Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

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Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Let us prey

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Überraschend stimmiger Mystery-Horrorthriller aus schottisch-irischer Produktion, der von seinem Grund-Szenario wohl nicht von ungefähr an John Carpenters „Assault on Precint 13“ erinnert. Auch im Falle von Brian O'Malley wird aus einer relativ simplen Geschichte über ein paar Leutchen in einer Polizeistation und einem mysteriösen Fremden recht viel herausgeholt und erst nach und nach erfährt der Zuschauer die Zusammenhänge, die zu den blutigen Ereignissen einer dunklen Nacht führen. Dabei zaubert „Let us prey“ von Beginn an mit bedeutungsschwangeren Bildern im Intro eine recht düstere Stimmung, die auch den ganzen Film über aufrecht erhalten wird. In der zweiten Hälfte wird dann auch die Gewaltschraube ordentlich aufgedreht und die Spezies Mensch offenbart wieder einmal, zu was sie alles fähig ist. Für ein Regie-Debüt ist „Let us prey“ ja überraschend stimmig und kompakt ausgefallen, der bisweilen etwas religiöse Unterton bleibt zum Glück ebenfalls in moderaten Bahnen und auch das konsequente, wenn auch nicht sonderlich überraschende Ende wissen durchaus zu gefallen. Insgesamt ein durchaus guckbarer und ruppiger Horrorstreifen ohne viel Schnickschnack, tollen Darstellern und gesunder Härte, der Genre-Fans durchaus munden sollte.

Fair Haired Child

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Die beiden Staffeln der „Masters of Horror“-Serie sind ja bekanntlich etwas durchwachsen und William Malones Beitrag zählt zu den eher nicht sonderlich aufregenden Episoden, von denen heutzutage auch kaum noch jemand spricht und popkulturell auch wenig bis keine Spuren hinterlassen hat. Die Geschichte über die Entführung eines Schuldmädchens durch ein mysteriöses Pärchen fängt zwar ganz passabel an, aber danach bekommt die Geschichte über okkulte Vorgänge und menschliche Opfergaben nicht so recht die Kurve und bleibt imho doch hinter den eigentlichen Möglichkeiten zurück. Highlight der Episode ist wohl das Erscheinen des „Monsters“, das jedoch frappant an den Kurzfilm „Rubber Johnny“ von Chris Cunningham erinnert, der natürlich rein zufällig nur kurz zuvor das Licht der Experimental-Leinwand erblickte. Auch der restliche Verlauf ist wenig überraschend und bleibt stets vorhersehbar, harmlos und den gesamten Charakter der ganzen Episode mit seinen verkitschten Ideen und „soapigen“ Zügen fand ich ebenfalls nicht sonderlich ansprechend. Zwar kann man „Fair Haired Child“ sicherlich gucken und ein Totalausfall ist William Malones Beitrag zwar auch nicht, aber etwas mehr Mut und Eigenständigkeit hätte hier definitiv nicht geschadet.
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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Das blutige Schloss der lebenden Leichen

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Entgegen dem reißerischen, deutschen Titel „Das Blutige Schloss der lebenden Leichen“ erwartet den Zuschauer bei Claude Mulots natürlich keine Untoten, sondern vielmehr ein schönes Quasi-Remake von Georges Franjus „Augen ohne Gesicht“. In diesem Fall ist es die wunderhübsche Frau eines Malers und Forschers, der durch einen Unfall grauenvoll entstellt wird, und vermeintlich für tot erklärt wurde, die von einem ehemaligen Chirurgen ein neues Gesicht bekommen soll. Doch freiwillige Spenderinnen sind naturgemäß rar und so gibt es in den schick ausgeleuchteten Räumlichkeiten des Schlosses auch so manchen Leichnam zu beklagen. Alles in dem Streifen ist wunderbar und elegant inszeniert und ich mag diese Art von zurückhaltenden und poetischen Gruselfilmen aus französischer Produktion einfach. An hübschen Frauen, garstigen Zwergen, schönen Orten und Ideen mangelt es dem Streifen jedenfalls nicht und „The Blood Rose“ ist bester Euro-Gothic-Erotik-Horror, der sich keinesfalls hinter anderen Produktionen wie z.B. denen von Jean Rollin verstecken muss. „Die geschändete Rose“ hat nicht nur viele Titel, sondern ist dann auch ein Film wie eine gute Flasche Wein, der einen schönen Abend zu einem besonderen macht.

