bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Wehe, wenn die Lust uns packt

„Würde euch eine Ochsenzunge schmecken?“

Der italienische Komödien-Regisseur Mariano Laurenti („2 Trottel in der Fußball-Liga“) dürfte sich 1972 für den Kostümfilm „Wehe, wenn die Lust uns packt“ erstmals an einer schlüpfrigen Klamotte versucht haben, wie sie später im Genrebegriff Commedia sexy all'italiana zusammengefasst wurden.

„Ich weiß von der ewigen Lüsternheit meines Mannes und von seinem primitiven Geschmack!“

Maler Claudio Fornari (Piero Focaccia, „Die Puppen“) sucht mit zwei Freunden ein italienisches Dorf auf, in dem auch Antonia (Edwige Fenech, „Der Killer von Wien“) mit ihren wohlhabenden Eltern residiert. Während Claudio sich sexuellen Abenteuern mit ihren Bediensteten hingibt, scheint sich die Welt gegen Antonia verschworen zu haben: Nicht nur ihre Eltern sind gegen die Beziehung mit ihrem Geliebten Folco (Romano Malaspina, „The Crimes of the Black Cat“), auch dessen Vormundschaft steht dem jungen Glück im Wege, sodass sie sich nur heimlich treffen können. Aus lauter Verzweiflung droht sie ihrem Vater Domenico Mincaglia (Umberto D'Orsi, „Außergewöhnliche Geschichten“) damit, ins Kloster zu gehen – und sucht schließlich tatsächlich den Orden der leidenden Schwestern auf...

„Bist du verheiratet?“ – „Ja, viel zu sehr...“

Der irgendwann in der frommen Vergangenheit angesiedelte Streifen bereitet mit seinem fröhlichen Titelsong leider mehr Vergnügen als mit der folgenden Handlung, die irgendwo zwischen „Romeo & Julia“-Verschnitt und zarter Nunploitation-Anleihen anzusiedeln ist. Claudio und seine Freunde kehren zunächst bei Gastwirtin Caterina (Malisa Longo, „Das Mädchen Julius“) und ihrem Mann Raffaello (Sandro Dori, „Eine Flut von Dollars“) ein. Da es sich bei Caterina um eine wahre Sexbombe handelt, fühlt sich Claudio von der Muse geküsst und lässt sie kurzerhand Modell für seine jüngste Aktmalerei stehen. Generell hat’s die Gute faustdick hinter den Ohren, läuft fast immer ohne Slip herum und treibt’s sogar mit dem Pater, nachdem sie ihm ihre Sünde beichtete, doch einmal eine Unterhose getragen zu haben („aus Mailand“, mitgebracht von einem ihrer Stecher), ein Monstrum von Liebestöter.

„Dieses Kloster ist kein Kloster! Ein Bordell ist das!“

Hieraus lässt sich bereits das ungefähre Niveau des Films ableiten, dabei ist all das eigentlich nur Ausschmückung und Beiwerk der sich dann auch etwas überraschend herauskristallisierenden nominellen Handlung, nämlich der um Antonia und ihren Folco. Dessen Vater Giovanni (Riccardo Garrone, „Django und Sartana, die tödlichen Zwei“) soll ein Brief überbracht werden. Claudio vernascht derweil eine Angestellte Giovannis in Feld und Flur und knutscht sogar mit Antonia, die glaubt, er sei Folco. Noch bevor diese endlich das Kloster aufsucht, lernt der Zuschauer es als Sündenpfuhl kennen, in dem die Schwester Oberin Sex mit Bruder Filippuccio (Tiberio Murgia, „Man nannte es den großen Krieg“) haben will, der sich aber sträubt, weshalb Pater Pomponio (Elio Crovetto, „Das Geheimnis der roten Maske“) für ihn einspringt. Domenico wiederum ist auch kein Kind von Traurigkeit und treibt’s mit Bäuerin Francesca im Kuhstall. Antonia landet also gewissermaßen vom Regen in der Traufe und bald schleicht sich auch ihr Folco als Nonne verkleidet zur ihr ins Kloster.

Dies nimmt Regisseur Laurenti dann endlich zum Anlass für eine wirklich schöne, ästhetisch gefilmte Erotikszene, die jedoch die einzige des Films bleiben soll. Im Anschluss platzt Antonias Vater in das Kloster und überführt gleich mehrere Geistliche der Fleischeslust. Das führt letztlich zu einem Happy End mit der Hochzeit der beiden Turteltäubchen, was das Drehbuch aus den Federn Carlo Veos und Pietro Aretinos sodann gleich wieder zerstört, indem es Antonia unmittelbar nach ihrer Vermählung mit Claudio fremdgehen lässt. So progressiv es auch erscheinen mag, im katholischen Italien ein Kloster als heilige Stätte der Keuschheit zu entweihen und triebgesteuerte Bigotterie abzubilden, so unbefriedigend ist, was Laurenti daraus gemacht hat: eine hochgradig alberne, unlustige Komödie mit debilen Dialogen fernab jeglicher Glaubwürdigkeit am Rande der Erträglichkeit, in der selbst Fenechs sinnliche Ausstrahlung verschwendet erscheint. Auch die Anprangerung liebesfeindlicher Spießigkeit in einer von Standesdünkel und Patriarchat geprägten Gesellschaftsordnung verkommt hier zum Stichwortgeber für eine männerfantastische Farce von Omnipotenz und Machismo, die wenig Raum für tatsächliche Erotik lässt. Die italienische Verquickung von Komödie und Sex ist ja immer so eine Sache und „Wehe, wenn die Lust uns packt“ ein weiteres Paradebeispiel dafür. Dass es sogar noch ein wenig schlimmer geht, bewies Laurenti 1980 mit „Der Idiotenzwinger“. Fazit: Nur für Edwige-Fenech-Allesgucker interessant.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Robinson und seine wilden Sklavinnen

„Hau ab, Junge! Lass dich von den Weibern nicht schikanieren!“

Im Jahre 1971 ließ sich der spanische Vielfilmer Jess Franco („Paroxismus“) vermutlich des schnöden Mammons wegen verpflichten, für Produzent Artur Brauner, der als Art Bernd auch das Drehbuch verfasste, die Erotik-Komödie „Robinson und seine wilden Sklavinnen“ in seiner Funktion als Regisseur zu verfilmen. Die deutsch-französische Koproduktion erschien 1972, zumindest in Frankreich. In Deutschland ließ man sie satte sechs Jahre liegen, so dass sie hierzulande erst 1978 uraufgeführt wurde.

Hamburg: Robinson (Yehuda Barkan, „Highway Queen“) arbeitet als Apotheker für einen cholerischen Chef und verdingt sich in seiner Freizeit als Hobby-Chemiker. Zu Hause hat seine nervige Frau (Ruth Gassmann, „Helga - Vom Werden des menschlichen Lebens“) die Hosen an, zudem lebt der Drachen von Schwiegermutter (Irene D'Astrea, „Zwei Halleluja für den Teufel“) mit ihm Haus und hockt ständig an ihrem Schreibtisch wie eine Direktorin. Er hält sich den sprechenden Schimpansen Tonio und sich selbst für einen Nachfahren Robinson Crusoe, so dass er sich gern Tagträumen von einer exotischen Insel mit barbusigen Schönheiten hingibt – wer will es ihm verdenken? Aktuell entwickelt er an einer Chemikalie, die Benzin-Abgase von Schadstoffen befreit. Doch der Nebeneffekt: Alle außer ihm schlafen ein, sobald sie das Zeug auch nur leicht in die Atemwege bekommen. Mit der feschen Linda (Andrea Rau, „Blut an den Lippen“) hat er eine heimliche Geliebte und schließlich reicht es ihm: Auf einer dekadenten Firmenfeier betäubt er die Gäste mit seiner Substanz und setzt sich auf eine einsame Insel ab, wo sich unmittelbar zwei barbusige schiffbrüchige Sexbomben, Samantha (Anne Libert, „Die Nacht der offenen Särge“) und Peper (Ingeborg Steinbach, „Jungfrauen-Report“), auf ihn stürzen und ihn vernaschen. Zwar muss er nun mehrmals täglich ran, doch genießt er seine ansonsten unbeschwerte Existenz – zumal seine geliebte Linda nachgereist kommt. Doch die Idylle wird jäh gestört, als nacheinander ein Kannibalenstamm und seine Frau mitsamt einem Vertreter der Öl-Industrie und Schwiegermutter auf der Bildfläche erscheinen…

