bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Die Schlacht der Centurions

„Töte sie! Töte sie! Töte!“

Auch Italo-Regisseur Lucio Fulci („The Beyond – Über dem Jenseits“) beteiligte sich an der Welle italienischer actionlastiger Endzeit-Dystopien, die bis Mitte der 1980er „Mad Max II“-und-Konsorten-inspiriert manch Trash-Heuler, aber auch den einen oder anderen gelungenen Genre-Beitrag hervorbrachten. Fulci widmete sich der bekannten Menschenjagd-Thematik und dürfte unterdessen vornehmlich von der US-Produktion „Rollerball“ inspiriert worden sein. Das Ergebnis lautete „Die Schlacht der Centurions“ und lud 1984 ins Rom des Jahres 2072.

„Diese Computer... Wir haben sie so konstruiert, dass sie uns helfen und dienen. Aber stattdessen sind wir Ihre Sklaven geworden!“

In diesem erreichen die größten Fernsehsender ihre Einschaltquoten vornehmlich mittels live übertragener, blutiger Gladiatorenkämpfe bis zum Tod. Unangefochtener Spitzenreiter ist Drake (Jared Martin, „Hydra“), der jedoch einst vom Sender seines Entdeckers Cortez (Claudio Cassinelli, „Killer Cop“) zur Konkurrenz wechselte. Cortez will Drake zurück und heckt einen perfiden Plan aus: Er engagiert Killer, um Drakes Frau zu ermorden, an denen Drake wiederum erwartungsgemäß Selbstjustiz verübt und daraufhin zum Tode verurteilt wird. Sein eigenes Leben könne er nur noch retten, indem er in einer neuen, hohe Quoten versprechenden TV-Show gegen diverse andere verurteilte Schwerverbrecher antrete, u.a. Kirk (Al Cliver, „Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies“) und Abdul (Fred Williamson, „The Riffs - Die Gewalt sind wir“). Doch die Männer verbünden sich gegen den TV-Sender und dessen Lakaien, müssen angesichts des bösen Computers Chakunah aber feststellen, es nicht nur mit menschlichen Gegnern zu tun zu haben…

„Ich will euch springen sehen!“

In einem Virtual-Reality-Spiel visualisiert Fulci eine kleine Reminiszenz an das Poe’sche Pendel des Todes, bevor eine Frau in einer bizarren Szene von pfeifenden Männern überfallen wird. Wie der Zuschauer erfährt, handelte es sich bei der Dame und Drakes Frau Susan (Valeria Cavalli, „Der Bomber“) und bei der Szene um eine Rückblende zu ihrem Ableben. Man bekommt durchchoreographierte Kämpfe im Stroboskoplicht zu sehen und sich auflösende bzw. plötzlich verschwindende Gegner. Drake wird mittels Projektionen aggressiv gemacht und man macht ihm Glauben, er habe seine Frau auf dem Gewissen. Mithilfe der Angestellten Sarah (Eleonora Brigliadori, „Gepeinigt“) kommt Drake an Beweise, die belegen, dass er seine Frau nicht getötet hat. Per Telekinese schmilzt er ein Loch in die Wand zur Freiheit – dort wird er jedoch erwartet und kommt nicht weit. Zur Strafe setzt es Folter. Sarah trifft schließlich auf einen kauzigen Professor und erfährt von Chakunah, dessen Computer, der ein böses Eigenleben entwickelt hat. Der Professor ist von der ganz alten Schule und arbeitet auch 2072 noch mit Mikrofilm, wird jedoch ebenso schnell getötet, wie er in die Handlung eingeführt wurde.

„Das Todesrennen kann beginnen!“

Ansonsten ging hier bisher das Meiste alles andere als flott, denn die eigentliche Schlacht beginnt erst nach gut einer Stunde. Die „Wagenschlacht wie im alten Rom“ entpuppt sich als Duell auf Motorrädern mit klapprigen Beiwägen, die niemals durch den TÜV gekommen wären und stärker zu Explosionen neigen als die Akkus des Galaxy Note S7. Da die Gladiatoren zusätzlich mit Schwertern und Keulen bewaffnet sind, bekommt man neben ein paar Motorradstunts einige brutale Szenen wie Enthauptungen zu sehen, einer der Biker wird gar lebendig verbrannt, jeweils kommentiert von einem reißerischen Sprecher. Sarah stößt mit ihrem Killerbike hinzu und weiß zu berichten, dass Chakunah auch den Gewinner töten werde. Die verbliebenen Gladiatoren verbunden sich gegen das Böse und Programmierer Sam (Giovanni Di Benedetto, „Die Killermafia“) entpuppt sich als „Weltraummodul mit Seele“. Das wiederum ging dann alles doch recht schnell, was in Bezug auf das Timing des Films einmal mehr irritiert. Die ganze Chose mündet in einen Wettlauf gegen den Selbstzerstörungs-Countdown und man erfährt, dass sich „die Seele von Chakunah selbst korrumpiert“ habe…

„Merkwürdig, wie langsam einem die Lichtgeschwindigkeit manchmal vorkommen kann, was?“

Au weia – wer evtl. der Meinung war, dass bereits der ungleich populärere „Running Man“ ein sein eigentliches Thema unheimlich verflachendes, auf ein fragwürdiges Actionspektakel reduzierendes Ärgernis war, hat „Die Schlacht der Centurions“ noch nicht gesehen. Inhaltlich liegt beinahe die Vermutung nahe, Fulci & Co. hätten versucht, ihren Film auf einen maximalen Trashfaktor zu bürsten; denn ignoriert man die wilden Kostümierungen, in die sich neben dem bereits genannten Ensemble um den eindimensionalen und blassen US-Hauptdarsteller auch Schauspieler wie Donald O’Brien („Lauf um dein Leben“) oder Hal Yamanouchi („Fireflash - Der Tag nach dem Ende“) zwängen mussten, schlägt das Beklopptenherz immer noch höher angesichts des von Drake verschluckten Mikrochips, dank dessen er übermenschliche Kräfte erlangt hat, der billigen Kulissen voller blinkender Computer und Schalttafeln wie in einem Science-Fiction-Schlocker aus den ‘60ern sowie der auf futuristische Metropole getrimmten Bilder Roms, die in etwa so viel räumliche Tiefe und Authentizität erzeugen wie ein Pacman-Spiel. Und die Schauspieler hangeln sich nicht nur durch diese, sondern vor allem durch eine hanebüchene Handlung und ebensolche Entwicklung, die mal ob ihrer Absurditäten bass erstaunt, mal das erzählerische Tempo empfindlich drosselt, um sich anschließend im Geschwindigkeitsrausch zu überschlagen oder ein weiteres Mal durch grotesk-naive Vorstellungen von der Zukunft unnötig und ohne jeden Mehrwert verkompliziert wird, jedoch nie für voll zu nehmen ist. Die Dialoge tragen ihr Übriges dazu bei:

„Chakunah ist ein monoambiotisches System. Er ist dazu in der Lage, all das zu tun, wozu ein menschliches Gehirn fähig ist, und ich meine damit ein überragendes menschliches Gehirn! Aber niemals wird er zerstören können. Es war mein Bestreben, von Chakunah die Idee der Zerstörung vollkommen fernzuhalten! Und wegen des Fehlens negativer Strömungen ist Chakunah… mein… Meisterwerk!“

