bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Die Rache des Einarmigen

„Ein Mensch, dessen Seele stark ist, ist unverwüstlich!“

„Die Rache des Einarmigen“ ist einer dieser philippinischen Action-Klopfer, die in den 1980ern ihren Weg in die deutschen Videotheken fanden. Die Regie des 1983 veröffentlichten Films führte Bobby A. Suarez („Superboy – Stärker als 1000 Sonnen“).

„Das wird ein ernstes Gespräch – verzieht euch!“

Manila: Ein kleinwüchsiger Informant aus dem Drogenmafiamilieu wird in einer Telefonzelle erledigt. Der frisch verheiratete Interpol-Agent Ramon Ortega (Franco Guerrero, „Operation Overkill“) wird auf den Fall angesetzt und wittert einen wichtigen Zeugen, der jedoch in einer Schießerei auf einem Flugplatz sein Leben lässt. Nichtsdestotrotz deutet alles darauf hin, dass Drogenbaron Edwards (Nigel Hogge, „Manila Tattoo“) der Drahtzieher hinter den Kulissen ist. Aus ermittlungstaktischen Gründen behauptet Ortega diesem gegenüber, er befinde sich im Besitz des Tagebuchs des Toten, das ziemlich sicher eindeutige Beweise enthalte. Obwohl es sich lediglich um eine Finte handelt, überfällt ein Killerkommando Edwards‘ Ortega, foltert ihn und versucht so, besagtes Tagebuch aus ihm herauszupressen. Da er aber nichts aushändigen kann, was nicht existiert, tötet man vor seinen Augen seine Frau Ann (Jody Kay, „Death Screams“) und schlägt ihm mit einem Schwert einen Arm ab. Ortega durchleidet daraufhin eine schwere Krise und verfällt dem Alkohol, bevor er sich wieder aufrappelt und im Martial-Arts-Camp seines Freunds Wo-Chen das Kämpfen neu erlernt. Er hat Rache geschworen und will Edwards und dessen Schergen zur Rechenschaft ziehen – gnadenlos.

„Sie haben immer noch Ihre Seele, nicht wahr? Und Sie haben noch ihren rechten Arm!“ (Das Glas ist nicht halbleer, sondern halbvoll!)

Eine schmissige Synthie-Funk-Titelmelodie führt nach dem Telefonzellen-Prolog in den Film ein, dessen drastische, böse Szenen des Überfalls auf Ortega, seiner Verstümmelung und des Mords an seiner Frau bewusst den Hass des Zuschauers schüren, der den Helden im Anschluss bis zur Katharsis begleiten darf. Dabei drosselt Suarez zunächst das Tempo und zeigt einen leidenden Ortega, was diesen menschlich und nicht als gefühlskalte Killermaschine erscheinen lässt. Wo-Chen spricht ihm am Krankenbett Mut zu, doch nach seiner Entlassung wird Ortega betrunken in eine Straßenschlägerei verwickelt und verprügelt. Er ist ganz unten. Ein beliebtes Motiv in Eastern und Fernost-Actionern ist die innere Reinigung und vor allem körperliche Aufrüstung, eine Art „Neugeburt“ durch Askese und bedingungslose Selbstdisziplin, in einem knallharten Martial-Arts-Camp unter Anleitung eines älteren, weisen Lehrmeisters – und exakt dieses greift der Film auf.

„Die bring‘ ich um, ich schwöre es!“

Nicht nur damit ist „Die Rache des Einarmigen“ sehr vorhersehbar, funktioniert er doch quasi komplett nach Schema F. (Achtung, Spoiler!) Erinnerungen an seine glückliche Liebe werden zum Teil in Zeitlupe visualisiert und mit sentimentaler Musik unterlegt, um auf Nummer sicher zu gehen, den folgenden Rache-Showdown legitimiert zu haben. Der Ring eines der Täter führt Ortega schließlich auf die richtige Spur: seinen Arzt Dr. Henderson! Von diesem kann er Namen und Adresse des Mörders unter Gewaltanwendung in Erfahrung bringen, in Notwehr muss er den zwielichtigen Mediziner anschließend töten. Mittlerweile vollkommen durchtrainiert und den Umgang mit seinem Handicap perfektioniert habend, macht Ortega auch alle anderen fertig und der Film avanciert erwartungsgemäß zu einer höchst unrealistischen One-Man-Army-Schau gegen eine schwerbewaffnete Bande inkl. Schüssen, Explosionen, Stunts und nicht sonderlich herausragenden Kampfchoreographien. Das Mindestmaß, das man als Zuschauer erwartet, bekommt man also geboten, zusätzlich weiß die zeitweise recht schöne Neo-noir-Optik zu gefallen und die musikalische Untermalung erweist sich als durchgehend hörenswert. In der deutschen Fassung macht zudem die Synchronstimme Edwards‘ Spaß, denn diese gehört niemand Geringerem als Hörspiel-He-Man- und Magnum-Sprecher Norbert Langer. Insgesamt ein leicht überdurchschnittliches, leider arg überraschungsarmes Vergnügen für gut geeichte Genre-Freunde, das ohne seine beschriebenen Vorzüge jedoch weitestgehend verzichtbar wäre.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Sie kamen von jenseits des Weltraums

„Kochendes Blut aus allen Poren!“

Der britische Genre-Regisseur Freddie Francis zeichnet für diverse Klassiker wie „Haus des Grauens“, „Frankensteins Ungeheuer“, „Der Foltergarten des Dr. Diabolo“ oder „Draculas Rückkehr“ verantwortlich, hat aber auch manch Durchschnitt auf dem Kerbholz – und mit einer Science-Fiction-Gurke wie „Sie kamen von jenseits des Weltraums“ aus dem Jahre 1967 auch mal richtig ins Klo gegriffen.

Irgendwo im Nirgendwo Englands schlagen Meteoriten verdächtig symmetrisch ein, was Richard Arden (Bernard Kay, „Der Hexenjäger“) auf den Plan ruft, der wiederum den Astronom Curtis Temple (Robert Hutton, „Aschenblödel“) mit der Erforschung des Vorfalls betrauen möchte. Doch dieser befindet sich nach einem Autounfall noch in der Regenerationsphase, hat eine Silberplatte in den Schädel eingesetzt bekommen und schickt lediglich seine Assistentin Lee Mason (Jennifer Jayne, „Die Teufelswolke von Monteville“) zusammen mit seinem Team los. Bei direktem Kontakt zu den Meteoriten ergreifen außerirdische Kräfte die Macht über Arden, Mason und Co., die von nun an im Dienste einer extraterrestrischen Intelligenz stehen. Ihr Ziel ist die Unterjochung der Erde, doch Temple hat etwas dagegen und versucht, ihre Pläne zu durchkreuzen…

„Genießen Sie das außerordentliche Privileg einer Gratisfahrt zum Mond!“

Diese Verfilmung eines mir unbekannten Invasion-aus-dem-All-Romans versucht einem nach kurzem behördlichen Kompetenzgerangel klarzumachen, die Meteoriten stammten vom Mond. Als man versucht, mit einem Hammer ein Stück aus ihnen herauszuschlagen, beginnen sie zu leuchten, Bläser-Jazz-Klänge ertönen und verursachen offenbar Nackenschmerzen und schon sind Miss Mason und ihre Kollegen nicht mehr sie selbst. Eine „Die rote Pest“ getaufte Seuche, dargestellt durch rote Punkte auf der Haut, lässt auch nicht lange auf sich warten und droht, die Menschheit dahinzuraffen. Doch glücklicherweise schreitet Curtis Temple ein – und bedroht die außerirdisch Infiltrierten zunächst mit seinem Rolls Roys… Auf der abgeriegelten Farm beobachtet er schließlich einen Raketenstart und nach Schießereien wie in einem Action-Krimi gelingt es ihm, einzudringen. Er findet Leichen und wird gefangengenommen, soll ebenfalls getötet werden, kann sich jedoch befreien.