Nach der halbstündigen Exposition in Hamburg inkl. visualisierter Tagträume Robinsons und dessen Streich, die Damen des Hauses im Affenkostüm zu erschrecken, verlagert sich die Handlung auf die dann doch gar nicht so einsame Insel, für die auf einen portugiesischen Drehort zurückgegriffen wurde. Dort sprechen alle seine Sprache, auch der Papagei, mit dem sich sein Affe unterhält, womit wir schon bei zwei sprechenden Vertretern der Fauna wären. Untermalt von sommerlich leichten Calypso-Klängen wird die Sehnsucht nach Exotik und Freiheit bedient. Selbst sich aus Lindas Auftauchen ergebende Eifersüchteleien stellen kein größeres Problem dar, denn diese lässt sich überreden, sich mit einzureihen. Kurzerhand werden die nun drei Damen durchnummeriert, Linda ist ab sofort die Nr. 1 und der Zuschauer darf fortan verfilmte Macho-Phantasien von Bi- bzw. Trigamie, Haremshaltung und Gruppensex über sich ergehen lassen.

„Reiß dich zusammen, Schatz! Schneid ihm den Bauch auf!“

Nach 50 Minuten jedoch tauchen plötzlich schlecht geschminkte Eingeborene mit Franco-Stammmime Howard Vernon als doof aus der nicht vorhandenen Wäsche glotzendem Häuptling auf, die gebrochen Deutsch sprechen, aber auch über ihre eigene Sprache verfügen, derer wiederum auch Samantha mächtig ist. Robinson sei angeblich Nachfahre des Stammesgottes Calimé, was er beweisen solle, indem er eine Blinddarm-OP am kranken Häuptling durchführt! Spätestens hier ist die Frage gestattet, wie besoffen Atze Brauner gewesen sein muss, als er das Skript niederkritzelte. Durch Zufall gelingt der Eingriff sogar und der Häuptling gesundet schnell. Der nächste Schrecken folgt sogleich mit dem Eintreffen von Robinsons Frau samt Anhang. Das Schlafmittel wolle man verkaufen, Robinson sträubt sich und glücklicherweise werden die ungebetenen Besucher von den Eingeborenen gefangengenommen. Dennoch fühlt sich Robinson verpflichtet, sie zu befreien, wofür er gegen den Stammesgrößten antreten muss. Den „Kampf“ gewinnt er lediglich, weil sein Affe eine Kokosnuss auf den Gegner fallen lässt, die ihn niederstreckt und als Zuschauer ahnt man, dass Atze mind. 2,5 Promille intus gehabt haben muss. Angesichts des Happy Ends, das alle Beteiligten glücklich auf der Insel und die böse Schwiegermutter mit dem Häuptling liiert zeigt, erhöhe ich sogar auf 3.

„Robinson und seine wilden Sklavinnen“ strotzt nur so vor peinlichem, infantilem Humor und ist frei von jeglicher Ironie – zum Fremdschämen. Franco wirkt mit seinen unbeholfenen Zooms in Baumwipfel uninspiriert und gelangweilt und mit seiner Ruckelkamera tatteriger, als er im Drehjahr gewesen sein kann. Das Overacting der Darsteller ist zum Wegrennen und die Handlung ein Fall für den Kompost. Kurz gesagt: Unfassbarer Schwachsinn und eine Beleidigung. Meine 2,5 von 10 Blinddarm-OPs setzen sich wie folgt zusammen: ein Punkt für die, ähem, kapitalismuskritische Aussage (*hüstel*), einer für die attraktiven Darstellerinnen, ein halber für das sommerliche, exotische Flair. Mehr ist hier beim besten Willen nicht drin, auch nicht für Franco- oder Robinsonaden-Fans.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Sexy Nature

„Ihr Fleisch wird zart sein... und weich!“

Der umtriebige spanische Filmemacher Jess Franco („Die Säge des Todes“) drehte während seiner französischen Phase im Jahre 1973 eine „Graf Zaroff – Genie des Bösen“--Variation, die unter verschiedenen Titeln in unterschiedlichen Schnittfassungen erschien und die Menschenjagd-Thematik in einem Erotik/Sex-Kontext präsentiert. Die Handlung wird im Folgenden grob umrissen und auch auf ihren Ausgang eingegangen.

„Es ist nicht so einfach, einen Kopf abzutrennen... Du musst fest zudrücken!“

Baroness und Baron Zaroff (Alice Arno, „Zorro - Spiel mir das Lied der Wollust“ & Howard Vernon, „Robinson und seine wilden Sklavinnen“) bewohnen eine einsame Insel, auf der sie regelmäßig junge Frauen jagen, um sie anschließend zu schlachten und zu verspeisen. Dafür Sorge, dass sich auch ausreichend Frischfleisch auf das Eiland verirrt, tragen Bob (Robert Woods, „Django - Schwarzer Gott des Todes“) und Moira (Tania Busselier, „Greta – Haus ohne Männer“), die an einer Küste unweit der Insel leben. Dazu gehört auch, dass sie die zukünftigen Kannibalenspeisen zunächst im Rahmen sexueller Spielchen verführen. Mit dem jüngsten Opfer Sylvia (Lina Romay, „Entfesselte Begierde“) ändert sich jedoch so einiges und sie wird zum Schicksal gleich mehrerer Beteiligter…

Sylvia und ihre schriftstellende Freundin Carole (Caroline Rivière, „Exorcisme“) plappern in einem Hotelzimmer miteinander, denn Sylvia hat eine Einladung zu reichen Leuten erhalten. Ihre Freundin ist skeptisch, vielleicht auch etwas neidisch. Bob und Moira entdecken derweil einen nackten Frauenkörper am Strand und nehmen die Unglückliche auf. Diese ist panisch, denn sie hat Schreckliches erlebt, wie Franco in Rückblenden zeigt: Es handelt sich um ein Opfer der Zaroffs, das entkommen konnte. Der Film wechselt nun stets zwischen Rückblenden, Bob und Moira sowie Sylvia und ihrer Freundin. Natürlich war die Einladung, die Sylvia erreicht hatte, eine Falle und so landet sie zunächst bei Bob und Moira, wo sie Teil eines flotten Dreiers wird. Im Anschluss folgt eine minutenlange dialoglose Szenenabfolge der Überfahrt auf die Insel und des FKK-Vergnügens am Strand. Bei den Zaroffs zu Tisch ist Bob schlecht gelaunt, da sich sein Gewissen meldet. Er sagt jedoch nichts und zieht schließlich von dannen. Das Fleisch, das auf dem Speiseplan steht, sieht so richtig schön „anders“ aus, doch Sylvia ahnt natürlich nicht, was sie da verzehrt.