Anstatt es dem Zuschauer wenigstens zu ermöglichen, dem retro-futuristischen Treiben entspannt schmunzelnd folgen zu können, versucht man, epileptische Anfälle auszulösen, indem man alles permanent blitzen und blinken lässt und riskiert Hörschäden durch eine enervierende Computer-Pieps-und-Ratter-Geräuschkulisse. Riz Ortolanis Synthesizer-Soundtrack ist dagegen die reinste Wohltat. So groß mein Herz für krude Genrekost à la italiana auch ist, hier wurde mehr falsch als richtig gemacht; ein weiteres Mosaiksteinchen im Fulci-Brett der mediokren bis miesen Filme nach „Der New York Ripper“.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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After Death - Das Böse ist wieder da

„Ich habe mit magischen Kräften das Tor zur Hölle geöffnet!“

„After Death“ aus dem Jahre 1989 war einer der letzten Ausläufer der italienischen Zombiefilm-Welle. Die Regie führte Claudio Fragasso unter dem Pseudonym Clyde Anderson, der zuvor bereits an unfreiwilligen Trash-Krachern wie „Die Hölle der lebenden Toten“, „The Riffs III – Die Ratten von Manhattan“ und „Zombie III“ mitgewirkt hatte und ein Jahr später einen der Trash-Filme schlechthin, den berüchtigten, immens populär gewordenen „Troll 2“, abliefern sollte. „After Death“ erweist sich indes leider als ziemlicher Rohrkrepierer.

„Wenn ein Mann Angst davor hat, zu sterben, dann gibt es nichts, was er mehr will als eine Frau!“

Eine Gruppe Wissenschaftler hatte einst auf einer Insel irgendwo in den Tropen versucht, den Tod zu besiegen – leider erfolglos, denn die Tochter eines Voodoo-Priesters ist ihrem Krebsleiden erlegen und seine Frau hat er just zur Hölle geschickt, angeblich, damit sie zurückkommt, um seine Tochter zu rächen. Kurz darauf stürmen die bewaffneten Wissenschaftler die Höhle und man macht sich gegenseitig Vorwürfe. Die jungen Männer machen den Priester für die grassierende Untoten-Epidemie verantwortlich und liegen damit nicht verkehrt, halten diese Art der Besiegung des Schnitters jedoch für falsch. Der Streit eskaliert und der Priester muss mit seinem Leben zahlen. Die Zombies haben es unterdessen nicht nur auf die Forscher abgesehen, sondern sind auch hinter einem jungen Paar her, das mit seinem kleinen Kind auf der Insel weilt. Etliche Jahre später suchen vier Vietnamkriegssöldner die Insel auf und dieselbe Idee hat zeitgleich das Kind der damals umgekommenen Eltern, mittlerweile zu einer jungen Frau gereift, die mit Freunden das Eiland betritt. Als diese in einem tempelartigen Gebilde das „Book of the Death“ finden und aus ihm zitieren, erwecken sie Untoten zu neuem Leben. Die Zombies trachten von nun an allen Eindringlingen nach dem Leben – doch diese haben Maschinengewehre…

„Stoppt den Kreis des Satans!“

Die eigenartige Drehbuch-Grundlage um die Wissenschaftler tischt einem ein Sprecher aus dem Off auf und der minutenlange Vorspann wurde mit einem schwülstigen Synthie-Rock-Song unterlegt, bevor man endlich in den Genuss der ausgedehnten Rückblende kommt. Die so oft gescholtenen Make-up- und Splatter-Effekte gefallen hier eigentlich noch ziemlich gut, wenngleich einem die Kulissen ihre Unglaubwürdigkeit regelrecht entgegenschreien. Nach dem tödlichen Clinch der Wissenschaftler mit dem Voodoo-Priester kommt es zu Fluchtversuchen im Laubwald, bevor es ohne wirklichen Übergang in die filmische Gegenwart geht. Die Söldner kommen per Motorboot und betreten ein Haus, die jungen Leute die Höhle mit dem Buch und nach der aus „Tanz der Teufel“ dreist gemopsten Vorlese-Szene nimmt das beschriebene Unheil seinen Lauf.

Konkret bedeutet das, dass grenzdebile Charaktere sich schwachsinnige Dialoge zwischen Schießereien und Gemetzel liefern. Ihre zombiefizierten Gegner können zum Teil sprechen und schießen sogar zurück, verhalten sich generell sehr, sagen wir mal „heterogen“: Vom klassischen lahmarschigen Schlurfer bis zum rasant laufenden und springenden Exemplar sind alle Gattungen vertreten. Ihr Make-up ist leider auch nicht unbedingt das Gelbe vom Eiter und beschränkt sich zudem aufs Gesicht, das man häufig indes gar nicht erst richtig zu Gesicht bekommt. Dass all dies einer bedrohlichen Atmosphäre oder überhaupt so etwas wie einem ernstzunehmenden Film nicht zuträglich ist, ist immanent. Auch offenbar als Spannungssequenzen angelegte Szenen funktionieren überhaupt nicht, entpuppen sie sich doch als nicht mehr als müdes Geschleiche. An Höhepunkten ist das sich außerdem kräftig bei Romero, dessen Motive man hier mitunter als drittklassige Variationen wiederfindet, bedienende Filmchen ähnlich arm wie ein tibetanischer Bettelmönch, immerhin sprengt sich ein todgeweihter Söldner einmal samt Zombies in die Luft. Wer seine Hoffnung auf einen großen Showdown oder einen Aha-Effekt als Pointe setze, wird ebenfalls enttäuscht, denn das eigenartige Ende mutet gar nicht wie eins an, sondern sollte anscheinend vielmehr als Cliffhanger zu einer (nie realisierten) Fortsetzung fungieren.

„After Death“ ist letztendlich ein reichlich uninspirierter C-Klasse-Versuch, aus dem damals an neuen Impulsen armen Subgenre noch ein paar Lira herauszupressen und es dabei heftig zu exploitieren. Immerhin begibt man sich insofern zurück zu den Ursprüngen, als man die Untoten durch Voodoo auferstehen lässt – was jedoch nichts daran ändert, dass „After Death“ konfus, unfertig sowie billig und lieblos heruntergekurbelt wirkt. Geeichte Trash-Freunde dürften dennoch zumindest hier und da ihren Spaß haben und Italophile unter den overactenden Knallchargen manch B-Darsteller wie Massimo Vanni („The Riffs – Die Gewalt sind wir“), Ottaviano Dell'Acqua („The Riffs III – „Die Ratten von Manhattan“) oder Geretta Geretta (ebendort) an der Seite US-amerikanischer Kollegen wie Don Wilson („Geboren am 4. Juli“) und Jim Gaines („Die Rache des Einarmigen“) wiedererkennen. Fazit: Der Rausschmeißer für jede Zombiefilm-Party.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Punk

Filme über die Punk-Subkultur gibt es so einige. Häufig beschäftigen sich diese mit längst vergangenen Szeneepochen. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Wahrnehmung der Punkszene entsteht so oftmals der Eindruck, dass es sich um ein Jugendphänomen handele, das mit der Gegenwart nicht mehr viel zu tun habe, das längst überholt sei und heutzutage kaum noch in ernstzunehmender Weise stattfände. Der französische Regisseur Jean-Stéphane Sauvaire ging mit seinem nach dem Kriegsdrama „Johnny Mad Dog“ zweiten Spielfilm, schlicht „Punk“ betitelt und 2011/2012 für den TV-Sender Arte gedreht, einen anderen Weg: Er wurde im Frankreich der Gegenwart angesiedelt, mit echten Punks besetzt und mit zeitgenössischer Musik aktueller Szenebands ausgestattet. Das Ergebnis ist ein Coming-of-Age-Drama, das zeigt, wie sein Protagonist den Weg in die Szene findet.

