bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Unlucky Monkey

Das Drittwerk des japanischen Filmemachers Sabu („Postman Blues“) aus dem Jahre 1998 hört auf den Namen „Unlucky Monkey“ und ist eine leider sehr halbgar geratene Mischung aus Gangster-Drama und Komödie.

Wer kennt das nicht? Da will man mit einem Komplizen eine Bank überfallen, die just in diesem Moment überfallen wurde. Der flüchtende Bankräuber gerät dabei vor ein fahrendes Auto und dessen Beute landet in den eigenen Armen. Also nimmt man die Beine in die Hand, die gar nicht zum Einsatz gekommene Tatwaffe in Form eines scharfen Messer noch gezückt – und ersticht dabei aus Versehen eine junge Frau. So erging es Yamazaki (Shin'ichi Tsutsumi, „Wie eine Kugel im Lauf“), dem die arme Miki Yoshida (Kimika Yoshino, „Eko Eko Azarak: Wizard of Darkness“) ins Messer rannte. Daraufhin vergräbt er die Beute an einem abgelegen Ort außerhalb der Stadt und hadert von nun an mit seinem Schicksal als unfreiwilliger Mörder. Derweil treffen sich drei Yakuza-Mafiosi mit Tachibana (Ren Ôsugi, „Audition“), dem Kopf einer konkurrierenden Bande, um über eventuelle Zusammenarbeit zu verhandeln. Als einer der Gangster Yamazakis Maske im Müll findet, sie sich überzieht und zum Scherz in die Verhandlungen platzt, einen Überfall suggerierend, zieht einer seiner Kollegen Tachibana versehentlich eine Flasche über den Kopf. Mit einer klaffenden, stark blutenden Kopfwunde bricht dieser zusammen und gibt keinen Mucks mehr von sich. Also verscharren die drei das Opfer des Zufalls ebenfalls außerhalb der Stadt und sehen sich fortan kritischer Verfolgung durch dessen Bande ausgesetzt. Schließlich kreuzen sich ihre Wege mit denen Yamazakis…

Aus dem Zufallskonstrukt der Handlung resultiert zunächst einmal wenig lustiger schwarzer Humor, wenn scheinbar jede Verletzung zum Tod führt. Doch Miki Yoshida sei noch gar nicht tot, heißt es in den Nachrichten, sie liege schwerverletzt im Krankenhaus. Auch Tachibana ist evtl. noch gar nicht verblichen – die Gangster haben schlicht vergessen, das zu prüfen… In einer längeren, der Handlung entrückt scheinenden Zwischensequenz beteiligt sich Yamazaki an einer kritischen Bürgerrunde mit Fabrikbetreibern, deren Unternehmenssprecher den Spieß umdreht und den immer kleinlauter werdenden Bürgern vorwirft, selbst massiv die Umwelt zu verschmutzen. Doch der rhetorisch Geschulte begeht den Fehler, sich ausgerechnet Yamazaki herauszupicken, der ihn kontert und zum flammenden Rundumschlag gegen gesellschaftliche Missstände ausholt. Tatsächlich rüttelt Yamazaki damit alle Anwesenden auf und versetzt sie in Aufbruchsstimmung. Man feiert ihn anschließend in einer Kneipe, wo seine Laune jedoch abermals einen schweren Dämpfer bekommt, als er aus der Zeitung erfährt, dass Miki Yoshida nun ihren Verletzungen erlegen sei.

Yamazaki wird von Gewissensbissen geplagt und sucht nach irgendeiner Rechtfertigung für das Geschehene. Er wird paranoid und will nun sogar einen Tippelbruder, von dem er glaubt, er wisse Bescheid, töten. Er tut es nicht, verliert jedoch den Verstand und verwahrlost zusehends. In einem Park trifft er auf einen Mörder, der Suizidgedanken hegt. Der Film hat nun eine extrem düstere Note bekommen, die im völligen Kontrast zum humorigen Auftakt steht. Der parallele Handlungsstrang fordert nun auch ein weiteres Opfer, wenn der kritisch nachhakende Mafioso vom schusseligen Gangster-Trio blutig erstochen wird. Jener Messerstecher wiederum wird angeschossen, als der Mörder aus dem Park in deren Kneipe stürzt, sich versehentlich selbst verstümmelt, als sich ein Schuss aus seiner Waffe löst, und wild um sich schießt. Nicht nur, dass Sabu bzw. sein Drehbuch weiterhin offenbar diebische Freude daran haben, einen unwahrscheinlichen Zufall an den anderen zu reihen, immer extremer wird nun auch das Wechselspiel aus tiefer Traurigkeit und Verzweiflung auf der einen und unpassender, zudem mies geschauspielerter Komödie, z.B. als das Gangster-Trio wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen reagiert, auf der anderen Seite. Warm wird man mit dem Film daher kaum.

Nachdem das Trio Yamazaki zuvor bereits in einer Nudelbar begegnet war, wähnt es sich nun von ihm verfolgt – dabei möchte dieser den Gangstern „lediglich“ die Beute aushändigen, wenn sie ihn töten. Dass die naturgemäß geldgierigen Gangster sich auf diesen bizarren Deal einlassen, läutet ein umso bizarreres Finale ein, das ich hier spoilern muss: Natürlich wurden die Beute und Tachibana am selben Ort vergraben. An diesem begegnet man den umso fieseren Gangstern um Tachibana, die ihnen nicht glauben, dass sie da Geld ausbuddeln. Unter vorgehaltenen Waffen graben sie in der Tat stattdessen Tachibana aus – welcher noch lebt, wortlos erst das Trio mit vier Fäusten niederschießt, dann die fiesen Mafiosi und schließlich auch Yamakazi richten möchte, als sein Revolver versagt. Magazin leer? Nein, denn den Schwerverletzten des Trios erwischt er final. Yamazaki muss sich eingestehen: Er wird einfach nicht sterben, zumindest nicht jetzt, nicht einfach so.

Selten habe ich einen derart schizophrenen Film gesehen. Während das Teufelchen auf Sabus Schulter ihm zuflüsterte, er solle einen Film über den unterschiedlichen Umgang mit schwerer Schuld drehen, über Verzweiflung und Depression, dessen Protagonist dazu verdammt ist, sich mit seiner Schuld auseinanderzusetzen, scheint ihn das Engelchen aufgefordert zu haben, eine alberne Gangster-Komödie mit einigen Gewaltspitzen nach grobem Vorbild Tarantinos und dessen Nachahmern für ein anspruchsloses Popcorn-Publikum zu drehen. Sabu versuchte dann offenbar, es beiden rechtzumachen und kreierte damit einen Film, der weder das eine, noch das andere ist und zudem narrativ derart mies konstruiert wurde und langatmig sondergleichen geriet, dass er nur schwer am Stück durchzustehen ist.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Knight Moves

„Ich will ein Spiel mit dir spielen!“

Zwischen den Fernsehfilmen „Im Schatten“ und „Von Eifersucht besessen“ startete der Schweizer Regisseur Carl Schenkel 1992 mit einer größer angelegten deutsch-kanadisch-US-amerikanischen Koproduktion in die letzte Dekade des Jahrtausends: dem Düster-Thriller „Knight Moves“, dessen Handlung im Schachspieler-Milieu angesiedelt wurde.

„Schach ist ein Spiegelbild des Lebens.“

Während Schach-Profi Peter Sanderson (Christopher Lambert, „Highlander – Es kann nur einen geben“) sich eigentlich auf ein Turnier des Spiels der Könige auf einer US-Insel konzentrieren möchte, treibt ein wahnsinniger Mörder sein Unwesen, der sich scheinbar wahllos Opfer sucht und Peter mit hineinzieht, indem er dessen Bettgespielin Debi (Kehli O'Byrne, „Die Rückkehr der Piranhas“) abmurkst, ihn telefonisch kontaktiert und ihm kryptische Nachrichten u.a. auf Fotos der Leichen zuschickt. Das Ermittler-Duo Frank Sedman (Tom Skerritt, „Alien“) und Andy Wagner (Daniel Baldwin, „Ein ganz normaler Held“) versucht, mit Peters Hilfe den Mörder ausfindig zu machen, ermittelt jedoch in alle Richtungen – auch gegen Peter. Um diesen besser einschätzen zu können, wird die Polizeipsychologin Kathy Sheppard (Diane Lane, „Die Outsider“) hinzugezogen, die mit Peter anbändelt, schließlich jedoch ebenfalls an dessen Unschuld zweifelt. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den Morden um eine besonders perfide Variante des Schachspiels handelt. Ist Peter evtl. also doch der Mörder?