Die Zaroff bearbeitet später zwei nackte gefesselte Damen im Keller nach S/M-Sex-Manier und in einem dialoglosen HC-Insert versucht Sylvia, ein gefesseltes Paar oral und manuell zu befriedigen und legt auch an sich selbst Hand. Sie nimmt den Penis in den Mund, doch dieser wird noch nicht einmal richtig steif. Ob das so beabsichtigt war…? Die sich anschließende Softsex-Szene ist nicht nur ebenfalls dialog-, sondern auch belanglos, jedoch lediglich das Vorspiel für eine Lesben-Softsex-Nummer zwischen Sylvia und der Baroness, die vom Baron beobachtet wird. Was bei diesem Adelsgeschlecht wirklich los ist, wird sich Sylvia erst bewusst, als sie die beiden dabei erwischt, wie sie einer Frauenleiche den Kopf abzutrennen versuchen. Den guten Bob plagen mittlerweile derartige Gewissensbisse, dass er Moira erwürgt – in Francos Welt offenbar ein logischer Schritt. Die Baroness wiederum bläst nun endlich zum Halali, vollzieht die Jagd auf die nackte Sylvia und frönt ebenfalls der Freikörperkultur. Das Tempo legt im Finale nun deutlich einen Zahn zu und handelt recht straff ab, wie Sylvia tödlich von einem Pfeil durchbohrt wird, Bob einschreitet und seinerseits die Gräfin erlegt und Baron Zaroff als stummer Beobachter verweilt. So wird er auch Zeuge, wie der verzweifelte Bob den Freitod im Meer wählt – mit Sylvia auf den Armen. Die zynische Pointe: Zaroff freut sich diebisch darauf, seine Frau zu verspeisen…

Ja, Francos Zaroff ist schon eine ambivalente Angelegenheit. Zu seiner Ehrenrettung muss jedoch angemerkt werden, dass die HC- und zumindest Teile der Softcore-Inserts und die Hotelzimmerszenen 1974 nachgedreht und nachträglich eingefügt wurden, weil der bis dahin unveröffentlichte Film dem Verleih anscheinend zu düster erschien. Die bedrohliche Stimmung des ursprünglich nur 73 Minuten langen Films sollte bewusst aufgeweicht werden. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen der gelungeneren Francos: Die sich stets sehr kultiviert gebenden Zaroffs residieren im architektonisch bemerkenswerten „Xanadu“-Gebäude des Architekten Ricardo Bofill, in dem ausschließlich Franco drehen durfte, was er zuvor bereits für „Sie tötete in Ekstase“ tat und später noch einmal für „Lolita am Scheideweg“ tun sollte. Franco glänzt mit einer durchästhetisierten Kameraführung und fängt überaus sehenswerte Bilder ein. Doch so schön die zeigefreudigen Schauspielerinnen hier auch sind, die Sexszenen fallen dagegen ab. Die vermutlich zu den nachträglich eingefügten zählenden Semi-Hardcore-Szenen offerieren mutmaßlich reale orale Stimulationen, von denen man aber nicht viel zu sehen bekommt: Entweder ist die furchtbar ungetrimmte ‘70er-Schambehaarung im Weg oder der männliche Part liegt eben auf seinem weiblichen Pendant und verdeckt so ebenfalls das Sichtfeld – das ist im wahrsten Sinne des Worte unbefriedigend und alles andere als erotisch gefilmt. Musikalisch gibt sich „Sexy Nature“ alias „La comtesse perverse“ abwechslungsreich, vornehmlich greift Franco indes wieder auf seine favorisierten Jazz-Klänge zurück. Die Musik wird während der finalen Nudistenjagd zwar bedrohlich und kontrastiert das anheimelnde Ambiente mit seinen sonnendurchfluteten Bildern, die Jagd an sich funktioniert aber nur bedingt als Herzstück oder Höhepunkt des Films, da sie nicht wirklich aufregend inszeniert oder ausgereizt wurde und doch ziemlich schnell vorüber ist – kein Vergleich zum Vorbild aus den 1930ern. Freunde des etwas anderen Erotik-Kinos längst vergangener Zeiten und derjenigen Werke, für die Franco offenbar von der Muse geküsst wurde, dürften dennoch auf ihre Kosten kommen, zumal auch schauspielerisch alles im grünen Bereich ist und der voyeuristische Baron Zaroff einmal mehr wie ein Alter Ego des Regisseurs erscheint, der große Freude an dieser Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin Lina Romay gehabt haben dürfte.
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Der Kühlschrank

„Ich möchte die Melonen prüfen!“

Für viele Menschen ist der Kühlschrank ein guter Freund. Er kühlt das Bier und hält, regelmäßige Befüllung vorausgesetzt, leckere Speisen bereit, die er zudem in ihrem Verfallsprozess durch Kühlung bremst. Für andere wiederum ist er – ironischerweise aus ganz ähnlichen Gründen – ein schlimmer Feind, eine Art Teufel, der permanent flüstert: „Öffne mich und verzehre meinen Inhalt! Du willst es! Du MUSST es!“ Manche stehen sogar nachts auf dafür. So wird er zum hartgesottenen Gegner im Kampf gegen das Übergewicht. Da erscheint es gar nicht so abwegig, dass US-Regisseur Nicholas Jacobs das Haushaltsgerät für seinen 1991er Horrorfilm „Der Kühlschrank“ zum Tor zur Hölle erklärte. Nicholas who? Nun, die IMDb listet darüber hinaus lediglich einige Beiträge zu TV-Serien, einen Kurzfilm, als bis dato letztes Werk jedoch auch die interessant klingende, satirische Action-Komödie „Weapon of Mass Destruction“ aus dem Jahre 2004 auf.

„Wir versuchen, den Köder vom Haken zu fressen, ohne gefangen zu werden!“

Eileen (Julia McNeal, „Blue Jean Cop“) und Steve (David Simonds, „Rejuvenator - Gib dem Teufel nie die Hand“) ziehen von Ohio nach New York. Die auserwählte Wohnung ist weitestgehend leer, mit Ausnahme eines alten klobigen Kühlschranks – und die Monatsmiete beträgt lediglich lumpige 200 Dollar. Eileen wird von einer unbekannten Frau (Phyllis Sanz) zwar noch gewarnt, dort einzuziehen, doch steht die Entscheidung längst fest. Fortan sieht sich das junge Paar einem Kühlschrank ausgesetzt, der offenbar ein Eigenleben führt…

„Zieh hier nicht ein!“

(Achtung: Die gesamte Handlung wird grob umrissen und somit gespoilert. Im Zweifelsfall erst ab dem vorletzten Absatz weiterlesen.)

Jacobs eröffnet seinen Film mit einem komödiantischen Prolog, in dem ein dicker Mann im fraglichen Appartement Sex mit einer jüngeren Dame hat. Der Adipöse scheint tot umzufallen, doch seine Gespielin will mehr. Bis der Kühlschrank dazwischenfunkt… Dieser heiter-geschmacklose Auftakt liefert deutliche Hinweise, dass Jacobs seinen Film nicht allzu ernst verstanden wissen will, wenngleich dieser mit dem eigentlichen Beginn der Handlung einen etwas grimmigeren Ton anschlägt – regelmäßig kontrastiert von diversen Albernheiten. Begleitet von Bildern multikulturellen Treibens auf den Straßen New Yorks und einem recht coolen Soundtrack träumt Steve von kleinen Männchen im Kühlschrank und findet dort am nächsten Morgen Nahrungsmittel, mit denen eigentlich niemand das Gerät gefüttert haben kann. Steve hat einen neuen Job und Eileen ist angehende Schauspielerin, die eine Einladung zu einem Vorsprechen hat – was sie dazu verleitet, schon einmal ihre Dankesrede für die Preisverleihung zu üben. In Sachen Psychoterror kommt der Kühlschrank wiederum erst so richtig in Fahrt, nachdem sich Eileen an dessen Eisklumpen verletzt hat: Die Ärmste hat unheimliche Visionen in der Küche und träumt auch nachts schlecht, Jacobs visualisiert ihre Alpträume vom Kühlschrank hübsch gruselig mit Embryos etc. Steve wird derweil mit den Schattenseiten des Big Apple konfrontiert, als er einen Autoreifen wechseln muss und daran verzweifelt.

