bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Freischwimmer

„Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Regisseur Andreas Kleinert wagte sich für „Freischwimmer“ an eine Kinoproduktion nach einem Drehbuch Thomas Wendrichs. Die Mischung aus Drama und (Psycho-)Thriller wurde 2007 gedreht und 2008 veröffentlicht.

Der schwerhörige Gymnasiast Rico Bartsch (Frederick Lau, „Neger, Neger, Schornsteinfeger“) leidet unter der Tyrannei seines Quasi-Stiefvaters Richard Sammer (Devid Striesow, „Der rote Kakadu“), der nicht nur mit seiner Mutter (Dagmar Manzel, „Schtonk!“) liiert, sondern auch noch sein Sportlehrer ist. Einen guten Draht hat Rico wiederum zu seinem Klassenlehrer Martin Wegner (August Diehl, „23“), der mit Musiklehrerin Michaela Rammelow (Fritzi Haberlandt, „Heimatfilm!“) eine Affäre unterhält. Rico und Herrn Wegner wird vom Sport-Ass der Schule, Robert Greiner (Philipp Danne, „Sommernachtstod“), zugesetzt, der zudem mit dem schönsten Mädchen der Schule und Ricos heimlichem Schwarm Regine Weyler (Alice Dwyer, „Baby“) angebändelt hat. Robert jedoch muss bald sein Leben lassen, als er einen vergifteten Liebesknochen verspeist. Doch galt der Mordanschlag nicht eigentlich Rico? Wer ist der Täter? Und was ist sein Motiv? Rico bleibt der Schule fern, lässt sich von Herrn Wegner privat unterrichten und freundet sich eng mit dem Lehrkörper an, während Regine seine Nähe sucht…

Wendrichs und Kleinerts Intention dürfte diejenige so vieler Kollegen vom Horrorfilmfach gewesen sein: Zu zeigen, dass hinter den idyllischen Kulissen einer Kleinstadt das Grauen lauert. So haben auch hier mehr oder weniger alle einen Hau weg oder sind listig und durchtrieben, um ihre egoistischen Interessen durchzusetzen, was der Film nach und nach offenbart. Zudem ist er eine Außenseitergeschichte, indem er vornehmlich aus Verlierer Ricos Perspektive erzählt wird. Leider tritt die Handlung recht lange auf der Stelle und kreist um sich selbst, um gegen Ende mit überraschenden Wendungen aufzuwarten, anstatt sich um Charakterisierungen seiner Figuren zu bemühen.

Diese verkörpern meist überzeichnete Klischees, während der Film stilistisch trotz seltsamer humoristischer Einlagen jedoch keine Komödie, sondern spannende, abgründige Unterhaltung sein will. Die daraus resultierende Problematik fürs Publikum lässt sich beispielhaft an Dwyer und Lau ablesen: Die blondierte Dwyer wird kaum gefordert; sie soll lediglich eine verführerische Sexbombe darstellen, die sich ausschließlich an „Gewinnertypen“ heranschmeißt. Darüber hinaus erfährt man so gut wie nichts über ihre Rolle. Sie scheint in erster Linie dabei zu sein, um erotische Akzente zu setzen. Dies gelingt ihr zweifelsohne, ihr darüberhinausgehendes Potential aber wird verschenkt. Auch wäre interessant, was Rico überhaupt von ihr will und was dieses Begehren über ihn aussagt. Dies bleibt jedoch ebenso diffus wie die Psychologie der meisten Figuren, die dual im Sinne von zwei konträren Extremen, jedoch nicht ambivalent im Sinne von Graustufen zwischen beiden Polen zu sein scheinen.

So gerät letztlich die Wandlung Herrn Wegners zum Psychopathen sehr plötzlich und wenig glaubwürdig, wenngleich das „böse“ Ende ganz nett geraten ist und den Genres Drama und Thriller durchaus gerecht wird. Jeglicher Realismus misslingt jedoch und intendierte Sozialkritik verpufft im Absurden. Diverse Anflüge experimentell-künstlerischer Kameraführung wie z.B. der Blick durch die Kamera des Protagonisten peppen das Geschehen angenehm auf, das durch den Verzicht auf Filmmusik ansonsten aber unnötig spröde geriet und insgesamt doch eher an eine TV- denn an eine Kinoproduktion erinnert. Das Plakatmotiv indes ist ein Geniestreich.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Tatort: Voll auf Hass

„Skinheads! Mal wieder!“

Große Teile der Skinhead-Szene ließen sich in den 1980er-Jahren zunehmend von Rechtsextremisten und Neonazis infiltrieren und politisieren. In Deutschland schien ab Mitte jenes Jahrzehnts der Bruch mit den eigentlichen Wurzeln der Subkultur offensichtlich und Skinhead zum Synonym für stumpfe rechtsradikale Schläger geworden zu sein. 1985 erreichte die Eskalation der Gewalt ihren vorläufigen traurigen Höhepunkt, als erst Mehmet Kaymakçı und dann Ramazan Avcı von sich Skinheads nennenden Neonazis brutal ermordet wurden. Diese Taten dürften Autor und Regisseur Bernd Schadewald als Inspirationsquelle für seinen zweiten Hamburger „Tatort“ um die Ermittler Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) gewesen sein, der 1987 produziert und ausgestrahlt wurde. Ein Jahr zuvor hatte Schadewald bereits mit „Verlierer“ ein Händchen für jugendsubkulturelle Themen bewiesen.

Erdal Bicici (Tayfun Bademsoy, „Treffer“), Sohn türkischer Einwanderer, will seine deutsche Freundin Dagmar Lobeck (Heike Faber, „Wer lacht schon über Rosemann“) heiraten. Während Erdals Eltern sich für ihren Sohn freuen, hadert insbesondere Dagmars Vater (Ulrich Pleitgen, „Stammheim“) mit der Entscheidung seiner Tochter – er möchte keinen „Ausländer“ zum Schwiegersohn. Die Verlobungsfeier findet im Restaurant Erdals Vaters Mehmet (Djamchid Soheili, „Die längste Sekunde“) statt, der zuvor von Schutzgelderpressern (Jan Fedder, „Großstadtrevier“ und Georg Blumensaat, „Otto – Der neue Film“) abgezockt werden sollte, die beiden Gangster jedoch des Lokals verwies. Mitten in die Feier platzt eine neonazistische Schlägertruppe von „Skinheads“, die alles kurz und klein und Erdal totschlägt. Erdals trauernder und auf Rache sinnender Vater vermutet die Schutzgelderpresser als Drahtzieher hinter dem Totschlag, in diese Richtung ermittelt auch Brockmöller. Stoever sucht die Boneheads auf und gewinnt nach und nach das Vertrauen des jungen Kralle (Mario Irrek, „Verlierer“) – die Spur führt schließlich zur Neonazi-Partei DAF…

Schadewald tut gut daran, die Ausländerfeindlichkeit der sich Skinheads nennenden Schläger nicht als isoliertes Phänomen asozialer, trinkender Jugendlicher darzustellen, sondern die Analogien zum alltäglichen bürgerlichen Rassismus herauszuarbeiten, der von Dagmars Vater verkörpert wird und sich in der Neonazi-Organisation DAF ballt. Das Publikum wird dabei zunächst auf eine leicht zu durchschauende falsche Fährte gelockt, indem Schadewald kurz vorm Überfall die Schutzgelderpresser auftreten lässt. Den Anschlag der kurzgeschorenen Bande inszenierte er dann bewusst in erschreckender Brutalität und zoomt dabei auf die „Hass“-Tätowierung (inkl. SS-Runen) auf den Fingerknöcheln des Totschlägers, die fortan als Merkmal bei der Tätersuche dienen.

Nach dieser Zäsur verrät der Habitus der Ermittler, dass es sich keinesfalls um ein neues Phänomen, sondern um die Zuspitzung einer seit längerem grassierenden rechtsextremistisch motivierten Gewaltentladung handelt. Stoever sucht daraufhin den Treffpunkt der Schläger an der U-Bahn-Station Stephansplatz auf und schafft es langsam, an Jüngling Kralle heranzukommen, der Einblicke in das Weltbild der Neonazi-Schläger gewährt. Bicici macht derweil gemeinsame Sache mit seinen Erpressern, um den Totschläger zur Verantwortung zu ziehen. Dagmars Vater wiederum gibt Erdal eine Mitschuld, weil er sich wehrte – was die Verharmlosung rechter Gewalt bis hin zur Täter/Opfer-Umkehr durch die Gesellschaft veranschaulicht. Wie zu erwarten, stellen sich die Schläger schließlich als nützliche Idioten einer Neonazi-Partei heraus, denn während diese sich einen bürgerlichen Anstrich geben kann, setzt das Fußvolk den in die Welt gespritzten Hass in die Tat um.

