bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Die phantastische Reise ins Jenseits

„Wozu ist dieses Leben gut, wenn alle, die du liebst, sterben?“

US-Regisseur Frank LaLoggia brachte es in seiner Karriere auf lediglich drei Filme: Zwischen seinem Horrordebüt „Luzifer“ aus dem Jahre 1981 und seinem Schwanengesang „Mörderisches Herz“, einem Thriller aus dem Jahre 1996, lag 1988 „Die phantastische Reise ins Jenseits“, ein Horrorfilm mit starken Fantasy-Anleihen.

„Manchmal, wenn jemand umgebracht wird, kann die Seele keine Ruhe finden!“

Am Halloween-Abend des Jahres 1962 wird der neunjährige Frankie (Lukas Haas, „Der Hexenmeister“) von seinen Mitschülern Donald (Jared Rushton, „S.A.M. – Reise durch die Zeit“) und Louie (Gregory Levinson, „Alfred Hitchcock“) in der Schulgarderobe eingeschlossen, wo er zunächst von einer Beerdigung träumt und plötzlich Visionen von einem Mädchen hat, das ein Unsichtbarer misshandelt und wegträgt. Als sich ein ganz realer Einbrecher Zugang verschafft, bringt dieser Frankie fast um. In einem Zustand zwischen Leben und Tod kann er im Traum über die Kleinstadt fliegen und sieht verschiedene Bilder, u.a. seine Freunde an seinem Grab. Auch begegnet er einem Mädchen, das seine Mutter sucht. Schließlich wird er von der Polizei gefunden und gerettet. Hausmeister Harold Williams wird verhaftet und angeklagt, insgesamt elf Morde und einen Mordversuch begangen zu haben. In der Zeitung erkennt Frankie das Mädchen aus seinen Träumen wieder: Sie war das erste Opfer des Mörders und wurde in eben jener Garderobe ermordet. In dieser Gegend, in der auch eine „Lady in White“ herumspuken soll, bekommt Frankie tatsächlich Besuch von ruhelose Geistern, denn der wahre Täter ist noch immer auf freiem Fuß – und hinter Frankie her, denn der Junge hat etwas, das ihm gehört...

Als Erwachsener hat Frankie eine Laufbahn zum erfolgreichen Horrorschriftsteller eingeschlagen und fährt eines Tages zurück in die Kleinstadt, in der er seine schicksalhafte Kindheit verbrachte. Mit einer Taxifahrt mit anschließendem Kurzhalt am Friedhof beginnt LaLoggia nämlich seinen Film, dessen eigentliche Handlung eine ausgedehnte Rückblende in Frankies Erinnerungen des Jahres 1962 darstellt, beginnend mit der Nacht vor Halloween. Der erwachsene Frankie erzählt aus dem Off, stellt seine italienische Familie vor und verdeutlicht, dass ihn die Lust am Schreiben von Horrorgeschichten bereits als Kind antrieb: Anlässlich des Gruselfests las er damals seiner Schulklasse eine Monstermär vor. Ab nun gibt sich „Die phantastische Reise ins Jenseits“ den Anstrich eines Kinder- und Jugendfilms in bisweilen unwirklichen, bunten Kulissen, in dem die erwachsenen Charaktere karikierend überzeichnet werden und der die typische US-amerikanische Kleinstadt-Stimmung der frühen 1960er aufgreift und um reichlich Magie erweitert nachzeichnet.

Frankies Familie verfügt über viel komödiantisches Potential, insbesondere in Frankies älterem Bruder Geno (Jason Presson, „Explorers - Ein phantastisches Abenteuer“) und seinem für Running Gags guten Großvater. Dies kontrastiert die alles andere als lustige Geschichte um den Kindermörder, dessen Ring Frankie in der Garderobe gefunden hat und der ihm schließlich von Geno abgenommen wurde. Rassismus bzw. Kritik am selben klingt durch, wenn der schwarze Hausmeister vorschnell verhaftet und angeklagt, jedoch schließlich freigesprochen wird – wovon er nicht lange etwas hat, denn die Mutter eines der getöteten Kinder erschießt ihn kurz darauf, womit der Film auch dieser Form der Selbstjustiz eine Absage erteilt. Parallel dazu entspinnt LaLoggia die Haupthandlung um die „Lady in White“, deren Gruselhaus Frankie und seine Freunde als Mutprobe aufsuchen und Reißaus nehmen, sobald diese tatsächlich auftaucht. Sie entpuppt sich als Mutter der toten Melissa, deren Geist schließlich auch Geno zu Gesicht bekommt. Zusammen mit der Hilfe aus dem Jenseits gelingt es schließlich, den wahren Mörder zu überführen und Frankie vor ihm zu retten.