„Ich glaub‘, er taut ab!“

Hauswart/Klempner Juan (Angel Caban, „Club War“) sucht die Wohnung auf – und tanzt erst einmal Flamenco. Dessen Kollege Paolo (Jaime Rojo) soll den Kühlschrank reparieren, bleibt allein im Appartement zurück und wird von der Weißware, äh, gefressen!? Dies geschieht unbemerkt von Eileen, die die unbekannte Warnerin als Schamanin wiedertrifft. Auch Steve ist dieser Zwischenfall entgangen. Wegen der starken Hitze will er mit Eileen Sex vor offener Kühlschranktür haben. Das Gerät leckt (nein, nicht so), ansonsten gibt es keine besonderen Vorkommnisse beim Beischlaf. Doch Eileen wird immer ganz anders zumute, wenn Steve davon redet, Kinder zu wollen und plötzlich steht auch noch Eileens Mutter (Nena Segal, „Trust - Blindes Vertrauen“) in der Tür. Sie tritt zunächst herrisch auf, heult anschließend Eileen jedoch etwas vor. Das währt indes nicht lange, denn der Kühlschrank verschlingt sie unbemerkt von ihrer Tochter.

„Dein Kühlschrank…“ – „Er ist das Tor zur Hölle!“

Als mehr oder weniger überraschenden Kniff hält Jacobs schließlich parat, dass sich die Schamanin und Juan kennen. Zusammen klären sie nun Eileen darüber auf, dass das Gerät ein wahrhaftiger Höllenschlund sei. Dass nun alle im Bilde sind, ändert nichts daran, dass sich Steve charakterlich zum Negativen verändert, offenbar unter dem Einfluss des Kühlschranks stehend. Eileen wird weiter von Alpträumen geplagt und findet sogar Leichenteile im Kühlschrank (womit jetzt keine Schweinshaxe o.ä. gemeint ist). Sie will das Gerät endlich loswerden und bittet Steve, es zu entsorgen, doch der weigert sich. Der Kühlschrank instrumentalisiert ihn gar, ihm Eileen darzubringen, doch diese wehrt sich und ersticht ihren Mann. Juan und Co. eilen herbei und fesseln den Kühlschrank, doch nun drehen sämtliche Haushaltsgeräte vollends durch und treiben die Splatter-Quote in krude Höhen. Im zynischen Epilog hat Vermieter Hector (Alex Trisano) noch einmal einen Auftritt, indem er die Bude putzt und auf neue Mieter wartet…

Horrorfilme, die rebellierende Haushaltsgegenstände und Elektrogeräte zum Thema haben, sind ja immer so eine Sache und verfügen nicht selten über einen nicht zu knappen Trash-Faktor, man denke an die Stephen-King-Verfilmung „Rhea M… Es begann ohne Warnung!“, Dich Maas‘ berüchtigten „Fahrstuhl des Grauens“ oder Ruggero Deodatos „Dial: Help“. Als man das „Der Kühlschrank“-Band aus einem Tauschschrank rettete und mir anbot, griff ich natürlich neugierig zu und fütterte meinen glücklicherweise friedlichen Videorekorder eines verkaterten Wochenendtags damit. Um zu erfassen, was sich daraufhin Buntes und Kurioses auf dem Bildschirm tat, war ich jedoch viel zu verschallert, weshalb ich die konzentrierte Sichtung vertagte. Dann jedoch erschloss sich mir der Film von Regisseur und Autor in Personalunion Nicholas Jacobs als bewusst überzeichnetes, augenzwinkerndes Trash-Kino, wie es häufiger Ende der 1980er bis Anfang der 1990er entstanden ist und heutzutage, da längst überdeutliche Ironisierungen ins Subgenre Einzug gehalten haben, sicherlich den einen oder anderen Zuschauer zu irritieren vermag. Zum einen existierten die ‘90er für Jacobs augenscheinlich noch nicht, fast alles hier unterliegt noch der ‘80er-Genre-Ästhetik. Zum anderen könnte der Film von manch Zuschauer als missglückter Versuch eines ernstgemeinten Horrorfilms mit komödiantischen Einlagen missverstanden werden, weil er eben nicht mit Selbstironie hausieren geht, als ginge es darum, jedem Unkundigen die Intention des Films daumendick aufs Brot zu schmieren.

„Der Kühlschrank“ ist gewiss nicht spannend im klassischen Sinne, doch in seiner Unberechenbarkeit interessant genug, um bei der Stange zu halten, aber nicht über alle Maßen abgedreht, dass er jeglichen roten Faden vermissen lassen würde. Zwar ist Jacobs‘ Low-Budget-Erstling bisweilen überzogen albern, atmosphärisch mau oder dreht sich in Sachen Story im Kreis, doch macht es durchaus Laune, den Laiendarstellern und No-Names dabei zuzusehen, wie sich durch die Sequenzen kämpfen. Mit teils surrealer Farbgebung und handgemachten Schmodder-Effekten griff man zudem angenehm tief in die liebgewonnene ‘80er-Trickkiste, wenngleich diesbzgl. noch einige Luft nach oben gewesen wäre. Freunde des Absurden und des schlechten Geschmacks dürfte „Der Kühlschrank“ sicherlich dazu animieren, zum Kühlschrank zu schreiten, sich ein kühles Getränk zu nehmen und sich angesichts des Films gemütlich aufs Sofa zu fletzen – oder aber auch, darüber zu sinnieren, ob Farin Urlaub dieses Werk wohl gesehen hat, bevor er den Song „Dusche“ schrieb...
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Jäger des tödlichen Jade

„Gott verhüte, dass uns der Alkohol ausgeht!“

„Jäger des tödlichen Jade“ alias „Die Jäger des Jade-Schatzes“ ist sleaziger Philippinen-Action-Horror-Trash oberster Kajüte, US-koproduziert und 1982 unter der Regie Edward D. Murphys entstanden, dessen einzige Regie-Arbeit neben dem drei Jahre jüngeren „Cambodscha Connection“ der Film bleiben sollte.

„Es ist eine der hässlichsten Inseln, die ich kenne!“

Auf der Geheiminsel „Warrior Island“ haust eine kannibalistische Mönchssekte (!), die ein Mädchenhändlerring regelmäßig mit Frischfleisch versorgt, im Austausch gegen wertvollen Jade. Als eine sich aus Karate-Sportlern (!) zusammensetzende Gruppe Kreuzfahrttouristen sich entschließt, dem mysteriösen Eiland einen Besuch abzustatten, werden zwei von ihnen während eines Puff-Besuchs (!) von Cooper (Mark Tanous, „The Demon – Der Teuflische“), Chef der Menschenhändler, belauscht, der sie mittels eines Angriffs auf das Schiff davon abzuhalten versucht. Doch die Überlebenden können sich auf die Insel retten – wo sie es u.a. mit Kung-Fu-Zombies (!!!) zu tun bekommen...

„Nimm deine Wichsgriffel von mir weg, du Arschloch!“

Die Inhaltsangabe sollte man sich zunächst einmal auf der Zunge zergehen lassen – und muss anschließend verkraften, dass es sich bei „Raw Force“ (so der Originaltitel) mitnichten um einen ironischen Augenzwinkerer, eine Genre-Satire oder -Parodie oder freiwilligen Trash handelt. Murphy & Co. haben ihren Film offenbar als ernstgemeinten Beitrag zum Grindhouse- und Bahnhofskino verstanden und lassen direkt im Prolog eine Frau auf der schlimmen Insel durch einen Schwertkrieger ermorden. Die folgenden Szenen auf dem Kreuzfahrtschiff gestalten sich indes eher komödiantisch; kurze Zeit später gönnt man sich den verhängnisvollen Puffbesuch in Manila, an den sich eine Razzia anschließt. Der Zuschauer bekommt dadurch zahlreiche unbekleidete junge Exotinnen zu sehen, der Sleaze-Gehalt schnellt in die Höhe. Karate-Kloppereien in einem Nachtclub scheinen auch zum Berufsalltag zu gehören und so strippt die Nackttänzerin einfach unbeeindruckt weiter, als böse Buben den Kapitän (Cameron Mitchell, „Blutige Seide“) entführen wollen. Was auf virtuellem Papier nach einem rasanten Einstieg klingt, wird spätestens nach einer halben Stunde mittels einer Art schlüpfriger Variante von „Love Boat“ und alberner Dialoge bemüht gestreckt, als die verschiedenen Fahrgäste miteinander, nun ja, anbändeln.