All das ist richtig und wichtig – und einmal mehr leider hochaktuell. Rechtsextremismus und Faschismus sind keine Erscheinungen irgendwelcher Jugendgangs, sondern tief in der Gesellschaft verwurzelt. Und was der gescheitelte Demagoge mit Anzug und Schlips predigt, führt der Stiefel aus. Parteien und Organisationen wie die FAP, die NPD, die AfD, diverse Burschenschaften, Pro NRW, Pegida und wie sie alle heißen distanzieren sich nach außen hin gern von Gewalt, können sich aber Handlanger gewiss sein, um ihre Positionen auf der Straße mit Gewalt durchzusetzen, wobei auch vor Mord und Totschlag nicht zurückgeschreckt wird. Fatal ist es, dass Schadewald die parolenhaft vorgetragenen Argumente Kralles unwidersprochen im Raum stehen lässt – manch Zuschauer(in) wird ihm seinerzeit in seinen ausländerfeindlichen Ressentiments zugestimmt haben. Auch die Darstellung auf der Polizeiwache randalierender und sich über die Bullen lustig machender „Kameraden“ dürfte gerade jüngeres, für Subkultur anfälliges Publikum eher imponiert denn abgeschreckt haben.

Leider versäumt Schadewald ferner die Gelegenheit, auch in Bezug auf den Skinhead-Kult Aufklärungsarbeit zu leisten: Die alles andere als rassistischen Wurzeln der Subkultur bleiben unerwähnt, die Neonazi-Schläger werden stets als Skinheads bezeichnet – womit man dazu beitrug, diese Bezeichnung als Synonym für Rechtsradikale zu etablieren. Traditionellen oder schlicht nichtrassistischen Skinheads machte man es damit noch schwerer und erwies der übriggebliebenen Szene damit einen Bärendienst. Diese trat ab 1988 dann beispielsweise als SHARP („Skinheads Against Racial Prejudice”) in Erscheinung, erstarkte insbesondere in den 1990ern wieder, hatte jedoch seither mit Vorurteilen und Anfeindungen, verursacht durch die von ihnen verächtlich „Boneheads“ genannten kurzhaarigen Neonazis auf der einen und den Medien (wozu auch dieser „Tatort“ zählt) auf der anderen Seite, zu kämpfen. Damit macht dieser „Tatort“ vieles richtig, aber eben auch einiges falsch. Zeit für ein paar Richtigstellungen wären durchaus gewesen, doch Schadewald entschied sich stattdessen für Live-Aufnahmen eines „Die Toten Hosen“-Gigs in der Hamburger Fabrik.
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Tatort: Das Nest

„Wir sind, wer wir sind.“

Im sechsten Dresdner „Tatort: Wer jetzt allein ist“ sagte Alware Höfels leider Lebwohl, an Oberkommissarin Karin Gorniaks (Karin Hanczewski) Seite wurde somit ein Platz frei. Dieser wurde in „Das Nest“ mit Cornelia Gröschel als Kommissarin Leonie Winkler neu besetzt. Zwar durfte mit Alexander Eslam („Bissige Hunde“) ein noch relativ unerfahrener Regisseur auf dem Regiestuhl platznehmen, fürs Drehbuch ging man aber auf Nummer sicher und verpflichtete mit Erol Yesilkaya einen Mann als Autor, der bereits diverse herausragende Beiträge zur Krimireihe für sich verbuchen konnte.

Ein nächtlicher Autounfall lässt die verletzte Maja Peters (Judith Neumann, „Liebesfilm“) ein abgelegenes Hotel aufsuchen, das jedoch leersteht – bis auf einen maskierten Mörder, der gerade eines seiner Opfer bearbeitet. Peters alarmiert die Polizei, woraufhin das SEK zusammen mit Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach), der Ermittlerin Gorniak und der neuen Kollegin Winkler das Gebäude durchsucht. Man findet weitere Leichen, mit denen der Mörder offenbar Alltagssituationen menschlichen Zusammenlebens wie in einem Puppenhaus nachgestellt hat. Doch es gelingt ihm, Gorniak ein Messer in den Bauch zu rammen und zu entkommen. Zwei Monate lang ist sie außer Gefecht gesetzt und tritt zunächst ihren Dienst in der Asservatenkammer wieder an. Winkler aber ist auf sich allein gestellt mit dem Fall überfordert. Gorniak ist von der Zusammenarbeit mit ihrer neuen Kollegin zunächst wenig begeistert, hat diese doch durch ihr zögerliches Verhalten es dem Täter erst ermöglicht, zuzustechen. Die Chance, den Mörder dingfest zu machen, verleiht Gorniak jedoch neue Kraft. Der Kreis der Verdächtigen reduziert sich schließlich auf zwei Personen, Mitarbeiter derselben Klinik: Chirurg Christian Mertens (Benjamin Sadler, „Ein Atem“) und Krankenpfleger Bernd Haimann (Wolfgang Menardi, „Bergblut“). Einer von ihnen ist der Mörder und bringt kurzerhand den anderen um, um den Verdacht auf ihn zu lenken…

Die durch den Rückzug von Autor Ralf Husmann immer ernster gewordene Dresdner „Tatort“-Reihe um ein weibliches Ermittlungsduo muss nun also eine neue Ko-Hauptrolle einführen, die es im Drehbuch alles andere als leicht hat, womit man die Tradition erschwerter Neuanfänge für neue Kollegen oder Kolleginnen fortsetzt. Eigentlicher Star dieses Falls ist jedoch der Mörder, denn nach anfänglichem Whodunit? avanciert „Das Nest“ schnell zum Thriller, der viel vom Täter zeigt und dem Publikum einen Informationsvorsprung gegenüber den Ermittlerinnen gewährt. Und dies alles wohlgemerkt nach einem herrlich gruseligen Auftakt, der an die Finals manch Slasher erinnert, in denen das Leichenversteck des Mörders entdeckt wird.

Der Mörder ist ein unauffälliger netter Familienvater von nebenan, der seiner eigentlichen Passion exakt durchkalkuliert und eiskalt nachgeht und Gorniak dadurch einmal mehr in akute Lebensgefahr bringt. Das ist hochspannend inszeniert und mündet in ein Finale, dessen Ausgang den Zuschauerinnen und Zuschauern aus Sicht der Ermittlerinnen präsentiert wird, dessen tatsächlicher Verlauf jedoch schwammig bleibt – wahrscheinlich ist jedoch, dass hier im Prinzip ein Fall von Selbstjustiz vorliegt, der von der Polizei vertuscht wird und um das Verständnis des Publikums buhlt. Das mag problematisch und diskussionswürdig sein, macht diesen Fall jedoch keinesfalls schlechter. Seine Ermittlungsarbeit lebt vom Kontrast zwischen Gorniak und Winkler, der zum Gegensatz von praktischer, intuitiv geleiteter, manch Grenzüberschreitung hinnehmender Polizeiarbeit und auf der einen und eher verunsicherter, theorie- und faktengestützter Vorgehensweise auf der anderen Seite avanciert, womit beide Charaktere, die sich in den folgenden Episoden weiter zusammenraufen werden müssen, grob umschrieben wäre. Winklers „Ladehemmung“ zu Beginn erinnert an den Fall „Waffenschwestern“ mit Andrea Sawatzki, nimmt jedoch einen anderen Verlauf. Gorniak scheint sich an der Seite Winklers ein Stück weit neu zu erfinden bzw. stärker in Alwara Höfels ehemalige Rolle einzufinden.

Schade, dass der Fall trotz aller Qualitäten etwas unrund wirkt, da man aus dem starken Motiv aus der Exposition, den drapierten Leichen, nichts machte: Die Beweggründe des Mörders bleiben höchst diffus, eine tiefere Auseinandersetzung mit seinen psychischen Defekten wäre wünschenswert gewesen und hätte das Potential gehabt, „Das Nest“ auf den Dresden-„Tatort“-Olymp zu heben. So bleibt ein starker Fall, der verdammt gute Thriller-Unterhaltung mit Gänsehaut-Momenten bietet, jedoch nicht alle losen Enden befriedigend zusammenführt. Auf die weitere Entwicklung im „Tatort“-Dresden darf man nichtsdestotrotz gespannt sein!
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Ein Colt für alle Fälle
S2E01: Die brasilianische Gräfin

„Ein Colt für alle Fälle“ war eine von mehreren familientauglichen US-Action-Serien, die in den 1980ern fürs sog. Vorabendprogramm konzipiert wurden und deren 45- bis 50-minütige Episoden sich dafür anboten, mittels Werbung auf ungefähr eine Stunde Sendedauer ausgedehnt zu werden. Die Serie brachte es auf 112 i.d.R. in sich abgeschlossene Episoden in fünf Staffeln.