Dass hochbegabte Gören, die bereits im zarten Kindesalter auf Schachturnieren glänzen, möglicherweise nicht alle Latten am Zaun haben, unterstreicht der in Schwarzweiß-Ästhetik gedrehte Prolog, eine Rückblende ins Jahr 1972: Zwei Jungen (Codie Lucas Wilbee, „12 Stunden Angst“ und Joshua Murray, „Ich war ein Playmate“) spielen vor Publikum eine entscheidende Partie gegeneinander, woraufhin sich der Verlierer als ein schlechter erweist, neben der Partie offenbar auch den Verstand verliert und sein Gegenüber mit einem Füllfederhalter angreift. Später findet der Wüterich seine Mutter blutüberströmt und beinahe tot in ihrem Bett vor, ihn um Hilfe bittend. Doch stattdessen schnappt er sich sein Schachbrett und vertieft sich ins Spiel. Eindeutiger Fall von autistischem Arschlochkind.

In der Gegenwart spielt Peter Sanderson Schachturniere, hat eine kleine naseweise Tochter (Katharine Isabelle, „Ginger Snaps“), einen blinden Trainer (Ferdy Mayne, „Gebissen wird nur nachts - Happening der Vampire“) und in Debi eine Sexualpartnerin, was Schenkel zum Anlass für eine Erotikszene nimmt. Länger hätte er damit auch nicht warten können, denn kurz darauf wird sie aus dem Drehbuch gemeuchelt: „Remember“ hat ihr Killer mit ihrem Blut an die Wand über ihrem Bett geschmiert, ihr übriges Blut fehlt. Die Ermittler Sedman und Wagner geben je einen klassischen „good cop“ und „bad cop“, als sie einen emotionslosen und sie anlügenden Peter befragen, der kurz darauf vom Mörder kontaktiert wird. Dies nimmt Peter zum Anlass, nun doch mit der Polizei zusammenzuarbeiten, was nun unter denkbar schlechten Vorzeichen steht.

Schenkel lenkt den Fokus nun auf die Ermittlungsarbeit inkl. starker psychologischer Komponente, Psychologe Alan ist zeitweise ebenfalls involviert. Weitere Morde geschehen, die leicht gialloesk in düsterer Ästhetik vorbereitet, jedoch nie gezeigt werden. Stets spielt Licht bzw. dessen Abwesenheit eine Rolle: Der Mörder blendet seine Opfer mit einer Art Blitz. Beim zweiten Mord löscht er das Licht, indem er eine Glühlampe zerquetscht. Auf jeden Mord folgt Kommunikation mit dem Mörder, der auch schon mal eine seiner kryptischen Botschaften in einer Form sendet, die wie ein Faltblatt des Satire-Magazins „Mad“ gelesen werden muss. Von nervigen Hollywood-Klischees kann sich „Knight Moves“ leider nicht befreien und integriert so unglaubwürdigen Quatsch wie die natürlich attraktive Polizeipsychologin Kathy, die Peters rustikalem Charme verfällt. Diese Beziehung wird indes auch genutzt, um Peter erneut in den Kreis der dringend Tatverdächtigen zu rücken, wenn Kathy in seinem Telefonbuch die Opfernamen markiert vorfindet.

Die Spur führt schließlich zu einer Maklerfirma und endlich gewinnt Peter die Erkenntnis, dass der Mörder eine legendäre Schachpartie auf höchst morbide Weise nachspielt – woraus man sich einen Informationsvorteil erhofft, mir als Zuschauer jedoch den Eindruck einer reichlich abstrus konstruierten Handlung vermittelt. Abermals schlägt diese einen Haken und suggeriert erneut eine etwaige Täterschaft Peters, denn der Zuschauer ahnt natürlich, dass es das Durchdreherbalg aus dem Prolog sein muss, weiß aber nicht, welches beider Kinder Peter war… Dies stellt sich erst im Finale mit seinem Showdown in einem überfluteten Hotelkeller heraus, das dennoch – was zu befürchten war – einige Fragen offenlässt und so die eine oder andere Logiklücke nicht ver-, sondern besiegelt.

Den auch an der Produktion beteiligt gewesenen Lambert versucht man dem Publikum hier als hochintelligentes Schach-Ass, kernigen sexy Lover und trauernden Witwer (womit man seine Gefühlskälte zu begründen versucht) zugleich zu verkaufen, was nicht wirklich gelingt und ebenso an der Glaubwürdigkeit krankt wie weite Teile der Handlung. Dennoch gelingt Schenkel recht effektiver Spannungsaufbau, fängt die Kamera einige faszinierende Bilder ein und ahnt man zumindest immer wieder, welche Atmosphäre Schenkel erzeugen wollte, bis sie durch die eine oder andere Plumpheit wieder gefährdet wird. In seinen besten Momenten erinnert dieser Semi-Neo-Noir an David Finchers drei Jahre jüngeren „Sieben“, vor allem, da auch hier ein psychopathologischer Serienmörder seine Opfer „aufbereitet“ zurück- und mit ihrem Blut geschriebene Nachrichten hinterlässt. Auch „Das Schweigen der Lämmer“ scheint immer einmal wieder durch; zwei Pole, zwischen denen „Knight Moves“ jedoch ziemlich zerrieben wird – zeigten doch beide genannten Beispiele, wie man derartigen Stoff wesentlich schlüssiger konstruiert und verkauft.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Der Filou

„Ich weiß doch gar nicht, was man mit so ’ner alten Frau redet!“

Nicht einmal ein Jahr nach „Malizia“ ließ der italienische Regisseur Salvatore Samperi erneut Laura Antonelli mit dem Minderjährigen Alessandro Momo schlafen, diesmal für seine Erotik-/Coming-of-Age-Komödie „Der Filou“, der im Januar 1974 seine Premiere hatte. Die folgende Auseinandersetzung mit dem Film spoilert Handlung und Ausgang.

Renzo (Orazio Orlando, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) möchte Urlaub an der italienischen Riviera machen, derweil soll sein 16-jähriger kleiner Bruder Sandro (Alessandro Momo) ein Auge auf seine Frau, die attraktive Laura (Laura Antonelli), haben. Doch Sandro verliebt sich seinerseits in seine Schwägerin – und wird von Renzo sogar noch angestachelt, als er ihm telefonisch eröffnet, sich in eine erwachsene Frau verguckt zu haben…

Reichlich albern beginnt Samperi seinen weiteren Sexuelle-Initiations-Coming-of-Age-Streifen, wenn er pubertierende Jungs zeigt, die ein Mädchen mit Damenbart befummeln. Sandro wiederum hat zunächst überhaupt kein Interesse an seiner „Puschel“ genannten Schwägerin. Man hängt gemeinsam am toskanischen Strand ab, an dem Samperi einen Running Gag um einen Muskelprotz etabliert, der eine Panne nach der anderen erlebt. Sandro ist dabei, als seine beiden streichespielenden Freunde Laura bespannen, doch will ihm nicht in den Sinn, was sie an ihr finden. Langsam jedoch versteht er und steigert sich immer weiter in seine Faszination für Laura hinein, hört sie schließlich sogar ab, nachdem Renzo für kurze Zeit zurückgekehrt ist. Mit Vorliebe frönen Laura und Renzo dem Dirty Talk, was Sandro für bare Münze nimmt und so zu Missverständnissen führt. Dass Renzo Laura eigentlich gar nicht verdient hat, wird spätestens deutlich, als er sie versetzt, damit er ihr fremdgehen kann. Sandro ergreift daraufhin die Initiative und nimmt sie auf eine Party mit, auf der er schließlich eifersüchtig wird. Im Anschluss kommt es zum ersten Kuss zwischen beiden, woraufhin Laura vor sich selbst erschrickt. Dass sich eine Gleichaltrige in Sandro verschossen hat, interessiert ihn da wenig.