„Das hier ist wohl so was, was man ein total ausgeflipptes Dschungelfest nennt!“

Nicht zeitschinderisch, sondern physisch brutal wird’s schließlich wieder, als Schläger mit Hakenkreuzhelmen (!) das Schiff überfallen, was Murphy zum Anlass für minutenlange, zugegebenermaßen anständig choreographierte Kloppereien nimmt, unter die sich auch eine Kampfsportlerin mischt. Letztendlich mündet die Martial-Arts-Einlage im flammenden Inferno, denn der Dampfer wird kurzerhand abgefackelt. Hitlerbart- und Scheitelträger Cooper empfängt die auf der fraglichen Insel Gestrandeten und lässt schnell eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass er nicht zu Späßen aufgelegt ist. Zum Inselfinale nimmt der Film dann noch mal ordentlich Fahrt auf, von einer Schießerei auf einem Kung-Fu-Friedhof (!) über Pläne, die Touris gegen den Champion der Mönche kämpfen zu lassen bis hin zur Zombie-Beschwörung, die sie aus ihren Gräbern steigen lässt und einer avisierten Frauenopferung löst Murphy gewissermaßen alle Versprechen ein, die die Inhaltsangabe machte. Die Zombieszenen laufen in Zeitlupe ab, es wird noch einmal kräftig gekämpft und aus der Trickkiste kommt eine nette Zombieenthauptung, bis schließlich jemand zu Fischfutter verarbeitet wird wie weiland unter Joe Dante.

Solche Genre-Crossover sind ja oftmals ein schwieriges Unterfangen, und dieser Film ist ein Paradebeispiel dafür: „Die Jäger des tödlichen Jade“ hat nicht nur Probleme mit dem Genitiv-S, sondern funktioniert weder als Kampfsport-Actioner mit Abenteuer-Elementen noch als Horrorfilm und schon gar nicht als Sleaze-Bolzen, zu unmotiviert wirken sämtliche Versatzstücke aneinandergereiht. Die Knalllchargen von Darstellern* stolpern durch den schwachsinnigen Plot, der zu keiner Sekunde auch nur annähernd ernstzunehmen ist und die holprige Dramaturgie lässt keinerlei Spannung oder Thrill aufkommen, lebt ausschließlich von ihren „What the Fuck?!“-Momenten – die das Trash-Barometer allerdings regelmäßig zum höchsten Ausschlag bringen. Darin liegen dann auch die eigentlichen Qualitäten dieses unfassbaren Flickwerks begründet, das einem geeichten Publikum damit viel hämische Freude bereiten dürfte. Unter diesen Gesichtspunkten kann sich ein Abstecher nach „Warrior Island“ durchaus lohnen, vorausgesetzt, man hat ausreichend alkoholhaltigen oder bewusstseinserweiternden Proviant an Bord...

*) ausgenommen Cameron Mitchell, der seiner Filmographie hiermit ein weiteres Trash-Werk hinzufügte, wie es in seinem Karriereherbst häufiger zu beobachten war
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Adaption.

Der US-Drehbuchautor Charles Kaufman debütierte 1999 mit der gefeierten schrägen Komödie „Being John Malkovich“, die Spike Jonze als Regisseur verfilmte. Nach „Human Nature – Die Krone der Schöpfung“ sollte er erneut mit Jonze zusammenarbeiten: Es galt, Susan Orleons Buch „The Orchid Thief“ für ein Drehbuch zu adaptieren. Kaufman litt jedoch unter einer Schreibblockade, weshalb er eben diese kurzerhand zum Mittelpunkt seines Buchs machte. Das Ergebnis war die Dramödie „Adaption.“, die 2002 uraufgeführt und ein semi-autobiographischer Film übers Drehbuchschreiben wurde:

Charlie Kaufman (Nicolas Cage, „Arizona Junior“) verdient sein Geld als Drehbuchautor und verfolgt den Anspruch, hollywoodtypische Klischees zu vermeiden, stattdessen der Vorlage gerecht zu werden, aber ohne sie schlicht nachzuerzählen. Mit diesem Vorsatz versucht er auch, sich seinem jüngsten Auftrag zu nähern, der Leinwand-Adaption von Susan Orleans (Meryl Streep, „Jenseits von Afrika“) „Der Orchideendieb“. Doch die Biographie über den Orchideen-Fanatiker John Laroche (Chris Cooper, „American Beauty“) stellt ihn vor eine nahezu unlösbare Aufgabe, weiß er doch nicht, wie er ihr gerecht werden könne. Charlie entwickelt eine ausgeprägte Schreibblockade, bei der ihm sein arbeitsloser Bruder Donald (Nicolas Cage, „8MM – Acht Millimeter“), mit dem ein Appartement teilt, keine große Hilfe ist. Dieser versucht sich mithilfe des Tutors Robert McKee (Brian Cox, „Ring“) ebenfalls an einem Drehbuch, das sich zum exakten Gegenteil von Charlies Ansprüchen entwickelt und zu allem Überfluss auch noch ein voller Erfolg wird. Entnervt und verzweifelt avanciert Charlies Skript zu einem Buch weniger über Laroche als vielmehr über sich selbst und die Herausforderung, eben jenes Drehbuch zu verfassen. Schließlich nimmt Charlie doch Donalds Hilfe an und dramatisiert den Stoff. Als er zu diesem Zwecke Susan Orlean zu beobachten beginnt, kommt er ihrem Verhältnis zu Laroche und einem schmutzigen Geschäft auf die Spur...

Ein weiterer Meta-Film also, ein Film über Filmemachen? Im Prinzip ist „Adaption.“ das und doch auch wieder nicht, vielmehr eine satirisch anmutende Reflektion über Kaufmans Arbeit im Speziellen und die Herausforderungen von derartigen Adaptionen im Allgemeinen. So wie John Malkovich ein Zerrbild seiner selbst in Kaufmans Debüt spielte, so schreibt Kaufman über eine Interpretation seines eigenen Charakters, den er von Nicolas Cage in einer Doppelrolle verkörpern lässt – denn Charlies fiktiven Zwillingsbruder übernimmt dieser gleich mit. Er hält dem Publikum einen Spiegel vor, wenn er sein Alter Ego mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers hadern lässt und entwirft in Person Donalds einen ungleichen Zwilling, der seinem eigenen (filmischen) Charakter in sämtlichen Belangen entgegensteht: Bei Donald gibt es von Selbstzweifeln keine Spur, er lebt in den Tag hinein und mit seiner anspruchslosen, unbedarften Herangehensweise an sein Projekt hat er aus dem Stegreif den finanziellen Erfolg, der Charlie hinter seiner künstlerischen Integrität nur sekundär interessiert.

Da ja das Gegenteil exakt dieses Films Gegenstand der Handlung ist, mutiert diese schließlich in sich augenzwinkernd den Hollywood-Regeln entlang hangelnde Absurditäten, inmitten derer sich Charlie und Donald wiederfinden. Mit dieser Doppelbödigkeit erschafft sich der Film-Charlie nicht nur seine eigene Welt, sondern wird zudem die Macht des Drehbuchs bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom immerwährenden Spagat zwischen Vorlagentreue, Eigeninterpretation und Vermarktungspotential demonstriert. Auf diese neuartige Weise erfährt der aufgeschlossene, „Adaption.“ entsprechend einordnende Zuschauer eine Menge über den kreativen Prozess des Drehbuchschreibens, kommerzielle Zwänge und nebenbei auch noch etwas über Orchideen, die Gegenstand fanatischer Sammelwut und eine Wissenschaft für sich sind. Zudem wird auf selbstironische Weise eine Lanze für Erzählstimmen gebrochen, die viel zu undifferenziert gemeinhin als billiges Stilelement verpönt werden, richtig eingesetzt jedoch pointiert Einblicke in die Gedankenwelt von Protagonisten erlauben, ohne dass dieser sie durch entsprechende Handlungen auszudrücken versuchen müsste, zudem auch unter Verzicht auf klassische Dialoge für „laute“ Momente wie Drama und Pathos sorgen können. Auch „Being John Malkovich“ zu zitieren ließ man sich nicht nehmen, indem die Handlung vermeintliche Szenen vom Set integriert und auf Kaufmans vorausgegangenen Independent-Erfolg verweist.