Der Jugendliche Paul (Paul Bartel, „Fracture“) lebt mit seiner Mutter (Béatrice Dalle, „Inside – Was sie will ist in dir“) zusammen in einer kleinen Wohnung in Paris. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und stellt seiner Mutter immer wieder Fragen, die diese nicht beantworten kann oder will. Zunehmend von diesem Zustand genervt, wird Paul flügge und sucht die Nähe einer Punk-Clique, die ihm ein neues, aufregendes Umfeld bietet: Harte Musik, wilde Konzerte, Alkohol- und Drogenrausch – und Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht. In seinem Boxtrainer Fauti (Carlos Lopez, „Die Bartholomäusnacht“) glaubt er zudem, eine Art väterlichen Freund gefunden zu haben. Zum Glücklichwerden reicht all das jedoch nicht.

Die Handlung grob umrissen (inkl. aller Spoiler): Paul tritt vor die Kamera, berichtet vom Hass auf seine Mutter und leitet, zunächst weiter aus dem Off sprechend, die eigentliche Handlung ein, die demnach eine ausgedehnte, detaillierte Rückblende aus Pauls Sicht darstellt. Diese beginnt unmittelbar mit dem Besuch eines THE-CASUALTIES-Konzerts, dem Paul noch in „Normalo-Kluft“ beiwohnt. Es handelt sich um den ersten von mehreren Konzertausschnitten, die in ihrer Authentizität perfekt die Atmosphäre gutbesuchter Punk-Konzerte einfangen, die die Exzessivität beider Seiten, sowohl der Band als auch des Publikums, eindrucksvoll illustrieren und die aufstachelnde Wirkung besitzen, selbst einer solchen Veranstaltung beiwohnen und sich verausgaben zu wollen. Als Paul wieder zu Hause ist, streitet er sich mit seiner Mutter, die ihn zudem nicht sonderlich ernstzunehmen scheint. Szenenwechsel: Pauls neue Punk-Clique, zu der auch ein Skinhead gehört, will Bier kaufen und albert in einem Supermarkt herum. Mit den Betreibern des Ladens eskaliert die Situation. Die Gruppe beraubt die Betreiber und der Skinhead schlägt den Kassierer brutal zusammen. Auch auf einer Hausparty ist Paul dabei, Sauvaire installierte hier eine Sexszene. Anschließend sieht man Paul beim Boxtraining mit seinem Trainer Fauti und schließlich läuft auch Paul in Punk-Montur durch die Straßen. Er beobachtet den jüngst so brutal gegen den Supermarkt-Kassierer vorgegangenen Skinhead, denn dieser scheint den Punks nicht mehr ganz geheuer zu sein. Neues Konzert, andere Band: Die ABRASIVE WHEELS performen „Burn ‘em Down“. Die darauf folgenden Aufnahmen widmet Sauvaire den Tattoos und Frisiertechniken der Punks. Gemeinsam besucht man die Skins, die bereits am Feiern sind – unter ihnen ihr Kumpel, rechte Parolen grölend. Die Punks stellen ihn zur Rede und es kommt zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf der politisch Verwirrte kurzerhand vor die Tür gesetzt wird. Die Party geht im Anschluss weiter. Man zieht sich Speed als Aufputschmittel durch die Nasen und es kommt zu einem weiteren cliqueninternen Konflikt: Alban (Alban Bigmouth) dreht durch, weil Ben (Ben Ragondin) mit einem dahergelaufenen Mädchen herummacht. Später hört sich Paul „Viva la Revolution“ der ADICTS von LP an und schminkt sich wie deren Sänger Monkey. Auf der Straße gerät man schließlich mit Faschobullen aneinander. Gemeinsam besucht man ein OBSTRUSIVE-Konzert, auf dem Paul Louise (Marie-Ange Casta) kennenlernt und sich in sie verknallt. Er hat Sex mit ihr und kommt mit ihr zusammen, worauf seine Mutter eifersüchtig reagiert. Auch die Clique fühlt sich vernachlässigt und zieht ihn auf. Als auch Louise über Paul lacht, zieht sie seinen Unmut auf sich. Leider entpuppt diese sich kurze Zeit später als Schlampe, die mit einem anderen herummacht. Bevor die Situation vollends außer Kontrolle gerät, geht Fauti dazwischen und fährt mit Paul weg, der Soundtrack spielt dazu LEFTÖVER CRACK. Auch Fauti zieht sich regelmäßig Speed rein und teilt es mit Paul. Nach einem PESTPOCKEN-Gig lauern Fascho-Skins der Punk-Clique auf, unter ihnen der ehemalige Kumpel. Eine brutale Schlägerei entbrennt und Paul teilt derart hart aus, als läge er seinen ganzen Frust hinein. Schließlich vollzieht Paul den Schritt und sucht seinen Vater auf, der jedoch nichts von ihm wissen will. Erneut will er von seiner Mutter die Wahrheit über seinen Vater erfahren, erneut mit unbefriedigendem Ausgang. Paul bricht daraufhin endgültig mit seiner Mutter und zieht zu Fauti, wo er sich den Schädel kahlrasiert, d.h. zunächst nur den vorderen Bereich… Bei Fauti belästigen ihn ekelhafte Nutten, die Drogen kaufen wollen. Im Speed-Rausch rennt er mit freiem Oberkörper auf die Straße und legt sich mit einer Gang an, die ihn böse verprügelt. Er sucht Alban auf und lässt sich von ihm verarzten und fährt anschließend mit der Clique nach Berlin. Als die anderen noch im Kleinbus schlafen, läuft er draußen allein umher. Später besuchen sie eine ADICTS-Show, der Film zeigt die Stücke „Viva la Revolution“ und „Bad Boy“ und ein kurzes Gespräch Monkeys mit Paul. Das Ende knüpft an Pauls Monolog vom Beginn an. Er bekräftigt noch einmal seinen Hass, bevor der Abspann einsetzt und ein weiteres Punkstück ertönt.

Sauvaire bewegte sich für seinen Film vornehmlich im Umfeld der Nietenkaiser und Chaos-Punks, wie sie zum Veröffentlichungszeitpunkt des Films schon fast nicht mehr das Szenebild dominierten, in den Jahren zuvor jedoch quasi omnipräsent waren und in der Tat auf Bands wie THE CASUALTIES und Konsorten schworen. Dies führt in Kombination mit dem authentischen Live-Material diverser realer internationaler Szenebands zu einem angenehmen Realismus, zu dem neben den Outfits, Frisuren etc. auch die Freundschaft mit nicht-rechten Skins zählt, von denen indes – wie auch hier thematisiert – immer mal wieder jemand querschießt und sich den Neo-Nazis anschließt. Kontrastiert wird diese Authentizität immer wieder von künstlerisch angehauchten Zwischensequenzen, die bisweilen ins Bizarre und Surreale gleiten und möglicherweise Pauls Rauschzustände visualisieren sollen. Da verleiht dem Film dann doch etwas klischeetypisch „Französisches“ und hätte es nicht unbedingt gebraucht, wenngleich es durchaus eindrucksvoll anzusehen ist, wie Paul von seinen Freunden mit Gasmasken überfallen wird. Auch die Szene gegen Ende, in der Paul in einen Fluss springt und seine Freunde ihn zu retten versuchen, dürfte zu diesem Stilmittel zu zählen sein und Pauls Fantasie Ausdruck verleihen, statt in die reale Handlung eingebettet zu sein. Sauvaire filmte hierfür tatsächlich tauchende Punks. Eine besondere Rolle scheint auch die vom Monkeys-Sänger inspirierte Schminkmaskerade einzunehmen, die Paul in diesen Zwischensequenzen immer mal wieder aufgetragen hat.