„Im Laufe der Zeit wurden wir zu körperlosen Intelligenzwesen. Wir bestehen nur aus geistiger Energie.“

Das klingt alles wesentlich aufregender, als es ist, tatsächlich dominiert in Francis‘ Film bis hierhin etwas steifer britischer Charme und wirklich aufsehenerregend wirkt hier noch nicht viel. Auf zunehmend spektakuläre Weise unfreiwillig komisch gerät es indes, wenn Temple herausfindet, dass sein Silberimplantat gegen die Invasoren schützt und einen albernen Helm sowie eine Strahlenpistole baut, mit deren Hilfe er Mason zurückholt. Mit ihrer Hilfe wiederum gelangt man erneut auf die Anlage, wo kurzerhand die in Richtung Mond abfliegende Rakete geentert wird, in der die Peiniger jedoch schon auf sie warten. (Achtung, Spoiler!) Zusammen wird man auf dem Erdtrabanten vom Mondmenschmeister und seinen Sklaven in bunten Gewändern erwartet. Der Obermufti kommt sich mächtig schlau vor und berichtet, dass sie vom Planeten Sam (o.ä.) kämen und dringend Körper benötigten, deshalb der ganze Buhei. Die Pest-Opfer leben und wurden auf dem Mond versklavt, es ist wieder Zeit für Schießereien und Schlägereien, dazu dudelt vergnügt der Jazz-Score und letztendlich gelingt es, sich zu einigen: Temple will den bedauernswerten Energiewesen helfen, Francis reicht das für ein Happy End und dem Zuschauer bleibt vorenthalten, wie Temple das anstellen will…

Francis’ Variation der „Body Snatchers“-Thematik wirkt angesichts des Produktionsjahrs wie ein unfreiwillig trashiger Low-Budget-Anachronismus, denn die Zeit für derart naive Science-Fiction-Vehikel war 1967 eigentlich vorbei. Zudem erscheint „Sie kamen von jenseits des Weltraums“ reichlich hüftsteif und undurchdacht zusammengeklatscht, in seinen lieblosen Kulissen in Sachen Schauwerte ausgebremst – einzige wirkliche Spezialeffekte sind ein paar bunte Spiralen – und jegliche Magie vermissen lassend. Das den Invasoren gegenüber versöhnliche Ende scheint einen Gegenpol zu den militärischen o.ä. Lösungen der cineastischen Vorbilder bilden zu wollen, was es jedoch nur noch schlimmer macht. Da kann auch die Besetzung nichts mehr herausreißen (u.a. Michael Gough, „Dracula“, in einer Nebenrolle) und so bleibt unterm Strich ein obskures Kuriosum in der Geschichte des britischen phantastischen Films, das mit seiner unfreiwilligen Komik unterhält, aber eigentlich unter dem Niveau verdienter „Hammer Film Productions“-Regisseure ist.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Verliebt in scharfe Kurven

„So'n Verrückter, aber trotzdem sehr sympathisch...“

In die Phase des sich vom Neorealismus zugunsten komödiantischerer Kost langsam lösenden italienischen Nachkriegskinos fällt der 1962 veröffentlichte und vom Autoren-Trio Ettore Scola, Ruggero Maccari und Dino Risi geschriebene Road Movie „Verliebt in scharfe Kurven“, bei dem letztgenannter die Regie führte.

„Sie rauchen wirklich nicht? Das werden Sie eines Tages bereuen!“

Rom, 15. August, der Feiertag Ferragosto: Die Straßen sind wie ausgestorben, die Städter machen Ferien. Einsam kurvt Bruno (Vittorio Gassman, „Bitterer Reis“) mit seinem Cabriolet an diesem Hochsommertag durch die Hauptstadt, bis er an einem geöffneten Fenster den Studenten Roberto (Jean-Louis Trintignant, „Mitternachtsparty“) erblickt. Er bittet ihn, eine Marcella für ihn anzurufen, mit der er sich eigentlich verabredet habe. Roberto bittet ihn hinein, damit Bruno das Telefonat persönlich führen kann, doch dieser erreicht niemanden. Daraufhin überredet er den zurückhaltenden Roberto, ihn ein Stück in seinem Cabrio zu begleiten. Der zweifelnde Student willigt schließlich ein und kurvt mit dem die Verkehrsregeln nicht allzu genau nehmenden und ständig aufs Gas drückenden Lebemann Bruno durchs fast menschenleere Rom und schließlich über Landstraßen, auf denen sie einem Auto mit zwei jungen deutschen Frauen in Richtung Toscana folgen. Der Trip des ungleichen Duos wird zu einer interessanten Erfahrung Robertos, der schließlich auch Brunos Vergangenheit kennenlernt...

„Deutsche Frauen sind große Klasse!“

Vom irreführenden deutschen Titel sollte man sich nicht irritieren lassen, denn mit einer schlüpfrigen oder anzüglichen italienischen Komödie hat man es hier nicht wirklich zu tun. Zunächst lernt man zwei gegensätzliche Charaktere kennen, die sich miteinander anfreunden: Der sehr extrovertierte Bruno vermittelt erst einmal den Eindruck eines selbstgefälligen Großkotzes, verfügt aber auch über ein sehr einnehmendes, gewinnendes Wesen, entspricht nach außen hin dem Typus eines dauerfröhlichen Dampfplauderers, der überall sofort im Mittelpunkt steht und dieses bewusst forciert und genießt. Ein Weiberheld und Schürzenjäger, oberflächlich und hedonistisch – ein verantwortungsloser Hallodri. Roberto scheint das exakte Gegenteil zu sein, überaus introvertiert, allein schon aufgrund seiner Schüchternheit erfolglos bei Frauen, ein pflichtbewusster Eigenbrötler, der gern und häufig übersehen wird. Seine zweifelnden Gedanken vertont Risi aus dem Off, denn aussprechen tut Roberto sie natürlich nicht, schon gar nicht Bruno gegenüber. Die sich entwickelnde, jedoch stets oberflächlich bleibende Freundschaft zwischen beiden ist aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit unterhaltsam zu verfolgen. Ob es sich um einen Filmfehler handelt, als Bruno eine Telefonnummer nennt, jedoch eine Ziffer zu wenig wählt, sei dahingestellt.

„Bei seinem ersten Besuch auf dem Mond wird Chruschtschow einen Immobilienhändler vorfinden!“

Als sich „Verliebt in scharfe Kurven“ in Richtung Road Movie entwickelt, wirkt er wie eine beispielhafte Studie über geltungssüchtige Italiener im Straßenverkehr: Bruno hat einen Plattenspieler im verdeckfreien Automobil und fährt nicht nur schnell, sondern auch wild hupend und die Verkehrsregeln sind ganz sicher nicht für ihn gemacht. Doch bei aller scheinbaren Ziellosigkeit entwickelt sich der Film in eine andere Richtung. Zwar fährt man zunächst lediglich etwas essen, doch im Anschluss besucht man spontan Robertos Verwandtschaft, was den persönlichen Bezug zu Roberto verstärkt. Eigentlich endet für ihn damit auch der kurze Abenteuertrip und er möchte mit dem Zug zurückfahren, lernt jedoch am Bahnhof die attraktive Claretta kennen, die er sich – mutmaßlich noch unter Eindruck Brunos stehend – anzusprechen traut, worauf sie zwar nicht ablehnend reagiert und sich auch kurz auf den Flirt einlässt, bald jedoch von ihrem Bruder abgeholt wird und damit genauso schnell wieder aus Robertos Leben tritt, wie sie hineingekommen war. Roberto wertet dies anscheinend dennoch als Erfolg, was ausgehend von seinen Kontaktschwierigkeiten durchaus verständlich ist. Er entscheidet sich spontan, zu Bruno in den Tanzschuppen zurückzukehren, wo dieser in eine Schlägerei gerät, in die sich Roberto nach kurzem Zögern einmischt.

