
Juan of the Dead
„Juan of the Dead – wir bringen Ihre Liebsten um!“
Nach seinem Regie-Debüt, dem Drama „Personal Belongings“ aus dem Jahre 2006, erlangte der kubanische Regisseur Alejandro Brugués internationale Aufmerksamkeit, als er 2011 Kubas ersten Zombiefilm drehte: „Juan of the Dead“, eine Horrorkomödie mit
Buddy-Movie-Anleihen, die nicht nur im Titel in Richtung „Shaun of the Dead“ referenziert (der wiederum Romeros „Dawn of the Dead“ im Titel persiflierte).
„Dieses Viertel wird immer merkwürdiger!“
Juan (Alexis Díaz de Villegas, „Horn of Plenty“) ist ein Tagedieb, der in seiner Heimat Havanna gern die Sonne und den Rum ebenso genießt wie die attraktive Nachbarin von gegenüber, denn viel Verantwortung hat er nicht mehr, seit seine Tochter Camila (Andrea Duro, „Ich steh auf dich“) zusammen mit ihrer Mutter wie so viele Kuba in Richtung USA verlassen hat. Mit ein bisschen Kleinkriminalität hält er sich über Wasser, doch als er eines Tages mit seinem Kumpel Lázaro (Jorge Molina, „Die Stadt der Blinden“) einer weiteren Leidenschaft, dem Angeln, nachgeht, hat er plötzlich einen Zombie am Haken. Mittels einer Harpune entledigt man sich des ungewollten Beifangs, doch ausgerechnet, als Camila samt Mutter wieder einmal die Schwiegermama in Havanna besucht, sieht man sich einer wahren Zombie-Epidemie ausgesetzt. Die Regierung kolportiert zwar, dass es sich bei den Untoten um Dissidenten im Auftrag der USA handele und sie die Lage im Griff habe, doch dem ist augenscheinlich nicht so. Für zusätzliche Verwirrung und Gefahr wirken die vielen zombifizierten Verwandten, die endgültig ins Jenseits zu befördern sich manch Angehöriger verständlicherweise schwer tut. Kurzerhand gründet Juan zusammen mit Lázaro, dessen Sohn California, der transsexuellen China (Jazz Vilá, „Personal Belongings“) und deren ständigem Begleiter Primo (Elkecer Ramírez) ein Dienstleistungsunternehmen zur Entsorgung nahestehender Untoter. Seine Tochter zeigt sich überrascht von Juans plötzlichem Arbeitseifer und schließt sich ebenfalls der Truppe an, bis sich jedoch das Militär einmischt...
„Ich weiß auch nicht, was los ist. Wir waren doch immer der friedlichste Ort der Welt hier!“
Verleitet die Erwartung eines weiteren
Fun-Splatter-Streifens eher zum Gähnen, lässt das exotische Produktionsland aufhorchen – tatsächlich ein Zombie-Film aus Kuba? Ja! Ein
Low-Budget-Rip-Off von „Shaun” und Co.? Nein! Sicherlich, die humoristische Ausrichtung und Freundschaft zwischen Juan und Lázaro erinnert nicht von ungefähr an jenen modernen britischen Klassiker, doch „Juan“ bemüht sich erfolgreich um eigenen Charakter. Hierfür wirft er jede Menge Lokalkolorit in die Waagschale und zeigt neben viel Sonne und leichter kubanischer Lebensart ein Havanna, das im Laufe des Films immer sanierungsbedürftiger wird. Juan und seine Truppe sind typische Anti-Helden, eigentlich eine richtiggehende Gurkentruppe, die durch ihre Zusammenarbeit jedoch über sich hinauswächst. Insbesondere Juan ist dabei getrieben von der Liebe und Treue zu seinem Land, die sozialistische Regierung ausgenommen. Diese Ambivalenz, die aus Juan einen stolzen, patriotischen Kubaner auf der einen und einen desillusionierten Regierungskritiker auf der anderen Seite macht, zieht sich durch die gesamte, an regierungskritischen Kommentaren nicht arme Handlung und ist vermutlich Ausdruck eines Gefühls der Zerrissenheit, das so viele Kubanerinnen und Kubaner in sich tragen.