Bis zu diesem Punkt ist „Der Filou“ eine relativ sensibel und angenehm ungehetzt erzählte, gut nachvollziehbare Geschichte in sommerlichem Flair, die sich wie eine Art Urlaubsabenteuer anfühlt, unterbrochen von der einen oder anderen klamaukigen Einlage. Wie schon für „Malizia“ orientiert sich Samperi darüber hinaus in Richtung eines Familienporträts und charakterisiert Sandros Verwandtschaft, beispielsweise seine Mutter (Lilla Brignone, „Orgasmo“), die den Familienhund offenbar mehr liebt als ihren Mann (Tino Carraro, „Die neunschwänzige Katze“), einen Offizier im Ruhestand, der gern das Familienoberhaupt wäre, jedoch weitaus weniger zu sagen hat, als ihm lieb ist und in seiner Naivität kaum etwas davon mitbekommt, was wirklich um ihn herum geschieht. Als er durch einen Zufall Sandro in Frauenkleidung erwischt, fürchtet er, sein Sohn sei homosexuell geworden, worüber seine kleine Welt zusammenbricht. Eine wirkliche Verbindung zur Gefühlswelt des sensiblen Sandro hat er jedoch nicht. Einmal mehr karikiert Samperi damit von Machismo und Patriarchat geprägte italienische Familienverhältnisse. Ein großartiger Seitenhieb gelingt Samperi zudem, als er den in unerträglichem Italo-Klamauk à la „Der Idiotenzwinger“ den Komiker mimenden Lino Banfi, der hier eine Nebenrolle bekleidet, durch Sandro für komplett unlustig erklären lässt.

Ab einem gewissen Punkt überwiegt indes der Drama-Anteil der Handlung: Sandro befummelt Laura auf dem Autorücksitz und im Kino. Sie wehrt sich, ergibt sich ihm jedoch schließlich. Zu Hause versucht er sie gar zu vergewaltigen. Endgültig zu eskalieren droht die schwierige Konstellation, als der zurückgekehrte Renzo Laura tatsächlich vergewaltigt, ohne es zu bemerken, da er ihre Reaktion für eine Art Rollenspiel hält. Erst, nachdem Sandro Laura androhte, sich umzubringen, kann er mit ihr schlafen.

Damit begibt sich „Der Filou“ auf noch gefährlicheres Terrain als ohnehin schon, könnte er doch missverstanden werden, als suggeriere er, Suizid-Androhungen könnten in Beziehungsfragen zum Erfolg führen. Aufgrund der Entwicklung und eingeschlagenen Richtung des Films behagt mir seine Mischung aus Drama und Komödie nicht wirklich. Tatsächlich witzig ist jedoch die Pointe des Komödienanteils, dass Renzo bis zum Schluss nicht begreift, was wirklich passiert ist und seinem Bruder sogar zu dessen Entjungferung gratuliert. Wie es nach all diesen Ereignissen weitergehen könnte, lässt der Film offen, wobei gerade das interessant gewesen wäre. Diesmal zeigt Samperi auch zu keiner Sekunde Antonelli nackt oder oben ohne, versteht es aber (natürlich) dennoch, die grazile Schauspielerin derart in Szene zu setzen, dass man Sandros Begierde nachvollziehen kann. Ohne dass es explizit würde, wurde auch „Der Filou“ anscheinend zeitlich nicht in der damaligen Gegenwart angesiedelt, sondern spielt irgendwann in den 1950ern, vielleicht auch frühen ‘60ern, ohne sich jedoch allzu sehr auf die eigene zeitliche Kategorisierung zu konzentrieren. Auffällig ist ferner, dass fast alle Rollen die echten Namen ihrer Darsteller bzw. deren Abkürzungen tragen. Hauptdarsteller Alessandro Momo verunglückte bedauerlicherweise noch im Jahr der Filmveröffentlichung, wodurch sein nächster Film „Der Duft der Frauen“ zugleich sein letzter wurde. Seit 2015 weilt auch Laura Antonelli nicht mehr unter den Lebenden.

„Malizia“ war der eindeutig bessere Film, „Der Filou“ ist jedoch mehr als lediglich dessen lauer Aufguss. Aufgrund seiner bedenklichen Tendenz und des zurückgeschraubten Erotikfaktors gibt’s wohldosierte 5,5 von 10 Kinofummeleien von mir und irgendetwas sagt mir, dass das noch nicht der letzte Samperi war, der den Weg in mein Abspielgerät gefunden hat...
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Venus im Pelz

„Am Anfang meines unersättlichen Dranges steht der Instinkt, d.h. Sex, Begierde und Qual! Das war der Anfang der Welt und das wird auch das Ende sein.“

Noch bevor er seine angesehenen Gialli „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ und „Der Tod trägt schwarzes Leder“ realisierte, verfilmte der italienische Regisseur Massimo Dallamano im Jahre 1969 den Roman „Venus im Pelz“ des österreichischen Autors und gewissermaßen Entdeckers des Masochismus, Leopold von Sacher-Masoch, in italienisch-schweizerisch-deutscher Koproduktion. Nach einer weitestgehend unbekannten, zwei Jahre älteren US-Verfilmung handelt es sich um die zweite filmische Interpretation des Stoffs überhaupt. Nicht mit ihm zu verwechseln ist Jess Francos gleichnamiges (auch unter dem Titel „Paroxismus“ geläufiges) Werk aus demselben Jahr.

„Ich werde bei ihr bleiben und mich unterwerfen. Ich muss wissen, wie das ist!“

Der voyeuristisch veranlagte Severin (Régis Vallée, „Oswalt Kolle: Das Wunder der Liebe“) trifft auf die schöne Wanda (Laura Antonelli, „Das nackte Cello“), die er heimlich bei sexuellen Handlungen beobachtet. Nachdem er sich ihr erfolgreich persönlich angenähert hat und sie Sex miteinander hatten, entdeckt er den Masochismus für sich und will von ihr dominiert werden. Sie erwidert genussvoll seine Wünsche und hat vor seinen Augen Sex mit anderen Männern, peitscht ihn aus etc. Dieses Wechselspiel funktioniert so gut, dass sie sogar den Bund der Ehe miteinander eingehen. Als Wanda mit der Situation jedoch nicht mehr sonderlich glücklich scheint, treibt sie ihren Sadismus auf die Spitze…

„Pelz weckt in mir die tierischen Instinkte!“

Die schicksalhafte Begegnung zwischen Severin und Wanda trägt sich in den bayrischen Alpen zu und da beide zunächst nicht miteinander reden, spricht Severin kurzerhand zum Zuschauer, während er Wanda bespannt und gesteht, das auch schon bei anderen getan zu haben. Aufgezäumt wird das Pferd als ausgedehnte Rückblende, ausgehend von einer Therapiesitzung Severins, dessen Erzählstimme durch den gesamten Film führt. Nach ihrer Annäherung spricht auch Wanda aus dem Off, die Severin versehentlich peitscht, woraufhin er mehr verlangt. Nachdem die Fronten geklärt sind, erfüllt sie ihm all seine Wünsche und darf sich zu diesem Zwecke mit anderen Männern sexuell ausleben. In ihrem gemeinsam bezogenen Haus spielen sie ein Rollenspiel, für das er ihren Chauffeur mimt, wobei sie ihrerseits vom Dienstmädchen beobachtet werden.

Dallamano wechselt nun häufiger zwischen Severins Therapiesitzungen und eigentlicher Handlung, deren bizarres Idyll erste Risse bekommt, als Severin eifersüchtig darauf reagiert, dass sie sich von ihm zu ihrem vermeintlichen Liebhaber fahren und ihn draußen warten lässt – obwohl es sich lediglich um einen Maler (Michael Kroll) handelt, der ein Aktporträt Wandas anfertigt. Daraufhin bittet Severin sie, es mit dem Maler zu treiben – einer Bitte, der sie zunächst nachkommt. Im Anschluss jedoch bekommt sie einen hysterischen Anfall und peitscht Severin brutal blutig. Im Fiebertraum phantasiert Severin daraufhin, wie sie ihrerseits ausgepeitscht wird. Die Versöhnung währt nicht lang: Sie begegnen einem Biker, auf den Wanda Lust verspürt. Während Severin sie chauffiert, befummeln sie sich auf der Rückbank und fordern ihn auf, anzuhalten. Sie treiben’s im freien Miteinander, ihren Mann scheucht Wanda weg. Als sie sich schließlich schon vier Tage mit dem Biker vergnügt, wird Severin endlich sauer und schlägt sie, woraufhin der Biker ihn verprügelt. Wanda lüftet das Ganze als Rollenspiel, doch Severin hadert nun mit allem.

