bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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The Mothman Prophecies - Tödliche Visionen

US-Regisseur Mark Pellingtons („Arlington Road“) erster Film des aktuellen Jahrtausends ist der auf das Jahr 2002 datierende Mystery-Thriller „The Mothman Prophecies“, der auf einem Roman John Keels basiert und die Legende um den „Mothman“ aufgreift, der in den 1960ern in West-Virgina sein Unwesen getrieben haben soll.

Der sich als Reporter seine Brötchen verdienende John Klein (Richard Gere, „Pretty Woman“) sitzt bei seiner Frau Mary (Debra Messing, „Dem Himmel so nah“) im Auto, als sich diese im Straßenverkehr vor irgendetwas wahnsinnig erschreckt und daraufhin die Kontrolle über den Wagen verliert. Im Krankenhaus wird zudem eine heimtückische Krankheit bei ihr diagnostiziert, an der sie schließlich stirbt. In ihrem Notizbuch findet John mysteriöse Zeichnungen von mottenähnlichen Gestalten mit rotglühenden Augen – was Hinweise auf die Unfallursache und die schwer einzuordnenden, irrational wirkenden Ängste seiner Frau geben könnte. Zwei Jahre später befindet sich John in einer tiefen psychischen Krise und soll in einer anderen Stadt ein Interview führen. Irgendwo im Nirgendwo gibt jedoch sein Auto den Geist auf und verdutzt muss John nach einiger Zeit feststellen, dass er sich im weit entfernten Point Pleasant befindet. Diese Kleinstadt scheint sich unter dem Einfluss der seltsamen Mottenwesen aus den Zeichnungen seiner Frau zu befinden, was sein Interesse weckt, den Phänomenen auf die Spur zu gehen. Er freundet sich mit Polizistin Connie Mills (Laura Linney, „Die Truman-Show“) an und erhält schließlich unheimliche Anrufe eines gewissen Indrid Cold. Paranormalitätsprofessor Leek (Alan Bates, „Gosford Park“) unterstützt John beim Entwirren der Hinweise und Spuren, die auf eine große Katastrophe hindeuten…

Pellington macht die Mothman-Legende zu seiner und erzählt sie ausgesprochen ruhig. Dabei setzt er volles Pfund auf eine mystische Atmosphäre, wie sie ihm so schnell niemand nachmacht. In Kombination mit wohldosierten Gruselszenen gelingt es ihm, den Zuschauer zu umgarnen, ihn zu entschleunigen und schließlich zu vereinnahmen, ihn förmlich in den Sessel zu drücken, die bedrückende, wenig greifbare Stimmung des Films auf ihn wirken und sie ihn genießen zu lassen – und für das große Rätsel zu interessieren, dem sich John Klein ausgeliefert sieht. Ausgeliefert auch deshalb, weil er lange Zeit genauso im Dunkeln tappt wie der Zuschauer (sofern dieser mit der Legende nicht vertraut ist) und sich alsbald einer undefinierbaren Bedrohung gegenüberstehend wiederfindet, sich zunehmend ferngelenkt wähnen muss und die Welt, wie er sie einst kannte, ihm zu entrinnen scheint. Ein bisschen Stephen King’scher Erzählstil, viel „Akte X“-Kolorit und eine an aufregenden Fahrten nicht arme Kameraarbeit, die mit ihren Spielen mit der Unschärfe viel der Unwirklichkeit und der verschwimmenden weltlichen Realität des Stoffs visualisiert. Herausstechende schauspielerische Leistungen nicht nur Richard Geres und ein enervierender Noise-/Elektro-/Ambient-Soundtrack Tomandandys steuern ihr Übriges zum über lange Zeit überaus positiven Gesamteindruck bei.

Doch irgendwann beginnt der Film, dramaturgisch auf der Stelle zu treten, machen sich erste skeptische Überlegungen hinsichtlich seiner Länge bemerkbar. Zwei Stunden erweisen sich dann eben doch als zu lang, wenn beständig statt Rätsellösungen neue Mystizismen die Handlung ausdehnen. Wer oder was Indrid Cold ist, bleibt ebenso rätselhaft wie vieles andere und gerät langsam unbefriedigend, nach diversen Prophezeiungen kann man es kaum noch erwarten, dass endlich einmal tatsächlich etwas Messbares von Bedeutung passieren möge – womit man sicher nicht die anscheinend unvermeidliche Romanze zwischen John und Connie meint. Und je stärker der Film die Ohnmacht seiner Protagonisten betont, desto stärker geht ihm die Puste aus und umso mehr sieht sich der Zuschauer mit einer Erzählwut konfrontiert, die sich ziert, auf den Punkt zu kommen – doch irgendwann nicht mehr verschleiern kann, dass die Handlung hinter den an sie gestellten Erwartungen zurückbleibt. Aufmerken lässt indes noch einmal das Finale, als es sich endlich Bahn bricht und einen fast wie in „Final Destination“ inszenierten Katastrophenfall eintreten lässt, ob dessen visueller Wucht einem durchaus erneut der Atem stocken kann.

Im wahrsten Sinne des Wortes ist „The Mothman Prophecies“ ein schönes Beispiel dafür, wie etwas im Genre-Rahmen relativ Profanes, Altbekanntes, nämlich übernatürliche Erscheinungen als Vorboten unausweichlichen Unglücks, in höchstem Maße aufgebauscht werden kann, sodass der Stil über dem Inhalt thront. Insofern hege ich ein ambivalentes Verhältnis zu Pellingtons Werk, dessen zugrunde liegender Roman mir unbekannt ist. Möglicherweise ging hier die Vorlagentreue mit Pellington durch, was für die oft kritisierte künstlerische und damit eben auch inhaltliche Freiheit sprechen würde, das Kino als eigenständiges Medium zu betrachten und selbstbewusst von Vorlagen abzuweichen. Beharrt die Vorlage – wie es der Film auch erwähnt – darauf, lediglich durch Zeugen verbriefte Ereignisse unverändert wiederzugeben und wollte sich der Film ebenfalls weitestgehend daran klammern, halte ich dies nicht nur für fragwürdig in Bezug auf den Wahrheitsgehalt, sondern auch für letztlich nicht zielführend für einen Unterhaltungsfilm, der „The Mothman Prophecies“ nun einmal ist.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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In Fear

Der britische Independent-Regisseur Jeremy Lovering („Killing Hitler“) präsentierte 2013 mit „In Fear“ einen Low-Budget-Thriller im Horrorgewand.

