
The Mothman Prophecies - Tödliche Visionen
US-Regisseur Mark Pellingtons („Arlington Road“) erster Film des aktuellen Jahrtausends ist der auf das Jahr 2002 datierende Mystery-Thriller „The Mothman Prophecies“, der auf einem Roman John Keels basiert und die Legende um den „Mothman“ aufgreift, der in den 1960ern in West-Virgina sein Unwesen getrieben haben soll.
Der sich als Reporter seine Brötchen verdienende John Klein (Richard Gere, „Pretty Woman“) sitzt bei seiner Frau Mary (Debra Messing, „Dem Himmel so nah“) im Auto, als sich diese im Straßenverkehr vor irgendetwas wahnsinnig erschreckt und daraufhin die Kontrolle über den Wagen verliert. Im Krankenhaus wird zudem eine heimtückische Krankheit bei ihr diagnostiziert, an der sie schließlich stirbt. In ihrem Notizbuch findet John mysteriöse Zeichnungen von mottenähnlichen Gestalten mit rotglühenden Augen – was Hinweise auf die Unfallursache und die schwer einzuordnenden, irrational wirkenden Ängste seiner Frau geben könnte. Zwei Jahre später befindet sich John in einer tiefen psychischen Krise und soll in einer anderen Stadt ein Interview führen. Irgendwo im Nirgendwo gibt jedoch sein Auto den Geist auf und verdutzt muss John nach einiger Zeit feststellen, dass er sich im weit entfernten Point Pleasant befindet. Diese Kleinstadt scheint sich unter dem Einfluss der seltsamen Mottenwesen aus den Zeichnungen seiner Frau zu befinden, was sein Interesse weckt, den Phänomenen auf die Spur zu gehen. Er freundet sich mit Polizistin Connie Mills (Laura Linney, „Die Truman-Show“) an und erhält schließlich unheimliche Anrufe eines gewissen Indrid Cold. Paranormalitätsprofessor Leek (Alan Bates, „Gosford Park“) unterstützt John beim Entwirren der Hinweise und Spuren, die auf eine große Katastrophe hindeuten…
Pellington macht die Mothman-Legende zu seiner und erzählt sie ausgesprochen ruhig. Dabei setzt er volles Pfund auf eine mystische Atmosphäre, wie sie ihm so schnell niemand nachmacht. In Kombination mit wohldosierten Gruselszenen gelingt es ihm, den Zuschauer zu umgarnen, ihn zu entschleunigen und schließlich zu vereinnahmen, ihn förmlich in den Sessel zu drücken, die bedrückende, wenig greifbare Stimmung des Films auf ihn wirken und sie ihn genießen zu lassen – und für das große Rätsel zu interessieren, dem sich John Klein ausgeliefert sieht. Ausgeliefert auch deshalb, weil er lange Zeit genauso im Dunkeln tappt wie der Zuschauer (sofern dieser mit der Legende nicht vertraut ist) und sich alsbald einer undefinierbaren Bedrohung gegenüberstehend wiederfindet, sich zunehmend ferngelenkt wähnen muss und die Welt, wie er sie einst kannte, ihm zu entrinnen scheint. Ein bisschen Stephen King’scher Erzählstil, viel „Akte X“-Kolorit und eine an aufregenden Fahrten nicht arme Kameraarbeit, die mit ihren Spielen mit der Unschärfe viel der Unwirklichkeit und der verschwimmenden weltlichen Realität des Stoffs visualisiert. Herausstechende schauspielerische Leistungen nicht nur Richard Geres und ein enervierender Noise-/Elektro-/Ambient-Soundtrack Tomandandys steuern ihr Übriges zum über lange Zeit überaus positiven Gesamteindruck bei.
Doch irgendwann beginnt der Film, dramaturgisch auf der Stelle zu treten, machen sich erste skeptische Überlegungen hinsichtlich seiner Länge bemerkbar. Zwei Stunden erweisen sich dann eben doch als zu lang, wenn beständig statt Rätsellösungen neue Mystizismen die Handlung ausdehnen. Wer oder was Indrid Cold ist, bleibt ebenso rätselhaft wie vieles andere und gerät langsam unbefriedigend, nach diversen Prophezeiungen kann man es kaum noch erwarten, dass endlich einmal tatsächlich etwas Messbares von Bedeutung passieren möge – womit man sicher nicht die anscheinend unvermeidliche Romanze zwischen John und Connie meint. Und je stärker der Film die Ohnmacht seiner Protagonisten betont, desto stärker geht ihm die Puste aus und umso mehr sieht sich der Zuschauer mit einer Erzählwut konfrontiert, die sich ziert, auf den Punkt zu kommen – doch irgendwann nicht mehr verschleiern kann, dass die Handlung hinter den an sie gestellten Erwartungen zurückbleibt. Aufmerken lässt indes noch einmal das Finale, als es sich endlich Bahn bricht und einen fast wie in „Final Destination“ inszenierten Katastrophenfall eintreten lässt, ob dessen visueller Wucht einem durchaus erneut der Atem stocken kann.
Im wahrsten Sinne des Wortes ist „The Mothman Prophecies“ ein schönes Beispiel dafür, wie etwas im Genre-Rahmen relativ Profanes, Altbekanntes, nämlich übernatürliche Erscheinungen als Vorboten unausweichlichen Unglücks, in höchstem Maße aufgebauscht werden kann, sodass der Stil über dem Inhalt thront. Insofern hege ich ein ambivalentes Verhältnis zu Pellingtons Werk, dessen zugrunde liegender Roman mir unbekannt ist. Möglicherweise ging hier die Vorlagentreue mit Pellington durch, was für die oft kritisierte künstlerische und damit eben auch inhaltliche Freiheit sprechen würde, das Kino als eigenständiges Medium zu betrachten und selbstbewusst von Vorlagen abzuweichen. Beharrt die Vorlage – wie es der Film auch erwähnt – darauf, lediglich durch Zeugen verbriefte Ereignisse unverändert wiederzugeben und wollte sich der Film ebenfalls weitestgehend daran klammern, halte ich dies nicht nur für fragwürdig in Bezug auf den Wahrheitsgehalt, sondern auch für letztlich nicht zielführend für einen Unterhaltungsfilm, der „The Mothman Prophecies“ nun einmal ist.