Als Sozialstudie fungiert „Punk“ insoweit, als die Ursache für Pauls Orientierung und seine mal diffuse, mal ausbrechende Wut im Verhältnis zu seinen Eltern gesucht wird. Paul fehlt insbesondere eine Vaterfigur. Ich weiß nicht, inwieweit Sauvaire seinen Film exemplarisch verstanden wissen will, ein zerrüttetes Elternhaus begünstigt jedoch erfahrungsgemäß durchaus das Aufsuchen und Ausleben einer rebellischen Subkultur. Erfreulicherweise verurteilt Sauvaire weder Pauls Verhalten noch den Lebensstil seiner Clique, sondern zeigt kommentar- und wertfrei Licht- und Schattenseiten. Zu spüren ist zudem eine Sympathie für die Szene, ohne die der Film in dieser Form der engen Zusammenarbeit mit ihr wohl auch gar nicht hätte zustande kommen können. Die unverbrauchten Jung- und Laiendarsteller wissen zu überzeugen und die Dialoge klingen ungekünstelt und oftmals improvisiert. Interessant ist auch, dass Béatrice Dalle nach dem beinahe ebenso schlicht betitelten „New Wave“ erneut die Mutter eines Punks mimt. Letztendlich bleibt „Punks“ in seiner Aussage wenig eindeutig und folgt keiner klassischen Narration, steuert auch auf keine Pointe zu, zeichnet dafür jedoch ein bemerkenswert am tatsächlichen Milieu orientiertes Bild einer Alternative für wütende und frustrierte Jugendliche, die vor allem von den inszenierten Exzessen begeistert sein dürften und somit einen besseren, weil frischeren Eindruck von der Szene bekommen, als ihn der rückwärtsgerichtete, dokumentarische Blick diverser anderer Filme zum Thema zu transportieren vermag.
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Der Kampfgigant

„Alle rund um dich sterben immer. Nur du nicht! Warum?!“

Ab Anfang der 1980er investierte die US-amerikanische Filmindustrie verstärkt in Action-/Kriegsfilme, die der aggressiven Außenpolitik des US-Präsidenten Ronald Reagan folgten und teils mit finanzieller Unterstützung des US-Militärs das Vietnamkriegstrauma überwinden und das Bild der Rolle der eigenen Soldaten verklären, im Prinzip die Geschichte umschreiben sollten: So entstanden Propagandafilme, die reaktionär vor der „roten Flut“, als die man die Bedrohung durch die Sowjetunion und ihrer Verbündeten darstellte, warnen und so das Feindbild des Kommunismus festigen sollten ebenso wie sog. Rescue Movies, in denen tapfere, heldenhafte Soldaten es als Ein-Mann-Armee mit den Vietcong aufnehmen, um US-amerikanische Kriegsgefangene zu befreien und somit die Überlegenheit der eigenen Soldaten zu demonstrieren. Gern erledigte man auch beides in einem Abwasch wie beispielsweise in „Rambo II“, der dem italienischen Plagiator Bruno Mattei offensichtlich Vorbild für „Strike Commando“ alias „Cobra Force“ war und 1987, nur ein Jahr später, für Matteis leicht abgewandelten „Der Kampfgigant“ Pate stand:

Robert „Bob“ Ross (Miles O’Keeffe, „Ator – Herr des Feuers“) hat bereits sechs Himmelfahrtskommandos überlebt und nimmt dankbar den Auftrag Senator Blasters (Donald Pleasence, „Halloween – Die Nacht des Grauens“) an, eine Gruppe nordvietnamesischer Terroristen im Dschungel des gebeutelten Landes aufzuspüren und auszuschalten. Seine persönliche Motivation liegt jedoch vielmehr darin begründet, seinen Sohn ausfindig zu machen, den er einst mit einer Vietnamesin zeugte, die mittlerweile das Zeitliche gesegnet hat. Die Sowjettruppen um Colonel Galckin (Bo Svenson, „Night Warning“) beäugen Bob natürlich kritisch und halten ihn für einen CIA-Agenten, wissen jedoch nicht, dass dessen Rückkehr in die USA gar nicht geplant ist – zumindest nicht lebendig…

„Der Junge mag dich nicht!“

Da wäre er also wieder: Der raubeinige US-Elite-Soldat, der sich heldenhaft und waghalsig zurück in den mörderischen Dschungel Vietnams begibt und nicht nur auf der Abschussliste des bösen Vietcong steht, sondern es auch noch mit dem Russen zu tun bekommt und sich zu allem Überfluss nicht einmal der Unterstützung der eigenen Administration sicher sein kann, die ihn opfern und im Dschungel verrecken lassen möchte – schließlich waren es Bürokratie und Politik, die seinerzeit die moralisch eigentlich integren eigenen Truppen verraten haben und wer überlebt hatte, musste sich auch noch gesellschaftlichen Spott und Ausgrenzung durch die Kriegsgegner gefallen lassen. So einfach funktioniert US-amerikanische Verklärung realer Ereignisse und nur allzu bereitwillig ließen sich Mattei, Co-Autor Claudio Fragasso (der mit „Troll 2“) und Konsorten darauf ein, um auch an diesem idiotischen Filmgenre zu partizipieren. Gestreckt wurde „Der Kampfgigang“ mit der Handlung um Bobs Sohn, welcher seinen Vater zunächst einmal verständlicherweise verachtet, was zum einen oder anderen scharfzüngigen Dialog führt.