Tom (Iain De Caestecker, „Drecksau“) ist scharf auf Lucy (Alice Englert, „Ginger & Rosa“), die er erst kürzlich kennengelernt hat. Um sich näherzukommen, befindet man sich in seinem Auto auf dem Weg zu einem Musikfestival in Irland. Doch Tom, der Schlingel, hat kurzerhand eine Überraschung eingeplant: Eine Nacht in einem auf dem Weg liegenden Hotel auf Emerald Isle. Seine anfänglichen Probleme, es zu finden, entpuppen sich indes als eine immer beängstigendere Odyssee durch ein unbesiedeltes Feldweg-Labyrinth, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint: Immer wieder findet man sich am Ausgangspunkt wieder. Zudem scheint irgendjemand oder -etwas die beiden zu verfolgen. Nachdem man den Einheimischen Max (Allen Leech, „Downtown Abbey“) angefahren hat und daraufhin verletzt mitnimmt, berichtet auch dieser von einem unheimlichen Verfolger…

„In Fear“ kommt tatsächlich mit nur drei Schauspielerin aus und geriert sich fast als eine Art Kammerspiel, findet er doch nahezu ausschließlich im Auto statt. Aus dem Stegreif gelingt es dem Regisseur mit dem Pornonamen, nach allen Regeln der Kunst ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen und stilistisch spielend die Grenze zum Horrorgenre zu überschreiten, so dass das Publikum sich mit der Frage konfrontiert sieht, ob das Paar in spe es hier mit etwas Übernatürlichem zu tun hat oder es doch eine logische Erklärung für all die Vorfälle gibt. „In Fear“ appelliert an Urängste des sich Verirrens und des Ausgeliefertseins auf unübersichtlichem, fremdem Terrain – und das mittels eines in der Gegenwart mit all ihren technischen Möglichkeiten spielenden Films, und zwar über weite Strecken äußerst glaubwürdig.

Die immer unwohler, bedrückender werdende Stimmung wird prima eingefangen, u.a. mithilfe zahlreicher Zooms auf die Augen, die insbesondere Lucys Skepsis zum Ausdruck bringen. Weitere schöne, künstlerische Kamerakniffe sind schemenhafte Gestalten im düsteren Ambiente oder auch das spiegelverkehrte Filmen über einen Autospiegel. Zudem tat man gut daran, dem Zuschauer keinerlei Informationsvorsprung zu gönnen. Nach dem Auftauchen Max‘ erreicht die Handlung schließlich ihren Höhepunkt und ihre geballte Portion Wahnsinn und Sadismus, womit „In Fear“ jedoch nach einer Stunde eigentlich auserzählt ist. Was dann folgt, ist ein leider überflüssiger Anhang, um den Film auf Länge zu bringen, was einen etwas faden Beigeschmack hinterlässt. Auch hapert es mitunter mit der Logik: Es reicht also das Verdrehen von Wegweisern, dass partout auch dann kein Weg heraus gefunden wird, nachdem man gar nicht mehr ins Hotel wollte? Mustergültig ist dafür, wie es Lovering versteht, seinen Thriller mit Stilelementen aus dem Horrorbereich verdammt effektiv aufzupeppen und aus seinen begrenzten Mitteln das Maximum herauszuholen.
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Slime City

„Den Schleim muss man verehren!“

1988 debütierte US-Regisseur Greg Lamberson („New York Vampire“) mit dem Low-Budget- bzw. Semi-Amateur-Splatter-Horror-Streifen „Slime City“. Der an Melting- und New Yorker Independent-Filme angelegte, bisweilen an Troma, Henenlotter und Konsorten erinnernde Film verfügte lediglich über ein Budget von 35.000 $, doch Lamberson, der auch das Drehbuch verfasst hatte, gelang es, die Spezial- und Ekel-Effekt-Experten Dan Frye, Tom Lauten und Scott Coulter ebenso am Set zu versammeln wie „Street Trash“-Regisseur J. Michael Muro, der hier für die Steadycam zuständig war. Damit sollte bereits grob umrissen sein, wo und wie „Slime City“ eingeordnet, welcher Szene er zugerechnet werden kann.

Der junge Künstler Alex (Robert C. Sabin, „Atomic Thrill“) bezieht eine Wohnung eines New Yorker Wohnblocks – allein. Eigentlich wäre er gern mit seiner Freundin Lori (Mary Huner, „Ghoul School“) zusammengezogen, doch diese fühlt sich noch nicht so weit, möchte diesen Schritt nicht überstürzen. Schnell lernt Alex seine Nachbarn kennen, bizarre Gestalten, eine merkwürdiger als die andere: Da wären z.B. Lederbraut Nicole (ebenfalls Mary Huner), die versucht, ihn zu verführen und Möchtegern-Poet Roman (Dennis Embry) der es nötig hat, im Müll zu wühlen, Alex jedoch zum Abendessen einlädt, wo er ihm „Himalaya-Joghurt“ sowie ein Elixier kredenzt, das auf einem uralten Rezept beruht und der Vater der Hausbesitzer einst zusammenbraute. Alex durchlebt einen wahnsinnigen Rausch, hat Sex mit Nicole – und sieht sich ab dem nächsten Morgen einem schleimigen Zersetzungsprozess ausgesetzt, den er nur aufhalten kann, indem er andere ermordet…

New York als urbaner Moloch und ein eklig vor sich schmelzender Protagonist à la „The Incredible Melting Man“, der als Allegorie auf Drogenabhängigkeit funktioniert – das kennt man alles bereits aus anderen Genrefilmen, ein Henenlotter’scher „Elmer“ beispielsweise erschien erst kurz zuvor und muss in diesem Zusammenhang genannt werden. Doch dies ist lediglich einer der Punkte, weshalb ich darauf nicht allzu sehr herumreiten möchte, der andere, wesentlich entscheidendere ist, dass die Handlung in diesem Falle leider als ziemlicher Humbug daherkommt, befremdlich-bemüht zusammenkonstruiert und derart platt sowie bar jeder Emotionen, dass sie vornehmlich Alibi-Charakter einnimmt. Etwas interessanter ist da die Charakterzeichnung, die Alex‘ Freundin Lori als unschuldige, vorsichtige, spießige junge Frau umreißt, deren exaktes Gegenteil Nachbarin Nicole ist, der Alex schließlich im Rausch verfällt. Doch auch diesem Aspekt darf sicherlich nicht allzu viel Bedeutung beigemessen werden, war es schließlich in erster Linie der Elixierrausch, der Alex dazu trieb und entsprechen die beiden Damen heillos überzeichneten Klischees – einen Subtext über Alex‘ evtl. gekränktes Ego und seine Ungeduld in Bezug auf Lori oder Kurzschlussentscheidungen, die das persönliche Unglück heraufbeschwören, kann ich hier auch mit gutem Willen nicht wirklich herauslesen.