Aus dem Whodunit?, der Rolle der Geister und der Art und Weise, wie sich der kleine Junge aus der brenzligen Situation retten soll, bezieht der Film seine Spannung, der seine unheimliche Grundstimmung eher in ein Fantasy-Gewand kleidet und dafür umso mehr gegen Ende mit einem bösen Schockeffekt und brennenden Inferno erschreckt. Prima in die 1980er herübergerettetes ’60er-Zeitkolorit unterstützt die an Stephen Kings von minderjährigen Protagonisten handelnden Geschichten erinnernde Atmosphäre und der kleine Lukas Haas ist gleichsam niedlich und talentiert genug, um den Film respektabel zu schultern. Leider sind die Spezialeffekte in Hinblick auf die Geistererscheinungen nicht immer sonderlich gut gelungen und mit dem kitschigen Ende wollte LaLoggia dann augenscheinlich doch zu sehr auf Familientauglichkeit setzen. Davon einmal abgesehen ist „Die phantastische Reise ins Jenseits“ aber ein weitestgehend geglückter, durchweg unterhaltsamer Genrefilm aus der zweiten Reihe, der unterschiedliche Motive zielführend und gut genießbar zusammenführt, ohne es auf visuelle Härte und Verstörung abgesehen zu haben – wodurch gewisse Einzelszenen umso effektiver wirken. 6,5 von 10 verräterischen Ringen gibt meine Schmuckschatulle dafür gern her.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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The Body

„Wenn ich die Augen schließe, bist du noch bei mir!“

Der Psycho-Thriller „The Body“ aus dem Jahre 2012 ist das Regie-Debüt des Spaniers Oriol Paulo, der 2010 bereits als Drehbuchautor des artverwandten „Julia’s Eyes“ in Erscheinung getreten war.

Der Nachtwächter des Leichenschauhauses hetzt panisch durch die Dunkelheit und wird von einem Auto überfahren. Der alarmierte Inspektor Jaime Peña (José Coronado, „Last Days – Tage der Panik“) stellt fest, dass die Leiche der vermögenden und einflussreichen Mayka Villaverde (Belén Rueda, „Das Waisenhaus“) aus dem Leichenschauhaus verschwunden ist, die kurz zuvor an einem Herbstinfarkt, ausgelöst durch ein Mordkomplott ihres wesentlich jüngeren Mannes Álex Ulloa (Hugo Silva, „Sex, Party und Lügen“), gestorben war, der eine jüngere Geliebte (Aura Garrido, „Ghost Club – Geister auf der Schule“) hat. Dies weiß Peña nicht, ist Álex gegenüber jedoch äußerst misstrauisch. Dieser wiederum wird seit dem Verschwinden der Leiche immer wieder mit Indizien, die auf seinen Mord hinweisen, konfrontiert. Gibt es einen Mitwisser, der ein perfides Spiel mit Álex treibt – oder lebt Mayka gar noch…?

Ein klischeeträchtiges Unwetter herrscht von Beginn an vor, das sich durch die gesamte in der Gegenwart spielende Handlung zieht und diese in eine düstere Atmosphäre und verzweifelte Stimmung taucht. Dies entspricht durchaus auch dem Gemüt des Inspektors, der ebenfalls seine Frau verloren und noch immer daran zu knabbern hat – was mit ein Grund für seinen rabiaten Umgang mit dem Verdächtigen Álex sein dürfte. Aufgebrochen wird die gegenwärtige Tristesse immer wieder durch Rückblenden, die den Zuschauer mit Informationen versorgen, die die Polizei nicht hat und Álex’ Erinnerungen visualisieren. Schon relativ früh zeigt Paulo, dass Álex der Mörder seiner Frau ist, macht daraus also kein allzu großes Geheimnis. Diese hatte einen sehr eigenwilligen Humor auf Kosten ihres Mannes, den sie kaum ernstzunehmen schien. Weitere Rückblenden zeigen, wie sie bisweilen aber doch Angst hatte, ihn zu verlieren, sie ihm auf seiner Arbeit nachstellte und ihn mit einem Motorrad überraschte. Dennoch entwickelt der Zuschauer zumindest dafür Verständnis, dass sich Álex in eine andere Frau verliebte.