Dallamano visualisiert weitere Phantasien seines Protagonisten, der weiterhin mies von Wanda behandelt wird, die kurzerhand mit dem Biker zusammenblieb. Severin sucht sich eine Prostituierte, die sich als verkleidete Wanda entpuppt und daraufhin von ihm geschlagen und gewürgt wird. Nun wiederum empfindet sie dabei große Lust und will sich ihm unterwerfen, wodurch scheinbar alles wieder gut wird. Der Film endet mit Severins irrem Gelächter bei seinem Therapeuten (Peter Heeg, „Das Trauerspiel von Julius Caesar“).

Vergleiche dieses Erotik-Dramas mit der literarischen Vorlage kann ich schlecht anstellen, da mir diese nicht bekannt ist. Zunächst einmal ist Dallamanos Film aber schön fotografiert. Die Kombination prägnanter Landschaftsbilder aus den Alpen und dem spanischen Festland, wohin es das Paar später verschlägt, geht auf und wurde um bildliche Metaphern bzw. Symbole angereichert, wenn z.B. eine Steilklippe zu sehen ist, während Severin der Verzweiflung nahe ist. Star des Films ist natürlich die junge Laura Antonelli, die ich bisher nur aus niedlich-sinnlichen Rollen kannte und überraschend gut die herrische, dem Sadismus nicht abgeneigte Lebefrau gibt. Sie sichert den Erotikfaktor des Films, wenngleich mir Severins Pelzfetisch ebenso fremd ist wie dessen Hang zum Masochismus und Antonelli mit ihren Frisuren bzw. Perücken und ihrer Kleidung für mich bisweilen kaum wiederzuerkennen ist. Die einleitende Handlung, die bestimmt ist von Charakterisierung der Rollen und dem vorsichtigen, schließlich spielerischen Abtasten Severins und Wandas, wurde interessant und neugierig machend gestaltet, mündet aber in etwas holprige Dramaturgie und nicht immer nachvollziehbare Handlungsweisen. Ich vermute, dass es Dallamano nicht gelang, die psychologische Ebene des Stoffs adäquat widerzuspiegeln. Der Rollentausch am Ende setzt dem die Krone auf und lässt das Gesamtergebnis umso unglaubwürdiger erscheinen.

Nicht zu schade war man sich indes, dem Zuschauer kopulierende Pferde zu zeigen. Auch ohne diese Szene wäre „Venus im Pelz“ seine Skandalwirkung seinerzeit sicher gewesen, der in Italien zunächst nicht veröffentlicht werden durfte und somit innerhalb der Zensurhistorie sicherlich einen bedeutenden Meilenstein markiert. Am stärksten ist Dallamanos Film immer dann, wenn er es dem Zuschauer gestattet, zwischen den Bildern den Schmerz einer schwierigen Beziehungskonstellation, basierend auf nicht der Norm entsprechenden, widersprüchlichen Wünschen, Gelüsten und Bedürfnissen, herauszulesen, der sich auf verschiedene Abhängigkeitsgefälle innerhalb einer Partnerschaft beziehen lässt. Gian Piero Reverberi untermalte die Bilder mit beschwingten bis verträumten Easy-Listening-Klängen, die zeitweise im Kontrast zu den Geschehnissen stehen, letztlich jedoch durchaus das Wechselbad der Gefühle sowohl der Protagonisten als auch des Zuschauers musikalisch illustrieren und Dissonanzen ebenso ausklammern, wie es lange Zeit Severin tut, der sich kopfüber und voller Leidenschaft in den Schlamassel stürzt.
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Die Nacht der Abenteuer

„Dein Mantel ist unheimlich stark! Ich meine, das war bestimmt kein Sonderangebot! Dafür sieht er viel zu irre aus!“ – „Er hat meinem Opa gehört...“

Der US-Amerikaner Chris Columbus gefällt mir als Drehbuchautor von Filmen wie „Gremlins“ und „Die Goonies“ besser als als Regisseur beider „Kevin – Allein zu Haus“-Komödien, mit denen ihm der Durchbruch gelang, oder zweier „Harry Potter“-Streifen aus den 2000ern – wie mir auch sein Regie-Debüt „Die Nacht der Abenteuer“ aus dem Jahr 1987 nach einem Drehbuch David Simkins bewies, mit dessen Sichtung ich meine verschwommenen Erinnerungen an die TV-Ausstrahlungen vor Jahrzehnten auffrischte. Diese Familienkomödie kann durchaus als Übung für die Kevin-Filme betrachtet werden, müssen sich doch hier wie dort junge Protagonisten übler Erwachsener erwehren.

„Wo fahren wir hin?“ – „Zur Hölle!“

Chris Parker (Elisabeth Shue, „Zurück in die Zukunft II“) ist zarte 17 Jahre jung und unglücklich, weil sie von ihrem Freund versetzt wurde. Da sie nun ohnehin nichts Besseres zu tun hat, nimmt sie zähneknirschend einen Babysitter-Job bei den Andersons an, für den sie auf den Pubertierenden Brad (Keith Coogan, „Seitensprünge“), der zudem in sie verliebt ist, und dessen kleine Schwester Sara (Maia Brewton, „Zurück in die Zukunft“) aufpassen soll. Doch kaum hat ihre Schicht begonnen, meldet sich ihre beste Freundin Brenda (Penelope Ann Miller, „Hot Shot - Der Weg zum Sieg“) telefonisch vom Chicagoer Bahnhof, an dem sie mittellos festsitzt und daher Chris‘ Hilfe benötigt. Notgedrungen setzt sich Chris zusammen mit den Kids und Brads hinzugestoßenem Kumpel Daryl (Anthony Rapp, „Die phantastische Geisternacht“) ans Steuer und fährt in die Großstadt – woraus sich eine gefährliche Odyssee entwickelt, die mehr als einmal daran zweifelt lässt, dass sie wohlbehalten rechtzeitig mit ihren Schutzbefohlenen wieder zu Hause sein wird…

„Die Nacht der Abenteuer“ appelliert an die Urbanitätsskrupel US-amerikanischer Kleinstadtbewohner und zeichnet die Großstadt als kreuzgefährlichen Moloch, in dem Jugendliche und erst Kinder nichts zu suchen hätten, schon gar nicht zu vorgerückter Stunde. So neigt Columbus dann auch schnell zu Übertreibungen, als er nach der ersten Autopanne einen Trucker mit Hakenhand zunächst als freundlichen Mitmenschen charakterisiert, vor dem sich die Reisegruppe zu Unrecht erschreckt hat, nur um ihn im nächsten Moment zu einem schießwütigen Choleriker zu machen, dem es vollkommen egal ist, dass den Kindern die Patronen um die Ohren fliegen, was diese wiederum erstaunlich locker nehmen. Diese Szenen sind symptomatisch für den seltsamen, wenig lustigen Humor des Films, der erst zeigt, dass die Ängste der Heile-Welt-Kleinstädter unbegründet sind, um sich dann selbst Lügen zu strafen, letztlich jedoch keine adäquate Reaktion hervorzurufen: Ein bärtiger Trucker mit Hakenhand wirkt also verstörender, als zwischen die Fronten einer Schießerei mit scharfen Waffen zu geraten?

Ab diesem Punkt häufen sich die haarsträubenden Unwahrscheinlichkeiten: Chris & Co. fahren bei einem Autodieb mit, der ihnen sogar seinen Namen verrät (!) und mit ihnen ins geheime Hauptquartier der Bande fährt (!), wo es, zur Überraschung des freundlichen Diebs (!), natürlich Ärger gibt und von nun an, auch wegen eines durch die Pubertierenden mitgehen gelassenen Playboys, die Gangster hinter ihnen her sind. Schön hingegen ist der ebenfalls nicht ganz freiwillige Besuch eines Musik-Clubs, in dem man Chris nötigt, einen Blues zum Besten zu geben. Ihr daraufhin improvisierter Babysitter-Blues vermittelt wunderbar den Geist dieser Musikrichtung. Anschließend gerät man – natürlich – zwischen einen Bandenkrieg in der U-Bahn sowie in zahlreiche weitere Turbulenzen, die dem Film etwas Episodenhaftes verleihen.