Sick Girl

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Die junge Insektenforscherin Ida ist sehr schüchtern und im Gegensatz zur ihren geliebten Insekten in ihrer Wohnung sehr unbeholfen im Umgang mit anderen Menschen. Als sie wegen ihren vielen Tierchen und ihren Interessen wieder einmal von einer ihren Freudinnen abserviert wird, fasst sie auf Rat ihres Freundes Max den Mut und spricht Misty an, die sich jeden Tag in der Lobby ihres Instituts ihre Zeit vertreibt. Wider Erwarten ist Misty sehr an Ida interessiert und die beiden landen nach einem Date in der Wohnung von Ida, wo Misty von einer mysteriösen Gottesanbeterin gestochen wird, die sie tags zuvor mittels ominösen Pakets aus Brasilien bekommen hat. Während Ida fortan glücklich mit Misty als Pärchen zusammenlebt, beginnt sich diese jedoch seelisch und körperlich zu verändern und der Biss bleibt auch für die Umgebung und der Beziehung der Beiden nicht ohne Folgen…

„Sick Girl“ ist ja eine Episode aus der ersten „Masters of Horror“-Staffel, die sich angenehm von den restlichen Folgen abhebt. Regisseur Lucky McKee macht aus seiner Insekten-Mutations-Geschichte ja keinen konventionellen Horror, sondern eine Art „Coming-of-Age“-Liebesgeschichte mit unverkrampfter Gender-Thematik und neben Insekten-Grusel auch mit einer guten Prise Humor zu unterhalten weiß. Statt irgendwelchem Schmodder und Gore steht hier auch eine junge Frau im Vordergrund, die aufgrund ihrer Interessen keinen Anschluss findet und sich zurückgezogen lieber um ihre Insekten kümmert. Zwar ist „Sick Girl“ über weite Strecken dabeu für Horror-Verhältnisse eher harmlos inszeniert und die kleine Kreatur gibt es meist nur kurz zu Gesicht, dafür gibt es dann im turbulenten Ende ein paar hübsche Effekte, die ebenfalls mit schelmischen Humor inszeniert wurden und Spaß machen. Ich fand die Episode jedenfalls sehr unterhaltsam und statt ausgetretener Genre-Pfande zu beschreiten ist „Sick Girl“ originell und spaßig und zeigt wie das restliche Output von Lucky McKee, warum dieser sicher zu den spannenderen Genre-Regisseuren unserer Zeit zählt.
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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Zoomania

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Über „Zoomania“ hat man ja bislang auch nur Gutes gehört und natürlich spielt der sehr erfolgreiche Streifen aus dem Hause Pixar bzw. Disney natürlich in der Königsklasse des Animationsfilms. Doch „Zoomania“ ist nicht nur auf der technischen Seite perfekt, sondern überzeugt auch durch seine fantasievolle und herzerwärmende Geschichte über Diversität und vermeintlichen Vorurteilen, die mit diesen Unterschiedlichkeiten einhergehen. „Zoomania“ ist aber insgesamt ein schöner Film, der in positiver Weise das Zusammenleben von unterschiedlichen Spezies erzählt und insofern ist dieser Animationshit auch ein wunderbares Statement in Zeiten, in denen Populisten zunehmend erfolgreich dabei sind, die Gesellschaft auseinanderzudividieren. Neben der eigentlichen Kriminalgeschichte für Groß und (imho nicht ganz so) Klein gibt es aber auch noch so viele andere Dinge zu entdecken, sodass „Zootopia“ wohl auch noch bei zweiten und dritten Mal perfekt funktioniert und neben sympathischen Figuren und zum Schreien komische Momente, gibt es auch noch eine schöne Botschaft mit auf den Weg. Im Grunde wird hier dann auch alles richtig gemacht und eine Fortsetzung ist wohl ebenfalls nur eine Frage der Zeit.
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jogiwan
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Dark Ride