Dafür fährt die Make-up- und SFX-Abteilung kräftig auf und agiert auf hohem Niveau. Die Masken sind überaus gelungen, die Ekel- und Splatter-Effekte höchst krude, grenzenauslotend übertrieben und comichaft-lustig. Gepaart mit der unfreiwilligen Komik, die sich aus der holprigen Handlung und ihren verarbeiteten Klischees bei sichtbar kostengünstigster Inszenierung unter Verwendung von Laiendarstellern ergibt und durch die erst für die deutsche DVD-Veröffentlichung erstellte Synchronisation, die die Dialoge in einem irren Jargon erklingen lässt, verstärkt wird, avanciert „Slime City“ zu einem durchaus unterhaltsamen Potpourri des schlechten Geschmacks. So darf viel geschmunzelt und auch gestaunt werden, wenn beispielsweise im Finale der Ekel- und Splatter-Faktor rücksichtslos in die Höhe getrieben wird. An seine Vorbilder reicht „Slime City“ dennoch nicht heran, hat indes aus seinem kargen Budget aber doch so einiges herausgeholt. Schade jedoch, dass der coole Punkrock-Song, der im Menü der deutschen „Cozy Robot“-DVD erklingt, im Film gar nicht vorkommt...?
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Roulette

„Wer ist denn dein Lieblingskomponist?“ – „Slayer!“

2013 debütierte der Hamburgische Nachwuchsregisseur Julian Schöneich mit dem grob an „Die durch die Hölle gehen“ und „Hostel“ angelehnten Thriller „Roulette“ – einem Lowest-Budget-Projekt, das in Hamburg angesiedelt wurde.

Die Waise Sina (Lena Steisslinger) hat ihre Familie einst bei einem Autounfall verloren; seitdem ist ihr Leben außer Kontrolle geraten und sie lebt auf der Straße, hält sich mehr schlecht als recht über Wasser. Als sie durch Zufall ihre ehemalige Mitschülerin Michelle (Aimée Goepfert) wiedertrifft, unterbreitet ihr diese ein fragwürdiges Angebot: Russisch Roulette in einem konspirativen Club vor den Augen reicher Klientel auf der Suche nach dem nächsten Kick, Einsatz: das eigene Leben. Überlebt sie, winkt eine Stange Geld. Und was hat Sina schon noch zu verlieren? Doch damit begibt sie sich in die Fänge des brutalen russischen Mafioso Vlad (Matthias Unruh, „Nemez“). Kann der diesen üblen Machenschaften auf die Schliche kommende Journalist helfen?

Trotz seiner o.g. Einflüsse ist „Roulette“ kein simpler Abklatsch, allein schon aufgrund seines starken Hamburger Lokalkolorits – vor allem aber ist Schöneichs Film meilenweit entfernt vom Amateur-Geschmodder talentloser Gore-Bauern. Wer also glaubt, mit „Roulette“ erwarte ihn so etwas wie eine Bethmann’sche, Schnaas’sche oder Rose’sche Pervertierung von „Hostel“ & Co. und somit ein lachhafter Torture Porn, liegt – glücklicherweise – völlig daneben. Schöneichs Film wirkt wesentlich teurer, als er war, die dynamische Kameraarbeit ist virtuos und genügt professionellen Ansprüchen und die Schauspieler empfehlen sich ausnahmslos, wobei die Damen auch sehr zeigefreudig agieren. „Roulette“ sieht klasse aus, legt Wert auf einen natürlichen Look und zeichnet die norddeutsche Metropole als gefühlskalten, gesellschaftlich zerrissenen und lebensfeindlichen Moloch, unter dessen Oberfläche mafiöse Strukturen den Ton angeben und Geld und Reichtum alles bedeuten, ein persönlich Schicksal hingegen nicht viel und ein Menschenleben schon mal gar nichts.

Inhaltlich ist Roulette bitter und ultrahart, was visuelle Entsprechung in vereinzelten, wohldosierten Splatterszenen findet – die mehr wie die unausweichliche logische Konsequenz wirken und weniger nach Effekthascherei und Selbstzweck müffeln. Schöneich hat nach eigener Aussage seinen Film als satirische Überzeichnung bestehender Verhältnisse angelegt und möchte sicherlich auch das Klischee des bösen, skrupellosen Russen karikierend verstanden wissen, sein Anspruch droht jedoch mitunter unter diesem starken, gängige Ressentiments bedienenden Bild etwas unterzugehen – wenngleich es sich natürlich anbietet, ja, regelrecht aufdrängt. Bei seiner kurzen Laufzeit von nur 77 Minuten finden dramaturgische Längen dafür erst gar keinen Platz, im Gegensatz zu meiner Lieblings-Iron-Maiden-LP „Seventh Son of a Seventh Son“, die es in einer Szene dekorativ-prominent ins Bild geschafft hat – wozu ich dem Ausstatter nur gratulieren kann. Im Soundtrack dominierend passende, musikalisch harte, krasse Klänge.

Als ich der Aufführung im Hamburger „Menschenzoo“ ohne jegliches Vorwissen gänzlich unbedarft beigewohnt habe, hat mich „Roulette“ gefesselt, schockiert und begeistert, also höchst positiv überrascht. Was für eine Handvoll Euro doch so alles möglich ist… Geheimtipp! Ansehen! Und sich den Namen Julian Schöneich merken!
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God Bless America

„Hier sind aber viele Menschen!“ – „Ja, ich wünschte ich hätte eine AK 47!“

Bobcat Goldthwait („Clowns - Ihr Lachen bringt den Tod“) dürfte den meisten als Zed aus der „Police Academy“-Reihe bekannt sein. Weniger populär ist, dass er seit Anfang der 1990er auch immer mal wieder als Regisseur in Erscheinung tritt – so auch 2011, als er die Gesellschaftssatire „God Bless America“ mit Bill Murrays Bruder Joel in der Hauptrolle drehte. Das Drehbuch verfasste Goldthwait selbst.

„Ich will nur Leute umbringen, die es auch verdient haben.“

Franks (Joel Murray, „Hatchet“) Leben ist zum Kotzen: Er leidet unter seinen dämlichen, lauten und rücksichtslosen Nachbarn mit ihrem quengelnden Baby, seiner Ex-Frau und ihrem neuen Stecher, sogar unter seiner Tochter, die ihr Besuchsrecht nicht mehr wahrnehmen möchte. Genau genommen hasst er die ganze Gesellschaft, ihren Egoismus, ihre Oberflächlichkeit und ihre Dummheit sowie ihre Konsumfixiertheit. Er hasst auch das verblödende Fernsehprogramm und die Menschen, die es sich ansehen und sich darüber unterhalten. Dann verliert er auch noch seinen Bürojob, weil er der Empfangsdame Blumen geschickt hat und zu allem Überfluss attestiert sein Arzt ihm einen inoperablen Hirntumor, weshalb er nicht mehr lange zu leben habe. Seine Selbstmordpläne wirft Frank jedoch im letzten Moment über den Haufen, als er eine unsägliche Doku-Soap im TV sieht, in der ein arrogantes, verwöhntes Gör seine Eltern terrorisiert. Er knöpft sich jene Teenagerin (Maddie Hasson) aus der Doku-Soap vor und erschießt sie kurzerhand. Die sechszehnjährige Roxy (Tara Lynne Barr in ihrer ersten großen Rolle) wird Zeugin der Tat – und ist begeistert! Sie weicht Frank nicht mehr von der Seite und überredet ihn schließlich, einen gemeinsamen Feldzug gegen all jene, die es nicht mehr verdient haben, weiterzuleben, zu starten. Gemeinsam ziehen sie durch die USA, gehen gezielt auf Menschenjagd und hinterlassen eine blutige Spur...