Betrunken fahren sie zu Brunos Ex-Frau Gianna, deren Ehe noch nicht annulliert wurde. Brunos fünfzehnjährige Tochter Lilly (Catherine Spaak, „Süße Begierde“) kreuzt mit ihrem älteren Freund auf – und mit Bruno geschieht etwas Bemerkenswertes: Obwohl er jahrelang nicht mehr für sie da war, führt er sich plötzlich als patriarchalischer Spießbürger auf. Zwischen Strandparty direkt vor der Tür und einer ungeklärt wirkenden Beziehung zur Ex-Frau nähern sich Bruno und Lilly wieder aneinander an und führen gute Gespräche. Lillys älterer Freund hat es bereits zu etwas gebracht und wirkt auch dadurch attraktiv und es wird deutlich, dass Bruno das nicht ganz geheuer ist – denn es ist noch einmal eine ganz andere Art von Kontrast seiner eigenen Persönlichkeit gegenüber als der Robertos, der mittlerweile längst von ihm eingenommen ist und zu ihm bewundernd aufschaut, wenngleich er sich noch immer so zugeknöpft gibt, dass er am Strand sämtliche Kleidung anbehält. Auf eine eigenartige, unverbindliche Weise scheint Bruno den Aufenthalt bei seiner Familie aber wertzuschätzen.

Halbwegs konzentrierten Zuschauern dürfte derweil nicht entgangen sein, wie der von Riz Ortolani mit bläserlastigen Big-Band-Klängen unterlegte Film nach und nach Bruno ein gutes Stück weit entzaubert, seine beschwingte Genusssucht und aufdringliche Laissez-faire-Einstellung als Schutzpanzer dekonstruiert hat, unter dem er seine eigene Tragik verbirgt: Im Endeffekt ist Bruno nämlich weder ein guter Ehemann und Vater noch ein erfolgreicher Playboy, der jeden Tag eine andere vernascht – wenngleich er sich für diesen Lebensentwurf entschieden zu haben scheint. Dies verleiht dem Film eine weitere, laut Filmkennern die entscheidende Ebene: Ein Portrait des sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindenden Nachkriegs-Italiens in Zeiten eines gesellschaftlichen Umbruchs hin zu größerer persönlicher Freiheit und Individualität bei gleichzeitigem Abbau autoritärer und klerikaler Einflussnahme, worin sich die Menschen neu zu orientieren versuchen – und der Oberflächlichkeit der neuen Leichtigkeit des Seins, der Sehnsucht die sich hinter ihr verbirgt sowie der neuen Bedürfnisse und Träume, die sich aus ihr entwickeln. Wer die Empathie besitzt, dies auch heute noch nachempfinden zu können und sich vielleicht sogar der Herausforderung ausgesetzt sieht, bisweilen noch immer ähnlich zu empfinden, hat das Glück, über den filmhistorischen Kontext hinaus auch emotionalen Zugang zu diesem nicht mehr ganz taufrischen Schwarzweißfilm zu finden.

Als die beiden Männer endlich zusammen zurückfahren, betont Roberto, dass dies die besten beiden Tages seines Lebens gewesen seien. Er will frohen Mutes zu seinem Schwarm Valeria, doch dazu kommt es nicht mehr: Sie fahren wieder wie die Henker und es kommt zu einem folgenschweren Autounfall, bei dem Bruno herausgeschleudert wird, aber Roberto mitsamt dem Auto die Klippen herunterstürzt und stirbt. Dies geschieht auf eine solch abrupte Weise, dass man sich als Zuschauer vor den Kopf gestoßen fühlt. Risi und Co. werden das jedoch nicht als Moralismus verstanden haben wissen wollen. Welche Intention dem zugrunde lag, welche Bedeutung es für die Charaktere des Films hat und welche Aussage ihm innewohnt, bietet Anlass zu Gedankenspielen, unterstreicht jedoch vor allem die tragische Ausrichtung, die dieser Film aller (übrigens darstellerisch hervorragend) gespielten Fröhlichkeit zum Trotz hat.
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Teenager lieben heiß

„Überall steht ein Bett für mich!“

Nachdem die blonde Italienerin Gloria Guida unter der Regie Mario Imperolis im Jahre 1974 mit „Kesse Teens – Die erste Liebe“ ins Spielfilmgeschäft eingestiegen war, avancierte sie im Land des Stiefels schnell zur gefragten Erotik-Darstellerin. Im Erotikdrama „Teenager lieben heiß“ be- bzw. entkleidete sie ein Jahr später erneut die Hauptrolle unter Imperolis Regie.

„Bist sicher ein Kapitalistenschwein!“

Die kesse 17-jährige Straßenprostituierte Daniela (Gloria Guida) fährt bei einem fremden Mann im Auto mit, zieht sich aus und verkauft ihm ihre sexuellen Dienstleistungen für 20.000 Lire. Beide werden jedoch von der Polizei erwischt, die flugs versucht, die nächsten lebenden Verwandten Danielas ausfindig zu machen, jedoch lediglich auf den Ex-Mann ihrer Mutter stoßen. Der vermögende, mit einer Frau zusammenlebende Dr. Carlo Anselmi (Paolo Carlini, „Der große Schwarze mit dem leichten Knall“) will Daniela partout nicht als Tochter anerkennen, hat sie nun aber an der Backe. Sie zieht zu ihm auf die Burg, die er zu restaurieren gedenkt. Anfänglich geht sie ihrem Stiefvater und dessen Freundin Marisa (Annie Carol Edel, „Foltergarten der Sinnlichkeit“) absichtlich auf die Nerven, doch schließlich freunden sich beide miteinander an. Eines Tages aber taucht ihr Zuhälter Sergio (Gianluigi Chirizzi, „Malizia“) unvermittelt auf…

„Das kleine Luder geht mir auf die Nerven!“

So unangenehm stumpfsinnig die Erotik-Komödien-Klamotten der Italiener auch häufig sein mögen, so sinnlich und doppelbödig sind ihre Erotik-Dramen nicht selten. Auch der im Deutschen wieder einmal mit einen völlig bezuglosen und austauschbaren Gaga-Titel versehene „Teenager lieben heiß“ weiß über weite Strecken sowohl mit der hier durch Guida verkörperten freizügigen, ungezwungen jugendlichen Erotik als auch mit einer nicht uninteressanten, dramatischen und tragischen Handlung zu unterhalten, in der unterschiedlichste Charaktere aufeinanderprallen, die allesamt unterschiedliche Entwicklungen durchleben.

„Du kannst dich doch nicht in der Öffentlichkeit ausziehen!“

Doch zunächst einmal obliegt es Imperoli und seinem Team, Guida in Szene zu setzen und so installiert er zu allererst einen Zoom auf ihr Hinterteil in Ultra-Hot-Pants. Später wird sie mit ihrem unfreiwilligen Vater züchtigere Kleider kaufen gehen, ihn immer wieder in für ihn ungewohnte, beschämende Situationen bringen und im Mittelpunkt stehen, als dieser eine Feier ausrichtet. Ein wenig in Richtung Klamauk bewegt man sich auch hier, als sie einen Jüngling kräftig auf den Arm nimmt und es auch auf den alternden Mauro abgesehen hat, indem sie sich ihm oben ohne präsentiert und eine Nötigung frei erfindet. Nachdem aus dem Waffenstillstand zwischen ihr und ihrem Erziehungsberechtigten gegenseitiger respektvoller Umgang gewachsen ist, besucht man u.a. gemeinsam ein Straßenfest – und die Eifersucht lässt nicht lang auf sich warten: Marisa fürchtet, er habe mehr als nur Vatergefühle für Daniela entwickelt und setzt ihm die Pistole auf die Brust – Daniela oder sie!

„Du bist ein autoritärer Lustgreis!“

Die eine geht, der andere kommt: Kurz darauf tritt Danielas Zuhälter Sergio auf den Plan, rettet Daniela vor einer Schlange und gibt sich ihrem „Vater“ gegenüber als stummer Musiker auf der Durchreise aus. Da auch Daniela mitspielt, stellt Carlo ihn nichts Böses ahnend ein, doch Sergio verfolgt finstere Pläne, will ihn abkassieren und anschließend umbringen. Daniela steigt derweil zunächst mit Sergio und später mit Carlo ins Bett. (Achtung, Spoiler!) Sie geht nur zum Schein auf Sergios Plan ein und durchkreuzt ihn. Die Ereignisse überschlagen sich jedoch vollends, als Sergio sie zu vergewaltigen versucht, Carlo dazwischen geht und von Sergio erschossen wird, welchen Daniela jedoch schließlich mit seiner eigenen Waffe bedroht und er Opfer seiner eigenen Falle wird.

