
The Munsters
1964 war das Jahr der gruselkomödiantischen
Sitcoms: Nur wenige Tage nach der „Addams Family“ gingen die ein ganz ähnliches Konzept verfolgenden „The Munsters“ an den Start. Norman Abott, David Alexander, Charles Barton und neun weitere Regisseure inszenierten insgesamt 70 rund halbstündige Folgen fürs US-amerikanische Fernsehen, nach der zweiten Staffel wurde die Serie zeitgleich mit der Addam’schen Konkurrenz abgesetzt. Während die nie ausgestrahlte Pilotfolge noch in Farbe gedreht worden war, musste die Serie auf Kolorierung verzichten (eine weitere Gemeinsamkeit mit der „Addams Family“).
Zu fünft bewohnen die Munsters ein großes, altes, reichlich verwittertes Haus in der Mockingbird Lane 1313, Mockingbird Heights, USA, die zahlreichen Haustiere vom Drachen über einen Raben bis hin zur Schlange nicht mitgezählt. Herman Munster (Fred Gwynne, „Friedhof der Kuscheltiere“), einst vom deutschen Dr. Frankenstein zusammengesetzt, ist das Familienoberhaupt, ein tollpatschiger, mehr als 2,20 Meter großer Trampel und liebenswürdiger Simpel, der im Beerdigungsinstitut „Gateman, Goodbury & Graves“ arbeitet und seine Frau Lily (Yvonne De Carlo, „Die zehn Gebote“) über alles liebt. Lily ist Angehörige des Dracula-Clans und einst zusammen mit ihrem Vater Sam (Al Lewis, “Gnadenlose Stadt“) aus Transsilvanien in die USA übergesiedelt. Sam alias Opa Munster alias Graf Dracula vertreibt sich die Zeit mit wissenschaftlichen Experimenten, kann sich in Tiere verwandeln und spricht mit osteuropäischem Akzent. Der kleine Eddie Munster (Butch Patrick, „Lidsville“) ist Lilys und Hermans gemeinsamer Sohn, der mit seinem Aussehen einem jungen Werwolf ähnelt. Er besucht die örtliche Grundschule und ist äußerst tierlieb. Mit im Haus lebt Marilyn, die Tochter von Lilys Schwester, ein blondes, bildhübsches
All American Girl, zudem überaus freundlich und wohlerzogen. In ihrer Familie gilt sie damit als entstellt. Herman & Co. geben ihr das Gefühl, ganz besonders hässlich zu sein. Dass sie einfach kein Glück bei der Partnersuche hat, führt sie auf ihr Aussehen zurück, ohne zu ahnen, dass ihre Verehrer es angesichts ihrer Familie stets mit der Angst zu tun bekommen.
Dabei führen die Munsters genauso wenig Böses im Schilde wie die Addams, sie verfügen lediglich über ein anderes Ästhetikempfinden – und haben aufgrund von Hollywood- und Genrefilm-Produktionen nicht gerade den besten Leumund. Tatsächlich sind die Munsters den
Universal Classic Monsters nachempfunden, sind sie deren Parodie. Im Gegensatz zu den Addams sind sie weniger vermögend, Herman fungiert als Ernährer der Familie. Auch sind sie kulturell weniger beflissen. Ihren Humor bezieht auch diese Serie jedoch hauptsächlich aus dem Umstand, dass sich die Munster ihrer Andersartigkeit nicht bewusst sind. Die ersten beiden Folgen weisen entsprechend noch sehr viel Ähnlichkeit zu Gomez & Co. auf (bis hin zu einzelnen Figuren: Opa Munster scheint Onkel Festers Charakter zu entsprechen), doch ab Episode 3 entwickelt sich ein durchaus eigener Charakter. Allen voran entpuppt sich Herman als gänzlich anders geartet als Gomez, jenem schöngeistigen Aristokraten-Gigolo: Trotz seiner beeindruckenden Statur ist Herman eher etwas ängstlich, in jedem Falle weniger selbstbewusst. Er weiß um den Umstand, dass er von einem wahnsinnigen Wissenschaftler künstlich erzeugt wurde, was für ihn jedoch kein Problem ist. Im Gegensatz zu Frankensteins Monster aus den Universal-Verfilmungen kann er sich ganz normal und kultiviert artikulieren. Sohn Eddie wurde ursprünglich wilder konzipiert, für die Serie jedoch arg gezähmt.
Köstlich ist Folge 4, „Vaterfreuden“, in der Herman glaubt, Lily sei schwanger. Ähnlich amüsant ist die vorausgegangene Episode „Schlaflose Nächte“ um ein Monster im Park. Beide leben von Verwechslungen und Missverständnissen. Doch verlässt man sich anfänglich noch stark auf den beschriebenen Grundgag, wird man im Laufe der ersten Staffel bald origineller. Mehr und mehr wird man zu einer Persiflage damals zeitgenössischer Familien-
Sitcoms, die bereits der Vorspann parodiert. Während Opa immer mehr zum
Mad Scientist avanciert, werden immer häufiger typische Alltags- und Ehesituationen durch den Kakao gezogen. Wenn sich dann herausstellt, dass Onkel Lester ein waschechter Wolfsmensch, Onkel Gilbert der „Schrecken vom Amazonas“ und Onkel Jack „Der Unsichtbare“ ist, wird die Riege der klassischen Universal-Horror-Kreaturen komplettiert und ein schöner Spagat zwischen Horror- und Familienunterhaltungsparodie gelingt, indem man sich gleich beide Pole vorknöpft (aus Hermans Zwillingsbruder Charlie machte die deutsche Synchro übrigens den kölschen Dialekt sprechenden Hannes, aber das nur am Rande). Höhepunkt in dieser Hinsicht: Gwynnes Doppelrolle in „Dr. Frankensteins Urenkel“, als Herman seinen Cousin Johannes kennenlernt, der ziemlich tumb ist und am ehesten Frankensteins Monster, wie man es kennt, entspricht – und Lily ihn einerseits zähmt, den Unterschied andererseits aber gar nicht bemerkt… Auch um einige sozialkritische Seitenhiebe ist man in der einen oder anderen Episode nicht verlegen. All dies hat ungefähr zur Hälfte Anteil am Faszinosum „The Munsters“.