Protagonist Colt Seavers (Lee Majors) hat gleich zwei Jobs: Zum einen arbeitet er als Stuntman für Spielfilmdrehs, zum anderen verdingt er sich als Kopfgeldjäger, indem er flüchtigen oder untergetauchten Kapitalverbrecher(inne)n nachspürt. Zusammen mit seinem Cousin, dem Schönling Howie Munson (Douglas Barr), und der attraktiven Jody Banks (Heather Thomas) gerät er dabei in ein aufregendes und lebensgefährliches Abenteuer nach dem anderen und muss immer wieder auf seine Fähigkeiten als Stunt-Profi zurückgreifen, um möglichst unversehrt zu bleiben.

Die zweite Staffel startete im Herbst 1982 in den USA und ca. eineinhalb Jahre später hierzulande im ZDF mit der Folge „Die brasilianische Gräfin“: Bei Dreharbeiten in Rio erhalten Colt und Howie von der neuen Kautionshelferin Terri (Markie Post) den Auftrag, Marnie Greer nach L.A. zu bringen – am besten zusammen mit den fünf Millionen von ihr veruntreuten Dollar…

Diese Folge ist die erste, die ich mir seit seligen Kindheitstagen angeschaut habe. Auf den collagenartig mit zahlreichen Actionszenen (auch aus anderen Filmen) gespickten Vorspann mit dem von Majors selbst gesungenen Evergreen und Ohrwurm folgt eine spektakuläre und zugleich natürlich hochgradig unrealistische Handlung, in der sich Colt & Howie mit der brasilianischen Exekutive auseinandersetzen und sich durch allerlei weitere Gefahren boxen müssen. Das bedeutet Action und Stunts, wie sie sich kleine und große Jungs (und manche Mädels) gern ansehen, es stirbt auch mal jemand, jedoch ohne dass es visuell oder emotional ausgeschlachtet werden würden, insgesamt bleibt die Folge weitestgehend harmlos. Damit dürfte sie dem Konzept dieser und ähnlicher Serien entsprechen, familientauglich zu bleiben und mitunter zwar technisch aufwändig gemachte, aber nie zu tiefschürfende Unterhaltung zu bieten. Dazu trägt auch der Humoranteil bei, der mir wesentlich stärker aufgefallen ist als damals und wiederum dazu beigetragen haben dürfte, dass ich bereits als Grundschüler Freude an der Serie hatte, ohne jede Handlung nun wirklich 100%ig nachvollzogen zu haben. Aus heutiger Sicht negativ aufgefallen ist mir hingegen: Viel zu wenig Heather Thomas!

Das Wiedersehen mit Colt Seavers weckte wohlige Erinnerungen an ‘80er-TV-Popkultur, wenngleich diese Episode narrativ und dramaturgisch sicherlich nicht mehr so zu fesseln vermag wie damals – weder ein junges noch ein reiferes Publikum.
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Geschichten aus der Gruft

Ursprünglich als nur 90-minütiger Episodenfilm geplant, wurde aus den von Hollywood-Hochkarätern wie Robert Zemeckis, Richard Donner, David Giler, Walter Hill, Joel Silver und Weiteren produzierte US-Serie „Geschichten aus der Gruft“ eine 93 Episoden umfassende Hommage an die guten alten US-Horrorcomics der 1950er aus dem E.C.-Verlag. Neben den titelgebenden „Tales from the Crypt“ waren das „Haunt of Fear“ und „Vault of Horror“, ergänzt um Krimicomics wie „Crime SuspenStories“ und „SuspenStories“, deren Geschichten für die von 1989 bis 1996 produzierte Serie realverfilmt wurden, wobei das Titelblatt des jeweiligen Comics eingeblendet wurde. Einige der Produzenten traten dabei auch als Regisseure in Erscheinung, andere renommierte Regisseure komplettierten den Reigen und bekamen die Gelegenheit, mit prominenten Schauspielerinnen und Schauspielern arbeiten – eine Vielzahl der Folgen weist bekannte Gaststars aus der A-Riege der Darsteller auf. Als „Moderator“ tritt jeweils der Cryptkeeper auf, ein halbverwester untoter Zyniker und Sarkast mit schriller Lache, der mittels einer Puppe realisiert wurde und um kein Wortspiel verlegen seine diebische Freude daran hat, die jeweilige Geschichte anzukündigen – und anschließend süffisant und amüsiert ihren Ausgang zu kommentieren.

Dem überwiegenden Teil der Episoden gemein ist der moritatische, moralisierende und zugleich sarkastische Tonfall, der sich aus den meist bitterbös schwarzhumorigen Konsequenzen aus dem Fehlverhalten der Protagonistinnen und Protagonisten ergibt. Mit den US-britisch-koproduzierten Episodengruslern „Tales from the Crypt“ und „In der Schlinge des Teufels“ wurden 1972 und 1973 bereits E.C.-Comics verfilmt, doch gelang es insbesondere dieser Serie mit ihren rund 25-minütigen Episoden nahezu perfekt, den Geist der Comicvorlagen ins Realserienformat zu übertragen. Mit „Bordello of Blood“ (1995), „Ritter der Dämonen“ (1996) und „Das Ritual – Im Bann des Bösen“ (2002) wurden zudem drei Spielfilme ausgekoppelt und 1993 eine gleichnamige Zeichentrickserie zur Seite gestellt.

S1E01: Wer zuletzt stirbt
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995

„Elektrizität ist berechenbar. Man kann ihr vertrauen.“

Als Gefängnishenker Niles Talbot (William Sadler, „Mein Partner mit der kalten Schnauze“) seinen Job verliert, beschließt er kurzerhand, ihn auf eigene Faust weiterhin auszuüben, um der Gerechtigkeit genüge zu tun…

Die von Walter Hill („The Warriors“) inszenierte Eröffnungsfolge bedient sich eines Film-noir-Stils und lässt die Hauptrolle Talbot nicht nur als Erzähler auftreten, sondern auch die „vierte Wand“ durchbrechen und direkt zum Publikum sprechen. Talbots zynischer Tonfall, sein Hang zur Selbstjustiz und sein Philosophieren über den Tod vereinen sich mit seiner Eiseskälte, Abgebrühtheit und Emotionslosigkeit, vorzüglich gespielt von William Sadler. Die Entwicklung und der Ausgang dieser Episode sind vorhersehbar, atmosphärisch und ästhetisch ist sie jedoch ein Pfund und zeigt mittels der entblößten Oberweite einer Dame auch, dass man seinerzeit wenig prüden Moralismus von Produzenten- oder Zensorseite aufoktroyiert bekam. Ein gelungener Einstieg.

7/10

S1E02: Stille Nacht - blutige Nacht
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995

Eine Familienmutter bringt pünktlich zu Weihnachten ihren Gatten um, das gemeinsame Kind darf nichts davon mitbekommen. Das Beseitigen des Leichnams jedoch wird massiv von einem als Nikolaus verkleideten psychopathischen Serienmörder erschwert, der ausgerechnet in dieser Nacht aus der geschlossenen Anstalt ausgebrochen ist und die Frau als sein nächstes Opfer auserkoren hat…

Direkt die zweite, von Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“) inszenierte Episode ist eine Art Xmas Special, das unweigerlich Erinnerungen an diverse Weihnachts-Stalk’n’Slash-Filme aufkommen lässt und wie eine Hommage an sie wirkt. Vor dem Hintergrund, dass auch diese Folge auf einem alten Comic beruht, darf jedoch davon ausgegangen werden, dass jene Slasher wiederum von eben jenem Comic inspiriert wurden. Die im fiktiven Ort Pleasantville als Synonym für typische, vermeintlich idyllische US-Kleinstädte spielende Geschichte führt das „Fest der Liebe“ ad absurdum, indem sie es mit Mord, Totschlag und Wahnsinn in Verbindung bringt. Dabei berücksichtigt man die gängigen Genre-Charakteristika, präsentiert einige blutige Effekte und mit Larry Drake („Dr. Giggle“) im Nikolauskostüm einen ebenso charismatischen wie furchterregenden Killer. Die grundsätzliche Vorhersehbarkeit der Pointe wird mit actionreichen und spannenden Momenten auszugleichen versucht, was über weite Strecken gut gelingt. Operation Heile-Welt-Demontage erfolgreich durchgeführt.