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Da hatte wohl jemand eine schicke Location, aber keine innovativen Ideen und der Slasher „Dark Ride“ kommt mit seiner einfallslosen Geschichte über einen Psychokiller in der Geisterbahn wohl ungefähr 20 Jahre zu spät daher. Zwar hat der Streifen durchaus seine Momente und im zweiten Drittel gibt es auch ein, zwei Überraschungen, aber auf der anderen Seite werden bei der lahmen Inszenierung auch keine der üblichen Genre-Stolperfallen ausgelassen: die Teenies sind absolut nervig und wirken mit ihrer Laberei fast noch tödlicher als der Killer, die „Halloween“-artige Geschichte wirkt altbekannt und der Handlungsort der hübsch ausgeleuchteten und von außen verriegelten Geisterbahn wird ebenfalls größtenteils verschenkt. Statt gruseliger Atmosphäre gibt es inflationäre Schreckmomente und die beabsichtigte und klaustrophobische Stimmung will sich auch nicht so richtig einstellen. Ein paar Entwicklungen wirken wie der ähm… spektakuläre Mord am Ende dann auch eher unfreiwillig komisch und warum in der Geisterbahn keine Schienen für die Wagen verlegt sind, müsste mir auch mal jemand erklären. Insgesamt betrachtet wirkt „Dark Ride“ dann auch wie ein rasch heruntergekurbelter Diskont-Slasher von der Stange, der zwar gute Ansätze hat, diese aber dann einer „Auf-Nummer-sicher“-Inszenierung mit hoffnungslos ausgelutschten Zutaten opfert, die der geeichte Slasher-Freund in einem neuzeitlichen Werk wirklich nicht mehr sehen mag.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Libido - Das große Lexikon der Lust

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Drei weibliche und drei männliche Doktoranden leben in einer Art Kommune zusammen um gemeinsam und ohne moralische Regeln der Gesellschaft an einer filmischen Doktor-Arbeit über die menschliche Sexualität zu arbeiten. Mit dem Ansatz dieses Thema aber streng wissenschaftlich, psychologisch und ohne Vorurteile aufzuarbeiten begeben sich die hoffnungsfrohen jungen Menschen mit Kamera und Tonbandgerät bewaffnet auf die Straßen der Stadt um von den Passanten frivole Geständnisse für ihre Statistiken und wissenschaftliche Arbeit zu erhalten. Während sich die jungen Leute mit diesem interessanten Thema beschäftigen und immer tiefer in die Materie eindringen, kommen sie sich aber auch untereinander näher und am Ende des Projekts gibt es nicht nur einen interessanten Film über die Libido der Menschen, sondern auch drei neue und glückliche Paare.

Herrlich unterhaltsamer Film in Report- und Aufklärungs-Manier und typisches Produkt seiner Zeit, dass in der Rahmenhandlung über sechs junge Doktoranden erzählt, die mit Filmkamera und Tonbandgerät auf der Straße die menschliche Sexualität erforschen wollen, während sie dabei in einer Art Kommune zusammenleben. Dabei ist der 1969 entstandene Streifen natürlich eher harmloser Natur und manches, was heutzutage schon alltäglich ist, wurde seinerzeit noch als skandalöse Sensation verkauft. Damit das Ganze aber nicht zu frivol und exploitiv wird, hat man dafür wohl auch ein paar Sexualwissenschaftler ausgegraben, die zu den episodenhaften Ereignissen ihren streng wissenschaftlichen Kommentar abgeben dürfen. Also eine Art „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene mit einem Thema das ohnehin alle interessiert und relativ zügig über die unterschiedlichsten Themen wie weibliche Frigidität, männliche Impotenz, Homosexualität, Mutter-Komplex und dergleichen erzählt und auch Tipps gibt, wie man die eingeschlafene Partnerschaft auch wieder in Gang bringen kann. Ein lustiger, abwechslungsreicher und turbulenter Streifen für Menschen mit Humor, welcher nun erstmalig auf DVD veröffentlicht wurde und dank bekannter Gesichter wie Al Cliver, Brigitte Skay und Angelo Infanti, sowie einer Vielzahl interessanter Fakten dem interessierten, wie aufgeschlossenen Zuschauer auch viel Spaß bereiten sollte.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Liebe ist kälter als der Tod