Mario Imperoli erzählt mit „Teenager lieben heiß“ die Geschichte einer Minderjährigen, der es gelungen ist, sich allein durchzuschlagen, indem sie ihren Körper und ihre Sexualität gewinnbringend einsetzt, was ihr nicht schwer zu fallen scheint (was bis hierhin natürlich zweifelsohne der Bedienung zumeist männlicher Phantasien entspricht). Auch aus der beschriebenen Eskalationskette geht sie als einzige „Gewinnerin“ hervor, doch scheint sie das Schicksal mit dem fatalistischen Ausgang dafür strafen zu wollen, sich wahren Gefühlen geöffnet zu haben. Guida sorgt mit ihrer natürlichen Offenherzigkeit für einen beträchtlichen Erotikfaktor; Imperoli wahrt stets ein gewisses Niveau und zeigt erfolgreich Interesse an Ästhetik, scheint jedoch über die volle Spielfilmdistanz etwas überfordert, was ihn auf Füllszenen zurückgreifen lässt. So verstummen beispielsweise die Dialoge auf dem Straßenfest, stattdessen bekommt man minutenlang nervige Blasmusik auf die Ohren. Auch Hausmusik und Tanz müssen herhalten, um den Film auf seine Zeit zu peitschen. Naturgemäß empfinde ich auch Sexszenen zwischen älteren Männern und ihren Schutzbefohlenen als fragwürdig, zumal es hier in Richtung Inzest tendiert, wenngleich Carlo offenbar nicht Danielas leiblicher Vater ist – was die Zielgruppe solcher Szenen indes kaum so genau nehmen dürfte. Diese Punkte verhindern, dass ich diesen ansonsten überraschend annehmbaren Erotik-Beitrag aus bella Italia vorbehaltlos als gute und versierte Filmkunst einstufen würde. Für Gloria-Guida-Fans handelt es sich indes zweifelsohne um Pflichtstoff.
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Stranger – Rückkehr aus der Vergangenheit

„Es war doch nicht deine Schuld!“

„Fright Night“- und „Chucky – Die Mörderpuppe“-Regisseur Tom Holland verfilmte im Jahre 1990, also zwei Jahre nach Erschaffung der puppenförmigen Genre-Ikone, mit dem harten Psycho-Thriller „Stranger – Rückkehr aus der Vergangenheit“ ein Drehbuch John Pielmeiers fürs US-amerikanische Fernsehen. Ein Jahr später wurde der Film hierzulande als Videokassette veröffentlicht:

Die junge Mutter Mare Blackburn (Kate Jackson, „Agentin mit Herz“) wird in einem unachtsamen Moment beim Einkaufen im Supermarkt das Opfer einer Kindesentführerin: Eine unbekannte Frau stiehlt ihr ihren dreijährigen Sohn Luke (Ross Swanson). Nach 16 Jahren steht plötzlich ein junger Mann (Ricky Schroder, „Out on the Edge“) in ihrer Haustür und behauptet, ihr Sohn zu sein. Er sei bei alten Leuten auf einer Ranch in Emerald City, Idaho, aufgewachsen, die jetzt beide verstorben seien. Dort habe man ihn Mark getauft und er habe eine glückliche Kindheit verlebt. Mares Freund Dan (Chris Sarandon, „Hexensabbat“), mit dem sie zusammenlebt, steht Mark alias Luke sehr skeptisch gegenüber und zweifelt den Wahrheitsgehalt an, während Mare relativ schnell zu glauben bereit ist, sie habe ihren verschollenen Sohn zurück…

„Du begreifst doch erst, wie beschissen es dir geht, wenn du dich erinnerst, wie gut es dir mal ging!“

Es ist ein Trugschluss, dass TV-Genre-Produktionen grundsätzlich von minderer Qualität sein müssen, wie Tom Hollands perfider Thriller durchaus eindrucksvoll beweist. Dieser beginnt mit einer getragenen Klaviermelodie mit Frauengesang, was die melancholische Gefühlswelt Mares auszudrücken scheint, die Opfer eines der schlimmsten Verbrechen wurde, die man einer liebenden Mutter antun kann. Der Prolog zeigt die Entführung, ohne dass man als Zuschauer mehr Informationen bekommen würde als die alleinerziehende Mare, die bereits ihren Mann in Vietnam verloren hat. Nach dem Zeitsprung von 16 Jahren und dem Auftauchen Marks – er besteht darauf, so und nicht etwa Luke genannt zu werden – beginnt dann die eigentliche Handlung, Mark bleibt für ein paar Tage bei der im zweiten Monat schwangeren Mare und ihrem Lebensgefährten Dan.

„Mach mir ’ne heiße Schokolade!“

So freundlich und adrett Mark auf den ersten Blick auch wirkt, schon nach kurzer Zeit zeigen sich Verhaltensauffälligkeiten: Er scheint Gefahren zu suchen. Unabhängig davon ist Mare sehr glücklich, doch als Zuschauer fürchtet man, dass die Idylle bald wieder zerplatzt wie eine Seifenblase, bangt mit Mare und hat Verständnis für Dans Skepsis. Letzterer instrumentalisiert die Polizei und findet heraus, dass es gar kein Emerald City in Idaho gibt… In einer Verkettung höchst unglücklicher Situationen retten sich Marc und Dan jedoch gegenseitig das Leben, was das Eis zwischen beiden zunächst bricht. Marc gibt zu, seine glückliche Kindheit nur erfunden zu haben. Eigenartigerweise interessiert sich niemand für die Wahrheit, was ein deutlicher Hinweis auf die Verdrängungsprozesse ist, denen insbesondere Mare unterliegt. Ohne dass der Film sich in hobbypsychologischen Erklärungsversuchen ergehen würde, zeigt er die subtilen negativen Folgen von Marks Einflussnahme: So entwickelt Mare den Wunsch, abzutreiben, da sie sich zu alt fühle und will auch Dan nicht heiraten. Dan verliert an Einfluss auf und Kontakt zu Mare, den Mark wiederum gewinnt. Im Gegensatz zu üblichen TV-Dramen o.ä. spielt Holland seine Kniffe als Genre-Regisseur aus treibt die zwischenzeitlich leisere Entwicklung brutal auf die Spitze, indem er die Gewalt eskalieren lässt und unbedarften Zuschauern damit gut vor den Kopf stoßen dürfte Nach einem Streit mit Dan beim Eisfischen bringt Mark seinen Stiefvater wider Willen um, was in virtuos gefilmten, deftigen Szenen des Tods unter der Eisdecke kulminiert. Und damit es wie ein Unfall aussieht, fährt Marc statt zur Polizei das Auto einen Straßengraben hinunter.

„Du und dein kleiner Bastard!“

Damit beginnt der Psycho-Terror erst so richtig, und zwar nach allen Regeln der Kunst (Achtung, Spoiler!): Marc kappt die Stromleitung und beginnt, Mare Schuld einzureden. Er verwickelt sich in Widersprüche, erzählt von einer unglücklichen Kindheit – und dass er seine Scheineltern umgebracht habe. Endlich kommt die Polizei ins Spiel, die Mark abzuwimmeln versucht. Doch der Polizist forscht nach und findet Dans Leiche – bevor er von Mark niedergeschlagen wird. Dieser macht Mare nun massivste Vorwürfe, sie sei eine Rabenmutter. Mark führt einen regelrechten Stepptanz auf den zarten Banden Mares Muttergefühle auf, demütigt und manipuliert sie. Sie verbarrikadiert sich, doch er findet und schubst sie, geht nun also auch körperlich gegen sie vor. Nachdem sie seine Zeitungsartikelsammlung, die Marc wie jeder etwas auf sich haltende Film-Psychopath besitzt, und seine morbiden Zeichnungen entdeckt hat, fesselt er sie. Doch schließlich gelingt es ihr, ihn zu überwältigen. Es kommt zum Showdown im Keller, wo Mark Leichen vergraben will. Als Mare dort kurzzeitig ohnmächtig liegt, träumt sie von glücklichen Babytagen mit ihrem Luke. Dumm allerdings von Mark, sie die Polizeipistole kriegen zu lassen, als sie wieder erwacht...