„Fallout Boy und Green Day sind der größte Scheiß! Der totale Abtörner!“

Goldthwaits Road Movie mutet wie eine Mischung aus „Léon – Der Profi“ und „Natural Born Killers“ für eine neue Generation an, die es ebenfalls auf eine skandalträchtige Handlung und entsprechende Bilder anlegt. Schon zu Beginn visualisiert Goldthwait eine Phantasie Franks, in der er die Nachbarsfamilie inkl. des Säuglings erschießt und lässt dabei kräftig das Blut spritzen. Nach seinem fulminanten, Franks bisheriges Leben behandelnden Einstieg entwickelt „God Bless America“ verstärkt Franks und Roxys Beziehung zueinander, die nach anfänglicher Ablehnung Franks in gemeinsamen Schießübungen kulminiert, während derer er sich als Meisterschütze entpuppt. Im Anschluss ist Goldthwaits Film indes keine reine Ballerorgie: Der ganze Film ist durchsetzt mit starken Dialogen, beispielsweise einer medienkritischen Konversation in Franks Büro, die mehr einem Monolog gleicht oder auch Roxys flammender Lobrede auf Alice Cooper, der es dann auch mit mehreren Songs in den Soundtrack schaffte. Dieser bedient sich generell des (Hard-)Rock-Fundus und verfügt über eine kongeniale, wütende Live-Version des Kinks-Hits „I’m Not Like Everybody Else“. Und neben der karikierend überzogenen Gewalt fand auch subtilerer Humor mit einigen schwer gelungenen Gags Einzug in den Film.

Ist man anfänglich noch geneigt, Genugtuung bei der Opferwahl zu empfinden, ändert sich dieses Gefühl, je wahlloser die Morde ausfallen. Stärker als eine überraschende, eindeutig als solche erkennbare Wendung fällt für die weitere Handlung ihre scheinbare Widersprüchlichkeit ins Gewicht: Frank und Roxy werden nun ihrerseits zunehmend egoistischer, oberflächlicher und – gemessen an ihrem ursprünglichen Vorhaben – ungerechter, richten über Menschen, die sie überhaupt nicht kennen und missbrauchen ihre neugewonnene „Macht“. Sie werden schnell selbst wie die Menschen, die sie eigentlich hassen. Und auf eine ganze Reihe Ideen kam Frank offenbar gar nicht erst: Könnte er nicht umziehen, wenn ihn seine Nachbarn so nerven? Wenn er seinen Job und seine Kollegen verachtet, könnte er sich nicht etwas anderes suchen? Sicherlich, das alles ist leichter gesagt als getan, eines aber nicht: Kann man dem US-TV, das der Film ganz besonders aufs Korn nimmt und als Hauptschuldigen ausmacht, nicht ganz einfach entkommen, indem man es abschaltet und sich anderes zum Zeitvertreib sucht, beispielsweise ansprechende Lektüre, selbst ausgewählte anspruchsvolle Spielfilme o.ä.? Davon, seinen Arsch hochzubekommen und sich ein anderes Umfeld oder eine sinnvolle Beschäftigung zu suchen, ganz zu schweigen.

All dies kommt nie zu Wort, weshalb „God Bless America“ auf Kritiker schnell gewaltglorifizierend wirken kann. Ich hingegen kann mir gut vorstellen, dass Goldthwait seinen Film bewusst auf diese Widersprüche hinauslaufen lässt, um sein Publikum zum Nachdenken anzuregen. Diesbzgl. hätte ich mir durchaus deutlichere Worte oder Hinweise gewünscht, denn eben jene Botschaft, was der Einzelne selbst tun und inwieweit er sich aus dem alltäglichen Wahnsinn ausklinken kann, erscheint mir bedeutsam genug, um sie stärker zu betonen. Möglicherweise unterschätze ich an dieser Stelle aber auch Goldthwaits Publikum. Kongenial jedenfalls ist zweifelsohne der finale Twist, als das Duo erkennen muss, dass die Ausgebeuteten einer Talentshow, die es darauf anlegt, ihre Teilnehmer vorzuführen, sich gar nicht als solche empfinden und lieber weiterhin ebenso fröhlich wie willfährig mitmachen – womit „God Bless America“ problemlos auch auf das bekanntlich auch hierzulande verbreitete Phänomen der Casting-Shows übertragen werden kann sowie darüber hinaus auf weitere gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse.

Dass kultureller Verfall Menschen verroht, tritt als allgemeine Aussage am deutlichsten hervor aus dieser frechen Abrechnung mit der US-amerikanischen TV-Landschaft, ihren Konsumenten und den gesellschaftlichen Resultaten, die das längst nicht mehr neue, Moralisten jedoch noch immer sauer aufstoßende Motiv des bewaffneten Gegenterrors aufgreift, das sich nach „Natural Born Killers“, „Falling Down“ und Konsorten indes langsam ebenso abzunutzen droht wie die nicht minder skandalträchtige, hier jedoch im Gegensatz zu Pädophilenkino der Sorte „Léon – Der Profi“ weitestgehend entsexualisierte Beziehung eines älteren Mannes zu einem minderjährigen Mädchen. Roxys Charakter wurde dann selbst für einen betont karikierend überzeichneten Film wie diesen etwas zu sehr am Reißbrett entwickelt, viel zu neunmalklug und naseweis und zu wenig wie eben eine Sechszehnjährige wirkt sie an Franks Seite. Diesen wiederum versteht Murrays zeitweise durchaus mit leiseren Zwischentönen und einer größeren Bandbreite charakterlicher Eigenschaften zu interpretieren.