Die andere Hälfte ist in den herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern zu suchen: Die „Addams Family“ mag die stärkeren Figuren gehabt haben (eine Wednesday beispielsweise ist nur schwer an Charisma zu überbieten), doch die Munsters hatten die Sympathieträger und ziemlich besten Freunde Fred Gwynne und Al Lewis, die zuvor bereits für die
Sitcom „Wagen 54, bitte melden!“ gemeinsam vor der Kamera standen und für „The Munsters“ eindrucksvoll unter Beweis stellten, was es bedeutet, wenn die Chemie zwischen zwei Hauptdarstellern stimmt. Auch über die Schauspielerei hinaus brachten sie sich in die Serie ein, bis hin zu versuchter Einflussnahme auf die Drehbücher der zweiten Staffel, mit denen sie haderten. Hermans Mimik unter seinem dicken Make-up und schweren Kostüm ist unverkennbar, nicht minder ikonisch wurde seine Lache, die Lahme zum Gehen bringt und Tote auferstehen lässt… Sämtliche Kostüme und Masken sind hochwertig und aufwändig, wurden mit Liebe zum Detail gestaltet, so auch der Dress, in den man Yvonne De Carlo steckte. De Carlo war bereits ein richtiger Filmstar, bevor die Dreharbeiten zur Serie begannen, fügte sich jedoch bestens ins Ensemble ein und bewies Mut zur „Hässlichkeit“ ebenso wie große Spielfreude, für die sie voll in ihrer Rolle als starke Ehefrau und heimliche Hausherrin aufging. Nach 15 Folgen gab Beverly Owen („Die letzte Kugel trifft“) die Rolle der Marilyn wegen Heimwehs und Sehnsucht nach ihrem Freund auf, in Pat Priest („Airport“) wurde jedoch die perfekte Nachfolgerin gefunden. Die Ähnlichkeit ist so verblüffend, dass ich den Tausch zunächst gar nicht bemerkte. Ein weiterer Star der Reihe ist das Haus, das fürs passende Gruselhaus-Ambiente sorgt und mit allerlei abseitigem Interieur vollgestopft wurde.
Leider hat man es versäumt, aus der Folge, in der Gwynne als Herman ohne Maske und Kostüm auftritt, etwas Größeres zu machen. Das Resultat dieser für Gwynne sicherlich sehr angenehm zu spielenden Folge ist zu albern ausgefallen, weil sich seine Kleidung jeweils mitverwandelt – weshalb auch immer. Überhaupt hatte sich die zweite Staffel allen
Running Gags wie dem des kurzsichtigen Familienarztes (der nie seine Brille aufhat, wenn ein Munster ihn aufsucht – bis auf einmal…), dem der zerspringen Spiegel angesichts Hermans Antlitz oder dessen Unvermögen, seine Kraft zu kontrollieren, insbesondere, wenn er aufgeregt ist – was er in seinem kindlichen Gemüt häufig ist – zum Trotz schließlich abzunutzen begonnen, sodass man das Quotenrennen gegen die „Batman“-Serie verlor. Dennoch lässt es sich königlich amüsieren, wenn Opa Munster im „Playghoul“ liest oder Eddie ganz vernarrt in eine Horrorshow im TV ist, die Lily zudem für pädagogisch wertvoll hält. An die Stummfilmzeit gemahnende beschleunigte Bewegungsabläufe mögen seinerzeit noch besser funktioniert haben als heutzutage und längst nicht jeder Gag zündet noch in vollem Umfang, zudem geht einiger Dialogwitz, von dem die Serie viel zehrt, in der deutschen Synchronisation verloren. Alles in allem aber hat sich die Serie bis zum beschriebenen Abnutzungseffekt gut gehalten.
Wie die Addams verkörpern auch die Munsters schrullige, furchteinflößende, letztlich jedoch harmlose Außenseiter, für deren gesellschaftliche Akzeptanz die Serie wirbt, indem sie sie für sich ganz selbstverständlich in einer Welt leben lässt, die ihr mit Angst und Abscheu begegnet – und den naiven Herman nie etwas Derartiges ahnend durch diese Welt stapfen lässt. Auch die Munsters wurden zu Ikonen der Popkultur, ihr Wiedererkennungseffekt ist enorm, Merchandise, Spielfilme und Neuauflagen trugen ihren Teil dazu bei, ganz zu schweigen von Jack Marshalls Titelmelodie, die einem nicht mehr aus den Ohren geht. Mithilfe der Munsters fand das Makabre und Morbide in familientauglicher Form seinen Weg in die Wohnzimmer und entledigte sich damit seines Schreckens.