In der Gegenwart verschwindet nun wie von Geisterhand Maykas Mobiltelefon, jemand jubelt Álex ein Giftfläschchen mit der Substanz, mittels derer er seine Frau umbrachte, unter, das schließlich von der Polizei gefunden wird und eine Einladung zum Unternehmerball inkl. Botschaft Maykas wird ihm zugeschoben. Ferner wird der Sicherheitscode des Überwachungsraums auf den seines Arbeitsplatzes geändert, ein anderes Handy bei einer anderen Leiche gefunden, während Maykas Telefon in einem Restaurant auftaucht. Álex, dem in einer wahren Ekelszene auf dem Klo volle Überwindung abverlangt wird, und dem Zuschauer werden so gleichsam Rätsel aufgegeben und immer neue Fragen aufgeworfen, derer Beantwortung man ungeduldig und fasziniert zugleich harrt. Während all dies immer stärker an Álex‘ Nerven zerrt, dessen vermeintlich perfekter Mord sich schließlich als Nullnummer entpuppt, bekommt man auch weitere Einblicke in das Seelenleben des Inspektors, ebenfalls in Form von Rückblenden.

Nachdem mit dem Privatdetektiv eine weitere entscheidende Rolle eingeführt wurde, überschlagen sich langsam aber sicher die Ereignisse, etwas abgebremst durch eine Rückblende, die nun Álex Kennenlernen mit seiner Freundin aufdröselt. Die wendungsreiche Handlung schlägt gleich mehrere Haken und hat den Überraschungseffekt immer wieder auf ihrer Seite, überzeugt zudem mit pointiertem Timing. Am Ende wird alles sauber aufgelöst, dennoch bleibt der Eindruck, dass „The Body“ schon arg krude konstruiert wurde. Den positiven Eindruck dieses noir’schen Psycho-Thriller schmälert das aber nur wenig und nachdem es hieß „Nichts, was heute Nacht passiert ist, ist Zufall gewesen!“, weiß man, dass auch im Jahre 2012 im spanischen Grusel- und Thriller-Kino noch längst nicht alles gesagt war. Schade, dass Oriol Paulo seitdem anscheinend nichts mehr hat von sich hören lassen... 7,5 von 10 Indizien erscheinen mir da locker gerichtlich verwertbar.
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Frankenhooker

„Bio-Elektriker - was immer das heißen mag...“

Der New Yorker Frank Henenlotter, der 1982 mit dem herzallerliebsten Geschwisterdrama „Basket Case“ debütierte und sechs Jahre später die Drogenparabel „Elmer“ nachschob, drehte 1990 neben der umstrittenen Fortsetzung zu Erstgenanntem mit „Frankenhooker“ eine Science-Fiction-Horror-Komödie, die klassische Frankenstein-Mad-Scientist-Motive aufs Korn nimmt.

Jeffrey Frankens (James Lorinz, „Street Trash“) geliebte Freundin Elizabeth Shelley (Patty Mullen, „Doom Asylum“) gerät bei einem schlimmen Unfall in einen Rasenmäher und wird zerhäckselt. Doch der sich als „Bio-Elektriker“ die Zeit vertreibende Jeffrey nimmt ihren Kopf und ein paar weitere ihrer Körperteile an sich und verschanzt sich in seinem Labor, um einen Plan zur Wiederbelebung seinr Angebeteten zu schmieden: Er will ihr einen neuen, ja, sogar besseren Körper schenken. Zu diesem Zwecke sieht er sich auf dem Straßenstrich um und beordert gleich eine ganze Mann- bzw. Frauschaft auf ein Hotelzimmer zu Doktorspielchen, die er als Vorwand nutzt, um sie zu vermessen und zu untersuchen. Die Körperteile, die ihm gut genug für seine Elizabeth erscheinen, markiert er, ohne dass die leichten Damen Lunte riechen. Als diese jedoch seine selbstkreierte Superdroge entdecken, pfeifen sie sich das Zeug in die Luxuskörper, als gäb’s kein Morgen mehr – den sie in der Tat nicht mehr erleben: Die Prostituierten explodieren sprichwörtlich. Aus den Überresten klaubt sich Jeffrey zusammen, was er braucht, näht alles säuberlich zusammen und reanimiert Elizabeth mit ihrem neuen Körper in einer Gewitternacht. Diese benimmt sich jedoch ganz anders als erhofft, denn sie zieht als Prostituierte aus ins Rotlicht-Milieu, wodurch manch Freier das Zeitliche segnet. Und zu allem Überfluss ist nun auch noch der Zuhälter der explodierten Damen, der nie lange fackelnde Zorro (Joseph Gonzalez, „Death Wish 3“), hinter Jeffrey her...

