft Otto auch etwas vorschnell und ohne mit der Wimper zu zucken sein Land um schnell zu Geld zu kommen. Doch der rechtmäßige Besitzer des Turms ist nicht Otto, sondern sein exaltierter und in die Staaten ausgewanderte Bruder Benno und als Frauke ihren Freund ermahnt, sich seiner Heimat zu besinnen und das Land zu retten, macht sich der Friese mit seinem spärlichen Englischkenntnissen auf den Weg über den großen Teich, um seinen verschollenen Bruder in Miami zu suchen um die finsteren und zerstörerischen Pläne des Konzerns doch noch zu verhindern…

Nach „Otto – Der Film“ und „Otto – Der neue Film“ war „Otto – Der Außerfriesische“ der dritte Ausflug des friesischen Komikers auf die große Leinwand und im Gegenzug zum eher mauen Nachfolger des Überraschungserfolgs ist der dritte Film auch wieder unterhaltsamer und erzählt eine auf den Hauptdarsteller zugeschnittene Geschichte über einen Mann, der die geliebte Heimat vor Fortschritt und Ausverkauf retten muss. Dabei werden auch augenzwinkernd friesische Eigenschaften aufs Korn genommen und nebenher auch abermals popkulturelle Dinge wie Fernsehserien und Musikvideos der Entstehungszeit parodiert. Lustig ist auch der Cameo-Auftritt von Loriot in seiner Figur es „Ödipussi“ dessen feinsinniger Humor ja eigentlich nicht größer im Widerspruch zu Ottos Kalauern stehen könnte. Der Rest ist die übliche aber passabel inszenierte Mischung aus lose miteinander verbundenen Bühnengags und Culture Clash und dennoch hat die ganze Sache das Herz auch am rechten Fleck und lässt sich auch heutzutage noch gucken, sofern man mit dieser Art des platten Humors und seinem Hauptdarsteller nicht auf Kriegsfuß steht.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mi 19. Okt 2016, 19:05
von jogiwan
L'Auberge Rouge

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„L’Auberge Rouge“ ist auch einer dieser Filme, den ich im Laden schon öfters in der Hand gehalten habe, aber erst jetzt endlich den Weg ins Körbchen gefunden hat. Die französische Komödie über durchtriebene Wirtsleute und einem abgelegenen Gasthaus im 19. Jahrhundert, in dem die spärlichen Gäste und Besucher aus Habgier um die Ecke gebracht werden, fand ich jetzt aber nicht ganz so originell und böse, wie es der Klappentext dem Zuschauer verspricht und für meinen Geschmack wurde in dem trotz der Thematik größtenteils sehr harmlosen Film auch etwas zu viel gequasselt. Dieser französische Humor ist ja generell nicht ganz so mein Ding und „L’Auberge Rouge“ war mir von den skurrilen Figuren und inhaltlichen Entwicklungen auch etwas zu konstruiert und überdreht und der Einsatz von CGI für die historischen Gebäude und idyllische Umgebung für meinen Geschmack ebenfalls eine Spur zu offensichtlich. Dennoch hat der Streifen zweifelsfrei ein paar sehr schöne Momente, ein turbulentes Finale und lässt sich daher trotz meiner Kritikpunkte immer noch gut gucken, auch wenn mit dieser Geschichte statt einem Film für die ganze Familie auch sicherlich wesentlich mehr möglich gewesen wäre.

Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Verfasst: Mo 24. Okt 2016, 19:34
von jogiwan
Ernest & Celestine

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Celestine ist ein junges Mäuse-Waisenmädchen, das mit Schauergeschichten über die Welt der Bären aufwächst und dennoch nachts dort unterwegs ist um Bärenzähne zu sammeln. Bei einen ihrer Ausflüge wird Celestine versehentlich in einer Mülltonne gefangen und von dem unkonventionellen Bären Ernest gefunden, der nach dem Winterschlaf auf der Suche nach Nahrung ist und seinen Lebensunterhalt als Musiker verdient. Obwohl die Beiden unterschiedlicher nicht sein können, freunden sich der laute und impulsive Bär und das kluge und neugierige Mäusemädchen an und helfen sich gegenseitig aus brenzligen Situationen. Doch eine Freundschaft zwischen Bär und Maus darf nicht sein und schon bald stellt die Gesellschaftsordnung beider Welten die Verbindung des Duos auf eine harte Probe.

Animierter Streifen mit wunderbarer Botschaft über eine Freundschaft zwischen einem tollpatschigen Bär und einer schlauen Maus, die sich gegen die Vorurteile und sonstige Widrigkeiten ihrer Mitmenschen erwehren müssen. Der Stil der europäischen Produktion erinnert nicht nur optisch etwas an die Werke von Myazaki, sondern auch die herzerwärmende und rührende Geschichte könnte man sich durchaus in einem Studio Ghibli-Film vorstellen. Zwar wird es manchmal etwas lauter und für ganz kleine Menschen ist die Geschichte teils wohl zu gruselig und turbulent animiert, aber der Rest kommt in dem hübsch anzusehenden Streifen wohl voll auf seine Kosten. Der Aquarell-artige Zeichenstil hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen und auch die Geschichte über die gesellschaftlichen Außenseiter fand ich sehr gelungen und hübsch umgesetzt. Sicher einer der besten Filme aus der Ecke und wer es auch mal ruhig und nett mag und auf die Oberflächlichkeit, Klamauk und dem Hochglanz-CGI der Blockbuster-Animationsfilme verzichten kann, ist mit diesem feinen Film jedenfalls definitiv an der richtigen Adresse.