Dass Nicolas Cages Schauspielqualitäten stark abhängig von Rolle und Regisseur sind, darf er drei Jahre nach Scorseses fulminantem „Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung“ insbesondere in seiner Doppelrolle unter Beweis stellen und seine Kritiker Lügen strafen, die in ihm einen mimisch eingeschränkten Overacter sehen. Im Prinzip sind beide Rollen gegen Cages Strich gebürstet und was er Charlie an Tiefe verleiht, bekommt Donald als Oberflächlichkeit ab, mal tragisch, mal komisch, oft beides. Dass das Gespann Kaufman/Jonze ein glückliches ist, beweist auch die übrige Besetzung mit einer koketten Meryl Streep sowie weiteren namhaften Schauspielern. „Adaption.“ ist originelles, intelligentes Kino übers Kino und dessen Mechanismen sowie über Kaufman selbst, das ironischerweise genau in dem Moment in Schauwerte, Action und große Gefühle verfällt, als es sich zu sehr um sich selbst zu drehen und die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu verlieren droht – der sich im Idealfall dadurch ein Stück weit selbst erkennt, ohne dass Kaufman ihn beleidigen würde. Vielleicht nicht so inspirierend, wie es aufgrund der Thematik denkbar gewesen wäre, vor allem aber bei weitem nicht so schöngeistig und arrogant, wie es evtl. zu befürchten galt. Im Gegenteil: „Adaption.“ macht auch – oder gerade dann? – Spaß, wenn man seine Entstehungsgeschichte nicht kennt, ihn sich ohne jedes Vorwissen ansieht und erst im Nachhinein die Umstände und Zusammenhänge recherchiert.
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Jungle Warriors

„Hier unten halten sie mich für einen Gott!“

Überlieferungen zufolge sollte eigentlich ein gewisser Billy Fine die Regie der deutsch-mexikanischen Koproduktion „Jungle Warriors“ übernehmen, letztlich oblag es jedoch Ernst R. von Theumer („Ich, die Nonne und die Schweinehunde“), den Stoff zu verfilmen – das Ergebnis aus dem Jahre 1984 ist Actiongülle per definitionem, schundiges Videothekenfutter, unfreiwilliges Trash-Kino für die schnelle Mark, wie es schon lange nicht mehr gemacht wird.

„Soweit ist doch alles in Ordnung, oder?“

Im Dschungel am Amazonas soll ein großangelegter Drogendeal über die Bühne gehen. Drogenboss Vito Mastranga (John Vernon, „Dirty Harry“) stattet zu diesem Zwecke Drogenbaron Cesar Santiago (Paul L. Smith, „Pieces - Stunden des Wahnsinns“) einen Besuch ab. Die das Gebiet gerade überfliegende, sich zusammen mit Produzent Larry (Marjoe Gortner, „Star Crash“) und Fotografin Joanna (Nina Van Pallandt, „Der Tod kennt keine Wiederkehr“) auf dem Weg zu seinem Foto-Shooting befindenden Gruppe Models ist Cesar nicht geheuer, weshalb er sie kurzerhand abschießen und einkerkern lässt. Doch die wehrhaften Damen können sich befreien…

„Alles Scheiße, was ich hier mache!“

Schon der von rauer Frauenstimme mal gehauchte, mal geschriene Titelsong weiß zu begeistern und im Anschluss hält sich von Theumer nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf: Da wird ein Funker überfallen und mit Pfeilen erschossen, wilde Schießereien entbrennen, aus einem Opfer wird vor dessen Tötung ein Name herausgepresst. Doch dann: Schnitt, Produzent Larry reist ein, mittels einer Fotosession wird die Handlung kräftig gestreckt und nebenbei erfährt der Zuschauer, dass es sich bei den Eröffnungsszenen um eine missglückte Falle der Polizei handelte. Nach dem Abschuss der Models und Modetypen durchpflügt die garstige Paramilitärtruppe aus dem Prolog, angeführt von Woody Strode („Der Mafiaboss – Sie töten wie Schakale“) in Tarnhose und sich als Privatarmee Cesars entpuppend, nach den Flugbrüchigen. In einer deftigen Szene wird Larry von einer Falle aufgespießt, der Rest wird gefangengenommen und zur Audienz bei Cesar geladen.

„Vorsicht, Handgranate!“

Die Stimmung ist angespannt, denn das Drogenkartell vermutet Spione. So wird auch schnell mal jemand (sehr grafisch) einen Kopf kürzer gemacht, während sich andere Folter und Vergewaltigungen ausgesetzt sehen. Doch bevor der Streifen allzu sehr in Richtung Women-in-Prison-Schmuddelfilmchen tendiert, können sich die leichtbekleideten Modelle befreien und mit wilden, teils arg unglaubwürdigen Schießereien geht es unzweifelhaft zurück in Richtung Action, Action und nochmals Action.

„Das Essen verlief überraschend angenehm.“

Alle gegen alle, lautet schließlich das Motto. Unter die Fotomiezen hatte sich tatsächlich eine Geheimdienstlerin gemischt, die den C.I.A. auf den Plan ruft. Handlung und Regie legen nun verstärkt ihren Fokus auf vom Bud-Spencer-Double Smith einmal bartlos gespielten Cesar, der sich schließlich überaus respektabel mit seinen Fäusten verteidigt und den Abgang seiner Schwester und Geliebten (!) Angel (Sybil Danning, „Der flüsternde Tod“) lapidar mit „Sie war bloß meine Halbschwester…“ kommentiert. Im Showdown gibt er einen herrlich grimmigen Bärbeiß, reißt jemanden samt Tür aus einem Hubschrauber und lässt ihn von den Rotorblättern zerhäckseln. Ok, neben Cesars fieser Fresse bekommt man lediglich ein paar Blutspritzer zu sehen, doch es ist die Idee, die zählt.

„Jungle Warriors“ alias „Euer Weg führt durch die Hölle“ ist weit davon entfernt, einen über reine Guilty-Pleasure-Unterhaltung hinausgehenden Anspruch zu entwickeln, macht jedoch dankenswerter nicht den Fehler manch anderen Actiongülle-Vehikels, sich im Reaktionären oder in Rassismen zu verlieren, wenngleich auch hier kräftig in die Klischeekiste gegriffen wird. Vielmehr zelebriert von Theumer heillos übertrieben-doofes Kawumm-Kino des schlechten Geschmacks mit schmierigem Sleaze-Faktor, das zu keiner Sekunde ernstzunehmen ist und mit seinen schablonenhaften bis dümmlichen Charakteren und seinen Zeitschindereien nervt, was er mit einer Vielzahl Explosionen und einer Handvoll kruder Szenen ebenso entschuldigt wie mit einem feildrehenden Paul L. Smith, der entweder sichtlich in seiner Rolle aufging oder eine Mordswut aufs Filmteam hatte, die er mit seiner Rolleninterpretation kompensierte.
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Die Jagd der goldenen Tiger

„Sie ist ein sehr hübsches Mädchen – aber sie weiß zu viel!“

Die deutsch-österreichische „Lisa-Film“-Unterhaltungsfilmproduktion beauftragte 1984 Helmut Ashley („Das Rätsel der roten Orchidee“) mit der Regie des in Indonesien gedrehten Abenteuer-Actionfilms „Danger – Keine Zeit zum Sterben“, der später in gekürzter Form für den Heimvideomarkt als „Die Jagd der goldenen Tiger“ ausgewertet wurde.