7,5/10

E1S03: Der lebende Tote
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995

Ulric (Joe Pantoliano, „Die Goonies“) lässt im Sarg liegend sein bisheriges – oder vielmehr: seine bisherigen – Leben Revue passieren: Wie er vom Obdachlosen zum Star der Manege wurde, nachdem er sich von Dr. Emil Manfred (Gustav Vintas, „Lethal Weapon“) gegen ein hübsches Sümmchen diejenige Katzenhirndrüse hat implantieren lassen, die den Tieren neun Leben sichert. Auf Jahrmärkten verdienen er und der Doc viel Geld damit, sich umbringen zu lassen und wiederaufzuerstehen. Doch das geht nicht ewig gut…

Richard Donner („Das Omen“) verfilmte den den Mythos der vermeintlichen neun Katzenleben aufgreifenden Comic zunächst in Form einer Rückblende, in der Ulrich aus dem Sarg heraus direkt zu den Zuschauerinnen und Zuschauern spricht und damit neugierig macht. Der makabre Einstieg verspricht nicht zu viel: Die Episode kaschiert die etwas sehr alberne und unwahrscheinliche Ausgangssituation um die Drüsenverpflanzung mit ungewöhnlichen Schnitten und einer grotesken Freakshow-artigen Überdrehtheit, während sie nach und nach zu einem Lehrstück über menschliche Vergnügungs- und Sensationssucht, vor allem aber menschliche Habgier wird. Ulrich lässt sich von seinem Erfolg korrumpieren und muss schließlich den Preis dafür zahlen. Er ist eben keine Katze, die immer auf den Pfoten landet.

7,5/10

S1E04: Schön wie die Sünde
US-Erstausstrahlung: 14.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 03.10.1997

Die attraktive Prostituierte Sylvia Vane (Lea Thompson, „Zurück in die Zukunft“) will möglichst schnell reich werden, u.a. um an den vermögenden Playboy Ronnie Price (Brett Cullen, „Single sucht Single“) heranzukommen. Zu diesem Zwecke überfällt und erschießt sie einen Zuhälter und stiehlt dessen Schmuck, den sie zu einem Pfandleiher bringt. Der jedoch hat ausschließlich Interesse an ihrer Schönheit, da er den Tod seiner geliebten Frau, die er im skelettierten Zustand verwahrt, nie überwunden hat. Für 10.000 Dollar fertigt er einen Abdruck Sylvias Gesichts an. Diese schleicht sich daraufhin in die High Society ein und reißt sich Ronnie auf. Nach vier Monaten sind sie ein Paar, doch verliert sich plötzlich ihre Schönheit in rasanter Geschwindigkeit…

Die von Regisseur Howard Deutch („Pretty in Pink“) inszenierte Geschichte nimmt Schönheitswahn sowie die Macht des Geldes aufs Korn und setzt Sylvias kalt kalkulierte Beziehung in Kontrast zur zwar wahnsinnigen, jedoch aufrichtigen und tief empfundenen Liebe des Pfandleihers zu seiner verstorbenen Frau. Die Make-up-Abteilung leistete ganze Arbeit, um Sylvias Alterungsprozess sichtbar zu machen, während die Handlung kaum ein gutes Haar an der Prostituierten lässt, die, so wird suggeriert, ihren Job in erster Linie als Sprungbrett zu schnellem Reichtum versteht und der Ausdruck ihres miesen Charakters ist, durch den sozialer Status und Materialismus für sie an erster Stelle stehen. Das mag diffus Sexarbeiterinnen-feindlich oder zumindest -kritisch sein, ist aber auch in seinem Ausgang schon deutlich weniger absehbar als die vorausgegangenen Episoden – wenn die Geschichte auch nicht 100%ig rund wirkt. Die Moral: Hochmut kommt vor dem Fall (außer im Duden).

7/10

S1E05: Die perfekte Hochzeitsnacht
US-Erstausstrahlung: 21.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 03.10.1997

Schönling Charles (Stephen Shellen, „Stepfather“) hat die „graue Maus“ Peggy (Amanda Plummer, „Courtship“) ausschließlich aufgrund ihres Vermögens geehelicht. Auf dem gemeinsamen Weg in die Hochzeitsnacht geraten sie in ein Unwetter, finden in einem verlassenen alten Haus aber eine Herberge. Doch das Gemäuer entfaltet eine unvorhergesehene Wirkung auf die frischvermählte Peggy…

Eine klassische, an Poe erinnernde Haunted-House-Geschichte hat Regisseur Tom Holland („Chucky – Die Mörderpuppe“) inszeniert, die er in Form eines Kammerspiels aufbereitet. Dieses braucht jedoch einige Zeit, um in die Gänge zu kommen, bis dahin verlässt sich Holland in erster Linie auf die Stimmung und Atmosphäre der Episode, für die er bisweilen tief in die Klischeekiste greift. Die Geduld des Publikums wird mit einem blutigen Showdown entlohnt, zuvor sorgte ein visualisierter Traum Charles‘ für Aufsehen. Einmal mehr werden Habgier und Vertrauensmissbrauch harsch gesühnt.

7/10

S1E06: Das Prunkstück der Sammlung
US-Erstausstrahlung: 28.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 31.10.1997

Endlich Pensionär! Frohgemut tritt Jonas (M. Emmet Walsh, „Critters – Sie sind da!“) seinen Ruhestand an, muss jedoch mit zunehmendem Entsetzen feststellen, dass seine Frau Anita (Audra Lindley, „Terror in New York“) sich während seiner jahrzehntelangen Berufstätigkeit neue Freunde gesucht hat: Sie beherbergt einen ganzen Haustierzoo im gemeinsamen Haus! Er hat das Gefühl, nur noch die zweite Geige zu spielen und entwickelt einen regelrechten Hass auf die Mitbewohner, bis er sich auf Anraten seines Nachbarn ein neues Hobby zulegt: Er wird Präparator…

Regisseurin Mary Lambert („Friedhof der Kuscheltiere“) inszenierte ihren Abgesang auf die klassische Rollenverteilung des arbeitenden Ehemanns und der das Haus hütenden Frau sowie auf die gemeinsame Rente als schwarzhumorig überzeichnete Satire, in der Walsh und Lindley so richtig aus sich herauskommen dürfen, sie als herzige, schrullige Katzen-, Hunde-, Vögel- und Fische-Lady, er als unzufriedener Grantler. Tierliebe und -hass dienen als Aufhänger einer Geschichte über die Entfremdung eines Ehepaars, die sich jahrelang durch den Alltagstrott unbemerkt entwickelte und plötzlich spürbar wird, wenn das Berufsleben zu Ende ist und man aufeinanderhockt. Während Anita sich ihre Welt so eingerichtet hat, wie sie ihr gefällt, weiß Jonas mit seiner Zeit nichts so recht anzufangen und fühlt sich zunehmend überflüssig, unfähig, mit positiven Impulsen die Situation zu ändern oder wenigstens Empathie für seine Frau zu entwickeln, stattdessen kindlich eifersüchtig, bockig und trotzig reagierend. Natürlich bietet auch dieses erste Staffelfinale dafür eine „Lösung“, für die einige bizarre, sicherlich länger im Gedächtnis bleibende Masken zum Zuge kommen. Tiere sind eben oft die besseren Menschen.

8/10
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Pastewka

Staffeln 8 und 9

Nachdem die beliebte deutsche SitCom „Pastewka“ von 2005 bis 2014 beim frei empfangbaren Privatsender Sat.1 lief, wechselte sie 2018 zum Video-on-Demand-Anbieter amazonPrime. Damit hatten es sowohl die Privatsender als auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen versäumt, sich eine der besten zeitgenössischen deutschen Comedy-Serien zu sichern. Fans der Reihe mit entsprechendem amazonPrime-Abo wiederum bekamen dadurch die Möglichkeit, die komplette zehnteilige Staffel bereits bei ihrem Erscheinen im Januar 2018 in einem Rutsch per Streaming durchzugucken. Dieser Rückblick auf die Staffeln 8 und 9 (letztere erschien im Januar 2019 ebenfalls bei amazonPrime) ist als Ergänzung meiner Kritik der Staffeln eins bis sieben zu verstehen.