Auf eine jüngere Generation könnte „God Bless America“ zumindest eine ähnlich aufrüttelnde oder schlicht faszinierende Wirkung wie auf unsereins seinerzeit „Natural Born Killers“ haben, gänzlich vorbehaltlos stehe ich ihm nach meiner Erstsichtung jedoch nicht gegenüber. Vielleicht haben ähnliche Themen behandelnde oder sich ähnlicher Stilmittel bedienende Filme angefangen bei „Network“ bis hin zu oben genannten schlicht stärkeren Eindruck auf mich hinterlassen. 7,5 von 10 Schießereien im Casting-Studio sind mir Goldthwaits Salve gegen letztlich wesentlich verantwortungslosere Medienschaffende, als er es mit seinem vordergründig betrachtet waffenfixierten Terrorfanal ist, jedoch in jedem Falle wert.
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Triangle

„Er war tot, und jetzt noch nicht!“

Nach zwei Kurzfilmen debütierte der britische Regisseur Christopher Smith 2004 mit seinem recht stimmigen „Creep“ im abendfüllenden Spielfilmformat und überraschte zwei Jahre später mit dem schwarzhumorigen „Severance - Ein blutiger Betriebsausflug“. 2009 schließlich folgte mit dem britisch-australisch koproduzierten Mystery-Horrorfilm „Triangle“ sein Drittwerk:

„Du hast versucht, mich zu erwürgen - weißt du noch?“

Jess (Melissa George, „Amityville Horror - Eine wahre Geschichte“) ist alleinerziehende Mutter des kleinen, autistischen Tommys (Joshua McIvor) und daher öfter gestresst. Wie gerufen kommt da die Einladung ihres Bekannten Greg (Michael Dorman, „Sleeping Beauty“), gemeinsam mit seinen Freunden Sally (Rachael Carpani, „Scorched“), Downey (Henry Nixon, „Noise“) und Victor (Liam Hemsworth, „Know1ng - Die Zukunft endet jetzt“) sowie Sallys Freundin Heather (Emma Lung, „House of Wax“) einen Törn auf seiner Yacht zu unternehmen. Doch während Tommy laut Jess in der Schule beaufsichtigt wird, geraten die Ausflügler in ein unvermittelt aufkommendes Unwetter, das die Yacht kentern lässt. In scheinbar aussichtsloser Lage kommt ihnen jedoch ein Kreuzfahrtschiff entgegen, auf das sie sich retten können – nur Heather bleibt verschwunden. An Bord des altertümlichen Gefährts treffen sie zunächst auf keine Menschenseele. Jess wundert sich indes, dass sie ihren Anhänger auf dem Schiff findet, obwohl sie schwören könnte, noch nie auf ihm gewesen zu sein. Der wahre Horror beginnt jedoch, als ein Unbekannter Mörder mit Kapuze Jagd auf die Schiffbrüchigen zu machen beginnt...

Was sich wie die Inhaltsangabe eines typischen Slashers liest, wird auch zunächst so inszeniert: Oberflächliche Charaktere, ein paar amouröse Avancen und ein unbekannter Killer, der auf fremdem Terrain Eindringlinge bzw. in die Falle getappte Opfer nach und nach dezimiert. Diese Prämisse war Smith, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, jedoch zu profan und so ritt er lieber auf den Ausläufern der Mindfuck-Filmwelle seines Jahrzehnts mit. Demnach ist natürlich nichts, wie es im ersten Moment scheint und steuert die Handlung auf eine überraschende Wendung zu, die das zuvor Gezeigte in neuem Lichte erscheinen lässt. Der Titel „Triangle“ steht dabei sowohl für den Namen der Segelyacht als auch als Reminiszenz an das sagenumwobene Bermuda-Dreieck, aus dem – würde es sich um einen „herkömmlichen“ Mystery-Slasher handeln – beispielsweise das Geisterschiff hätte stammen oder in das es die Gruppe hätte verschlagen können. Vielmehr steht es jedoch für die Konstruktion der Handlung, die grob in drei Abschnitte unterteilt wurde und letztlich von drei Seiten betrachtet wird.

Nach einem leicht mysteriösen Prolog, der in aller Eile Jess’ aktuelle unwirtliche Lebenssituation skizziert und mit einem Klingelstreich an der Haustür schließt, nimmt die beschriebene Entwicklung ihren Lauf, bis Smith sie erneut aufrollt und aus anderer Perspektive zeigt. Der Zuschauer darf sich nun fragen, worin er respektive Jess gelandet ist. Am stärksten drängt sich der Eindruck einer Zeitschleife auf, à la „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in einer Mystery-Horror-Variante, was schließlich das letzte Drittel, quasi der Epilog, bestätigt. Smith bemüht sich, alle Puzzleteile zusammensetzen und dem Zuschauer sein Aha-Erlebnis zu bieten, was jedoch in einer kitschigen Pointe kulminiert. Wirkte der erste Abschnitt stets ein bisschen billig und nur semiaufregend, steigerte sich die Erwartungshaltung, die von den blass bleibenden, austauschbaren Charakteren nur mit Müh und Not aufrecht erhalten werden konnte. Dass diese Austauschbarkeit offenbar zum Konzept der Geschichte gehört, macht es dabei nicht wirklich besser und hinterlässt den Eindruck eines in der Theorie überambitionierten Drehbuchs, das in der praktischen Umsetzung nicht nur am Digital-Look des Films krankt, sondern derart überkonstruiert wurde, dass der Weg leider das Ziel nervenzerfetzender Spannung nicht erreicht, sondern den Zuschauer mit einer halbgaren Story abspeist und damit an den typischen Problemen eines überstrapazierten Stils, eben jener Mindfuck-Schwurbelei, scheitert und entscheidende Fragen eben doch unbeantwortet lässt. Punkten kann „Triangle“ immer dann, wenn sich die klaustrophobisch-ausweglose, kalte Atmosphäre dann und wann durchs inszenatorische Dickicht Bahn bricht und Gewaltspitzen, in erster Linie einige recht ordentlich umgesetzte Schießereien, zielführend zum Einsatz kommen. Das war’s dann aber auch im Groben, so dass Smith mit „Triangle“ nicht viel mehr als dröge Unterhaltung zu bieten vermag, wenn er in überfischten Gewässern angelt.

In komprimierterer Form wäre bestimmt mehr herauszuholen gewesen, auf Spielfilmlänge jedoch bleibt „Triangle“ lediglich enttäuschender Durchschnitt, der leider nicht mit der Drei multipliziert werden kann, sich nach seinen 99 Minuten aber glücklicherweise in keiner Endlosschleife wiederholt.
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Soul Kitchen

Mit „Soul Kitchen“, seinem letzten Film der 2000er-Dekade, drehte der Hamburgische Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“) erstmals eine reinrassige Komödie, angesiedelt in seiner Heimatstadt und zumindest partiell basierend auf Hauptdarsteller Adam Bousdoukos’ („Kebab Connection“) Biographie.

Zinos (Adam Bousdoukos) betreibt eine unprätentiöse Arbeiterkaschemme im Industriegebiet der Hamburger Migrantenhochburg Wilhelmsburg und kommt irgendwie über die Runden. Als seine Lebensgefährtin Nadine (Pheline Roggan, „Valerie“)) beruflich nach Shanghai zieht, er das Finanzamt an den Hacken hat und auch noch einen Bandscheibenvorfall erleidet, scheint ihn sein kleines bisschen Glück zu verlassen. Er heuert den exzentrischen Starkoch Shayn (Birol Ünel, „Dealer“) an, um frischen Wind in die Küche zu bringen und den Laden zu retten, doch der arrogante Cuisinier steht auf Kriegsfuß mit den Geschmäckern der Stammkundschaft. Zu allem Überfluss erscheint auch noch Zinos glücksspielsüchtiger und kleinkrimineller Bruder Ilias (Moritz Bleibtreu, „Lammbock – Alles in Handarbeit“) auf der Bildfläche und bittet ihn um eine Pro-forma-Anstellung, um mehr Knastfreigang gewährt zu bekommen – und das Gesundheitsamt hat Zinos Restaurant nun ebenfalls auf dem Kieker. Plötzlich jedoch wird das „Soul Kitchen“ von trendversessener Klientel für sich entdeckt und geht durch die Decke! Zino indes will unbedingt seine Nadine in China besuchen und setzt daher Ilias als Geschäftsführer ein...