Das Trio Ted Barner (John Phillip Law, „Von Mann zu Mann“), Ratno Lesmana (Barry Prima, „Der Todesschrei der Kannibalen“) und Martin Forster (Horst Janson, „Captain Kronos – Vampirjäger“) transportiert für den Industriekonzern MIC eine Geheimentwicklung, genauer: eine neu entwickelte Laser-Kanone für finale Tests per Lkw nach Ketawangi auf der Insel Java. Doch die Konkurrenz schläft nicht und kämpft mit harten Bandagen: Das Unternehmen Protex will die Waffe in ihren Besitz bringen und setzt zu diesem Zwecke Mr. Gull (Christopher Mitchum, „Faceless“) und dessen Partner Jan von Clef (Winfried Glatzeder, „Die Legende von Paul und Paula“) auf den Transport an. Man kennt sich: Von Clef ist ein ehemaliger Kompagnon Barners. Reporterin Judy Staufer (Grazyna Dylong, „Der blaue Klang“) schaltet sich ebenfalls ein und als eine fünfzehnköpfige Gruppe Bergleute, zu denen Forsters Bruder Thomas (Eric Moss, „Julius geht nach Amerika“) zählt, in einer Kupfermine verschüttet wird, kann sie nur noch die Laser-Kanone retten. Von nun an zählt jede Minute…

Verfolgungsjagden, Stunts, Kneipenschlägereien, noch mehr Stunts, Explosionen, ungefähr in dieser Reihenfolge – die erzwungene Genrezuordnung auszumachen fällt nicht schwer. Das Transport-Trio wird von Motorradfahrer Handoko (Advent Bangun, „Devil’s Sword“), später von von Clef mit Jeeps durch den Dschungel verfolgt, schließlich gar per Helikopter, dem Judy entsteigt. Diese findet Gefallen an Janson alias Forster und schließt sich dessen Team an. Als sich die Handlung erstmals als reichlich marginal erweist und in ungepflegte Langeweile abzurutschen droht, will ein Pablo die Verfolger „von hinten aufmischen“, was diese mit seiner Erschießung quittieren. In einem Dorf werden die tapferen Recken überfallen und müssen sich Schlägereien und Messerstechereien mit den Angreifern liefern. Doch all das bringt sie ebenso wenig von ihrer Mission ab wie eine Landmine, die kurzerhand entschärft wird. Als Elixier unserer Draufgänger dient eine Schnapspulle, aus der sie gern mal einen kräftigen Schluck nehmen und die sie ihre „Milch“ nennen.

Jene „Milchbubis“ bestehen sodann auch weitere Action-Szenen, für die Ashley & Co. die Härte etwas weiter anzogen und haben stets lockere Sprüche auf den Lippen. So klopft man sich gern auch mal chauvinistisch durch bis zum aufdringlichen Happy End, das als letzte Einstellung ein fast schon gruseliges Bild bietet, in dem Dylong und Jason um die Wette zahnpastalächeln. Nein, die genretypische Anhäufung von Action und die evtl. zu erahnende Inspiration durch den Klassiker „Lohn der Angst“ täuschen nicht darüber hinweg, dass „Die Jagd der goldenen Tiger“ ein reichlich schwachbrüstiger Vertreter seiner Zunft ist, nach dem heute zurecht kein Hahn mehr kräht. Spannung will allein schon aufgrund der kaum ernstzunehmenden Handlung keine aufkommen, die Actionszenen sind Standardware und eine wirkliche bedrohliche Atmosphäre bleibt ebenfalls außen vor, zumal „Schwarzwaldklinik“-Komponist Hans Hammerschmid den Film vornehmlich mit belangloser Fahrstuhlmusik unterlegte, die wenn überhaupt das Ambiente betont, das zwar exotisch, jedoch sicherlich keine Urlaubsidylle ist. Mit ihrer ebenso bemühten wie überbetonten Lässigkeit, wie sie natürlich seinerzeit en vogue war, fallen Janson, Law und Konsorten bald auf die Nerven und ihr Machismo erinnert mehr ans „Traumschiff“ als an knallharte Dschungel-Action. Auch die Antagonisten reißen da nichts heraus und bleiben flach; Law (hier übrigens synchronisiert von „Alf“-Stimme Tommy Piper) tendiert zum Overacting, sein Rivale Mitchum wie gewohnt zum krassen Gegenteil, während es für die Polin Dylong nach diesem ihrem Spielfilm-Debüt auch nicht zur größeren Schauspielkarriere langte. Krudelität, Sleaze oder sonst irgendetwas wirklich Aufsehenerregendes sucht man hier, vielleicht einmal abgesehen von der internationalen Besetzung, vergebens, so dass der Film zu einer schließlich auch noch zum Kitsch neigenden Geduldsprobe statt zu wiederentdeckungswürdiger Deutschploitation gerät. Drittklassige Genre-Ware der uninspirierten Sorte, die unspektakulär vor sich hin plätschert.
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Und dann gab's den hier noch mal:

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Klass
Joseep (Pärt Uusberg), ein estnischer Schüler mit leicht autistischen Zügen, wird von seiner ganzen Klasse nur als "Freak" angesehen und ist Ziel ständiger Hänseleien. Sein Mitschüler Kaspar (Vallo Kirs) will dies nicht mehr mit ansehen und verteidigt Joseep fortan. Dies bringt die Klassenanführer jedoch nur noch mehr in Rage. Während die Erwachsenenwelt hilf- bzw. verständnislos agiert, entsteht eine Spirale der Gewalt...
„Ich sterbe nicht. Euch zum Trotz. Ich sterbe nicht.“

Die Schulzeit – ein Lebensabschnitt, auf den viele gern zurückblicken als eine Zeit der jugendlichen Unbedarftheit, des Abenteuers und des Spaßes, der Ernst des Lebens noch weit entfernt. Für einige jedoch wird diese Zeit schnell zur Hölle auf Erden: Außenseiter, die zu Opfern systematischen Mobbings werden, dem sie nicht aus dem Weg gehen können, da der Terror von der eigenen Klasse ausgeht.

In Zeiten, in denen auch in Europa immer mal wieder Außenseiter an Schulen Amok laufen und schwer bewaffnet scheinbar wahllos mit Papis Gewehren in die Menge feuern, sind anschließend in der Regel alle schwer entsetzt, betroffen und um Erklärungsversuche bemüht. Der estnische Spielfilm „Klass“ aus dem Jahre 2007, anscheinend bis dato das einzige Werk von Regisseur Ilmar Raag greift dieses heikle Thema auf und zeigt anhand dramatisch verlaufender sieben Tage, was sich normalerweise über Monate oder gar Jahre aufstaut und ankündigt.

Joseep (Pärt Uusberg) wurde ungefragt zum Prügelknaben seiner Schulklasse ausgewählt, unter der Rädelsführung sportlicher, tyrannischer Typen wird er systematisch psychisch wie physisch gedemütigt. Die Begründung lautet lapidar, dass er ein „Freak“ wäre; selbst sich viel mehr selbst als „Freak“ gebende Mitschüler stimmen in diese Rechtfertigung mit ein, die einfach unhinterfragter Konsens ist, während Gleichgültigkeit regiert. Während Joseep längst resigniert und sich in seine Rolle eingefügt hat, auf die er bisweilen gar mit zynischem Humor reagiert, bricht Kaspar (Vallo Kirs) hingegen dieses ungeschriebene Gesetz und nimmt sich seines gepeinigten Klassenkameraden an – mit fatalen Folgen.

In komprimierter Form zeigt Raag den unbarmherzigen Vernichtungsfeldzug, dem Joseep und Kaspar ausgeliefert sind, geht dabei auch auf die erschreckenden Rollen der Lehrer und Eltern ein, die die Lage vollkommen verklären, ihr mit Desinteresse begegnen oder durch ihr Verhalten alles nur noch schlimmer machen und zeichnet eine besorgniserregende Gruppendynamik inklusive der Gefahren, der couragierte Mitmenschen ausgesetzt sind, nach, wie sie nicht nur auf den Mikrokosmos einer Schulklasse beschränkt täglich tausendfach stattfindet. Dabei kann er sich auf seine ambitionierten Jungdarsteller 100%ig verlassen, die den Film in seinem semidokumentarischen Stil tragen und fast durchgehend glaubwürdig agieren. Mit dem Einsatz leicht verfremdender Kameratechniken und Filmmusik lässt Raag nie einen Zweifel an der Fiktion seines Films, ohne aber jemals den Realitätsbezug aufzugeben.