Die vierjährige Pause geht mit einer Weiterentwicklung des (glücklicherweise identischen) Figuren-Ensembles einher: Bastians Ex-Freundin Anne hat ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen und ist nun als Frauenärztin tätig. Sein Bruder Hagen ist mit der verhassten Svenja Bruck verheiratet. Beide betreiben einen Bio-Imbisswagen und Svenja erwartet ein Kind von Hagen. Bastians Nichte Kim ist nun Mitglied einer Pop-Band. Bastians persönliche Entwicklung jedoch verlief negativ: Nachdem er sich vier Jahre lang in Annette Friers SitCom „Frier“ als fetthalsige Tunte hat verheizen lassen, schmeißt er entnervt hin. Mitten in der Midlife Crisis steckend, bezieht er ein Wohnmobil und lässt sich zunächst einmal gehen, bevor er neuen Mut schöpft und seinem Leben einen neuen Antrieb zu geben versucht. Doch wenngleich sich neue Liebschaften ergeben, ist er noch immer nicht über die Trennung von Anne hinweg. So stolpert er weiterhin von einer Semikatastrophe in die nächste, wobei sich sämtliche kleine Intrigen und Manipulationsversuche letztlich gegen ihn verkehren…

Diese erste VoD-Staffel wirkt, als habe man die neuen Möglichkeiten, die der Anbieterwechsel mit sich brachte, ausloten und sich deutlich sichtbar von den TV-Produktionen abgrenzen wollen. So entspricht der Tonfall nun eher dem einer Dramödie, ist also etwas ernster geworden. Das Bild wirkt kinematischer und damit höherwertiger, was jedoch von den zahlreichen, offenbar der Finanzierung gedient habenden Product Placements konterkariert wird, die mitunter reichlich plump wirken und leider auch nicht unbedingt für die sympathischsten Konzerne werben. Was die Darstellung nackter Haut betrifft, ist bei Amazon allem Anschein nach mehr möglich als bei Sat.1, was nicht nur die Nudisten-Camp-Episode betrifft, jedoch auch nicht unangenehm selbstzweckhaft wirkt. Ob man Svenja Bruck oder Bastian Pastewka nun in relativ freizügigen Sexszenen sehen will, liegt indes im Auge des Betrachters. Meines Erachtens verleihen diese Momente der Serie ein Plus an Natürlichkeit, was zu ihrem veränderten Tonfall passt, der darüber hinaus mehr Raum für Melancholie lässt als zuvor.

Die Pilotfolge in doppelter Länge zeigt Bastian Pastewka an einem absoluten Nullpunkt seines Lebens und stellt die Weichen für die weiteren, aufeinander aufbauenden Episoden, wobei die vierte stark aus der Reihe fällt: Sie persifliert den Hang zum Powerbingen, also zum sofortigen Durchgucken einer ganzen Serienstaffel bei Erscheinen, von Seriensüchtigen am Beispiel von „Game of Thrones“, deren Faszination Bastian erliegt und sich einen absurden Wettkampf mit Michael Kessler liefert. Die Parallelen zu Drogenabhängigen inkl. Beschaffungskriminalität sind offensichtlich. In der episodenübergreifenden Handlung gelingt es sowohl den Autoren als auch Pastewka persönlich doch immer wieder, auch erfahrenes Publikum der Serie zu überraschen, sodass es nie langatmig und nur selten repetitiv wird. Bastians und Hagens Vater Volker bekommt ebenfalls wieder einen starken Auftritt zugeschrieben, und um Anne etwas mehr Spielzeit einzuräumen, konstruierte man eine Episode, in der Anne und Bastian Annes Eltern eine heile Beziehungswelt vorspielen müssen – das ist köstlich und beinahe unerträglich zugleich. Am schwächsten ist die Kaufhaus-Episode, in der der Ejakulatshumor dann doch zu erzwungen und infantil erscheint.

So sehr Bastian sich über weite Staffelstrecken wie ein dummer Junge verhält, der eigentlich seine Ex-Freundin zurückhaben möchte, aber alles nur noch schlimmer macht, so sehr man ihn in diesen Momenten als empathische(r) Zuschauerin oder Zuschauer auch packen und so lange kräftig durchschütteln möchte, bis er wieder zur Besinnung kommt, so sehr muss er im Staffelfinale über sich hinauswachsen, als seine zweite Nichte auf die Welt zu kommen drängt – der aufregende Höhepunkt einer starken Staffel, die anders, aber sicher nicht schlechter ist als die vorausgegangenen sieben Staffeln. Sie ist weniger eine selbstironische Branchensatire als vielmehr das Porträt eines Mannes am Scheideweg, dessen Beziehungsunfähigkeit auf ebenso dramatische wie hintergründig komische Weise verhandelt wird. Der VoD-Umzug ist geglückt, wenngleich ich ihn weiterhin auch mit einem weinenden Auge betrachte.

Einen anderen Weg schlägt die neunte Staffel ein: Zurück zur Branchensatire, weg vom offensichtlichen Product Placement, Schluss mit Nacktszenen. Vornehmlich handelt es sich hierbei um die Parodie auf eine Krankenhausserie inkl. ihrer Dreharbeiten. Ist die wieder in doppelter Länge gedrehte Pilotfolge noch etwas klischeelastig und überkonstruiert, gewinnt die Staffel ab Episode 2 an Format: Ein halbes Jahr ist seit Mafaldas spektakulärer Geburt vergangen, Bastian lässt sich als Held feiern. Doch der Held ist pleite und sieht sich schließlich gezwungen, das Angebot anzunehmen, in einer neuen kitschigen ZDF-Krankenhausserie Chefarzt Dr. Roman Engel zu mimen – vor allem, weil in einem echten Krankenhaus gedreht wird, nämlich ausgerechnet dem, in dem Anne angestellt ist. Bastian wird zum Stelzbock, der permanent seiner Ex-Freundin nachstellt, muss sich am Set jedoch mit der zickigen, fiesen Schauspielkollegin Katja Woywood („Das Traumschiff“) herumärgern. Außerdem ist Bastian mittlerweile aufs Land zur Bruck und zu Hagen gezogen, wo er sehr gut mit Mafalda umgehen kann, sich nach Svenjas Empfinden jedoch spätestens dann zu sehr einmischt, als er darauf besteht, seine Nicht zu schutzimpfen. Und ab der dritten Folge ist Kim auch wieder mit von der Partie, die mit ihrer neuen Band auf den Bruck’schen Hof zieht und für Chaos sorgt.

Die neunte Staffel lebt in erster Linie von den sich über fast alle Folgen ziehenden Konflikten zwischen Bastian und seiner Nemesis, der Woywood, eingearbeitet in eine urkomische Verballhornung kitschiger Arztserien, inkl. ihrer Regisseure und der (in diesem Falle) öffentlich-rechtlichen Auftraggeber, was im Staffelfinale sogar in einem herrlich absurden seriengenreübergreifenden Rundumschlag mündet – von der Pointe ganz zu schweigen. Zweiter Dauerbrenner der Staffel ist natürlich Bastians unablässiges Ringen um die zunehmend genervte Anne, mit der er sich in Bezug auf Mafalda sogar kurzzeitig zwecks Kooperation zusammenrauft. Dies bietet zudem Anlass für Impfgegner(innen)-Schelte, eines Menschenschlags also, der sich aufgrund von Wohlstandsverblödung zunehmend ausbreitet. Ob diese Attitüde jetzt wirklich so gut zur Bruck passt, weiß ich nicht – tendenziell ist sie eher bei verwirrten Esoterik-Hippies und neurechten Verschwörungstheoretikern sowie Sieg-Heilpraktikern zu verorten als bei feministischen, vegan lebenden Öko-Antifas, aber sei’s drum.

In Bezug auf Anne übertritt Bastian derart eindeutig Grenzen, dass die Empathie mit ihm schwerer fällt als zuvor. Stattdessen macht sich eher Verständnis für die entnervte Anne breit, die, wie sich herausstellt, nicht nur mit Bastian kein Glück hatte. Das ist intelligent geschrieben und veranschaulicht eindrucksvoll, wie man es nicht machen sollte. Die unsägliche Trash-Semiprominente Carmen Geiss stellte sich überraschenderweise für eine kurze Selbstverarschung in Folge 4 zur Verfügung, Kim bezeichnet ihre ehemalige Menschen-Leben-Tanzen-Welt-Band korrekterweise als „seichte Popscheiße“ und jede Folge endet mit einem Cliffhanger, was zum flotten Durchgucken einlädt.