Akins „Soul Kitchen“ verfügt erwartungsgemäß über viel Lokalkolorit der multikulturellen Hansestadt abseits schicker Einkaufsmeilen oder Prestigeobjekte. Die Handlung spielt in Wilhelmsburg, Altona und der Speicherstadt und Bilder der über die Elbbrücken fahrenden S-Bahn ziehen sich als wiederkehrendes Motiv durch den Film. Die Dialoge sind herrlich schnoddrig, Themen wie Existenznot und die später hinzukommende Gentrifizierung alles andere als weltfremd, bisweilen richtiggehend am Puls der Zeit, und die Charaktere nicht unbedingt Hamburg-untypisch, wenngleich Akin es bei aller gestatteten komödiantischen, karikierenden Überzeichnung mit den Klischees irgendwann übertreibt: Spätestens wenn Macho-Proll Ilias mit der als Kellnerin jobbenden Studentin anbändelt und beide sich ineinander verlieben, ist’s mit den glücklichen Fügungen auch mal gut. Quatsch ist’s, wie jeder selbst Geplagte bestätigen wird, dass man Zino nach seinem Bandscheibenvorfall gleich operieren möchte. Die Dokumentation typischen Hamburger Saufverhaltens in den Kneipen wiederum kann ich exakt so bestätigen. Beachtung verdient auch Bootsbauer und Griesgram Sokrates (Demir Gökgöl, „Wut“), der unter der rauen Schale eigentliche warmherzige Untermieter des „Soul Kitchen“ – ein schönes Beispiel für gelungene Nebenrollen-Charakterzeichnung, die Sympathiepunkte einbringt. Kurzauftritte haben Jan Fedder („Großstadtrevier“) und Udo Kier („Hexen bis aufs Blut gequält“).

Als Hamburger fühlt man sich in „Soul Kitchen“ schnell heimisch und richtet es sich gemütlich ein, da trotz nicht unbeträchtlichen dramatischen Anteils stets daran erinnert wird, dass es sich um eine turbulente, lebenslustige Komödie handelt, in der sich schon irgendwie alles zum Guten wenden wird. So macht Akins Film tatsächlich über die reinen Gags hinaus viel Spaß, zumal er viel Hamburger Lebensgefühl der weniger Privilegierten abzubilden und begreiflich zu machen versteht. Leider gehen Akin dann und wann zu sehr die Gäule durch, wenn er auf weder zu Hamburg, noch zum eigentlichen Stil seines Films passenden albernen bis pubertären, übertriebenen Holzhammerhumor setzt, sei es bei der Massenorgie im Restaurant inkl. grantiger asexueller Beamtin, die sich mir nichts, dir nichts ins Gegenteil wandelt, sei es – als leider besondere Enttäuschung – als Pointe gegen Ende. Besonders ärgerlich ist daran, dass Akin hierfür nicht nur seinen ansonsten sich durchaus an der Realität orientierenden Stil ohne jede Not opfert, sondern mittels dieser Szenen auch die Handlung voranbringt, Probleme auflöst, grundlegende Entscheidungen herbeiführt. Damit führt er seine Geschichte ad absurdum und opfert sie niveaulosen Witzchen, was wirklich schade ist.

Mit einem ausgefeilteren Drehbuch, etwas differenzierterer Charakterzeichnung und größerer stilistischer Kohärenz wäre Akin vielleicht einer der zeitgenössischeren Hamburg-Filme schlechthin gelungen, doch auch mit diesen Abzügen bleibt ein amüsanter Wohlfühlfilm für Interessenten des wahren Hamburgs, der es weder nötig hat, plakativ auf der Multikulti-Schiene herumzureiten (diese ist hier Selbstverständlichkeit) noch die Augen vor der urbanen Realität zu verschließen. Mit handverlesenem Ensemble, einem gut ins Ohr gehenden Seemannsliedgut-meets-Soul-meets-Boogie-Soundtrack sowie einem Gespür sowohl für norddeutschen Humor als auch hanseatische Melancholie in frechen Dialogen und stimmigen Bildern ist „Soul Kitchen“ auch über Norddeutschlands Grenzen hinaus gut genießbar. Nicht zu vergessen, dass er einer von nur wenigen Filmen sein dürfte, die explizit HH-Wilhelmsburg ein Denkmal setzen und dankenswerterweise nicht als von der restlichen Stadt abgetrennte Parallelwelt skizzieren.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Mayor of the Sunset Strip

Der Name Rodney Bingenheimer, einst in „Get Off The Air“ von den Angry Samoans beschimpft, sagt den Menschen hierzulande sicherlich nicht allzu viel. In den USA jedoch ist er ein über die Grenzen Los Angeles’ hinaus bekannter und geschätzter DJ des Radiosenders KROQ, Club-Besitzer, Promoter und vor allem musikverrückter Hans Dampf in allen Gassen, der, seit er in den 1960ern auf dem Sunset Strip auftauchte, manchen Trend nicht nur hat kommen und gehen sehen, sondern maßgeblich förderte oder gar initiierte. US-Regisseur George Hickenlooper („Die Akte Romero“) widmete Bingenheimer im Jahre 2003 diesen Dokumentarfilm.

Was lange Zeit den Anschein erweckt, als handele es sich um eine Dokumentation über einen unsympathischen und größenwahnsinnigen Typen, der versuchte, von der Popularität der Hollywood-Stars und -Sternchen zu partizipieren, indem er sich ihnen mit nicht ungefährer Penetranz an die Fersen heftete, entpuppt sich schließlich als Portrait eines berufsjugendlichen Mannes, der später beim lokalen Radiosender als geschmackssicherer Entdecker und Förderer von Independent- und Alternative-Bands fungierte und dabei weitestgehend scheuklappen- und ideologiefrei vorging.