„Wer bist du?“ – „Ich weiß es nicht...“

Die spannende Frage, ob Mark nun wirklich Mares Sohn ist, wird tatsächlich abschließend geklärt, jedoch nicht, was in seinem Leben wirklich los war, was Lügen sind und was nicht. Fast scheint es, als sei er ein derart derangierter Psychopath, dass er es selbst nicht weiß. Damit entmystifiziert man den Antagonisten nicht gänzlich, was zur erschreckenden Wirkung des Films positiv beiträgt. Auch wird offen gelassen, was wirklich mit Luke geschehen ist, was die Bitterkeit Mares Schicksals unterstreicht und dem Zuschauer eine vollständige Erlösung vorenthält. „Stranger – Rückkehr aus der Vergangenheit“ ist ein böser kleiner Psycho-Thriller, der sich gleich mehrfach an der heiligen Institution der Mutter vergreift, aber auch eine Abhandlung über Muttergefühle und was sie auszulösen imstande sind, wie sie ausgenutzt und fehlgeleitet werden können – und was passieren kann, was man ganz fest an etwas glauben will. Diese desillusionierende Negativität macht Hollands Film aller Zugeständnisse an Genre-Konventionen und der einen oder anderen Ungereimtheit zum Trotz zu einem ganz schönen Brocken von TV-Film, der erst einmal verdaut werden will und schwangeren Frauen vermutlich tatsächlich nicht empfohlen werden kann. Mit seiner einschmeichelnden, doch zurückhaltenden melancholischen Musikuntermalung und Ricky Schroder als erwachsenem Arschlochkind der Sorte neunmalkluger, egozentrischer, verdächtig aalglatter Streber weiß der Film ebenso zu verstören wie mit einer wesentlich jünger als Anfang 40 aussehenden, sehr attraktiven „Agentin mit Herz“ Kate Jackson zu begeistern. Unterm Strich bleiben rund eineinhalb Stunden Suspense, Thrill und Psycho-Terror der unnachgiebigen Sorte, eine von Holland überwiegend souverän und stellenweise kongenial, aber fast immer genregerecht gnadenlos dick aufgetragene inszenierte Spirale des Wahnsinns auf der Klaviatur von Urängsten. Meines Erachtens durchaus ein kleiner Geheimtipp, fast eine Art invertierter „Stepfather III – Vatertag“ (der zwei Jahre später entstanden, aber ungleich populärer ist).
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Der Leichengießer

„Ich werde Ihre Schönheit für alle Zeiten festhalten. Ich werde sie... konservieren. Für immer.“

Der Horrorfilm „Der Leichengießer“ aus dem Jahre 1971 blieb die einzige Regie-Arbeit des Briten Ted Hooker, der auch das Drehbuch zusammen mit Tom Parkinson verfasste:

Auf einer Kunstaustellung kauft ein Liebhaber eine Plastik und wird anschließend von einem Unbekannten brutal erstickt. Kunsthändler John Davies (James Bolam, „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“) hatte das Stück von Michael Clare (Ronald Lacey, „Tanz der Vampire“) bekommen, der es seinem Vater Victor (Mike Raven, „Nur Vampire küssen blutig“) entwendet hatte und sie teilten den Profit. Aufgrund der hohen Nachfrage will John mehr solcher Stücke und nimmt daher zusammen mit seiner Frau Millie (Mary Maude, „Das Versteck“) und Michael sowie dessen Frau Jane (Beth Morris, „Trau keinem über 18“) die Reise zu dessen Vater in einem kleinen abgelegenen Küstenstädtchen auf sich. Victor entpuppt sich als eigensinniger Künstler, der – was John noch nicht weiß – für seine beliebten, realitätsnahen Skulpturen Frauen ermordete und in Bronze goss. Nun hat er sich aber vornehmlich der wesentlich harmloseren Malerei verschrieben und es i.d.R. auf Sex mit seinen weiblichen Modellen abgesehen. Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau Dorothy (Betty Alberge, „Das Monster mit der Teufelsklause“), die irgendwann den Verstand verloren hat und sich hauptsächlich zu ihren Plüschtieren hingezogen fühlt, einem seiner aktuellen Modelle und last but not least dem Verehrer (John Arnatt, „Hysteria“) seiner derangierten Frau! Nach und nach wird die illustre Gesellschaft jedoch von einem unbekannten Mörder dezimiert. Wer ist der Unhold und was ist sein Motiv?

„Denk nur an das schreckliche Essen!“ (Großbritannien…)

Für Filme wie diesen müsste man – in Anlehnung z.B. an das Mad-Scientist-Subgenre – eigentlich den Begriff Mad Artist erfinden, wenn Hookers Film sich auch nur grob an Klassikern um menschliche Wachsfiguren etc. orientiert. Der Prolog zeigt eine solche „Leichengießung“, wobei die vermeintliche Leiche im letzten Moment noch erschreckenderweise ein Auge aufreißt. Nach dem Einstand auf der Kunstaustellung ist der nächste für die damalige Zeit relativ grafische Gewaltakt die Ermordung des Käufers, die im weiteren Verlauf kein Thema mehr ist – der Zuschauer hat also einen Wissensvorsprung, ohne diesen gänzlich einordnen zu können. In der Folge bestimmen zunächst idyllische Landschaftsaufnehmen voll blauem Himmel und üppigem Grün ebenso die Szenerie wie Gequatsche über Aberglauben um Minenarbeitergeister. Aus irgendeinem Grund reagiert Millie erschrocken, regelrecht panisch auf eine altertümliche Schale. Viktor möchte diverse Frauen, am liebsten Millie, auf Leinwand verewigen, Hausfreund Bill macht sich an das Modell ran und die arme Millie wird von einem Alptraum geplagt, in dem Maskierte ein absonderliches Ritual durchführen.

„Dieses Mädchen hat einen inneren Radius, wie ich ihn nur einmal kennengelernt habe.“ (Die inneren Werte zählen.)

Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich die in diesem Film irgendwie überfrachtet wirkende, eigenartige Figurenkonstellation 100%ig korrekt wiedergegeben habe, doch diese wurde anscheinend ohnehin in erster Linie deshalb derart unübersichtlich und bizarr angelegt, um möglichst viele potentielle Verdächtige gleichermaßen wie Opfer für die nun einsetzende Mordserie zu haben, der zunächst Jane durch einen behandschuhten Mörder per Stichwaffe zum Opfer fällt und im Anschluss Victors trinkender Sohn über den Jordan geschickt wird, indem dieser am Strand erschlagen wird. John erinnert sich derweil, dass er ja des Geschäfts wegen hier ist und möchte Victors Kunstwerke kaufen, doch dieser verlangt Bargeld – das John aufzutreiben gedenkt, indem er potentielle Käufer zu interessieren versucht. Die hier ständig leiden müssende, aber wenigstens noch unter den Lebenden weilende Millie bekommt es einmal mehr mit der Angst zu tun und flieht in eine Mine, Victor eilt hinterher. Sie trifft auf Dorothy, die ihr helfend zur Seite steht, bevor sie Victors Gehilfem begegnet, der die Gießerei wieder in Betrieb genommen hat. Mit seinem blumigen pathetischen Verführungskünsten scheint Victor Millie um den Finger zu wickeln, doch als er sie zu betatschen beginnt, flieht sie erneut und findet mehrere Leichen. Zwischenzeitlich schüttet jemand Victors eifersüchtigem Ex-Modell Säure ins Gesicht und tötet sie. Wer ist denn nun der Mörder?