Die kleine Sara ist Marvel-Fan und glaubt schließlich, in einem Automechaniker (Vincent D'Onofrio, „Full Metal Jacket“) den Superhelden Thor zu erkennen, was die unfassbare Naivität dieser kleinen Göre einmal mehr unterstreicht und lustig sein soll, es jedoch nur bedingt ist. Meilen gegen den Wind war auch zu riechen, dass Chris‘ Freund sie angelogen hat und sich stattdessen mit einer Sandy trifft. So richtig turbulent wird es, als Sara sich entfernt und von den Gangstern gejagt wird. Columbus ist es durchaus gelungen, seinen Film mittels diverser Action- und Spannungsszenen gerade für eine junge jugendliche Zielgruppe interessant zu gestalten, die sich sicherlich auch zu großen Teilen mit Brad identifizieren konnte, der so sehr für die attraktive, intelligente und verantwortungsbewusste Chris schwärmt. Diese wiederum dürfte der größte schauspielerische Trumpf des Films gewesen sein, durch den sie für jene Zielgruppe zu einer Art (wenn auch biederem) Sex-Symbol avancierte – was der Film bewusst forciert, beispielsweise durch den Running Gag der Ähnlichkeit des Playboy-Modells, das der Zuschauer nie zu Gesicht bekommt, jedoch frappierende Ähnlichkeit mit Chris aufweisen soll.

Nicht von schlechten Eltern ist auch der allgemein recht Rock’n’Roll-lastige Soundtrack, der meines Erachtens jedoch im Widerspruch zur letztlich als kleinbürgerlich-verspießt aufgefassten Konstellation des Films mit seinem miesen Drehbuch steht, welches die Großstadt als Synonym für die Welt außerhalb des Eigenheim-Gartenzauns in erster Linie negativ konnotiert, weshalb man besser in seiner behüteten Kleinstadt bleiben sollte. Da helfen auch ein paar behelfsmäßige Alibi-Frechheiten innerhalb des gefälligen Humors wenig, die niemanden hinterm Ofen vorlocken.
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Graveyard Monster

„Ich finde Wälder zum Kotzen!“

US-Spezialeffektkünstler Roy Knyrim, der in manch Genre-Produktion wie „Wishmaster III“, „Toxic Avenger II“ oder „2001 Maniacs“ sein Können unter Beweis stellen durfte, nahm für eine Handvoll Filme auch auf dem Regiestuhl platz. Einer davon ist der Tierhorrorfilm „Graveyard Monster“ aus dem Jahre 2006.

„Was ist an einem Furz doch witzig? Das Geräusch oder der Geruch?“

Zwei Tierbefreier entwenden aus Professor Belmonts (Reggie Bannister, „Das Böse“) Labor eine Kiste mit einem genetisch aufgemotzten Tasmanischen Teufel, von seinem Schöpfer liebevoll „Precious“ genannt. Als sie die Mutantin in Friedhofsnähe freilassen, werden sie von ihr zerfetzt. Das Tier bezieht den stillgelegten Stollen unter dem Friedhof zwecks Nestbaus, was die Amateurfilm-Crew – unter ihnen Hunter (Peter Stickles, „Dead Serious“), der Sohn des Professors – nicht ahnt, die an diesem Ort einen Horrorstreifen drehen will. Für den Tasmanischen Teufel ein gefundenes Fressen…

„Graveyard Monster“ ist einer dieser Filme, die sich augenscheinlich an bewusst als Trash-Filmen konzipierten Genrebeiträgen orientieren, dabei jedoch die satirische und/oder provokante Herangehensweise von beispielsweise diversen Troma-Werken vermissen lassen und stattdessen auf idiotischen Humor und dämliche Dialoge setzen. So trifft eine Amateurfilmcrew inkl. der überzeichnetsten und klischeehaftesten Dummenblondchenschlampe (Nicole DuPort, „Sonata“) außerhalb des Porno-Genres auf zwei Esoterikhippies auf Exkursion sowie einen kleinkriminellen Friedhofswärter mit zwei debilen Hinterwäldlersöhnen, die eine Fahrradfahrerin (Anna Mercedes Morris, „3-Headed Shark Attack“) vergewaltigen wollen, und zu schlechter Letzt stößt auch noch Professor Belmont mit seiner Assistentin (Aime Wolf, „Blood Dancers“) hinzu. Im Zuge dieser haarsträubenden Charakterisierungen muss man viel vulgäres Gequatsche und pubertären Humor über sich ergehen lassen, bis das Blondchen einmal obenrum blankzieht.

Die Aktivitäten des tasmanischen Monsters hingegen baut Knyrim sich steigernd auf: Zunächst sieht man es nie in ganzer Man-in-Suit-„Pracht“ und das bisschen Gesplattere reduziert sich auf angesichts Knyrims beruflichen Hintergrunds erschreckend billig gemachtes Blutgespritze und abgetrennte Gliedmaßen. Einer der Hippies (Greg Nicotero, „Day of the Dead“) sieht im Spezialeffekt-Tiefpunkt des Films die Kreatur gar drogenumnebelt als Zeichentrickfigur. Mit zunehmender Spielzeit jedoch wird „Precious“ immer prominenter in Szene gesetzt und auch die Splatter-Szenen werden zusehends fieser, aber auch in Fun-Splatter-Manier übertriebener. Das Finale des Films ist erwartungsgemäß vom K(r)ampf gegen das Untier auf Leben und Tod bestimmt.

Als Zuschauer sieht man sich mit der Herausforderung konfrontiert, nicht nur die Besetzung als Schauspieler und ihre Rollen als Charaktere zu akzeptieren (und wundert sich derweil, weshalb sich Reggie Bannister und Greg Nicotero für einen solchen Murks zur Verfügung stellten), sondern auch die Handlung ohne Hinterfragen zu schlucken, was verdammt schwerfällt: Unter einem Friedhof befindet sich also ein Stollen? Belmont & Co. erwähnen höchstpersönlich den Nachwuchs der Kreatur, vergessen ihn aber mir nichts, dir nichts am Schluss direkt wieder? Tatsächlich: Vom einen oder anderen herben Splattereffekt und dem angenehm konservativen Verzicht auf CGI abgesehen ist an „Graveyard Monster“ alles unterdurchschnittlich bis schlecht, weshalb der Film ein gefundenes Fressen für diejenigen ist, die in der Post-„Braindead“-Ära begannen, sog. Fun-Splatter als Feind zu betrachten. Genre-Satire geht jedenfalls anders und Humor ist diesmal nicht, wenn man trotzdem lacht.
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Die Nonnen von Clichy

„Hattet ihr jemals irgendeinen Bezug zum Teufel?“

1972 drehte der spanische Exploitation-Vielfilmer Jess Franco („Der Hexentöter von Blackmoor“) mit der spanisch-französisch-portugiesischen Koproduktion „Die Nonnen von Clichy“ einen eigenwilligen Bastard aus Hexenjägerfilm und früher Nunploitation nach einer vorgeblichen Romanvorlage David Khunnes (das jedoch ein Pseudonym Francos ist) und unter deutlichem Einfluss von Ken Russells „Die Teufel“ stehend:

Die christliche Inquisition verbrennt eine Hexe, die sich jedoch nicht in ihr Schicksal ergibt, ohne ihre Peiniger zu verfluchen und anzukündigen, dass ihre Töchter sie rächen würden. Da wird Madame de Winter (Karin Field, „Dracula im Schloss des Schreckens“) dann doch etwas mulmig zumute, weshalb sie jene Töchter ausfindig machen lässt: Katrine (Anne Libert, „Die Nacht der offenen Särge“) und Margaret (Britt Nichols, „Die Nacht der reitenden Leichen“) leben als junge Nonnen in einem Kloster, seit es sie als Waisenkinder dorthin verschlug. Katrine hält man nun ebenfalls für eine Hexe und verurteilt sie zum Tode. Margaret wiederum erscheint ihre tote Mutter, die tatsächlich mit dem Teufel im Bunde stand und ihr eröffnet, dass Malcolm de Winter (Howard Vernon, „Das blutige Schloss der lebenden Leichen“) – Madame de Winters Gemahl – ihr Vater sei. Nun ist es an Margaret, den Racheplan ihrer Mutter in die Tat umzusetzen…

„Vielleicht ist dieses Mädchen von Dämonen besessen!“

Dankenswerterweise leidet Francos Film nicht, wie sonst später bekanntermaßen nicht unüblich, unter technischen Unzulänglichkeiten, formellen Fehlern und billigem Trash-Look, so dass man sich gänzlich der erzählten Geschichte widmen kann. Diese beginnt mit dem Prolog, der die berüchtigten „Hexentests“ zeigt und damit an die vorausgegangenen Hexenjägerfilme erinnert. Katrine entdeckt ihre Sexualität und nackte Nonnen räkeln sich in ihren Betten, man hadert mit der lustfeindlichen Auslegung des Glaubens. Schließlich sieht sich auch Katrine den Folterungen ausgesetzt, die sie als Hexe überführen sollen. Madame de Winters männliche Affäre (Ryanfair o.ä., habe ich leider in keiner Besetzungsliste finden können) jedoch glaubt an Katrines Unschuld, worauf Madame eifersüchtig reagiert. Dennoch gibt man sich bald wieder einem sadomasochistischen Rollenspiel hin, in dem er sie als Hexe bezeichnet und peitscht.