Hickenlooper geht chronologisch vor und zeichnet so ein Bild Bingenheimers im jeweiligen Kontext seiner Zeit, das sich im Laufe der Dekaden verdichtet und seinen überregionalen Einfluss auf die Musikwelt verdeutlicht. Doch auch vor Bingenheimers Privatleben macht Hickenlooper keinen Halt und so bekommt „Mayor of the Sunset Strip“ nicht nur eine tragische Note, als Bingenheimer seinen Stammplatz beim Radiosender verliert, sondern auch, als seine große Liebe vor laufender Kamera konstatiert, sie habe eine Art Partner und Rodney sei lediglich ein guter Freund. Dem Zuschauer werden auch Bingenheimers Eltern vorgestellt und Bingenheimer schließlich gar beim Verstreuen der Asche seiner leiblichen Mutter auf der Themse gezeigt. Viele Weggefährten Bingenheimers kommen zu Wort, u.a. David Bowie, Kim Fowley, Tori Amos, Belinda Carlisle, Dramarama, Alice Cooper, Debbie Harry, Oasis, Mick Jagger, Joan Jett und Paul McCartney. Von welchem Einfluss Bingenheimers diese zu berichten wissen, ist in der Tat interessant, ferner ist Hickenloopers Film eine wahre Fundgrube alter Aufnahmen aus der Sturm-und-Drang-Zeit L.A.s – und Bingenheimer tatsächlich immer mittendrin.

Damit ist „Mayor of the Sunset Strip“ nicht nur ein intimer als erwartet ausgefallenes biographisches Dokument über Bingenheimer, sondern auch ein sehenswerter Einblick in die Musikszene und Überblick über ihre Entwicklung – sowie die Bedeutung einer Radiosendung für dieselbe noch vor Zugriff der Musikindustrie und ihre weltweiten Konsequenzen.
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Panik im Needle Park

„Ich mach's nur ab und zu, ich bin nicht süchtig!“

Jerry Schatzbergs „Panik im Needle Park“ ist ein weitestgehend in Vergessenheit geratener Vertreter des Cinéma vérité, des neorealistischen New Hollywoods. Dass es Schatzbergs Zweitwerk aus dem Jahre 1971 so erging, dafür leisteten Behörden und Zensur ganze Arbeit: Aufgrund vermeintlicher Anleitungen zum Drogenkonsum mit einem X-Rating versehen und infolge von Schnittauflagen zu Stümmelfassungen verunstaltet hatte man dieses New-York-Drama, das einen ungeschönten Einblick in die sich im Klammergriff harter Drogen und der Folgen der Abhängigkeit befindenden Bronx zu Beginn der 1970er bietet – und Al Pacino ein Jahr vor „Der Pate“ in seiner ersten Hauptrolle zeigt.

„H ist mit allem toll, auch mit Koks! Musst halt Fantasie haben!“

Die junge Helen (Kitty Winn, „Das Geisterhaus“) landet nach einer illegalen Abtreibung mit Blutungen im Krankenhaus. Dort besucht sie Bobby, ein junger Mann mit spitzbübischem Charme, der sich ihrer annimmt. Sie verlieben sich ineinander und kommen zusammen. Doch Bobby ist ein kleinkrimineller Drogendealer und konsumiert auch selbst Heroin, „nur hin und wieder“ und er sei nicht süchtig. Naiv schlittert Helen in den Drogensumpf...

„Und dich wollt' ich mal heiraten!“

„Panik im Needle Park“ zeichnet unaufgeregt und um Authentizität bemüht die in einen Teufelskreis führende Abwärtsspirale aus dem Konsum harter Drogen, der Abhängigkeit von ihnen, Beschaffungsprostitution und -kriminalität und Gewalt am Beispiel des jungen Paars Helen und Bobby nach und entromantisiert den Drogenkonsum nachhaltig. Die Bronx wird in tristen, schmuddeligen, grauen Bildern eingefangen. Ein Moloch menschlichen Elends, voll auf der Strecke gebliebener Existenzen und zerplatzter Träume, in dem auch Helen und Bobby sich selbst und gegenseitig zu zerfleischen beginnen, weil längst die Drogen ihren Alltag bestimmen. Eifersucht und Verrat treten auf den Plan; das Ende ist offen, doch jeder Zuschauer ahnt, dass es für Helen und Bobby bereits gekommen ist. Schatzberg lässt kaum Raum für Hoffnung, sein Film ist desillusionierend und schmerzhaft bedrückend.

Dabei hat er sich bei allem durchaus Zeit gelassen: Man lernt Bobbys Bruder, einen Profidieb, kennen, bekommt einen Eindruck seines Alltag an der Schwelle zur schließlich destruktiven Sucht und Helen sträubt sich lange dagegen, zum Junkie zu werden. Damit erscheint „Panik im Needle Park“ in seiner Entwicklung nachvollziehbarer als beispielsweise ein „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, schafft er mehr Raum für die Charaktere, auf die er sich konzentriert und bezieht das Umfeld, in dem sie sich bewegen und das seinen Teil dazu beiträgt, als weitläufigeres Gebiet mit ein, das allgegenwärtig und ausweglos wirkt. Entziehen sich Helen und Bobby ihm durch Heroinkonsum, hält Kameramann Adam Holender voll drauf, fertigt Detailaufnahmen der Drogenhandhabung und beschwor damit einen Skandal herauf, der Sittenwächter den Film missinterpretieren ließ und zu eingangs beschriebener Fehleinschätzung führte.

Rau und schroff wie das damalige Dasein in der Bronx ist auch der Stil des Films, der in seinem Neorealismus auf einen Soundtrack ebenso verzichtet wie auf Überblendungen oder andere den Stoff genießbarer machende Darreichungsformen. Getragen wird er vornehmlich von den großartigen schauspielerischen Leistungen Winns und Pacinos, die sich durch zahlreiche emotionale Facetten und Extreme mimen. Winn nahm dafür einen Oscar in Empfang und Pacino empfahl sich mit seinem in Verweigerung der Anerkennung der Realität so lange manischen, überschwänglichen Bobby für seine zukünftigen Großtaten.

Dass „Panik im Needle Park“ auf ein heutiges Publikum irritierend unspektakulär, vielleicht sogar langatmig wirken könnte, hängt indes nicht nur mit der Entwöhnung vom Neorealismus zusammen: Es ist der traurige Umstand, dass sich die harte Drogenszene seither als roter Faden durch die Dekaden zieht und im Unterbewusstsein vieler als unverrückbare Realität festgesetzt hat, deren Existenz hingenommen werden muss, mit ähnlich unmittelbaren Bildern längst im Dokumentar-TV angekommen ist und Werke wie „Requiem for a Dream“ in vielerlei Hinsicht, vor allem aber auf emotionaler Ebene, in fast wutentbrannter Weise frühen Vertretern wie diesem noch einen draufsetzten.
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Schulmädchen-Report, 9. Teil: Reifeprüfung vor dem Abitur

Nachdem Walter Boos in den Teilen 3 und 5 der zweifelhaften Filmreihe durch ewiges Herumreiten auf der Schulmädchen-Thematik als Co-Regisseur an Ernst Hofbauers Seite seine Sporen verdiente, durfte er 1975 erstmals im Alleingang einen „Schulmädchen-Report“ inszenieren – die mittlerweile neunte Ausgabe.