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„Liebe ist kälter als der Tod“, der erste Langfilm von Rainer Werner Fassbinder ist eine Theater-hafte Hommage an den amerikanischen Gangsterfilm, dessen Schauplatz hier kurzerhand in die Münchner Vorstadt verlegt wird. Der grobschlächtige Franz soll für ein namenloses Syndikat arbeiten, doch als sich dieser ziert, wird ein weiterer Gangster namens Bruno auf ihn angesetzt, für den er freundschaftliche Sympathien und vielleicht mehr empfindet. Es kommt in weiterer Folge zu einer ungesunden Dreiecksbeziehung, in der Bruno mit besonders gewissenlosem Auftreten immer mehr zwischen Franz und seiner Freundin Joanna drängt, die als Prostituierte das Geld für alle verdient. Statt Action und Suspense geht es Fassbinder aber mehr um zwischenmenschliche Beziehungen von Personen am Rande der Gesellschaft, mit denen es das Leben nicht gut gemeint hat und die karge Ausstattung und langen Einstellungen versinnbildlichen die verlorenen Gefühlswelten und Ausweglosigkeit ihrer Situation auf perfekte Weise. Zwar ist „Lieber ist kälter als der Tod“ durchaus anzumerken, dass sein Macher und Figuren vom Theater stammen und das Ergebnis zweifelsfrei kein Unterhaltungsfilm, aber der Streifen ist trotz reduzierter Handlung, unkonventioneller Inszenierung und unausgesprochener Worte überraschend vielschichtig, gut zu gucken und macht Lust auf die weiteren Werke des deutschen Regisseurs, der in seinem kurzen Leben wohl auch kein einfacher war.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Haytabo - Falscher Verdacht

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Ulli Lommel hat mit seinem Debut „Haytabo“ einen Film geschaffen, der es dem Zuschauer wirklich nicht sehr einfach macht. Mit einem Budget von knapp 20.000 DM, wenig technischen Spielraum und viel Platz für Improvisation realisiert er mit seinen Darstellern eine Art Sci-Fi-Zeitreise-Selbstfindungsdrama, dass den Zuschauer aber nur eine rudimentäre Handlung und umso mehr seltsame Szenen bietet, die man auf den ersten Blick nicht so recht zuordnen kann. Es geht wohl um einen Botaniker, der ein unvollendetes Buch findet, das über die Suche nach einer Unsterblichkeitsdroge handelt. Wenig später bekommt er die Möglichkeit durch eine Zeitreise Kontakt mit dem Verfasser zu finden, dem sich jedoch durch diese Zeitreise offenbart, dass seine Suche nach Unsterblichkeit gar nicht notwendig ist. Das klingt nicht nur ziemlich verkopft, sondern ist auch recht seltsam erzählt und statt irgendeine Handlung voranzutreiben, gibt es minutenlange Szenen, die mit Prog-Rock oder klassischer Musik unterlegt sind und Eddie Constantine eine Rolle übernimmt und Sätze von sich gibt, die wohl komplett im Kontrast zu seinen sonstigen Rollen stehen. Für die einen ist „Haytabo“ dann auch ein hoffnungslos misslungener Streifen mit esoterischen Elementen, während man in den Streifen genauso gut als mutigen, eigenständigen und zweifelsfrei auch etwas anstrengenden Gegenentwurf zum klassischen Erzähl- und Unterhaltungskino sehen kann, in der Lommel dem Publikum auf fast schon suberversive Weise Handlungs-Bruchstücke vor die Füße wirft, die dieser gefälligst auf eigene Weise zu interpretieren hat.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Radioactive Dreams

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Eigentlich würde ich „Radioactive Dreams“ ja gut finden wollen und interessante und spaßige Ansätze gibt es in dem 1985 entstandenen Streifen auch genug. Aber Herr Pyun konnte sich wohl nicht entscheiden, ob er einen Action-Film, Sci-Fi-Musical, Schnüffler-Hommage oder eine postnukleare Satire drehen wollte und herausgekommen ist ein episodenhaftes Mischmasch aus ein paar guten und leider viel mehr schlechten Szenen bzw. zwei Hauptdarstellern, bei denen die Chemie so gar nicht passen mag und die Slapstick-haft und Hormon-gesteuert durch ein feindseliges Zukunftsszenario stolpern. Die Geschichte über zwei jungen Männer, die sich nach 14 Jahren Untergrund auf einmal als selbsternannte Privatdetektive mit sozialer Inkompetenz und wichtiger Waffe in Händen in einer sehr schrägen Welt voller Mutanten und Bösewichte wiederfinden, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als sehr lahmes Vehikel voller offener Fragen und Zufälle und Philip und Marlowe wirken in ihrer übertriebenen Darstellung von Beginn an auch so nervig, dass man ihnen bald einmal gewaltbereite Kannibalen-Mutanten an den Hals wünscht. Nach allerlei episodenhaften Ereignissen verpufft leider auch das große Finale wie ein kleines Tischfeuerwerk und auch wenn ständig etwas passiert, wird man das Gefühl nicht los, dass hier so viel mehr möglich gewesen wäre. Nach dem durchaus passablen Start geht die Kurve dann leider beständig nach unten und da helfen auch keine lustigen Einfälle wie die „Disco-Mutanten“ oder gelegentlich auftauchende Monster und viel Musik – diese bunte Zukunftsvision und Dystopie ist leider trotz vielversprechender Zutaten ziemlich mau.