„Achtung, Jeep!“

Die Rollen wurden teilweise 1:1 aus den filmischen Vorbildern übernommen und auch hier ist der „Held“ einfach nicht totzukriegen, kennt er sich doch besser im Dschungel aus als es offensichtlich die einheimischen „Terroristen“ tun. Ein nordvietnamesisches oder russisches Menschenleben ist ihm keinen Pfifferling wert und so wütet er sich mit viel Kawumm durch die Kulissen, um das einzig wirklich wertvolle Leben, das seines Sohnes, zu retten – ungeachtet dessen, dass dieser eigentlich gar nicht gerettet werden will. Vom Versagen der US-Truppen im grausamen Guerilla-Krieg gegen den Vietcong und das übers Land nach dem US-Angriffskrieg gebrachte unfassbare Leid keine Silbe mehr. Stattdessen ringt der lungenkranke Senator mit dem vertrauenserweckenden Namen Blaster umso mehr nach Luft, je länger Bob seine Mission mit stoischer Miene (O’Keeffes einziger) überlebt. Da dies unter der Regie Matteis geschieht, ist diese (die Mission, nicht die Miene – obwohl…) zwar ähnlich platt wie die Originale, aber natürlich zusätzlich gepflastert mit fast karikierend anmutenden Charakter(über)zeichnungen und der einen oder anderen selbst für diese Art Filme unglaublichen Szenen: So wird unter Wasser schon mal ein Hai gesprengt oder vergisst Massimo Vanni („Der Superbulle schlägt wieder zu“), die Handbremse seines Jeeps zu betätigen. Momente wie der letztgenannte wirken auf sympathische Weise spontan und improvisiert, während ansonsten vor allem der rassistische Tonfall und Matteis Desinteresse, als Europäer die US-amerikanische Kriegspropaganda zu entlarven und satirisch zu verarbeiten, jeglichen Filmgenuss auch unter Trash-Gesichtspunkten torpedieren. Da hat Reagan gut lachen wie auf dem Foto in Blasters Büro, worüber ich mir natürlich auch kein Schmunzeln verkneifen kann. Doch Scheiße bleibt Scheiße und während reaktionäre Propagandafilme von mir prinzipiell mit nur einem von zehn Punkten abgestraft werden, bringt es „Der Kampfgigant“ mit seiner unfreiwilligen Komik und aufgrund des Umstands, dass Mattei sicherlich nicht in erster Linie politischer Propagandist, sondern „nur“ gewissenloser Plagiator war, immerhin auf zwei. Damit hat es sich dann aber auch. Dieses Genre und ich werden wohl keine Freunde mehr.
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Der Gorilla

Zwischen „Mein Name ist Nobody“ und „Sahara Cross“ drehte der italienische Regisseur Tonino Valerii mit „Der Gorilla“, gern auch mit dem Zusatz „…begleicht die Rechnung“ versehen, im Jahre 1976 eine Abwandlung eines klassischen Poliziesco, der sich des Personenschützermilieus annimmt. Kurioserweise wurde der Film komplett deutsch synchronisiert und auf 35 mm gezogen, ohne jedoch eine deutsche Kinoauswertung zu erfahren – lange Zeit musste man als Filmfreund mit einer VHS-Kassette vorlieb nehmen. Dies änderte sich, als die deutsche 35-mm-Kopie wie aus dem Nichts im Rahmen des siebten „Deliria-Italiano“-Forentreffens in Düsseldorf im Oktober 2016 ihre verspätete Kinouraufführung erfuhr, auf die hin nun auch eine digitale Heimkino-Version geplant ist.

Stuntman Marco Sartori (Fabio Testi, „Das Syndikat des Grauens“) musste nach einem Unfall seinen Beruf an den Nagel hängen. Doch sein Freund Ciro (Al Lettieri, „Malta sehen und sterben“) weiß Rat und fingiert mit einigen Personenschützern eine Entführung des vermögenden Bauunternehmers Sampioni (Renzo Palmer, „Die Klette“), die Marco vereiteln und damit sowohl seine Qualitäten als Leibwächter als auch das Schutzbedürfnis Sampionis unter Beweis stellen darf. Der Unternehmer überlegt auch nicht lang und engagiert Marco als seinen „Gorilla“ – zumal er seit geraumer Zeit tatsächlich von Unbekannten erpresst wird. Diese haben es alsbald auch auf Marco abgesehen und erhöhen beständig ihre Forderungen. Die Polizei tappt derweil ebenso im Dunkeln wie Marco und Sampioni ist mittlerweile fast weichgekocht, insbesondere, als er sich auch noch um seine Tochter Vera (Claudia Marsani, „Submission“) sorgen muss. Mit dieser allerdings bändelt Marco bald an und versteht es, mit einem Trick an das Lösegeld zu kommen. Doch hat er die Rechnung ohne die Erpresser gemacht, die nun aus ihren Verstecken kommen und Jagd auf den „Gorilla“ machen…

Wie so viele Genre-Kollegen bietet auch „Der Gorilla“ einen interessanten Einblick in damalige italienische gesellschaftliche und soziale Verhältnisse: Angesichts gestiegener Verbrechensraten boomte offenbar der Beruf des Personenschützers, mit deren Hilfe sich der vermögende und sicherlich auch nicht immer ganz saubere Teil der Bevölkerung weiter in Sicherheit wiegen wollte – denn die Polizei stand dem Ganzen eher machtlos gegenüber und war oftmals überfordert, bisweilen selbst korrupt oder schlicht desinteressiert. Klassische Helden gibt es auch hier nicht, auch Marco ist ja letztlich durch unsaubere Methoden an seinen Job gekommen und auch nicht gerade größter Freund seines Brötchengebers. Aus dieser Prämisse, in der sich jeder selbst der Nächste ist, hätte man eine Menge herausholen können. Nach seinem gelungenen, actionreichen Auftakt wirkt „Der Gorilla“ jedoch seltsam gezähmt, als sei er Opfer des Schnitts und/oder spontaner Skriptänderungen geworden. Valerii und Co. zeigen durchaus Interesse an den unterschiedlichen Charakteren und ihren verschiedenen Beweggründen, ohne jedoch sonderlich in die Tiefe zu gehen. Und so hübsch die leider in viel zu wenig weiteren Rollen zu sehen gewesene Claudia Marsani hier auch ist, so uninspiriert wirkt ihre Romanze mit Marco. Eine Zeitlang scheint „Der Gorilla“ gerade im Mittelteil dramaturgisch auf der Stelle zu treten und sich nicht recht dazu durchringen zu können, den gesellschaftskritischen Aspekt seiner Handlung näher zu beleuchten oder andere Charaktere konsequent stärker zu gewichten. Demgegenüber stehen jedoch Action- und Spannungsszenen, die gerade, weil sie nicht inflationär zum Einsatz kommen, ihre volle Brisanz entfalten – man denke beispielsweise an die Stunts im Fahrstuhl, die Szenen im Zug oder die finale Verfolgungsjagd zwischen demselben und einem Polizeiwagen.

So bleibt ein gerade für Genre-Freunde wahrlich sehenswerter Poliziesco bzw. Gangster-Streifen, den Testi gut schultert und der das damalige gesellschaftliche Klima auf die Leinwand zu transportieren vermag, ohne jedoch tiefer unter der Oberfläche zu graben und Erkenntnisse oder Wendungen mit Aha-Effekten zu bergen. Die Dreiecksgeschichte aus Personenschützer, klassischen Gangstern und dem mit seinem Reichtum provozierenden Opfer inkl. Familienanhang funktioniert auch so passabel, hätte jedoch auch das Potential für mehr gehabt. Insofern bin ich die Benotung betreffend nach dem Ersteindruck einer, dieser Rarität auf großer Leinwand etwas hin- und hergerissen und möchte es daher zunächst bei leicht unentschlossenen 6,5 von 10 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen belassen.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

Der Vollständigkeit halber aufgrund der Kinosichtung meine Kritik aus dem Jahr 2011:

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Flavia – Leidensweg einer Nonne

„Flavia – Leidensweg einer Nonne“, im deutschsprachigen Raum auch bekannt als „Castigata, die Gezüchtigte“ oder unter dem noch unpassenderen Titel „Nonnen bis aufs Blut gequält“, gilt oft als Vertreter des Nunploitation-Genres. Doch damit würde man dem 1974 entstandenen Film des italienischen Regisseurs Gianfranco Mingozzi nicht gerecht, handelt es sich doch trotz einiger gezeigter Nacktheit und drastischer Gewaltszenen keinesfalls um ein hochgradig spekulatives Stück Zelluloid, sondern vielmehr um ein historisch anscheinend verbürgtes Mittelalterdrama emanzipatorischer und antiklerikaler Ausrichtung.