Im Finale überschlägt sich die bisweilen befremdlich konfus wirkende Handlung schließlich selbst und wartet mit einer gleichsam unerwarteten wie abgefahrenen und an den Haaren herbeigezogenen Wendung auf, die ich an dieser Stelle einfach spoilern muss: Millie trägt plötzlich eine fiese Maske spazieren und will sich gegen Victor mit einem Schweißbrenner wehren. Schließlich drückt sie ihn ins Feuer. Victor sei von einer Japanerin besessen gewesen, die einst plötzlich verschwand – vermutlich dadurch, dass sie für eine seiner Skulpturen herhalten musste. Ihr Geist versteckte sich daraufhin im Kimono, den Millie trug, wodurch er von Millie Besitz ergriff: Sie war es nämlich, die all die Morde begangen hat, unter Einfluss des fernöstlichen Geists...

Du liebe Güte, das muss man erst einmal verdauen. Diese Pointe setzt den Schlusspunkt unter einen Film, der sehr halbherzig seinen Antagonisten Victor aufbaut und ihm mit der Vielzahl an Charakteren auf engem Raum gewissermaßen den Platz zur Entfaltung seiner Diabolik nimmt. Nichtsdestotrotz gelingt es den Autoren, kaum Handlungsfäden ins Nichts laufen zu lassen. Am aufsehenerregendsten werden – neben den attraktiven Damen (bei 0% Sleaze-Gehalt) die Gewalterruptionen gewesen sein, die, wenn auch in geringerem Ausmaß, die Entwicklung des britischen Horrorkinos hin zur Verwendung von Splatter-Spezialeffekten vorwegnahmen und dem Film zumindest hierzulande Probleme mit der Zensur einhandelten. Ein Pete Walker beispielsweise scheint mit seinen Horrorfilmen ab 1972 direkt an „Der Leichengießer“ anzuknüpfen, auch was die Mixtur aus bizarrem Ambiente, ambivalenten, entrückten Charakteren und kruden Szenen betrifft. Einige schöne Gesichtszooms bleiben von der Kameraarbeit in Erinnerung und helfen zudem in Sachen Wiedererkennungswert der größtenteils eher austauschbaren Schauspieler. Auf seine eigene Weise ist „Der Leichengießer“ zeitweise anstrengend anzuschauen, entschädigt mit Finale und Pointe aber für so manches. Doch, ich mag auch diesen bekloppten „Briten-Schocker“.

P.S.: In einer Nebenrolle debütiert die spätere Kannibalenfilm-Exotik-Ikone Me Me Lai.
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Man’s Best Friend

„Wir reden hier nicht von einem verlausten Bastard, sondern von einem Millionen Dollar teuren Forschungstier!“

Sonderlich viele Spielfilme hat US-Regisseur John Lafia nicht gedreht, der bekannteste (und gelungenste?) dürfte „Chucky 2 - Die Mörderpuppe ist zurück“ sein. Drei Jahre später, also 1993, versuchte er sich erneut an Horrorstoff und verfilmte sein eigenes Drehbuch für den Tierhorror-Beitrag „Man’s Best Friend“ alias „Der Tod kommt auf vier Pfoten“ um einen genmanipulierten Hund:

Reporterin Lori Tanner (Ally Sheedy, „Breakfast Club“) arbeitet an einer Enthüllungsstory über illegale Genversuche an Versuchstieren durch den „Emax“-Konzern. Im Labor Dr. Jarrets (Lance Henriksen, „Aliens – Die Rückkehr“) möchte sie zusammen mit einer Kollegin noch schnell ein paar Fotos schießen, doch ihr Einsteigen bleibt nicht unbemerkt, so dass sie fliehen muss – jedoch nicht, ohne Versuchshund Max zu befreien und kurzerhand mitzunehmen. Hätte sie gewusst, dass Max so etwas wie eine hochintelligente, genmanipulierte Mörderbestie ist, hätte sie es sich sicherlich zweimal überlegt. Nun ist Dr. Jarret hinter ihr her und versucht alles, um seinen Hund wiederzubekommen. Dabei benimmt sich Max zunächst vorbildlich und gibt einen prima Wachhund ab, doch je länger er durch Dr. Jarret unbehandelt bleibt, desto größer wird sein Aggressionspotential…

Historische Zeichnungen, die unterschiedliche Beziehungen zwischen Hund und Mensch illustrieren, führen in Lafias Film ein und werden unmittelbar vom Tod einer Tierversuchslaborantin kontrastiert, die von einem unbekannten Tier angefallen wird. Dies scheint sich im selben Labor zugetragen zu haben, in das zu Beginn der eigentlichen Handlung Lori Tanner eindringt und Max mitnimmt. Die wunderbare Synthie-/Piano-Titelmelodie untermauert das Gefühl, hier zu einem sehenswerten Film gegriffen zu haben und die folgenden Szenen bestärken diesen Eindruck: Loris Freund ist gegen Max und es entwickelt sich eine von Eifersucht geprägte Beziehung zwischen beiden, die auch die starke Bindung zwischen einem Hund und seinem Frauchen verdeutlicht. Als Lori und ihr Freund Sex miteinander haben wollen, beobachtet Max sie durchs Schlüsselloch und reagiert eifersüchtig, die Kamera zoomt auf seine Pupille. Spätestens jetzt wird dem Zuschauer klar, dass Max nicht wie andere Hunde ist. So weiß im Anschluss auch Dr. Jarret der Polizei zu berichten, Max stehe noch unter Narkotika-Einfluss – und werde durchdrehen, wenn dieser nachlässt.

Der gute Max zerbeißt noch unbemerkt vom neuen Frauchen einem Zeitungsjungen das Fahrrad und würgt in einer kruden Spezialeffektszene eine Katze herunter. Das klingt bis jetzt alles nach schönem Tierhorror-Vergnügen, versehen mit einer kritischen Aussage in Bezug auf den Umgang des Menschen mit der Kreatur. Der Anfang vom Ende hinsichtlich jeglicher Filmqualitäten sind jedoch die nun eingeflochtenen, den Tonfall des Films empfindlich störenden komödiantischen Anwandlungen, wenn Max z.B. einer Collie-Dame nachstellt, in die er sich verliebt hat und der Soundtrack fröhliche Orchestermusik sowie ein Liebeslied erklingen lässt, dass man glaubt, man habe versehentlich in einen Disney-Familienfilm hineingezappt. Sein „Herrchen“ versucht Max unter die Erde zu bringen, indem er die Bremsschläuche dessen Autos zerbeißt und tötet in strenger Klischeeerfüllung den Postboten; doch schnell wird’s wieder unsagbar albern, wenn sich sein Urin als hochätzende Säure erweist. Loris Freund will ihn vergiften, aber Max riecht den Braten. Ein Papagei reißt einen dummen Spruch und wird dafür gefressen und als Lori ihn abgeben will und dabei unwissentlich an einen Tierquäler gerät, macht die Töle mit diesem kurzen Prozess. Immer wieder taucht Max bei Lori auf, die inzwischen einen neuen, kleinen Hund von ihrem Freund geschenkt bekommen hat. Max geht auf Loris Freund los und pinkelt ihm ins Gesicht…

Als endlich die Polizei auftaucht, überspringt er kurzerhand zwei Polizeiwagen, tarnt sich vor den Hundefänger mithilfe mieser Computer-Effekte wie ein Chamäleon (!), indem er die Farben der Umgebung annimmt und dreht noch mal so richtig feil, was in einigen zugegebenermaßen gar nicht schlechten Stunts resultiert. Im Anschluss an dieses „große Finale“ holt Lafia zur vollen Kitschoffensive aus und lässt Lori allen Ernstes um Max trauern. Epilog, drei Monate später: Die Collie-Hündin hat Nachwuchs geworfen…