Deer Woman

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Der vollkommen ausgebrannte und desillusionierte Polizist Dwight kommt eines Tages durch Zufall zu einem sehr mysteriösen Fall, in dem ein Fernfahrer offensichtlich von einem Tier in seinem eigenen Truck zu Tode getrampelt wurde. Obwohl die Beweise in dem bizarren Mord sehr widersprüchlich sind und ihm auch seine Kollegen wieder von dem Fall abziehen wollen, bleibt Dwight am Ball und kommt wenig später einer alten Indianer-Legende von einem mysteriösen Wesen auf die Spur, das halb Mensch und halb Hirsch sein soll. Während die Kollegen diese Theorie natürlich belächeln gibt es jedoch weitere Morde nach ähnlichem Muster während sich Dwight wieder zu fangen scheint, deutet wirklich alles darauf hin, dass hier wirklich kein herkömmlicher Killer am Werk ist…

Von „Deer Woman“ habe ich mir im Vorfeld eigentlich nicht sonderlich viel erwartet, doch wider Erwarten entpuppt sich John Landis‘ Beitrag zur „Masters of Horror“-Reihe als sehr unterhaltsame Episode neben etwas Schmodder mit viel Humor und sympathischen Figuren, die auch prompt ins Schwarze trifft. Die Geschichte über eine ominöse Hirschdame und ihr zerstörerisches Werk beginnt ja wie ein klassisches Buddy-Movie aus den Achtzigern und Herr Landis macht aus der originellen Ausgangsidee eine sehr augenzwinkernde Sache für Menschen mit Humor, die vor allem durch seine lebendigen Figuren sehr gut funktioniert. Der blutige Fall entpuppt sich nach dem Start ja als durchaus verzwickt und der abgebrannte Cop kommt auch nur sehr langsam der hübschen Dame auf die Spur und findet dazwischen dank seinem Partner wider Willen auch noch Zeit, sein Leben neu zu ordnen. Dazu gibt es jede Menge böser Ideen, Schmodder und Situationskomik und „Deer Woman“ wandelt auch gekonnt zwischen Witz und Horror, ohne zu sehr in die eine- oder andere Richtung abzudriften. Als Langfilm würde „Deer Woman“ wohl nicht so funktionieren, aber hier nutzt die Geschichte dieses einstündige Serien-Format jedenfalls perfekt aus, zählt sicher zu den originelleren Episoden der ersten Staffel und hat so auch genau meinen Geschmack getroffen.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Dark Star - Finsterer Stern

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Jetzt auch endlich mal gesehen und „Dark Star“ ist nicht nur eine nette Fingerübung eines angehenden Genre-Regisseurs, sondern auch ein eigentlich recht gelungener, wenn auch reichlich episodenhafter Sci-Fi-Film über eine Art Männer-WG in „outer space“, die schon erahnen lässt, dass in weiterer Folge noch Großartiges folgen sollte. Die Probleme, mit denen die dezimierte Belegschaft der „Dark Star“ zu kämpfen haben, sind ja durchaus kurios und natürlich größtenteils selbstverschuldet, was aber den Spaß natürlich nicht mindert. Schön auch der bunte Look, die netten FX und die vollkommen lethargische und teilnahmslose, weibliche Stimme des Bordcomputers und am Ende gibt es dann auch noch den bekanntesten Handlungsstrang bzw. Überzeugungsarbeit zu leisten, damit eine überambitionierte Bombe mit eigenem Willen nicht gleich an Bord explodiert. Alles recht flockig inszeniert sieht „Dark Star“ wesentlich teurer und komplexer aus, als er eigentlich war und was an Budget fehlte, wird kurzerhand mit spaßigen und skurrilen Ideen kompensiert, die zwar Respekt vor dem Genre wiederspiegeln, aber auch gleichzeigt unter Beweis stellt, das hier die „jungen Wilden“ am Werk sind. Sehr schön!