Erzählt wird vom Aufbegehren der Nonne Flavia (hervorragend verkörpert von der gebürtigen Brasilianerin Florinda Bolkan, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“, „Spuren auf dem Mond“), einst von ihrem brutalen Vater ins Kloster gesteckt, die sich gegen das Patriarchat und frauenfeindliche Religionen auflehnt, nachdem sie hinter Klostermauern Misshandlung, Vergewaltigung, Folter und Tod erfahren hat – meist verübt von Männern gegenüber Frauen. Mingozzi zeigt die christliche Kirche so, wie sie war bzw. bisweilen noch immer ist: Heuchlerisch, verlogen, verbrecherisch und grausam – und eben hochgradig frauenfeindlich. Nun sieht Flavias Rebellion aber nicht so aus, möglichst häufig unbekleidet durchs Bild zu springen und sich fleischlichen Gelüsten hinzugeben, sondern sich recht unexploitativ mit den Inhalten ihrer Religion auseinanderzusetzen, unbequeme Fragen zu stellen, zwischen Verzweiflung und Kampfesmut hin- und hergerissen zu sein und sich schließlich mit den Moslems gegen ihre „eigenen“ Leute inkl. ihres Vaters zu verbünden – die, wie sie schließlich feststellen muss, auch nicht besser sind.

Musikalisch verzückend untermalt von sakralen Gesängen und Klängen und fotografisch nicht nur mit einem Händchen für realistisch und stimmig anmutende Kulissen und Drehorte, sondern auch mit einer Schwäche für schwelgerische Panoramen und einem Sinn für atmosphärische Ästhetik gesegnet, ist „Flavia“ nicht nur, was die mutige, fortschrittliche, vermutlich gerade im katholischen Italien als ketzerisch aufgefasste Handlung betrifft, sondern auch in Bezug auf die handwerkliche, technische Seite von einem mich der bei der Erstsichtung überraschend habenden hohen Qualitätsstandard. Die Dramatik und Tragik der nüchtern und bis auf wenige komödiantische Auflockerer ernsthaft erzählten Geschichte wird unterstrichen von einer Handvoll verstörend-brutaler Szenen, die sich in ihrer Unaufgeregtheit gut in das lebens- und menschenfeindliche Ambiente einfügen. Surreale Traum- und Rauschsequenzen kehren die Psyche ihrer Protagonisten nach außen, die darauf konditioniert wurden, diese im Verborgenen zu halten, zu verleugnen und zu negieren.

Obwohl Mittelalterdramen nun eigentlich nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Lichtspielen gehören, gefällt mir all das Beschriebene dieses Films ausgenommen gut. Weniger mit meiner Vorstellung von Filmgenuss korrespondieren Dramaturgie und Spannungsaufbau, Oberhand behält ein pessimistischer, dokumentarischer Stil.

Fazit: „Flavia – Leidensweg einer Nonne“ hat mit Nunploitation nicht viel zu tun, war vielmehr evtl. eher Inspiration für echte Nunploitater. Nicht zuletzt reißerische deutsche Titel dürften für ein aufgrund falscher Erwartungshaltung enttäuschtes Publikum gesorgt haben, während einer selbsternannten intellektuellen, cineastischen Elite die grafisch explizite Umsetzung Unbehagen bereiten und überfordern dürfte. Ergo ein weiteres mediterranes Qualitätsprodukt, das sich angenehm zwischen die Stühle setzt und polarisiert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Und den hier gab's ja auch noch:

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Mein Name ist Nobody

„Mein Name ist Nobody“ ist eine unglaubliche Mischung aus epischem Leone- und Spencer-/Hill-Klamauk-Western, der zudem mit Henry Fonda einen der ganz Großen des US-Westerns als Hauptdarsteller neben Terence Hill präsentiert. Die Idee dahinter ist genial: Zu einem Zeitpunkt, als sowohl der klassische als auch der Italo-Western im Sterben lagen und die komödiantischen Varianten wie „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ die Gunst der Zuschauer millionenfach erlangten, drehte Sergio Leone zusammen mit Tonino Valerii einen herrlichen, rührenden und mit reichlich Ironie gespickten Abgesang auf die alten Western-Helden, indem er Terence Hill als frechen „Nobody“ dem sich sang- und klanglos in Pension begeben wollenden Beauregard (Henry Fonda) gegenüberstellt, der mit ihm aber einen Schulterschluss eingeht, indem Hill bei Beauregards Legendenbildung behilflich ist bzw. diese zu erzwingen versucht. Das bedeutet, dass man noch in der einen Sequenz typischen Hill-Klamauk serviert bekommt und schon in der nächsten die für Leone so typische Atmosphäre aufkeimt und Melancholie sowie eine wunderschöne optische Weite und Tiefe das Bild bestimmen. Das ist sehr gewagt, aber grandios umgesetzt worden. Dennoch wird es mit dem Klamauk hier und da für meinen Geschmack etwas übertrieben und darf man der im Bonusmaterial der hervorragenden Paramount/Tobis-DVD enthaltenen Dokumentation glauben schenken, hat es zwischen den beiden Regisseuren während der Dreharbeiten häufiger ganz schön gekracht. Einigen Szenen wird sogar nachgesagt, Leone hätte sie gedreht und eingefügt, um das Gesamtwerk zu versauen. Dafür präsentiert sich „Mein Name ist Nobody“ aber trotz des ungewöhnlichen Crossovers verdammt souverän und dramaturgisch gekonnt. Komödie, melancholischer Western und Hommage an das Genre zugleich – das gibt es nicht allzu oft, schon gar nicht in dieser Qualität.
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Ambulance

„I'd never felt so strange / Standin' in the Jersey rain / Thinkin' about what an old man said / Maybe I should call me an ambulance…“ – The Gaslight Anthem

US-Low-Budget-Genre-Regisseur Larry Cohen, bekannt geworden durch die „Wiege des…“-Trilogie sowie Filme wie „Stuff – Ein tödlicher Leckerbissen“ oder „American Monster“, versuchte sich im Jahre 1990 nach der Fantasy-Komödie „Tanz der Hexen“ am Action-Thriller „Ambulance“, der verdächtig an Rainer Erlers „Fleisch“ und ähnlich geartete Werke erinnert.