Auch Staffel 9 bietet hervorragende Unterhaltung und tollen Humor, seit Staffel 8 mit deutlich tragikomischer Schlagseite und leichten Seifenoper-Anleihen. Eine zehnte Staffel ist bereits angekündigt, die jedoch die letzte sein wird. Das ist einerseits schade, bietet andererseits aber die Möglichkeit, auf dem Zenit abzutreten, bevor das Format sich evtl. doch noch abzunutzen droht. Zehn Staffeln sind für eine deutsche SitCom eine mehr als ordentliche Hausnummer.
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Rodan alias Die fliegenden Monster von Osaka

„Glück auf!“

Der japanische „Godzilla“-Regisseur Ishirô Honda bediente unterschiedliche Genres, ist jedoch in erster Linie für seine Kreaturenspektakel bekannt. Auf „Godzilla“ folgte ein hierzulande nie ausgewerteter Yeti-Streifen und 1956 schließlich „Rodan“ (der eigentlich „Radon“ hieß) alias „Die fliegenden Monster von Osaka“ (Wiederaufführungstitel, korrekt wäre „von Fukuoka“ gewesen). Es handelt sich um den ersten farbigen Kaiju:

Auf der japanischen Insel Kyushu verunglücken die Arbeiter eines Bergwerks unter ungeklärten Umständen. Als Ursache kristallisieren sich schließlich Riesenraupen, sog. Meganulons, heraus, die, wie Ingenieur Shigeru (Kenji Sahara, „Weltraum-Bestien“) herausfindet, in einem stillgelegten Stollen tief unter der Erde nisten. Die Viecher werden in verlustreichen Schlachten schließlich erfolgreich bekämpft und der Stollen zugeschüttet. Ein Erdbeben jedoch gibt die Kreaturen des Stollens wieder frei – wobei die Meganulons noch wesentlich grausameren Bestien als Futter dienen: Die an Flugsaurier erinnernden Rodans sind aus ihren Eiern geschlüpft, erzeugen Stürme mit ihren Flügelschlägen, Überflutungen beim Wasserbad und drohen, Fukuoka ins Chaos zu stürzen…

War „Godzilla“ eine Allegorie auf die Atombombenabwürfe auf Japan durch das US-Militär und die zerstörerische Kraft des Weltkriegs, fällt „Rodan“ weniger anklagend aus: Die Kreaturen scheinen hier stellvertretend für Naturkatastrophen und deren durch industrielle Eingriffe in die Natur bedingte mögliche Verschlimmerung der Folgen zu stehen. Wer nun Flugungeheuer-Action erwartet und ansonsten noch nichts über den Film weiß, dürfte über die prominenten Auftritte der Meganulons überrascht sein. So dauert es dann auch recht lange, bis die Rodans (zwei an der Zahl) ins Spiel kommen und damit die durch die Raupen verursachten Schäden und Gefahren multiplizieren. Man tat auch gut daran, erst nur wenig von ihnen zu zeigen, bis sie schließlich in voller Pracht erstrahlen.

Die Kreaturen sehen gut aus, insbesondere für die Raupen schneiderte man detailverliebte Kostüme. Die Rodans wirken in den üblichen Miniaturen durchaus mächtig, wenngleich die Spezialeffekte natürlich sehr durchschaubar ausfallen. Über Dialoge und Dramaturgie zu urteilen, fällt angesichts der unterschiedlichen Schnittfassungen schwer. Der von mir gesehenen deutschen Kino-WA-Fassung fehlen anscheinend locker zehn Minuten und ich fürchte, dass manch Textzeile sinnentstellt wurde. Charme haben neben den Action-Anteilen in jedem Fall die Inselbewohner, die ein nonurbanes, dörfliches Japan repräsentieren. In der knackig gekürzten Kinofassung ist „Rodan“ ein kurzweiliges Kaiju-Vergnügen, das aus heutiger Sicht ein schöner, weniger als erwartet trashiger Retrospaß ist – im Gegensatz zu Hondas Original-„Godzilla“ aber auch die Frage aufwirft, inwieweit es bei Erscheinen auf ein jugendliches oder erwachsenes Publikum überhaupt jemals bedrohlich gewirkt hat, oder ob nach „Godzilla“ nicht schon immer der pure Spaß an Kreaturenspektakeln überwog.
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Das Gespenst

„Das Gespenst“ ist eine antiklerikale Low-Budget-Satire des bayrischen Schriftstellers, Malers und Filmemachers Herbert Achternbusch aus dem Jahre 1982, an dem seinerzeit die FSK ein wenig zu knabbern hatte, der aber vor allem durch eine Kampagne des Axel-Springer-Verlags zum vielbeachteten und polarisierenden Skandalfilm geriert, der die Politik beschäftigte und zu Änderungen innerhalb der Filmfördermittelvergabe führte.

So wurde „Das Gespenst“ im eigentlich in Filmfreigabefragen so liberalen Österreich als damals bisher einziger Spielfilm beschlagnahmt, und zwar ausgerechnet auf eine Anzeige des Alpennazis Herwig Nachtmann hin; das Buch zum Film wurde ebenfalls eingezogen und unterschlagen. (1985 folgte Werner Schroeters „Liebeskonzil“ als zweiter in Österreich beschlagnahmter Spielfilm.) In Deutschland unterschlug der reaktionäre CSU-Innenminister und Kunstfeind Friedrich Zimmermann die noch ausstehenden Filmförderungsratenzahlungen i.H.v. 75.000,- DM an Achternbusch. Dank der medialen und politischen Aufmerksamkeit lockte der Film Monate nach seiner Erstaufführung jedoch mehr als 150.000 Zuschauer in die Kinosäle und bescherten ihm damit einen Überraschungserfolg. Das Landgericht wies sämtliche Klagen gegen den Film zurück – wenn auch mit der sinngemäßen Begründung, dass er schlicht zu mies sei, um überhaupt ernstgenommen werden zu können –, Zimmermann aber setzte durch, dass es unabhängige deutsche Filmproduktionen zukünftig wesentlich schwerer haben sollten, ihre Projekte mit staatlicher Hilfe vorzufinanzieren. Doch worum geht es in „Das Gespenst“ überhaupt?

In einem bayrischen Kloster geschieht ein Wunder: Eine lebensgroße Jesus-Skulptur (Herbert Achternbusch) erwacht zum Leben, steigt vom Sockel, verwandelt sich in eine Schlange und beglückt, wieder in Menschenform, die Mutter Oberin (Annamirl Bierbichler, „Bierkampf“) sexuell. Diese verschafft ihm Arbeit als Kneipenwirt (= Ober) in der Klosterbar, wo er diverse Menschen kennenlernt, und zieht, mittlerweile schwanger, mit ihm durchs bayrische Landesgebiet, bis er sich wieder in eine Schlange verwandelt und von der Mutter Oberin, die sich nun ihrerseits in einen Vogel verwandelt hat, im Schnabel davongetragen wird.

Achternbusch übernahm die Hauptrolle höchstpersönlich und konzipierte „Das Gespenst“ nach Art eines Episodenfilms: Wenig bis gar nicht zusammenhängend sieht sich Jesus mit dümmlichen Polizisten (Kurt Raab, „Endstation Freiheit“ und Dietmar Schneider, „Der Neger Erwin“), aus der Zeit gefallenen Römern (Josef Bierbichler, „Hexen“, Franz Baumgartner, „Das letzte Loch“ und Alois Hitzenbichler, „Die Atlanktikschwimmer“) und verständnislosen Passant(inn)en sowie der Erkenntnis konfrontiert, dass die Kirche und die Menschheit seine christliche Lehre kaum in seinem Sinne auslegen. Darüber lässt Achternbusch ihn bisweilen theologisch philosophieren, jedoch hat dieser Aspekt überraschend geringen Anteil am Film. Vielmehr frönt Achternbusch seinem eigenartigen, mitunter sehr plumpen Humor, sodass zwei Polizisten in Gläser zu koten versuchen, Frösche an kleine Kreuze gebunden werden und insgesamt viel, viel sinnloses Zeug gebrabbelt wird.