„Warum sollte ich daran zweifeln?“

Nach Margarets Vision ihrer Mutter wird sie vergewaltigt, während parallel der Maler Brian de Carsi (Andrea Montchal, „Vampyros Lesbos“) Katrine hilft, der zuvor auch Malcom de Winter zur Flucht verhalf, nachdem er in Ungnade gefallen war. Madame de Winter beschuldigt jedoch Ryanfair; Margaret schert das wenig und verführt eine Nonne, die daraufhin Selbstmord begeht. Der große Inquisitor Jeffries (Cihangir Gaffari, „Liebesgrüße aus Pistolen“) sucht den in Ketten liegenden Ryanfair auf, befreit ihn und gewährt ihm eine dreitägige Schonfrist, um Katrine aufzuspüren. Auf der Flucht trifft Margaret auf eine wirkliche Hexe, die ihr die Mörder ihrer Mutter verrät: Madame de Winter und Jeffries. Katrine bändelt mit dem Maler an, wird jedoch geschnappt. Ryanfair gesteht ihr daraufhin seine Zuneigung und versichert ihr, sie nicht auszuliefern. Sie beschließen, gemeinsam durchzubrennen, werden jedoch erwischt. Man foltert nun auch den bemitleidenswerten Rynafair.

„Nonne, Hexe, Hure – eine interessante Kombination!“

Um Gnade für Jeffries zu erwirken, erniedrigt sie sich bis zur Selbstaufgabe vor Jeffries. Dieser nutzt die Situation für sich aus, um Sex mit ihr zu haben, was Franco jedoch in diesem Falle nicht zeigt. Natürlich hält der schmierige Jeffries nicht sein Wort, will aber, dass Katrine an einem Fest zu Ehren Madame de Winters teilnimmt. Dort befindet sich auch Margaret unter anderer Identität. Auf dem Fest soll Katrine zu Tode gequält werden, doch zu Margrets Racheplan zählt auch die lesbische Verführung Madame de Winters, die sich daraufhin in einem schlechten Spezialeffekt auflöst. Malcolm de Winter und Konsorten rebellieren und befreien die Gefangenen, doch Jeffries lässt alle verhaften. Ein Kampf entbrennt, es gibt Tote. Margaret löst letztlich auch Ryanfair auf, worüber die Geschwister in Streit geraten. Katrine hetzt den Mob auf Margaret, die nun gefoltert und verbrannt wird…

Francos Film setzt sich also viel aus Rein-in-den-Kerker,-raus-aus-dem-Kerker-Wechselspielchen, garniert mit Folter- und Erotikszenen, zusammen und ist allein schon deshalb ein etwas unbefriedigender Genre-Mix, weil man es hier – für Hexenjägerfilme unüblich – tatsächlich mit Hexen zu tun bekommt, was die Inquisition somit ein Stück weit rechtfertigt. Diese wiederum wird jedoch eindeutig negativ konnotiert, ihre Taten sind schlimmer als die der Hexen. Der Nunploitation-Aspekt gerät dabei schnell ins Hintertreffen, wenngleich gerade dieser für die eine oder andere gelungene Erotikszene sorgt. Diese sind auch bitter nötig, um das etwas anstrengende Kostüm-Historientreiben aufzupeppen. Obwohl weitestgehend seriös geschauspielert und umgesetzt, ist „Die Nonnen von Clichy“ nie ernstzunehmen und erreicht nie die intensive Wirkung seiner Vorbilder. Das absurde Ende mit Versöhnungskuss und dem Epilog mit einer blinden Hexe setzt dem die Krone auf.

Da jedoch auch Ambiente und Ausstattung stimmen, der Film über weite Strecken durchaus opulent anzusehen ist und sich Franco im Zweifelsfall jeweils für Stil und Ästhetik statt für Schmodder und Softporno entschied, bleibt ein durchschnittliches Filmvergnügen, das in die Kerbe der Inquisitionskritik schlägt und Motive der Nunploitation-Welle vorwegnimmt.
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La Novizia - Verführung einer Nonne

„Herrliche Titten, Kompliment!“

Der italienische Regisseur Pier Giorgio Ferretti, laut IMDb ein Pseudonym Giuliano Biagettis (doch dessen bin ich mir nicht sicher), drehte 1975 die Dramödie „La Novizia - Verführung einer Nonne“, die das Nunploitation-Genre streift, ohne jedoch dessen Standards zu erfüllen. Für die weibliche Hauptrolle konnte man Italo-Erotik-Ikone Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“) gewinnen.

„Ich mach‘ die Beine so weit auseinander wie ein Scheunentor!“

Als Vittorios (Gino Milli, „Mordanklage gegen einen Studenten“) Onkel Don Nini (Lionel Stander, „Milano Kaliber 9“) im Sterben liegt, kehrt er nach seinem Studium in Rom in seine sizilianische Heimat zurück. Don Nini hat die junge, attraktive Novizin Maria (Gloria Guida) zu seiner Pflege angestellt. Statt mit seinem Schicksal zu hadern, liegt er Vittorio mit zahlreichen Anekdoten und Zoten aus seinem ehemals so umtriebigen Liebesleben in den Ohren und ermutigt ihn, es ihm gleichzutun und keine erquickliche sexuelle Gelegenheit auszulassen. Wenn Vittorio nicht gerade seinem Onkel zuhört oder mit seinen alten Kumpeln Rodolfo (Fiore Altoviti, „Eiskalt wie das Schweigen“) und Saretto (Beppe Loparco, „La Cecilia“) die Dorfstraßen unsicher macht, vergnügt er sich mit seiner alten Jugendliebe Nunziatina (Femi Benussi, „Der Mafiaboss – Sie töten wie Schakale“), die mit ihm ohne jede Skrupel ihren Ehemann betrügt. Mit der Zeit findet Vittorio jedoch weitaus mehr Gefallen an Maria, die zwischen all der geballten Männlichkeit zunehmend Probleme bekommt, ihre Libido zu unterdrücken und sich ebenfalls für Vittorio zu interessieren beginnt…

„Du bist keine Nonne – du bist eine Frau!“

Ferretti geht streng chronologisch vor und zeigt zunächst, wie Vittorio von seinen Freunden am Bahnhof abgeholt wird. Auf humoristische Weise wird Vittorio die Gemeinschaft des Dorfs vorgestellt, durch das man nun abends und nachts gemeinsam zu ziehen pflegt. Man trinkt etwas, lässt sich zu einem Besuch bei einer Prostituierten (Sofia Lusy, „Oh, Serafina!“) überreden (und hübsch neppen) und gabelt junge Touristinnen auf, die man mit nach Hause nimmt. Stolz präsentiert man die Brüste der Engländerin Onkel Nini, bevor sich beide Mädels zu ihm ins Sterbebett legen und sich befummeln lassen, während dieser pausenlos über Frauen und Sex schwadroniert. All dies bekommt die arme Maria mit, während man sich als Zuschauer in einer überzeichneten, wenig nachvollziehbar anmutenden Sex-Klamotte wähnt. Als sich Nunziatina wieder einmal nach Vittorio verzehrt, nimmt er sie notgedrungen mit zu sich, was Maria ebenfalls beobachtet und beginnt, sich selbst zu betatschen. Maria und die feier- und sexwütigen jungen Menschen freunden sich schließlich miteinander an und tanzen zusammen ausgelassen zu Musik.