Nein, nein und nochmals nein! Diese Mischung aus Tierhorror-Elementen, Kitsch und Komödie um einen hochgezüchteten, hochintelligenten Köter will so gar nicht schmecken, da hier schlicht nichts zusammenpasst. Lafia rührt die einzelnen Elemente zu einer klebrigen Masse zusammen, die ähnlich ärgerlich wie Hundekot an der Schuhsohle ist. Es ist mir absolut unverständlich, wie man als sein eigenes Drehbuch umsetzender Regisseur derart das Gefühl für eine stimmige Entwicklung vermissen lassen kann. Es wirkt, als habe er lediglich ein Konzept für den wie erwähnt recht starken Auftakt gehabt und sich dann treiben lassen, spontane Einfälle uninspiriert aneinandergereiht, ohne darauf Acht zu geben, wie sich diese in das Gesamtergebnis einfügen. So irritieren nach einer Weile alle drei o.g. Stilelemente für sich, ohne ihre eigentliche Wirkung zu entfachen. Zudem leidet die innere Logik um den verdammt (un)menschliche Verhaltensweisen an den Tag legenden und dabei ein Best-of zahlreicher Tiere aufbietender Laborhund so arg darunter, dass „Man’s Best Friend“ letztendlich wie dahingeschludert wirkt. Dagegen können dann auch Sheedy, Henriksen & Co. nicht mehr anschauspielern. Auch die anfänglich vermutete Tierrechts-Aussage erscheint am Ende nur noch oberflächlich aufgesetzt und alibimäßig, denn im Endeffekt ist es die Uneinsichtigkeit der Tierschützerin Lori, die all das Leid verursacht. Every dog has its day, aber mit „Man’s Best Friend“ geht man vor Hunde. Vier knappe Punkte.
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Demonium

„So vornehm, Felix? Wo ist das kleine Arschloch, das ich mal kannte?“

Nach diversem Amateur-Splatter-Schmodder wie der furchtbaren „Violent Shit“-Reihe und einem „Man-Eater“-Remake, für das man ihm eigentlich beide Hände hätte abhacken sollen, trat Andreas Schnaas im Jahre 2001 an, zu beweisen, dass er mit einem entsprechenden Budget auch echte Genrefilme drehen könne. Das Ergebnis hört auf den Namen „Demonium“, der in Italien gedrehte Horrorstreifen entstand in italienisch-deutscher Koproduktion.

„Schnauze halten, jetzt schieb' ich 'n Nümmerchen!“

Der vermögende Wissenschaftler Arnold Berger (Giuseppe Oppedisano, „Die römische Kanone“) wird brutal ermordet. Daraufhin versammeln seine Haushälterin Maria (Claudia Abbate) und sein Notar Rasmus (Andrea Bruschi, „The 3 Faces of Terror“) Bergers Erben in seinem italienischen Schloss, wo sie drei Tage und Nächte am Stück verbringen müssen, um das Erbe anzutreten – so will es das Testament des Getöteten. Es kommt, wie es kommen muss und die zusammengewürfelte Gruppe wird nach und nach dezimiert. Ein Mörder geht um auf Bergers Schloss… Wer ist der Täter? Und was geht bloß im Schlosskeller vor sich? Arnold hatte am Medikament Gigantex geforscht…

Schnaas beginnt seinen Film mit einer überraschend ansprechend gefilmten Sexszene, um schließlich das eigentliche Ende des Films vorwegzunehmen: Jemand hat irgendein Projekt abgeschlossen. Dessen Frau Maria gerät zuhause unter den Einfluss eines fremden Eindringlings, der eine Falle installiert, die ihr Mann aus Versehen auslöst, als er nach Hause kommt – und Maria dadurch tötet. Schließlich enthauptet der Eindringling ihn. Was zuvor geschah, lässt Schnaas in einer zeitlich ein Jahr zuvor angesiedelten filmumfassenden Rückblende Revue passieren, die den Mord an Berger zeigt und wodurch er letztlich auch erklärt, wer die Prolog-Charaktere waren und was es mit ihnen auf sich hat. Mit etwas Glück erinnert man sich mit Einsetzen des Abspanns dann auch noch den Beginn, denn Schnaas provoziert gleich mehrfach das Abschalten von Kopf, Player oder beidem: Zum einen mit der abgedroschenen Ausgangssituation, die so oder ähnlich schon x-fach besser und stimmiger verwurstet wurde und der Schnaas kaum etwas Eigenes hinzuzufügen versteht, außer sich zur weiteren Ausgestaltung diverser Genre-Vorbilder zu bedienen; zum anderen mit dem Unvermögen, eine spannende Geschichte zu erzählen. Er lässt von vornherein keinen Zweifel daran, welche seiner eindimensionalen Charaktere Böses im Schilde führen: Haushälterin Maria und Notar Rasmus, die einen nach dem anderen mit Gigantex vergiften, dessen genaue Dosierung unbekannt ist. Ein weiterer negativer Aspekt ist das Dialogbuch: Oberflächliches und unpassendes Geplapper durchzieht den Film, dass man am liebsten weghören möchte. Zudem gibt sich „Demonium“ ernst, kann aber auch nicht umhin, dennoch einige Albernheiten einzubauen, die wie weitere Fremdkörper in bemühter Italo-Gothic-Atmosphäre wirken.

Die überwiegend aus italienischen Nachwuchs-, Neben- und Laiendarstellern bestehende Besetzung wird kurioserweise um Charlotte Roche ergänzt, die hier als ohrabkauende, enervierende Labertussi zur Runde hinzustößt und der unter lautem Donnern das Bein platzt, woraufhin man sie erschlägt – was angesichts ihrer Rolle verständlich erscheint. Seinen internationalen Anstrich erweitern konnte „Demonium“ mittels ein paar Bildern aus Brüssel, Paris und Buenos Aires, was jedoch lediglich Details sind. Bleibt die Frage: Wie ist es um die Spezialeffekte bestellt, um Blut und grafische Gewalt? Nun, die deutsche Fassung ist diesbzgl. unvollständig, ein Billiglabel namens „Sunrise“ hat versagt. Doch auch die Komplettfassung soll zwar einige gelungene und herbe SFX u.a. des verdienten italienischen Künstlers Sergio Stivaletti enthalten, jedoch kein Vergleich zum Festschmaus für Gorebauern sein, den Schnaas in vorherigen Produktionen zusammenbraute. Schwarzweiß-Rückblenden von Gigantex-Experimenten könnten vielleicht noch als stilistischer Kniff durchgehen, aber im Endeffekt ist „Demonium“ Zeugnis dafür, dass es auch mit Budget und professionellem Equipment nicht reicht, zu einem guten Film einfach mehr gehört. Wo sind hier Inspiration und Leidenschaft, echte Überraschungen, Spielwitz, erzählerisches Talent oder Intelligenz? Übrig bleibt lediglich ein abgeschmackter Horrorfilm auf unterem Direct-to-Video-Niveau über Habgier als Mordmotiv, der für Schnaas von persönlicher Bedeutung sein mag, dem Genre, das ee exploitiert, aber nichts zurückgibt. Nothing. Niente.
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Soul Man

„Das sind die '80er, Mann! Das ist das Bill-Cosby-Jahrzehnt! Amerika liebt die schwarzen Mitmenschen!“

US-Regisseur Steve Miner debütierte 1981 mit „Freitag der 13. Teil 2“, ein Jahr später folgte, ebenfalls unter seiner Regie, die zweite Fortsetzung der beliebten Slasher-Reihe, „Und wieder ist Freitag der 13.“, womit er eigentlich bereits einen Ruf als Horror-Genre-Regisseur weghatte. Für etwas Verwunderung dürfte gesorgt haben, als er erst 1986 erneut als Regisseur in Erscheinung trat, und zwar nicht etwa für einen weiteren Schlitzerfilm o.ä., sondern für die romantische Komödie „Soul Man“ mit dem sozialkritischen Anspruch, den US-amerikanischen Rassismus zwischen Weißen und Afroamerikanern ad absurdum zu führen.