Einen zeitgenössischeren Film wie „Er ist wieder da“ im Hinterkopf habend, ist „Das Gespenst“ aus heutiger Sicht eher enttäuschend. Die blasphemische Komik nutzt sich schnell ab und die Religionskritik tritt hinter ermüdende, spröde und unlustige Szenen zurück, die in Schwarzweiß und bisweilen mithilfe von Laiendarsteller(inne)n umgesetzt wurden. Zudem bleibt die Kamera gerade in den innerhalb von Räumen spielenden Sequenzen meist vollkommen statisch, was „Das Gespenst“ wie ein abgefilmtes bayrisches Lustspiel erscheinen lässt. Religions- und Autoritätskritik, auch harsche und provokante, wurde schon weitaus besser verpackt, dagegen wirkt Achternbusch geradezu provinziell.

Aufgrund dessen, was er losgetreten hat, ist Achternbuschs Film eher auf der Metaebene interessant denn als Filmgenuss, dafür erscheinen seine damaligen empörten Kritiker im Nachhinein umso lächerlicher.
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Mädchen für intime Stunden

„Ihr Hintern schmeckt nach Johannisbeeren!"

Der umtriebige spanische Viel-, Erotik- und Trash-Filmer Jess Franco („Paroxismus“) ließ sich 1974 für seine Erotikkomödie „Mädchen für intime Studen“ lose von Mirbeaus Roman „Le journal d’une femme de chambre“ inspirieren und realisierte es in französischer Produktion mit seiner Muse und späteren Ehefrau Lina Romay („Im Schatten des Mörders“) in der Hauptrolle.

„Dass du eine Nutte bist, stört mich nicht. Das werden die besten Ehefrauen. Das war schon immer so.“

Frankreich, anno dazumal: Die Prostituierten Celestine (Lina Romay) und ihre Freundin fliehen vor einer Razzia im Bordell. Celestine verschlägt es dabei auf das Anwesen einer asexuellen Gräfin (Lynn Monteil, „Convoy der Frauen“), wo sie deren chronisch untervögelter Familie und den Bediensteten gerade recht kommt. Man setzt sich für sie ein und stellt sie schließlich als Kammerzofe an. Nach einer Weile darf Celestine sogar ihre ebenfalls geflohene Freundin an den Hof vermitteln. Doch ihr Zuhälter ist ihr auf den Fersen und droht, die Idylle zu zerstören, indem er sie in krumme Dinger verwickelt…

„Genug geflirtet – ich will gevögelt werden!“

Franco eröffnet seinen fröhlichen Rudelbums mit der Razzia und der mit ihr einhergehenden Flucht, die beide Huren directamente in Jess Francos Schlafzimmer verschlägt, der damit seinen Cameo hat. Nachdem sie sich getrennt haben, bleibt die Handlung bei Celestine, die zunächst von Sebastien (Raymond Hardy, „Entfesselte Begierde“), Bauernlümmel und Gärtner der Gräfin, vergewaltigt wird. Da er ein Ultraschnellficker ist, ist der Akt schnell wieder vorüber, was ihm auch den Spitznamen „Rapido“ eingebracht hat. Nichtsdestotrotz hat Celestine ihre Vergewaltigung gefallen, am liebsten würde sie sie gleich noch einmal über sich ergehen lassen. Franco schien zu glauben, dass das ein echter Schenkelklopfer sei…

Eher unfreiwillig komisch ist Romays erbärmliche schauspielerische Leistung: Als sie zu weinen beginnt, weiß man zunächst nicht, ob sie gähnt oder in Ohnmacht fällt. „Rapido“ hingegen bumst eigentlich seine Frau (Catherine Lafferière, „Exorcisme“), Celestine erschien ihm lediglich als eine willkommene Abwechslung. Mit einem alten Bauern treibt sie‘s ebenfalls, der schließlich zusammen mit „Rapido“ und Mademoiselle Ursule (Monica Swinn, „Down Town“) versucht, Celestines Anstellung bei der Gräfin zu vermitteln.

Gräfin und Graf (Olivier Mathot, „Die Kameliendame“) lernt man in einer bizarren Sexszene kennen, in der sie es bekleidet, schnell und förmlich miteinander tun, um es hinter sich zu bringen. Celestine, der man inzwischen andere Kleidung besorgt hat, reitet stattdessen deren Sohn durch und treibt's nacheinander in leider stets bekleideten, unerotischen Szenen mit allen Verfügbaren. Ferner gibt sie Verführungstipps und liest dem alten und kranken Herzog (Howard Vernon, „Der schreckliche Dr. Orloff“) nur mit Strapsen bekleidet Schundliteratur vor. Da freut er sich und lacht!

Auf eine gut gefilmte 69-Szene kommen bis hierhin viele Sexszenen, die nicht mehr als albernes Herumgehopse sind. Plötzlich wollen alle auf einmal Sex mit Celestine: Einer nach dem anderen betritt ihren Raum und man versteckt sich voreinander, sobald der Nächste erscheint. Doch es kommt auch zum Streit und zu einem Catfight, eine eifersüchtige Dame des Hauses will Celestine loswerden. Die aber bleibt, will weniger arbeiten und darf sogar ihre alte Kollegin als weitere Hure in Festanstellung vermitteln. Mit ihr räkelt sie sich halbnackt auf dem Bett und weist sie in die Familie ein – womit Franco und seinem Team endlich einmal eine wirklich erotische Szene gelang. Auch durch weitere Sexszenen, in die beide Huren involviert sind, gewinnt der Film an erotischer Strahlkraft.

Celestine lehrt „Rapido“ Ausdauer und instruiert die unerfahrene Tochter (Pamela Stanford, „Lorna, the Exorcist“) der Familie in Sachen Sex. Der ältere Bauer verliebt sich sogar in Celestine. Doch ihr ehemaliger Zuhälter lauert ihr auf und zwingt sie, mit ihm Wertgegenstände aus dem Anwesen zu stehlen. Celestine gelingt es jedoch, Herzog Vernon doch noch erfolgreich einen zu blasen und auch die einst so frigide Gräfin ist dank Celestines Sinnlichkeitsschule nun wild und willig, also rettet ihre neue Familie sie aus den Fängen des Luden. Beide Huren sind nun voll akzeptierte Familienmitglieder. Selbst der Tochter gelingt es endlich, ihren Schwarm zu verführen. Da nun für die beiden Huren alles getan ist, verlassen sie das Haus, vermutlich auf der Suche nach neuen Abenteuern…

In zugegebenermaßen schicken Strapsen betthüpft sich die attraktive Lina Romay durch diesen albernen Klamauk mit seinem platten, anzüglichen Humor, der weder sonderlich lustig noch erotisch ausgefallen ist. Die an einer Hand abzählbaren wirklich erotischen Momente rechtfertigen keinen abendfüllenden Spielfilm. Hübsche, lebensfrohe Mädels, die Schwung und Leidenschaft in eine verkrustete Aristokratie bringen – das ist grundsätzliche eine (aus gutem Grund für mehrere Verfilmungen aufgegriffene) nette Idee, die über Potential verfügt. Doch anstatt dieses auszuschöpfen, liegt hier über allem die grundverkehrte, überflüssigerweise auch noch krampfhaft auf witzig getrimmte Aussage, dass Prostituierte es permanent mit jedem und jeder treiben wollen würden und dass man sie daher quasi gar nicht vergewaltigen könne. Letztlich befriedigt das vermutlich lediglich die Sexualphantasie von einer Sexsklavin, zumal kaum ein Film weniger ernstzunehmen sein könnte als dieser. Mit seinem Appell an niedere Instinkte weckt er jedenfalls hoffentlich keine tatsächlichen Bedürfnisse in diese Richtung, womit er Sexarbeiterinnen einen Bärendienst erwiesen hätte. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sie es nicht gebrauchen können, als dauergeiles, wahlloses Freiwild charakterisiert zu werden, weder 1974 noch heute. Offenbar fand Franco seinen Film dann auch selbst gar nicht mal mehr so gut und verhunzte ihn daher in der Postbearbeitung mit einem ultranervigen Soundtrack.

3,5 von 10 albernen Schnellficks.
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Haus der tödlichen Sünden

„Ich fühle mich in diesem Haus so allein!“

Der italienische Genre-Regisseur Silvio Amadio, vornehmlich für seine Erotikfilme mit „Miss Teenage“ Gloria Guida Mitte der 1970er bekannt, drehte mit „Amuck!“ alias „Haus der tödlichen Sünden“ im Jahre 1972 einen frühen Erotik-Giallo, zu dessen Ensemble er sowohl Barbara Bouchet („Die rote Dame“) und Rosalba Neri („Sklaven ihrer Triebe“) als auch den Hitchcock-Mimen Farley Granger („Cocktail für eine Leiche“) zählen konnte.