Henenlotter zeigt uns zunächst einmal, wie Jeffrey mit einem Hirn mit Auge experimentiert, kurz bevor es zum makabren Unfall kommt. Nach dem Vorspann landet Elizabeth’ Kopf in hübschem Blubberwasser, das dieser verlassen darf, als Jeffrey romantisch mit ihm zu Abend isst. Um Inspiration zu bekommen, bohrt Mr. Bio-Elektrik sich selbst in seinen Dötz und bekommt schließlich den verhängnisvollen Einfall, einen Abstecher ins Prostitutions- und Drogenmilieu zu unternehmen. Die supercrackbedingten Explosionen bescheren dem Zuschauer lustige Spezialeffekte, die Damen wiederum reichlich Fleischbeschau. Die Blitzeinschlags- und Energiefluss-Effekte der Reanimation sind sehr ansehnlich, doch der größte Spaß ergibt sich aus Elizabeth’ neuer Rolle als Prostituierte. Wie sie auf der Straße wahllos Hurensprüche klopft, Phrasen drescht und die Passanten grob behandelt, ist nicht nur wunderbar kurios, sondern macht „Frankenhooker“ neben einer Frankenstein-Parodie auch zu einer Persiflage auf penetrante Straßennutten und ihren Jargon.

Tatsächlich wundern sich die Freier auch nur wenig und sind keinesfalls abgeneigt. Der erste explodiert beim Geschlechtsakt kurzerhand – und ist glücklich... Einen Möchtegern-Zuhälter zerreißt’s beim Küssen, einen anderen beim Cunnilingus. Diese durchschaubaren SFX wurden mit Puppen gelöst, in dieser Hinsicht schwankt die Qualität des Films. Nachdem Jeffrey seine auch Sprachfetzen aus ihrer Vergangenheit stammelnde Elizabeth noch einmal behandelt und repariert hat, ist sie – eben bis auf ihren Körper – wieder ganz die Alte und Henenlotter läutet das Finale ein, indem er Zorro Jeffrey einen Kopf kürzer machen lässt und in Sachen Spezialeffekte noch mal so richtig die Fetzen fliegen lässt, kongenialen Körperhorror zelebriert: Die übrigen Körperteile sind zu bizarren, an „Basket Case“ erinnernde Kreaturen zusammengewachsen und kümmern sich um Zorro, bevor die Pointe für Jeffrey noch eine besondere Überraschung bereithält. Man sollte eben nicht den Kopf verlieren...

Patty Mullen macht als Kreatur formerly known as Elizabeth eine prima Figur, spielt ihre Rolle mit Witz, Ironie und keckem Charme. Da ist es schade, dass sie sich danach anscheinend schon wieder aus dem Filmgeschäft verabschiedete. James Lorinz als Mad Scientist darf kräftig overacten und hat ebenfalls sichtlich Spaß daran, dem Wahnsinn seiner Rolle Ausdruck zu verleihen. Manch Nebenrolle wurde hingegen mit Laiendarstellern besetzt. Alles in allem macht der Low-Budget-Streifen einen ordentlichen Eindruck und ist in erster Linie ein herrlich grotesker, geschmacksverirrter Spaß, der keinen großen Anspruch an Perfektion stellt, dafür einen umso höheren an Augenzwinkern und Kurzweiligkeit. Im Großstadtambiente mit seinen Leuchtreklamen ist Henenlotter einmal mehr in seinem Element und greift urbane Begleiterscheinungen wie Anonymität, Milieu und Moloch auf. Einige Dia- bzw. Monolog-Längen (Jeffrey ist auch ohne Gesprächspartner sehr redselig) haben sich eingeschlichen, dennoch ist „Frankenhooker“ eine überaus charmante, positive Überraschung, die ich Henenlotter nach den „Basket Case“-Fortsetzungen gar nicht mehr zugetraut hatte.
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MosquitoMan