Perfiderweise lässt Raag sein Publikum so starke Empathie für Joseep und Kaspar entwickeln, dass dieses nach Art eines Revenge-Movies im erahnbar unausweichlichen Finale mit ihnen während ihres verzweifelten Befreiungsschlag zweier Menschen, die glauben, nichts mehr zu verlieren zu haben, mitfiebern, ja richtiggehend hoffen, die Täter mögen ihre gerecht erscheinende Strafe erhalten. Der Zuschauer wird zum Komplizen eines Amoklaufs gemacht! Das ist starker Tobak, der erst einmal verdaut werden will und sich lange im Gedächtnis festsetzen dürfte. Die mögliche Skandalträchtigkeit wird geschickt umschifft, indem zwar für Verständnis im Sinne einer möglichen Erklärung für derartige Taten geworben wird, ohne auch mit nur einer Silbe selbige zu rechtfertigen. Der Stil des Films verhindert dies, die Bewertung, die ethische Einordnung bleibt dem Zuschauer überlassen. Dramaturgischer Höhepunkt des konsequenten, trotz Vorhersehbarkeit des Ausgangs immens fesselnden Films ist die über den Amoklauf hinausgehende deftige Schlusspointe, die sofort weitere Fragen aufwirft.

Zu guter Letzt habe ich lediglich einen wirklichen Kritikpunkt an dieser durch ihren pessimistischen Realismus mahnenden Sozialstudie: Um Menschen so weit zu bringen wie Joseep und Kaspar braucht es nicht unbedingt physische Vergewaltigungen und Waffengewalt seitens der Täter bzw. späteren Opfer, wie hier im Verlaufe der Zuspitzung der zur völligen Eskalation führenden Ereignisse geschehen– ein Verzicht zugunsten stärkerer Subtilität, der Mut zu mehr Psychoterror, hätte „Klass“ zu einem brillanten Meisterwerk veredelt, evtl. aber etwas von seiner Plakativität eingebüßt, die möglicherweise für einfachere Gemüter zum Verständnis des Films vonnöten ist.
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Picknick in Ghost City

„Du weißt, er liebt Geisterstädte!“

„Picknick in Ghost City“ ist ein US-amerikanischer Okkult-Horrorstreifen aus dem Jahre 1989, der offenbar die einzige Regie-Arbeit Michael Hawes‘ blieb. Die IMDb listet jedoch mit „Terror in Sutterville“ eine australische, zwei Jahre ältere Produktion desselben Regisseurs ohne weitere Infos, bei der es sich, wenn sie denn existiert, um einen Vorläufer oder eine Kurzfilmversion dieses Films handeln könnte.

„Gott hat gar nichts damit zu tun!“

Familienvater Tom Andrews (Mel Novak, „Die Macht der Fünf“) wird von Alpträumen geplagt, die ein okkultes Ritual beinhalten. Die Träume scheinen in Zusammenhang mit dem Ort Sutterville in Nevada zu stehen; einer Geisterstadt, in der vor 40 Jahren eine Teufelssekte ihr Unwesen trieb, die schließlich komplett ausgelöscht wurde. Ausgerechnet an Heiligabend will Tom seinen Alpträumen auf den Grund gehen und reist zusammen mit seiner Familie nach Sutterville, wo er auf einen seltsamen, mit überirdischen Mächten im Bund zu stehen scheinenden Delinquenten (Ken Corey) trifft, der es auf seinen Sohn Billy (A.J. Woods) abgesehen hat – und eigentlich längst tot sein müsste. Na, dann: Fröhliche Weihnachten!

„Warst du schon mal bei den Rattenärschen im Konzert?“

Hawes zeigt dem Zuschauer zunächst einmal alte Schwarzweiß-Fotos von Arbeitern, die nahtlos in ebenfalls farblose Ritualszenen übergehen, welche den Anschein einer Rückblende erwecken, sich aber als visualisierter Alptraum Toms herausstellen. Auf dem nach Sutterville steht demonstrative Familienidylle auf dem Plan; im Auto wird vergnügt gesungen, während der nervöse Großvater (John Andes, „Karate Tiger“) es kurioserweise vollqualmt (so war das damals; kein Auto war knackevoll und kein Mitfahrer jung genug, dass nicht noch diverse Glimmstengel inhaliert werden konnten). In Sutterville will der Sheriff derweil einen mysteriösen Fremden verhaften, doch dieser macht sich kurzerhand unsichtbar. Damit nicht genug, er verfügt anscheinend auch über telepathische Fähigkeiten und tötet die Frau des Sheriffs. Nachdem es endlich gelungen ist, ihn festzusetzen, bringt er seinen Zelleninsassen um und entkommt. Der kleine Billy bekommt von all dem nichts mit und folgt einem blinden Mädchen. Während sein Vater davon träumt, seine Familie zu erschießen und immer mehr unter einen fremden Bann zu geraten scheint, begibt sich Toms Frau Kathy (Pam Phillips, „Crazy Legs“) auf die Suche nach Billy und kämpft schließlich um dessen Leben.

„Was zur Hölle isst du da eigentlich?“ – „Dauerlutscher!“ – „Ich würde da kotzen.“

Der Fremde stellt sich nämlich als niemand Geringerer als Toms Vater heraus, dessen irdisches Leben von 1925 bis 1948 weilte, der Teil der damaligen Teufelssekte war und der nun Billy opfern will. Wenig überraschend waren Toms Träume eben doch so etwas wie eine Rückblende, illustrierten sie schließlich, was damals geschah. Hawes arbeitet nach der Familienankunft in Sutterville mit Point-of-View-Einstellungen, die suggerieren, dass Tom samt Anhang beobachtet werden und versucht, mittels einer fremdartigen Geräuschkulisse eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen, was nur bedingt gelingt, weshalb auch er wieder auf das Genre-Klischee des entfesselten Unwetters zurückgreift. Man versucht sich an Spannungs- und Suspense-Szenen, liefert sich fragwürdige Dialoge, aber auch ein paar schöne Bilder, die im Kontrast zum billigen Schnitt und schlecht choreographierten Kampfszenen stehen. Überraschend krude ausgefallen ist die einzig nennenswerte Splatterszene des Films, in der Tom jemanden mit einem Holzkreuz durchbohrt.

Diese heftige Gewalteruption lässt endlich einmal Freunde der gröberen Kelle frohlocken, steht jedoch auch symbolisch für den bürgerlich-spießigen Unterton des Films, der in seiner Waffenversessenheit, Überbetonung des Familienbunds und, trotz oder gerade wegen des okkulten Aufhängers, pro-christlichen religiösen Ausrichtung wie zugeschnitten auf den gesellschaftlich konservativen US-Mainstream wirkt – ohne ihn indes zu erreichen, denn dafür ist die Handlung (Familienvater reist an Heiligabend mit seiner kompletten Familie inkl. kleinem Kind in gefährliche Geisterstadt) viel zu hanebüchen und schundig und das Ergebnis insgesamt zu holprig, wozu auch die recht steife schauspielerische Leistung Mel Novaks beiträgt (während Antagonist Ken Corey interessanterweise bisweilen ein wenig von Klaus Kinski hat). Der übrigens trotz seines saisonalen Bezugs kein bisschen winterliche Film hat dann zumindest noch eine nette Pointe im Epilog in die Waagschale zu werfen, was auch seinen Anteil daran hat, einen Genre-Aficionado wie mich letztendlich milde zu stimmen. Die Chance, einen sarkastischen Weihnachts-Horrorfilm zu drehen, der die alljährliche Familienzusammenkunft aufs Korn nimmt, hat Hawes jedoch verspielt. Zwar hat mich das „Picknick in Ghost City“ nicht gesättigt, als nährstoffarmer Snack aber reicht’s irgendwie gerade noch so zum Durchschnitt.
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