„Und so fürchte ich mich davor, diese Welt der perversen Freuden zu verlieren, die mich umhüllt wie das Netz einer Spinne.“

Die Londonerin Greta (Barbara Bouchet) ist inkognito auf der Suche nach ihrer seit einem halben Jahr verschwundenen Lebensgefährtin Sally (Patrizia Viotti, „Sexuelle Gelüste triebhafter Mädchen“) und tritt aus diesem Grunde eine Stelle als Sekretärin beim Schriftsteller Richard Stuart (Farley Granger) an, Sallys ehemaligem, auf einer Insel in der Umgebung Venedigs opulent residierendem Arbeitgeber. Der vermögende, exzentrische Kunstkenner lebt mit seiner Frau Eleonora (Rosalba Neri) in offener Ehe, mit Fischer Rocco (Petar Martinovitch, „Lady Frankenstein“) und Diener Giovanni (Umberto Raho, „Das Geständnis“) beschäftigt er zwei weitere Angestellte. Greta verdächtigt Stuart des Mords, zu anschaulich erscheint ihr sein jüngstes Werk. Doch der ebenfalls ermittelnde Kommissar Antonelli (Nino Segurini, „Nackt jeden Abend“) zweifelt an dieser Geschichte, zumal es keinerlei Beweise gibt. Während Greta nach diesen forscht, erliegt sie mehr und mehr den erotischen Obsessionen der Stuarts…

„Ich habe beschlossen, einen Giallo-Roman zu schreiben." - "Du machst Witze! Ein Autor deines Kalibers...“

Amadios „Haus der tödlichen Sünden“ kommt mit nur wenigen Morden und Gewaltspitzen und ohne schwarze Handschuhe aus, verfügt aber über diverse andere Ingredienzien klassischer Gialli wie die Verortung in einer dekadenten Oberschicht, die auf eigene Faust ermittelnde und selbst in Gefahr geratene Protagonistin aus dem Ausland und die in schwelgerischen Bildern präsentierten internationalen Schauplätze. Bereits der Vorspann ist unterlegt mit Bildern der Bootsfahrt Gretas durch Venedig und zur pittoresken Insel, auf die es sie verschlägt. Teo Usuellis einnehmend luftige musikalische Untermalung versetzt dabei in entsprechende Stimmung. Greta liest den Brief ihrer verschwundenen Freundin, während die Kamera Venedigs Kulisse poetisch im Wasser spiegeln lässt. Sie bezieht das opulente Anwesen ihres neuen Arbeitgebers, trifft jedoch zunächst auf Fischer – und Spanner – Rocco, vor dem sie fürchterlich erschrickt. Dass er harmlos sei, muss sie zunächst ebenso hinnehmen wie das Filmpublikum diesen False Scare.

„Jeder muss sterben!“ – „Vor allem die Mittelmäßigen.“

Eleonora kümmert sich daraufhin äußerst liebevoll um Greta – Bühne frei für Rosalba Neri, die sich in eine anregende Lesben-Softsex-Szene mit der Bouchet stürzt. Amadio hält den Erotikfaktor weiter hoch: Später wird Greta zu einer freizügigen Feier im Haus eingeladen, wo man sich gemeinsam einen bizarren Rotkäppchen-Porno ansieht. Doch im Anschluss folgen plötzlich Privataufnahmen, die Sally zeigen… Richard macht sich verdächtig, als er Greta darüber in Kenntnis setzt, einen Giallo-Roman über das perfekte Verbrechen verfassen zu wollen und ihr damit indirekt zu drohen scheint. Schnell schaltet Amadio jedoch wieder auf Softsex um und kredenzt eine Zeitlupenszene, in der sich nackt unterm Wasserfall vergnügt wird – und die Gretas Fantasie entspringt.

Spannung und etwas Grusel kommen zum Zuge, wenn Greta in einer minutenlangen dialoglosen Szene in den Kellergewölben des Gebäudes herumschnüffeln darf und ihr Richard anschließend eine Schauergeschichte aufs Tonband diktiert, mit der er suggeriert, was mit Sally geschehen sein könnte. Als Amadio Richards Mär visualisiert, wird jedoch naiverweise davon ausgegangen, Fische würden eine Leiche komplett verspeisen… Apropos Fisch: Eine grausame Tiersnuff-Szene führt zum Punktabzug für diesen Film. Pfui! Fischer Rocco versucht sich daraufhin auch Greta zu angeln. Eines Abends geht Mysteriöses vor sich: Eleonora, angeblich übersinnlich begabt, scheint nach Art eines Mediums Kontakt zu Greta aufzunehmen und zu erfahren, dass diese bald sterben müsse. Daraufhin gräbt Richard Greta an, denn wer weiß, wie lange er dazu noch Gelegenheit hat…

Bei der Entenjagd im Schilf wird’s für Greta gefährlich: Sie droht im Morast zu versinken, kann aber vom hinzugeeilten Kommissar gerettet werden. Mit dieser spannend inszenierten Sequenz gewinnt der bis dahin etwas arg langsam erzählte Film erstmals an Schmiss. Greta hielt das für ein Mordkomplott und berichtet dem Kommissar von Richards Tonbandaufnahme, die sich leider als bereits gelöscht herausstellt. Ein neues Tonband, das Amadio sich ebenfalls nicht zu visualisieren nehmen lässt, scheint aber die Motive zu erläutern. Als Richard Greta erneut angräbt, erzählt er ihr endlich, was wirklich mit Sally geschehen ist – in Form einer aus dem Off kommentierten Rückblende (Achtung, ab jetzt massive Spoiler!): Eleonora und Sally wollten Rocco verführen, Sally strippte vor ihm und machte plötzlich den sterbenden Schwan, als Eleonora sich zuerst mit Rocco vergnügte. Sally verging jegliche Lust, doch Rocco versuchte, sie zu vergewaltigen und erwürgte sie schließlich. Ist der Mörder also weder der Yuppie noch der Gärtner und schon gar nicht der beinahe stumme, stoische Diener, sondern der Prolet? Die Handlung verwirrt, man misstraut ihr.

Plötzlich lässt Amadio ein Klischee-Unwetter wie im Horrorfilm toben, währenddessen Greta endlich Richard ranlässt, nicht unbemerkt von Eleonora. Die Leiche wird in einem Weiher unweit des Stuart’schen Anwesens gefunden, Richard reist für drei Tage nach London. Am Bahnhof versucht Greta, den Kommissar von Richards Unschuld zu überzeugen. Man ahnt, dass Amadio noch eine Wendung in der Hinterhand hat. Und so wird plötzlich der Diener erschlagen. Eleonora bestellt Greta ins Wohnzimmer, wo sie mit Rocco wartet. Der überraschende Twist: Mit ihr soll dasselbe geschehen wie mit Sally! Doch das Drehbuch setzt noch einen drauf: Auch Richard ist anwesend und will Greta abmurksen, weil sie zu viel weiß. Doch da spielt Rocco nicht mit: Der Sklave erhebt sich über seine Herren!

Für dieses sich in guter alter Giallo-Manier mehrmals überschlagende Finale hat sich das Durchhalten definitiv gelohnt. Die gelungenen Erotikszenen und generell überdurchschnittlich ästhetisierte Optik können nur bedingt von den Dramaturgie- und Timing-Schwächen ablenken. Mehr blutige Morde o.ä. hätte es jedoch gar nicht gebraucht; hat man sich erst einmal auf den Film einlassen können, weiß diese Mischung aus Mystery-Krimi, Psycho-Thriller und Erotik-Drama gut zu munden, zumal hier ein handverlesenes Ensemble aufeinandertrifft. Über die leicht nach Klassenkampfthematik anpolitisiert schmeckende Pointe darf, wer möchte, gern noch ein bisschen sinnieren. Ich fühlte mich ein wenig an „Sklaven ihrer Triebe“ erinnert, und zwar auf angenehme Weise. Wer von einem Giallo weder permanente Hochspannung noch Slasher-ähnliche Metzeleinlagen erwartet, sondern stattdessen die anmutige Freizügigkeit großer ‘70er-Jahre-Genrefilm-Ikoninnen zu schätzen weiß, ist mit „Haus der tödlichen Sünden“ gut beraten.

6 von 10 geheimnisvollen Briefen für dieses Kleinod.
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