Langsam ändert sich der Tonfall des Films, trotz einer Silvesterfeier mit Feuerwerk, viel Gefummel und Blinde-Kuh-Spiels mit Maria. Der Sterbende äußert als letzten Wunsch, dass Maria ihre Nonnentracht ablege und sich erotische Frauenkleidung anziehe. Sie geht darauf ein und wirft sich oben ohne in Strapse. Bei dieser bizarren Szene handelt es sich um die ersten erotischen Bilder des Films, die auch Vittorio unbemerkt beobachtet – und aufgebracht reagiert. Als er kurz darauf mit Maria knutscht, stirbt sein Onkel, als habe dieser damit sein Ziel erreicht. Damit ist jedoch auch besiegelt, dass Maria das Haus des Onkels verlässt und ins Kloster zurückkehrt. Vittorio leidet unter seinem Liebeskummer und stellt ihr am Kloster nach. Seine notgeile Nunziatina füllt er ab und lockt seine Freunde hinzu, damit diese sie „übernehmen“. Nunziatina reagiert begeistert… Nachts sucht Vittorio verzweifelt nach Maria und erneut das Kloster auf, wo sie jedoch nicht mehr weilt. Im Dorf ihrer Mutter wird er fündig, jedoch von eben jener harsch davongejagt. Dennoch kommen die beiden schnell wieder zusammen und vergnügen sich unter freiem Himmel. Am Schluss springt Maria ebenso nackt wie kitschig mit Vittorio über eine Wiese, bevor es mit der bitteren Pointe aus heiterem Himmel noch einmal knüppeldick kommt.

Dieser holprige Mix aus Komödie, Drama und Erotikstreifen ist leider nichts davon wirklich und erweist sich in sämtlichen Aspekten als Rohrkrepierer Der Jugend-Sex-Klamotten-Anteil ist in der ungeschnittenen internationalen Fassung extrem geschwätzig und bestimmt von unerträglichem italienischem Macho-Geplapper, wobei die unvollständige und fehlerbehaftete deutsche Untertitelung der DVD-Veröffentlichung nicht gerade zum Unterhaltungswert beiträgt. Die Dramatik setzt erst gegen Ende ein und wird in Rekordgeschwindigkeit abgespult. Das erotische Potential einer Gloria Guida wiederum wird ebenfalls kaum ausgeschöpft.

Damit ist „La Novizia - Verführung einer Nonne“ ein Film mannigfaltiger vergebener Möglichkeiten: Bereits der Kulturclash zwischen der Metropole Rom, aus der der Protagonist zurückkehrt, und den Gepflogenheiten eines sizilianischen Dorfs hätte Potential für spannende Entwicklungen geboten, ganz zu schweigen von einer verbotenen, von traditioneller christlicher Prüderie verhinderten Liebe zwischen den Extremen der absoluten Keuschheit und der zum Ideal ernannten Vielweiberei Vittorios und seiner Familie/Freunde. Nichts davon jedoch wird ausgearbeitet, lediglich oberflächlich angerissen oder gegen Ende in Bezug auf Kitsch und Tragik heillos übertreiben. Der Komödienanteil, der sich viel zu lange durch den Film zieht, ist – abgesehen von seinen pittoresken Bildern dörflichen sizilianischen Ambientes – beinahe gänzlich zu vernachlässigen und verleitet gar dazu, den Film bereits vor seinen entscheidenden Wendungen abzuschalten. Neben Guidas spärlichen Erotikszenen ist einzig der hier demonstrierte gefasste und positive Umgang mit der eigenen Sterblichkeit bemerkenswert und inspirierend.

Eigentlich müsste man diesen Film noch einmal neu drehen. Es ist wahrlich ein Jammer.
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Lady Blood

Mit „Baby Blood“ gelang Regisseur Alain Robak 1989 ein kleiner, feiner Low-Budget-Splatter-Klassiker des französischen Kinos. 2008 schließlich überraschte sein Kollege und Landsmann Jean-Marc Vincent mit einer späten, „Lady Blood“ getauften Fortsetzung, die nach drei Kurzfilmen Vincents Spielfilmdebüt darstellte.

Yanka Mansotti (Emmanuelle Escourrou, „Baby Blood“), die einst von einem aggressiven Parasiten befallen war, der sie zum Morden zwang, hat ihre Vergangenheit hinter sich gelassen, eine Familie gegründet und einen Job als Polizistin angetreten. Als plötzlich eine verstümmelte Leiche nach der anderen gefunden wird, konzentrieren sich ihre Kollegen auf die Suche nach einem Serienmörder, doch Yanka weiß es besser. Nicht zuletzt sprechen ihre Alpträume eine deutliche Sprache und sie ahnt: das Böse ist zurück…

Ob es nun eine so gute Idee ist, Jahrzehnte später eine Fortsetzung zu „Baby Blood“ nachzuschieben, sei einmal dahingestellt; zumal die Produktionsumstände nun gänzlich andere waren und man den Tonfall des Films um 180° wendete: vom schwarzen Humor und den Sozialstudien-Anleihen des Originals gibt es hier keine Spur mehr. Die Verknüpfung zu ihm herzustellen tut sich Vincent dann auch schwer, die Kamerafahrt über alte Zeitungsauschnitte jedenfalls reicht nicht für ein Aha-Erlebnis des unbedarften Zuschauers, der möglicherweise nicht einmal weiß, dass es sich hierbei um das Weiterspinnen einer bereits erzählten Geschichte handeln soll. So erinnert „Lady Blood“ dann auch vielmehr an „The Hidden“, wenn das Ungetüm regelmäßig seinen Wirt wechselt. Darüber hinaus wird man Zeuge schlimmer Alpträume, den Funden übel zugerichteter Leichen, einer im Dunkeln tappenden und die Falschen verdächtigenden Polizei sowie einer Nebenhandlung um eine Mafia-Fehde zwischen Pagelli (Serge Riaboukine, „Wolfzeit“) und „dem Korsen“, die zum Anlass fieser Folterszenen genommen wird, in denen Finger abgesägt und die Kniescheibe eines Informanten geflext sowie Stacheldraht zweckentfremdet werden.

Archivrecherchen, Erinnerungen einer alten Dame, ein griesgrämiger pensionierter Bulle und die in der Klapsmühle vegetierende Christine Pollack (Bénédicte Mathieu) treiben mit Informationen den Ermittlungsteil der Handlung voran, wobei man trotzdem „Baby Blood“ noch sehr präsent haben muss, um da wirklich durchzusteigen. Yanka und Pollack stehen geistig irgendwie in Verbindung mit dem Parasiten, womit der Film immer wieder Brücken zu den Protagonisten schlägt, auch wenn die Gefahr nicht unmittelbar ist. Ein Einsatz im Swingerclub, einem Mafiaobjekt, offenbart einige entblößte weibliche Oberweiten, bevor Yanka von den Gangstern entführt wird und die Handlung sich nun überschlägt: Nachdem sie in der vorausgegangenen Szene ins Wasser geworfen wurde, ist Yanka in der nächsten schon wieder wohlauf. Auch die Medien haben Wind davon bekommen, dass etwas nicht stimmt und berichten im TV knapp, was geschehen war, während der Parasit unter den Mafiosi wütet und schließlich am Ende seiner Suche angelangt ist, wenn er Yanka gegenübersteht und ihre Tochter bedroht. Wer jetzt ein großes Finale erwartet, wird mit einer nicht recht verortbaren Vergewaltigungsszene überrascht, die Rückblende oder Gegenwart sein könnte. Yankas Erwachen im Krankenhaus drei Monate später lässt auf letzteres schließen, liefe allerdings der Schlusspointe konträr.