„Doktor, warum bin ich angeschnallt?“

Der New Yorker Comic-Zeichner Josh (Eric Roberts, „The Dark Knight“) ist eher schüchterner Natur und traut sich nicht, seinen Schwarm Cheryl (Janine Turner, „Der Affe im Menschen“) einmal anzusprechen, der er täglich in der Mittagspause begegnet. Als er eines Tages dennoch allen Mut zusammennimmt und sie tatsächlich positiv darauf reagiert, bricht sie aufgrund ihrer Diabetes plötzlich auf der Straße mit einem Schwindelanfall zusammen. Schnell eilt ein Rettungswagen herbei und nimmt Cheryl mit. Als Josh sie später im örtlichen Krankenhaus zu besuchen gedenkt, erfährt er, dass sie dort anscheinend nie eingeliefert wurde. Ähnlich ergeht es ihm in anderen Notaufnahmen, woraufhin er selbst beginnt, ihr wie besessen hinterherzuforschen. Dabei lernt er Cherlys Mitbewohnerin kennen, die ebenfalls in Sorge ist, jedoch schließlich vom selben altertümlichen Rettungswagen entführt wird. Hinter diesen Entführungen steckt ein Arzt (Eric Braeden, „Titanic“), der menschliche Versuchskaninchen für seine Diabetes-Forschung sammelt. Lieutenant Spencer (James Earl Jones, „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“) von der Polizei ist ständig gereizt und schenkt Joshs Ausführungen wenig Glauben, doch Polizistin Sandra (Megan Gallagher, „China Beach“) ist eine Freundin Cheryls und schaltet sich in die Ermittlungen ein. Später gesellt sich auch Reporter Elias (Red Buttons, „Elliott - Das Schmunzelmonster“) dazu – wird es ihnen gelingen, Cheryl und die anderen aus den Fängen des Doktors zu befreien?

„Das ist kein richtiges Krankenhaus!“

Josh ist nicht nur Comic-Zeichner und überzeugter Vokuhila-Träger, sondern offenbar auch schwer verliebt und ein hartnäckiger Privatermittler. Dies müssen auch die fiesen Entführer zugeben, weshalb sie ihn kurzerhand vergiften, woraufhin er ins Krankenhaus kommt. Als die vermeintlichen Pfleger ihn dort abholen wollen, haben sie jedoch die Rechnung ohne Joshs Zimmernachbarn gemacht: Mit welch einfachen Mitteln Reporter Elias die Entführer davon abhält, Josh wegzubringen, ist legendär – und symptomatisch für diesen Film. „Ambulance“ ist nicht nur durchsetzt mit komödiantischen Dialogen, die bereits eine dem Sujet angemessen düstere Stimmung erfolgreich torpedieren, sondern leidet auch unter einer unglaubwürdigen Handlung, die so dermaßen herbeikonstruiert ist und von eigenartigen Zufällen lebt, dass sie nie wirklich ernstzunehmen ist. Da wird ein Polizist von der Ambulanz getötet, ohne dass es den Lieutenant näher interessieren würde, wird Josh von Asis auf dem Schrottplatz verprügelt, die sich wiederum auch mit der Ambulanz prügeln, dabei aber den Kürzeren ziehen und findet Sandra den Rettungswagen schließlich in einer Disco (!), wo sie wenig professionell eine Massenpanik verursacht und man sich Schießereien und Kfz-Stunts liefert: Als Grund stellt sich heraus, dass das Geheimkrankenhaus sich direkt über der Disco befindet…

„Seit wann fragt man die Hühner nach dem Fuchs?“

Damit fährt die Ambulanz beständig irgendwie neben der Spur und das Drehbuch nicht sonderlich gut, denn mit Tom-Selleck-Lookalike Eric Braeden hat man eigentlich einen passablen Mad-Scientist-Charakter am Steuer und der Rettungswagen wird hin und wieder auch gekonnt gruselig in Szene gesetzt. In diesen Momenten wirkt es, als habe Cohen eigentlich eine Mischung aus Mad-Scientist-Horror und Action-Thriller intendiert, doch „Ambulance“ ist keines von beiden so richtig. Stattdessen mühen sich überzeichnete Charaktere durch alberne Dialoge und die beschriebene Gaga-Handlung, bis der Arzt kommt. Dieser wurde auch viel zu früh mitsamt seines Motivs dem Publikum vorgestellt und fährt letztendlich seinen Rettungswagen zum finalen Showdown, nachdem Cheryl Josh eröffnet hat, bereits vergeben zu sein, woraufhin sich der Comic-Zeichner „Was soll’s?!“ denkt und mir nichts, dir nichts mit Sandra anbändelt. Das ist alles reichlich beknackt und ergibt einen reißerisch beworbenen, jedoch arg oberflächlichen Low-Budget-Thriller, der kaum eines seiner Versprechen einlöst – angesichts seiner an die verbreiteten Ängste vor dem böswillig handelnden Ärzten in Notsituationen Ausgeliefertsein appellierenden Prämisse eine Enttäuschung. Aus ihr wurde nicht mehr als laue Popcorn-Unterhaltung gemacht, die auch ein Gastauftritt des realen Comic-Zeichners Stan Lee nicht vorm (zu) glatten Durchschnitt rettet.
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Survival of the Dead

„Gott schickt uns alle in die Hölle und der Teufel schickt uns sicher wieder zurück...“

Nach Zombiefilm-Altmeister George A. Romeros Neubeginn mit „Diary of the Dead“, der zudem seinen ersten Ausflug in die Found-Footage-Ästhetik bedeutete, gingen zwei Jahre bis zu dessen Fortsetzung „Survival of the Dead“ ins Land: 2009 wurde sein bis dato letzter Zombiestreifen veröffentlicht, der zudem wieder auf den o.g. Stil verzichtet und in US-amerikanisch-kanadischer Koproduktion entstand.

Auch auf der eigentlich beschaulichen Insel Plum Island vor der nordamerikanischen Ostküste bleibt man von der Zombie-Epidemie nicht verschont, wie die beiden Familienoberhäupter Patrick O’Flynn (Kenneth Welsh, „Der Exorzismus von Emily Rose“) und Seamus Muldoon (Richard Fitzpatrick, „Der blutige Pfad Gottes 2“) feststellen mussten. Und während O’Flynn die Ansicht vertritt, sich der Zombies jeweils schnellstmöglich durch Kopfschüsse zu entledigen, hält der religiöse verbrämte Muldoon dies für Sünde und plant, die Zombies zu domestizieren. Die beiden sind sich ohnehin seit jeher spinnefeind und es kommt zum offenen Konflikt, in dessen Folge O’Flynn samt Anhang vom Eiland verbannt wird. Soldat Sarge Crocket (Alan Van Sprang, „Phantom Punch“) und seine Männer halten sich gerade in der Nähe Philadelphias auf, als sie eine Videobotschaft O’Flynns erreicht, die von einer sicheren Gegend zu berichten weiß. Also begibt man sich auf den Weg dorthin und lernt O’Flynn schließlich persönlich kennen. Nachdem der Empfang wenig herzlich ausfiel, rauft man sich zusammen und macht zur Insel rüber, wo die Situation schließlich vollends eskaliert...

Crocket hatte man bereits im Vorgänger kurz als wenig skrupelbehaftetes Raubein kennengelernt, das die Protagonisten kurzerhand ausraubte. Seine Erzählstimme eröffnet Romeros sechstes „…of the Dead“-Vehikel, das mit der angedachten Zombiezähmung zarte Parallelen zu „Day of the Dead“, wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen, aufweist und die zwischenmenschlichen Konflikte in den Mittelpunkt stellt, die das gemeinsame Überleben unnötig erschweren und in Romeros typischer Melange aus Kulturpessimismus und Zivilisationskritik einmal mehr illustrieren, das die Menschheit auch ohne Zombies früher oder später dem Untergang geweiht ist. Tatsächlich hat man die Zombieplage auf der Insel zunächst scheinbar im Griff, man legt die Untoten in Ketten oder hält sie in Ställen. Grundsätzlich klingt all das nach einer nicht unbedingt bahnbrechend innovativen, doch interessanten, durchaus vielversprechenden Grundkonstellation. Leider macht Romero daraus über weite Strecken einen miesen Action-Western mit komödiantischen CGI-Splatter-Einlagen, viel Geballer und zu häufig idiotischen Dialogen.