„Perverse Spanier!“
Indes ist „Juan of the Dead“ keinesfalls ein verkopfter politischer, sondern in erster Linie ein Unterhaltungsfilm – und zwar auf relativ hohem Niveau. Die Charaktere verdienen diese Bezeichnung, die Schauspieler interagieren prima miteinander und allen nicht immer gänzlich gelungenen Gags zum Trotz findet Brugués auch Zeit und Raum für leise Töne, für ernste Momente, für echte Gefühle. Ihm ist zuzuschreiben, dass sein Film weder niemals ernstzunehmender, heillos überzeichneter, alberner
Junk-Trash zum einmaligen Anschauen und Vergessen, noch eine reine, nerdige Hommage an die großen US- und europäischen Zombie-Klassiker wurde, mit der ein weniger geeichtes Publikum schnell nichts mehr anzufangen weiß. Und dennoch gibt es einige Reminiszenzen an Romero, Fulci und Konsorten, wobei der gesellschafts- und zivilisationskritische Subtext natürlich der interessanteste Aspekt ist: Romeros kapitalismusgeschädigte Konsumzombies werden unter Brugués zu phlegmatischen Sozialistenzombies und beide sind ach so ähnlich in ihrer Rolle als Opfer eines diskussionswürdigen Systems. Brugués tut jedoch gut daran, dies so nicht auszusprechen, denn bekanntermaßen ist die Realität weitaus komplexer als diese arg verkürzte Interpretation, hat Kuba seine individuelle Geschichte und seine Gründe für seine politische Entwicklung, die erst verstanden werden kann, bezieht man die Rolle der USA in seine Betrachtungen ein.
„Kannst du immer noch nicht Gut von Böse unterscheiden?!“ – „Camila, glaub mir: Das war immer das Schwierigste in diesem Land!“
Juan und seine Freunde dürfte all dies jedoch weniger interessieren als die Einschränkungen ihres Alltags, mit denen man sich im Laufe der Jahrzehnte arrangiert hat. Sie sind Angehörige des einfachen Volks und sehen sich nun einer Zombie-Plage gegenüber. Diese sieht auch der Zuschauer und wird Zeuge einiger blutiger Spezialeffekte, für die Brugués nicht gleich in die Vollen geht. Ein ausuferndes Gemetzel im Hotel wird nicht gezeigt, die Bilder entstehen vor dem Hintergrund der Geräuschkulisse zu schwarzem Bild. Nach und nach legt man jedoch in Bezug auf grafische Härte Zahn für Zahn zu, bis es zum Höhepunkt in Form einer Massenköpfung mithilfe des hinzugestoßenen US-Amerikaners Preacher Jones (Antonio Dechent, „El dia de la bestia“) kommt – der schließlich aus Versehen ebenfalls getötet wird. Generell sollte sich hier niemand seines Lebens allzu sicher sein, denn es gibt durchaus
Friendly Fire, die Truppe geht über Leichen und der schwarze Humor blüht bisweilen beinahe schmerzhaft auf. Dass die Konfrontation mit dem Militär nichts Gutes verheißt, verwundert angesichts der Ausrichtung des Films wenig; nackt sollen die Freunde zur Zwangsarbeit gebracht werden. Noch im Transporter eskaliert die Situation, man muss unbekleidet durch die Stadt laufen, Zombiejäger werden selbst infiziert usw.
Auf zwei, drei altbekannte Genre-Charakteristika kommt ungefähr eine neue, frische, eigene Idee, was die Handlung über die gesamte Dauer interessant hält, wenngleich das Timing noch nicht perfekt ist und es neben Längen auch einen übermäßigen
CGI-Gebrauch zu bemängeln ist. Auch der Witzgehalt ist, wie bereits angesprochen, nicht immer voll auf der Höhe, hier und da wären mir trockenerer Humor und Understatement lieber gewesen. Dies schmälert den positiven Gesamteindruck dieses mit seiner Exotik punktenden, jedoch ohne mitleidigen Exoten-Bonus auskommenden Werks jedoch lediglich in geringem Maße. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die hübschen Damen, die sich (nicht nur) als Augenschmaus in den Film integrieren – und mit good old Sid Vicious’ „My Way“ im Abspann holt man einen alten Punk wie mich natürlich auch richtiggehend ab.
Neben viel gelungener Zombie-Action und einer angenehm schwarzhumorigen sowie fürs komödiantische Subgenre ungewöhnlich menschelnden Geschichte scheint mir „Juan of the Dead“ vor allem eine Aussage transportieren zu wollen, mit der ich meine Kritik abschließe: Bleibe im Land und wehre dich redlich.