So richtig schlau wird man aus „Lady Blood“ nur schwerlich, zu gravierend sind die narrativen Schwächen. Dabei ist der Film ansonsten gar nicht verkehrt: Schauspielerisch ist fast alles im grünen Bereich, der Schnitt ist modern und rasant, die blutigen Szenen sind böse und ansehnlich zugleich und die Atmosphäre hat etwas unheilschwanger Nervöses, Aufgekratztes, was gut zum Inhalt passt. Hätte man sich komplett vom nominellen Vorgänger „Baby Blood“ emanzipiert, statt arg bemüht an ihn anknüpfen zu wollen, hätte ein guter Genrebeitrag das Ergebnis sein können. So bleibt ein unterm Strich nicht wirklich gelungener, dennoch recht solider Streifen für Genre-Fans, die sich an den beschriebenen Schauwerten erfreuen können und deren Fell dick genug ist, sich nicht von der Handlung verwirren zu lassen und die nicht dazu neigen, diese pedantisch auf Ungereimtheiten abklopfen. In der Kritik kommt „Lady Blood“ m.E. gemeinhin etwas zu schlecht weg.
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Foltergarten der Sinnlichkeit

„Irgendwann kommt eben der Moment, wo Schluss ist!“

1975 war das Jahr, in dem der Erotik-Bereich von Italien aus um gleich mehrere Gloria-Guida-Filme wie „Teenager lieben heiß“ oder „Sonne, Sand und heiße Schenkel“ erweitert wurde, während der Franzose Just Jaeckin „Die Geschichte der O“ verfilmte, Sylvia Kristel als Emmanuelle in Serie schickte und man in Deutschland bereits beim neunten „Schulmädchen-Report“ angekommen war. Und es war das Jahr, in dem der italienische Regisseur Joe D’Amato („Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“) im Erotik-Genre debütierte. Zusammen mit Bruno Mattei hatte er ein Drehbuch verfasst, das er in Anlehnung an die französische Erotik-Ikone als „Emanuelle e Françoise le sorelline“ verfilmte und unter dem paradox anmutenden, nichtsdestotrotz durchaus passenden deutschen Titel „Foltergarten der Sinnlichkeit“ in die Geschichte der Sexploitation eingehen sollte.

„Am meisten reizt mich deine Unberechenbarkeit an dir!“

Der hochgeschossene, muskulöse Carlo (George Eastman, „Man-Eater“) ist ein wahrer Kotzbrocken von Mann. Seine etwas unbedarfte, ihn naiv liebende Freundin, das attraktive junge Fotomodell Françoise (Patrizia Gori, „Zinksärge für die Goldjungen“), nötigt er zum Sex mit anderen Männern, um dadurch seine Spiel- und Wettschulden zu begleichen und betrügt sie. Als Françoise ihren Carlo voller Vorfreude besuchen fährt, erwischt sie ihn mit einer seiner Bettgespielinnen, woraufhin er emotionslos die Beziehung beendet und sie vor die Tür setzt. Françoise ist daraufhin am Boden zerstört und wirft sich in ihrer Verzweiflung vor einen fahrenden Zug. Als sie aus Françoises letztem Brief die Hintergründe ihres Todes erfährt, sinnt ihre Schwester Emanuelle (Rosemarie Lindt, „Das Syndikat“) auf Rache. Sie gibt vor, Carlo verführen zu wollen, lässt zu Hause jedoch die Falle zuschnappen: Gefangen in einer versteckten und gut isolierten Kammer muss er, angekettet und unter Drogen gesetzt, durch ein außen verspiegeltes Fenster mitansehen, wie sie sich mit verschiedenen Sexualpartnern vergnügt. Auf perfide Weise treibt Emanuelle ihr Opfer in den Wahnsinn…

„Trink inzwischen einen Whiskey!“

Während einer Fotosession im Prolog lernt man die lebenslustige Françoise kennen, die auf ihrem Moped einkaufen fährt, überall beliebt zu sein scheint und ihrem Freund sogar Mitbringsel erwirbt. Im direkten Anschluss erwischt sie Carlo in flagranti und setzt daraufhin ihrem Leben ein Ende. Für die gewählte Todesart sieht sie noch überraschend gut aus, als Emanuelle sie identifiziert und in ihrem Brief zu lesen beginnt. Dies nimmt D’Amato zum Anlass für Rückblenden in Françoises und Carlos gemeinsame Zeit: Carlo verhökerte seine Freundin an einen schmierigen Pseudo-Filmproduzenten, der sie vergewaltigte, wozu unpassenderweise fröhlicher Swing von der Tonspur ertönt. Es verdichtet sich das Bild einer viel zu naiven jungen Frau, die, bis über beide Ohren verliebt, sich offenbar alles gefallen lässt. Emanuelle entpuppt sich als ihr exaktes Gegenteil und macht Carlo Avancen, als sie ihn natürlich beim Pferderennen antrifft und ihn zu sich vor die Haustür lotst. Eine weitere Rückblende ist wieder ausgesprochen unangenehm, denn im Rahmen einer Pokerrunde vergewaltigt Carlo Françoise vor den Augen seiner Mitspieler.

Emanuelle beweist ein Gespür für kontrolliertes Timing, indem sie nicht sofort in die Vollen geht, sondern sich zunächst von Carlo beim Tennis beobachten lässt. Sie baden anschließend zusammen im Meer, wo sie ihn neckt und schließlich ohne ihn davonbraust. Sie beherrscht das Spiel zwischen Annäherung und Distanz und weiß, wie man einen von sich selbst überzeugten Mann wie Carlo verrückt nach einem macht. In einem offenbar eher freizügigen Tanzclub – eine Besucherin tanzt oben ohne – muss man unbeholfene, hölzerne Tanzszenen über sich ergehen lassen, zu denen Emanuelle schließlich hinzustößt. Später zeichnet sie, mittlerweile selbst barbusig, ein grässliches Porträt, was ebenfalls unfreiwillig komisch anmutet – von den immer debiler werdenden Flirts ganz zu schweigen. So langsam könnte der Film mal in die Gänge kommen, ist man zu denken geneigt. D’Amato schien dies bewusst zu sein, denn ab nun nimmt die Rache ihren Lauf, die die zweite Hälfte des Films bestimmt. Bei seinem Besuch Emanuelles wird Carlo vergifteter Whiskey angeboten, gelungene visuelle Effekte illustrieren seinen Rauschzustand; in einer Art Prolog für das nun Kommende gesteht Françoise in einer erneuten Rückblende ihrem wettverschuldeten Carlo abermals ihre Liebe und eine Schnittcollage aus einem Schwarzweiß-Porno sowie Ausschnitten aus einer Fotosession suggeriert nicht nur einen Pornodreh mit Françoise, sondern wirkt beinahe richtiggehend künstlerisch.

Als Carlo wieder zu sich kommt, findet er sich angekettet wieder. Emanuelle tänzelt auf ihn zu, strippt vor ihm und schließt ihn wieder weg. Vor seinen Augen verführt sie, begleitet von leider recht albernen Dialogen, einen Kfz-Mechaniker, was D’Amato jedoch lediglich andeutet. Als erotischste Sequenz stellt sich der von Emanuelle arrangierte Lesben-Dreier heraus, dem er ebenso ohnmächtig beizuwohnen gezwungen ist wie Emanuelles dekadentem Abendessen mit Bekannten, das in Carlos Wahnvorstellungen zur Sex-Orgie inkl. vaginaler Einführung einer Getränkeflasche und kannibalistischem großen Fressen menschlicher Körperteile avanciert – eine unfassbare Szenenabfolge, die man gesehen haben muss und den auf Schockwirkung abzielenden Freigeist jener Exploitation-Ära sinnbildlich widerspiegelt. Als eher überflüssig erweist sich die finale Rückblende ins Rennfahrermilieu; gegenteilig verhält sich indes eine weitere unwirkliche Visualisierung Carlos Fantasie, in der er Emanuelle im Blutrausch zerstückelt. So billig die Spezialeffekte hierbei sind, so virtuos sind sie gefilmt. Als aus Carlos Fantasie bittere Realität wird, folgt ein vorhersehbares, in seiner Wirkung dennoch effektives, hartes Ende, das keinen Gewinner aus dem „Foltergarten der Sinnlichkeit“ entlässt.

D’Amatos erster Ausflug ins Erotische ist offensichtlich eines seiner Werke, die er noch mit einem gewissen formalen wie inhaltlichen Anspruch umzusetzen gedachte. Insbesondere die Kameraarbeit, die immer wieder schöne indirekte Perspektiven auslotet, weiß zu gefallen und auch die Besetzung erweist sich als stimmig, wenngleich Eastman bisweilen zum Overacting neigt. Gianni Marchettis Soundtrack hingegen trifft leider des Öfteren nicht den richtigen Ton, so dass atmosphärisch mehr herauszuholen gewesen wäre. „Foltergarten der Sinnlichkeit“ vereint Erotik, Sex, Drama, gialloeskes Ambiente, Horror und Wahnsinn zu einem nicht immer ganz geglückten, doch für Freunde etwas neben der Spur radelnder Filme faszinierenden Cocktail, der in jedem Falle beschwipst macht und einen Eindruck davon vermittelt, welches Potential D’Amato besaß.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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