Glücklicherweise birgt das zerrüttete Vater-Tochter-Verhältnis der O’Flynns Potential, das Romero für eine an den spanischen Kollegen de Ossorio gemahnende „Reitende Leichen“-Szene inkl. Pferdebiss und eine ordentliche Portion Tragik gegen Ende ausschöpft. Auch darüber hinaus gelangen einige tragikomische Szenen wie die stumpf und roboterhaft ihren ehemaligen Tätigkeiten nachgehender Zombies sowie eine tatsächlich witzige Pointe. Auch die totale Eskalation auf Plum Island weiß dann doch mit einigen herben Splatterszenen gut zu unterhalten, in gleichem Ausmaße nervt jedoch das permanente „Erschieß mich, ich wurde gebissen!“-Mantra. Mit den genannten Qualitäten rettet Romero seinen vielleicht schwächsten Film in den Durchschnitt, ist von der Relevanz und ebenso verstörenden wie faszinierenden Wirkung seiner Tetralogie und seiner früheren Form jedoch weiter entfernt als O’Flynn und Muldoon von einem Friedensabkommen. Allzu leichtfüßig und mit humoristischem Augenzwinkern wollte Romero offenbar seinen Horror-Action-Western-Hybrid inszenieren, der daraus resultierend nicht Fisch, nicht Fleisch geworden ist und dem man zudem seine kostengünstige Machart empfindlich anmerkt, die eine konsequente Stimmung ebenso schmerzlich vermissen lässt wie die liebevolle, detaillierte Spezialeffektkunst eines Tom Savini.
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Die schönen Morde des Eric Binford

Wer gewalttätige Spielfilme guckt, läuft Gefahr, selbst gewalttätig bis hin zum Mörder zu werden – solche und ähnliche Aussagen sind natürlich Humbug, wenngleich sie mittlerweile seit Jahrzehnten und analog zu Computer-/Videospielen u.ä. nimmermüde kolportiert werden, um einfachste Antworten auf zumindest ein bisschen komplexere Fragen zu finden oder auch bewusst von den wahren Ursachen für physische Gewalt abzulenken. Dass diese Form der Hysterie im Jahre 1980 bereits ähnlich ausgeprägt war wie heutzutage, darf stark angezweifelt werden; nichtsdestotrotz setzte sich US-Regisseur und -Drehbuchautor Vernon Zimmermann bereits damals mit diesem Thema auseinander – und zwar in Form eines etwas unglücklich als Horror-Thriller vermarkteten Low-Budget-Dramas namens „Fade to Black“, das in Deutschland den blumigen Titel „Die schönen Morde des Eric Binford“ bekam und nach zwei Arbeiten aus den Jahren 1972 und ’73 sein dritter Spielfilm wurde.

Der junge Eric Binford (Dennis Christopher, „Es“) verdingt sich als Auslieferer von Filmrollen und ist auch privat vollends von diesem Medium eingenommen: Er schaut sich einen Film nach dem anderen an, worin er aufgeht und wodurch er sich von seinem unwirtlichen wahren Leben ablenkt: Er ist ein einsamer Eigenbrötler, der mit seiner querschnittsgelähmten Tante (Eve Brent, „The Green Mile“) zusammenlebt, die ihm die Schuld für ihre Behinderung gibt. Als er Marilyn (Linda Kerridge, „Planet des Grauens“) kennenlernt, tatsächlich ein Marilyn-Monroe-Lookalike, nimmt er den Mut zusammen, sie um ein Kennenlernen zu bitten und tatsächlich sagt sie zu. Doch als die junge Dame fatalerweise unabsichtlich den Termin verschusselt, brennen bei Eric die Sicherungen durch – diese eine Schmach war zu viel für den sensiblen jungen Mann. Er schlüpft in die Rollen berühmter Filmcharaktere und begibt sich auf einen Rachezug gegen alle, die ihm das Leben schwer machen…

Nein, dieser Film ist kein blutrünstiger oder spannungsgeladener Slasher oder Psycho-Thriller, sondern vielmehr ein leicht augenzwinkerndes Drama, das seinen Protagonisten einmal in die Tat umsetzen lässt, was so viele Sittenwächter fürchten, dabei jedoch verdeutlicht, dass nicht die Filme Ursache und Auslöser für Erics Feldzug sind, sondern seine unerquicklichen Lebensumstände, aufgrund derer Eric sich in eine Phantasiewelt flüchtet, die er schließlich auf tödliche Weise mit der Realität verknüpft. Erics unterschiedliche Kostümierungen sind echte Hingucker und natürlich ist der Film nicht nur mit entsprechender Deko wie echten Filmplakaten und ähnlichen Reliquien ausgestattet, sondern auch mit zahlreichen Zitaten von den Gangsterfilmen der 1930er-Jahre über Universals klassische Monster und den Film noir bis hin zu „Psycho“ in einer schönen Parodie der Duschszene gespickt und um kurze Filmausschnitte erweitert worden. Da lacht natürlich das cineastische Herz. Auch, den jungen Mickey Rourke („9½ Wochen“) als Proll ein Cowboy-Duell verlieren zu sehen, ist ein echter Hingucker.

Leider fehlen Zimmermann jedoch anscheinend die Inspiration und/oder das nötige Handwerkszeug, daraus einen über die volle Distanz fesselnden Film zu gestalten. Ab einem gewissen Punkt setzt er statt auf spannende Dramaturgie oder psychologischen Tiefgang stärker auf streckendes Beiwerk um den Polizeipsychologen Dr. Jerry Moriarty (Tim Thomerson, „Cosmo“), ohne dass dieser wirklich Erhellendes beitragen würde. Dafür funktioniert aber die ironische Komponente recht gut, wenn Erics Mordpläne einen anderen Verlauf nehmen als geplant. Wenn man aber schon einen Film mit einer Assoziationen an das Horror-Genre weckenden Prämisse vornehmlich in Dramaform umsetzt, hätte eine höhere Gewichtung der der Handlung immanenten Tragik das Ergebnis deutlich aufgewertet. So jedoch erscheint sie zu oft eher beiläufig – sowohl was Erics Vergangenheit als auch seine geplante Zukunft betrifft.

Letztendlich bleibt ein interessanter, ambitionierter Film, der viel auf sein eigenes Medium referenziert, dem aber die Puste auszugehen scheint. Insofern ist „Die schönen Morde des Eric Binford“ ein gutes Beispiel für einen Film, der wirklich einmal ein gut konzeptioniertes Remake verdient hätte, statt wie üblich in sich runde Werke des prognostizierten kommerziellen Erfolgs wegen in schwächerer oder entstellender Form neu zu verfilmen. Sonderlicher Erfolg war offenbar auch Zimmermann nicht beschieden, sodass dieser überzeichnete Ausflug in die angeknackste Psyche eines Film-Nerds (in dem sich manch Zuschauer möglicherweise stärker wiedererkennen wird, als ihm lieb ist) sein letzter Spielfilm blieb.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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