LFO

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Robert ist ein Loser mit psychischen Problemen, der vor den Trümmern seines Lebens steht. Job und Freunde hat er keine und die Frau will ihn mit seinem Sohn verlassen und verunglückt dabei tödlich bei einem Verkehrsunfall. So bleibt ihm nur das Werken an seinen Synthesizern im Keller und dem Chatten mit gleichgesinnten Klangforschern. Als er eines Tages eine Frequenz entdeckt, die direkt auf das Unterbewusstsein der Menschen wirkt, sieht er seine große Stunde gekommen. Mit seinem Tonsequenz und der damit neugewonnenen Macht der Suggestion beeinflusst er das neue Pärchen in seiner Nachbarschaft, dass wenig später vollkommen nach seiner Pfeife tanzt. Obwohl dieser Eingriff in das Leben seiner Nachbarn natürlich nicht ohne weiteren Konsequenzen bleibt und Robert auch mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen hat, fühlt er sich schon bald zu Höherem berufen und greift immer öfters zu diesem Mittel, um seine Mitmenschen zu beeinflussen…

Ziemlich origineller und auch recht interessanter Low-Budget-Streifen aus schwedisch-dänischer Produktion über einen biederen Synthie-Frickler, der zur Zufall die Möglichkeit bekommt, seine Umwelt mit einer Tonsequenz nach seinen Vorstellungen zu manipulieren. Der Streifen startet ja zugegeben etwas sehr technisch und braucht etwas Anlaufzeit, entwickelt sich dann relativ rasch zu einem bitterbösen und schwarzhumorigen Vergnügen, das immer weitere Kreise zieht. Während Robert seine Erfindung nach den ersten Tests an den ahnungslosen Nachbarn auch immer mehr für seine Zwecke ausnutzt, bleibt sein Handeln und seine Eingriffe in die Privatsphäre andere Menschen natürlich auch nicht ohne weitere Konsequenzen. Dabei hat „LFO“ mit dem Einfamilienhaus von Robert einen sehr begrenzten Handlungsort für seine Geschichte, die aber überraschend gut funktioniert und im Verlauf bis zum Paukenschlag am Ende für den Zuschauer auch einige sehr schöne Überraschungen parat hält. Dabei erinnert Antonio Tublen Psychogramm eines Verlierers mit seiner nüchternen Bildsprache an andere nordische Filme und setzt sich als schwarzhumoriges Drama auch prompt zwischen Stühle. Schade nur, dass es derartige Filme offensichtlich trotzdem sehr schwer haben und hierzulande ohnehin kaum wahrgenommen werden. Wer aber ungewöhnliche Genre-Filme mit frischen Ideen mag, sollte sich diesen bitterbösen, kleinen Indie-Streifen nicht entgehen lassen.
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Re: Friedhof ohne Kreuze - das Jess Rollin-Tribute-Filmtagebuch

Beitrag von jogiwan »

Dance of Reality

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Wer hätte gedacht, dass Alejandro Jodorowsky nach seinem „Rainbow Thief“ und jahrzehntelangen Schaffenspause noch einmal so derart glanzvoll die Kurve bekommt? „Dance of Reality“ ist nicht nur eine Art „Best-of“ seiner bisherigen Filme (ohne Regenbogendieb), sondern wohl genau die Art von Film, die sich jeder Fan insgeheim auch heute noch von dem chilenischen Regisseur gewünscht, aber wohl nicht mehr erwartet hat. Ohne viele Kompromisse oder Zugeständnisse und wohl basierend auf eigenen Kindheitserlebnissen und –empfindungen zaubert uns der Regisseur ein Wechselbad der Gefühle bzw. zweistündiges Panoptikum aus schönen, hässlichen, brutalen, sanften und surrealen Momenten auf den Schirm, das gleich von Beginn an die unnachahmliche Handschrift Jodorowskys trägt und den Zuschauer in die Welt einer Militärdiktatur versetzt, in der ein Junge als Außenseiter zwischen seinem strengen Vater und liebevoll-entrückter Mutter aufwächst. Die Geschichte ist dabei meines Erachtens überraschend zugänglich und teils auch etwas belehrend erzählt und fast scheint es, als wäre Jodorowsky über die Jahre etwas altersmilde geworden, was sich aber relativ rasch relativiert, wenn sich dem Zuschauer Szenen präsentieren, die Zensoren und zartbesaiteten Menschen wohl ziemlich sauer aufstoßen dürften. Dass „Dance of Reality“ wohl nicht so schnell in Deutsch erscheinen dürfte, liegt jedenfalls nicht an seiner Qualität, sondern eher an seinem teils recht drastischen Inhalt, der jedoch niemanden überraschen dürfte, der auch mit dem bisherigen Output des streitbaren Regisseurs vertraut ist. Ich bin begeistert!
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