„Magst du jetzt wirklich die Beach Boys nicht mehr?“

Mark Watson (C. Thomas Howell, „Die Outsider“) und sein Kumpel Gordon Bloomfeld (Arye Gross, „House 2“) ergattern beide einen Studienplatz an der Harvard Law School der Harvard-Universität. Marks Vater jedoch verspürt so überhaupt keine Lust mehr, seinem Filius das Studium zu finanzieren, also benötigt Mark ein Stipendium. Mark findet eine Möglichkeit – diese steht jedoch lediglich Afroamerikanern zur Verfügung. Mark zieht die Konsequenz und färbt seine Haut mittels Bräunungsmitteln dunkel, um an das Stipendium zu kommen…

„Sie haben gelernt, was es heißt, ein Schwarzer zu sein!“

Wer vollkommen unbedarft an „Soul Man“ herangeht, sieht sich zunächst mit ein paar müden Gags im Umfeld privilegierter karrieristischer Jugendlicher, die weiße Klamotten tragen und auf langweiligen Partys nichtssagenden Pop hören, konfrontiert. Doch wer glaubt, Miner habe damit seine sympathietragenden Protagonisten etablieren wollen, irrt glücklicherweise, denn schnell ist’s mit dem Lotterleben vorbei und Mark „muss“ sich als Schwarzer durchschlagen. Neben der ihn mit „positiven“ Vorurteilen in Bezug auf seine Sexualität begegnenden Kommilitonin Whitney (Melora Hardin, „Der stählerne Adler“) und ihrem spießigen Vater (Leslie Nielsen, „Alarm im Weltall“) lernt er seinen farbigen Professor Banks (James Earl Jones, „Exorzist II – Der Ketzer“) kennen sowie die aus San Diego stammente Kommilitonin Sarah Walker (Rae Dawn Chong, „Geschichten aus der Schattenwelt“), ebenfalls Afroamerikanerin, die alleinerziehende Mutter ist und nebenher jobben muss, um ihr Studium zu finanzieren – da ihr jemand das Stipendium weggeschnappt hat…

Über die Ethnophilie Whitneys hinaus sieht er sich unterschiedlichen Formen rassistischer Vorurteile und ihren Folgen ausgesetzt, sei es, als man sich beim Basketball fast um ihn prügelt, weil man ihm ungesehen hervorragende Spielkünste attestiert, sei es, als Mitstudenten nie um einen schlechten Witz auf Kosten Farbiger verlegen sind oder er Opfer von Polizeiwillkür wird. Ihren Romantik-Anteil bezieht die Komödie (zunächst etwas bemüht) aus dem Umstand, dass sich Mark in Sarah verliebt, was mit immer stärkeren Gewissensbissen einhergeht. Zudem fällt es Mark zunehmend schwer, in seiner Rolle zu bleiben und droht spätestens dann aufzufliegen, als ehemalige Klassenkameraden aus Los Angeles hinzustoßen oder in einer köstlich turbulenten Szene verschiedene Parteien in Marks WG aufeinandertreffen.

Miner nimmt in seinem Film rassistische Klischees aufs Korn und visualisiert diese auch durchaus amüsant, auch mal hingegen eher bewusst erschreckend. Ziel ist es, weiße Zuschauer für die Thematik zu sensibilisieren und den Finger in die Wunde zu legen, dass auch Mitte der 1980er Rassismus in den USA allgegenwärtig war (und ja bekanntermaßen bis heute noch ist). Am überzeugendsten ist dabei das Kernstück des Films zwischen Prolog und kitschigem Happy End, gegen Ende zündet der Humor leider kaum noch und verliert der Film zusätzlich an Biss. Mit am schlimmsten ist eine Anhörung Marks vor einem Komitee, vor dem sein Freund Gordon eine hochgradig alberne Anwaltsfarce liefert – zumal diese Szene derart unversehens hereinbricht, dass es wirkt, als fehle auf der DVD etwas vom Film (was ich beim Ramschlabel „Best Entertainment“ wohlgemerkt für möglich halte). Natürlich ist es generell ein etwas schwieriges Unterfangen, versucht man sich als Weißer in die Rolle eines Schwarzen hineinzuversetzen – ob nun als Filmrolle oder als Autor bzw. Filmemacher. „Soul Man“ ist intelligent genug, exakt diesen Umstand von Professor Banks noch einmal ansprechen zu lassen und somit auch der Kritik am Blackfacing zumindest ein Stück weit den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Aufgrund manch miesen Gags und der Kitschoffensive gegen Ende ist zwar auch hier „gut gemeint“ bisweilen fast schon das Gegenteil von „gut gemacht“, dennoch handelt es sich um ein interessantes Kuriosum in Steve Miners Filmographie, das ich, der ich durchaus auch Freund der leichten Muse bin, doch überm Durchschnitt ansiedeln möchte. Die schauspielerische Leistung manch Jungmimes und die unmissverständlich antirassistische Aussage, die zumindest in den USA eine größere Anzahl Jugendlicher quer durch die Schichten erreicht haben dürfte, sprechen dafür.
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Spider Murphy Gang

„Bank oder Musik – beides geht nicht!“

Die Münchener Spider Murphy Gang feierte Anfang der 1980er Erfolge mit ihrem poppigen Rock’n’Roll in bayrischer Mundart, ihr größter Hit wurde 1981 „Skandal im Sperrbezirk“. Als ihr Entdecker fungierte Georg Kostya, Radiomoderator des Bayerischen Rundfunks, der die Band bereits kennengelernt und gefördert hatte, als sie noch englischsprachige Coverversionen spielte. Von ihm soll schließlich auch der entscheidende Tipp gekommen sein, auf bayrisch zu singen. Eben jener Kostya trat 1983 als Regisseur des „Spider Murphy Gang“-Spielfilms in Erscheinung, der den Aufstieg der Band auf fiktive Weise, jedoch mit den Original-Bandmitgliedern als Schauspieler skizziert:

Die Spider Murphy Gang hat es sich zum Ziel gesetzt, im Circus Krone ein Konzert vor wahren Menschenmassen zu spielen. Die Realität sieht jedoch anders aus, noch tingelt man durch schummrige Spelunken und muss sich ständig neunmalklug darüber belehren lassen, dass niemand bayrischen Rock’n’Roll hören wolle. Kneipier Kleffcowski (Hans Brenner, „Nacht der Wölfe“) gibt den Jungs jedoch eine reelle Chance und avanciert schließlich zu ihrem Manager…

Die Band begibt sich für den Film also zunächst in eine Art Opferrolle, als würde sie unbedingt bayrisch singen wollen, aber man ließe sie nicht. Sie stößt auf Vorbehalte sowie diverse weitere Schwierigkeiten, schafft es letztendlich jedoch in den Circus Krone und damit zum umjubelten Großkonzert. Kostyas Film suggeriert reichlich vereinfacht und naiv, man habe lediglich eine Single pressen lassen müssen, die nach einem einzelnen Einsatz im Radio eine riesige Halle ausverkauft habe. Höhepunkt ist dann auch das letzte Drittel mit vielen Live-Songs eben jenes Gigs mit energievoll vorgetragenen Hits, Drumsolo, Publikumsmitsingspielchen und Zugabe: dem brandneuen Song „Rosi“, der seltsamerweise schon euphorisch mitgesungen wird, obwohl ihn noch niemand hat kennen können. Die schauspielerischen Leistungen der Bandmitglieder fallen kaum gegen die der übrigen Darsteller ab und es macht durchaus Spaß, ihrem ungekünstelt wirkenden Spiel zuzusehen. Als Running Gag fungieren die Frauengeschichten des an den Rollstuhl gefesselten Kleffcowskis und generell herrscht hier viel bayrische Mundart vor, die für mich als Küstensohn manchmal schwer zu verstehen ist. Der Humor des komödiantisch gestalteten Films hat seine Momente, flacht aber leider auch dann und wann ins Dümmliche ab.

Insgesamt ist der Film ein bisschen wie die Band, die er zu porträtieren versucht: Nett anzusehen bzw. -hören, ein bisschen frech, ohne jemandem dabei weh zu tun und vor allem aber knietief in den ‘80ern verwurzelt, was ihn auch zu einem nostalgischen Zeitdokument für diejenigen macht, die damals dabei waren.
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