Ein im jugendlichen Übermut auf einer Party anberaumtes Autorennen führt zu schweren Unfällen. Zwei Polizeibeamte (Walter Feuchtenberg, „Auf der Alm da gibt's koa Sünd“ und Uli Steigberg, „Mache alles mit“) durchstöbern daraufhin die Akten der Beteiligten, was die Rahmenhandlung für diesen einmal mehr episodenhaft aufgebauten „Report“ bildet:

Da heiratet zunächst einmal die junge Petra Klassmann (Gina Janssen, „Das Wirtshaus der sündigen Töchter“) ihren Freund Horst (Dagobert Walter, „Lass uns Knuspern, Mäuschen“). Direkt im Anschluss wird’s komödiantisch, wenn eine bayrische Zimmerwirtin (Rosl Mayr, „Erotik im Beruf - Was jeder Personalchef gern verschweigt“) von der Hochzeitsnacht mit ihrem Alois erzählt und das frischvermählte Paar anschließend durchs Schlüsselloch beobachtet sowie ständig stört, bis es keine Lust mehr hat, den Akt zu vollziehen. Die verheiratete Petra plaudert dann noch ein bisschen aus dem Off: Sie treiben’s zu Hause miteinander, doch Horst wird immer spießiger, während sie jedoch auch nicht von ihm von hinten genommen werden möchte, dies sei ihr zu ordinär. Es folgen Alltagsprobleme, Ehekrach und Scheidung. Tja.

„Du Schwachstrom-Mathematiker, du!“

In die nächste Episode führt Tessi ein, es geht um Gruppensex mit einer Mädelsclique, doch Paul (Heiner Lauterbach, „Männer“) ist dagegen. Kurzerhand setzt er alle mittels K.O.-Tropfen außer Gefecht und „rettet“ die ihm schließlich dankbare Tessi. Als Lilos (Puppa Armbruster, „Junge Mädchen mögen's heiß, Hausfrauen noch heißer“) Eltern (Ursula Reit, „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“ und Ulrich Beiger, „Wir hau'n den Hauswirt in die Pfanne“) nach Hause zurückkehren, finden sie die schlafenden Nackten.

„Wolfgang, was machst du mit mir?“ – „Frag lieber, was du mit mir machst!“

Elke (Uschi Karnat, „Bohr weiter, Kumpel“) wiederum sitzt bei ihrer Freundin Susi (Sandra Atia, „Waidmannsheil im Spitzenhöschen“) und führt sie in die Welt der lesbischen Sexualität ein. Als Rückblende in der Rückblende werden Bilder ihrer Entjungferung durch Albert gezeigt. Susis Stiefvater Wolfgang (Claus Tinney, „...und mehrmals täglich quietschen die Matratzen“) erwischt die beiden Mädchen, erpresst Susi und missbraucht sie. Als er dabei wiederum von Susis Mutter (Astrid Boner, „Paragraph 218 - Wir haben abgetrieben, Herr Staatsanwalt“) erwischt wird, schiebt er die Schuld auf Susi. Beim Arzt setzt sich Elke dafür ein, dass Wolfgangs Vergewaltigung nicht geahndet wird, um die Ehe nicht zu gefährden, außerdem sei Susi schwanger von ihm – ein böses Beispiel heuchlerischer Moral.

„Hast du denn immer noch nicht das Teenager-Sprachlexikon durchgeackert?!“

In der folgenden Episode schläft Katja (Christine Szenetra, „Komme gleich!“) mit ihrem Freund Mick (Werner Singh, „Täglich Blasmusik im Hinterhaus“), während ihre Eltern (Jürgen Feindt, „Sexbombe mit Tick“ und Elisabeth Welz, „Krankenschwestern-Report“) in komödiantischer Manier die „Jugendsprache“ erlernen und Katja damit überraschen möchten. Dies geht mit einer Slapstick-Einlage einher und Katjas Vater geht seiner Frau Selma, die eher widerwillig mitmacht, damit schwer auf die Nerven. Als Katja schließlich mit ihrem Mick nach Hause kommt, ergehen sich Feindt und Welz in krassem Overacting, doch bei aller Komödie erhält diese Episode einen entlarvend reaktionären Anstrich: Katja beschwert sich über das Treiben und fordert autoritäre Eltern ein, die ihr auch mal eine Backpfeife geben. Die Kamera zoomt so nah wie möglich auf Katjas Oberweite...

Am schlimmsten hat’s Achim erwischt, der mit einem Lungenriss im Krankenhaus liegt. Seine Freundin Claudia (Marianne Dupont, „Ob Dirndl oder Lederhos' - gejodelt wird ganz wild drauflos“) macht sich Vorwürfe, denn er hat nur deshalb frustriert die Party aufgesucht, weil sie ihn nicht rangelassen hat. Eine weitere Rückblende in der Rückblende offenbart, dass sie frigide wurde, als sie einem Exhibitionisten mit umgeschnalltem Riesenplastikpimmel begegnete, was unfassbar albern aussieht. Diese Episode zieht derartige Traumata ins Lächerliche und suggeriert, die Frau sei schuld, wenn ihr Partner infolge sexueller Frustration Mist baue.

Der arbeitslose Karl ist mit Monika liiert, die durchs Abitur rasselt. Ihr spießiger Beamtenvater ist wegen beiden auf Zinne. Doch Karls Kumpel Albert, der die verhängnisvolle Party ausrichtet, kann Karl helfen. Ohne Absprache sucht Monika die Feier auf und prostituiert sich für ihren Freund beinahe ggü. Albert, doch dieser versichert ihr, den plötzlich hereinschneienden Karl auch ohne sexuelle Gegenleistung zu unterstützen. Daraufhin schließt sich der Kreis, wenn alle zu besagtem Autorennen aufbrechen. Als Schlusspointe taucht Christine, die Tochter (Eva Leuze, „Vanessa“) des spießigen der beiden durch den Film führenden Polizisten, volltrunken auf dem Polizeirevier auf.

„Müssen Schulmädchen so sein? Sie sind so und auch ganz anders...“

Auch der neunte Teil ist nicht viel mehr als ein Beispiel fragwürdiger kleinbürgerlicher männlicher Spießer-Erotik. Zwar werden in seinen „Bad Cop“/„Good Cop“-Dialogen vorgeblich Zweifel gesät und versucht man, sich einen nachdenklichen, verständnisvollen Anstrich zu geben, doch schlagen in manch Episode noch immer unverhohlen frauenfeindlicher Duktus und sexistische Moral durch. Andererseits ist der Film schon infolge seines Inszenierungsstils kaum ernstzunehmen und verfügt über einen trashigen Unterhaltungsfaktor ebenso wie über ein Zeitkolorit, das einiges über den damaligen Stand in Sachen Sexualmoral, Gleichberechtigung etc. aussagt. Dass er zudem nicht mehr in erster Linie davon handelt, dass sich Minderjährige bevorzugt Herren mittleren Alters an den Hals werfen, handelt ihm 3,5 von 10 Riesenplastikpimmeln ein.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
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