„Hey, du Riesenmücke!“

Der gebürtige Ungar Tibor Takács, bekannt für ‘80er-Horror-Perlen aus der zweiten Reihe wie „Hardcover“ oder „Gate – Die Unterirdischen“, versuchte sich in vielen Genres und bediente nach der Jahrtausendwende verstärkt Film-Spartensender wie „SyFy“ mit TV-Horror-Produktionen. Zu den sicherlich gelungeneren dürfte „MosquitoMan“ aus dem Jahre 2005 zählen, der sogar in US-amerikanisch-deutscher Koproduktion entstand.

In Baltimore breitet sich ein tödliches Virus durch Moskitos aus, das immer mehr Menschen dahinrafft. Abhilfe naht in Form eines Gegenmittels, das die Wissenschaftlerin Jennifer Allen (Musetta Vander, „Alien Desperados“) aus mutierten Moskitos hergestellt hat. An Häftling Ray Erikson (Matt Jordon, „Es lauert“) soll es getestet werden, aber dieser kann sich befreien und entkommt im allgemeinen Chaos – jedoch wurde er mit dem Stoff, der die Stechmücken mutieren lässt, kontaminiert und beginnt, sich in ein Mensch-Moskito-Hybrid-Wesen zu verwandeln, ständig auf der Suche nach frischem Blut…

„Er war für mich nur eine Nummer, ein Versuchskaninchen!“

TV-Bilder und die Stimmen von Nachrichtensprechern führen in die Thematik ein; ein Sprecher aus dem Off leitet in eine ausgedehnte Rückblende ein, die die Ereignisse nachzeichnet. Rays Gefangenentransport mündet in eine Schießerei, im Zuge derer auffällt, dass er ein wesentlich besserer Schütze als die vielen Wärter ist. Es kommt zu einer Explosion, Ray wird in Quarantäne versetzt, entkommt jedoch und mutiert leider zum Teil mittels CGI-Effekten. Die handgefertigte Kreatur, zu der er wird, sieht jedoch recht ansprechend aus. Der ermittelnde Bulle ist liiert mit Jennifer, die Ray kurzzeitig als Geisel hatte und daher ebenfalls infiziert wurde und zu mutieren beginnt. Beim Vorspiel bekommt sie plötzlich rote Augen und kratzt ihren Mann, ihre schleichenden Veränderungen erinnern etwas an Cronenbergs „Die Fliege“. Per Bluttransfusion soll ihr geholfen werden, was jedoch nicht funktioniert. Ray alias der MosquitoMan hat sich Jennifer anscheinend als Partnerin auserkoren und will warten, bis die Mutation abgeschlossen ist.

Das ist durchaus eine krude Geschichte, die man sich da bei deutlicher Orientierung an großen Vorbildern ausgedacht hat und am Creature Design des kugelsicheren Moskito-Menschen mangelt’s auch wirklich nicht, vielmehr an blutigen Einlagen, die ich in diesem Falle tatsächlich in höherer Frequenz erwartet hatte. Zudem ist „MosquitoMan“ atmosphärisch eher dröge ausgefallen; ein Problem, mit dem viele TV- und Direct-to-Video-Produktionen zu kämpfen haben. Ab einem späteren Zeitpunkt aber gewinnt er an visueller Härte, als die Kreatur eine zerstückelte Spezialeinheit zurücklässt und sich im Anschluss das Sicherheitspersonal des Krankenhauses vorknöpft: Da wird ein Kopf halbiert, ein anderer zerquetscht, insgesamt geht’s brutaler und schmodderiger zur Sache. Absurd wird’s spätestens, wenn jemand ein ganzes Stockwerk in die Luft jagt und nur leichtverletzt überlebt. Die tragische Note im Showdown verpufft dann verglichen mit anderen Filmen dieses Metiers auch eher, als dass sie sich ins Langzeitgedächtnis einprägen würde; es handelt sich eben zweifelsohne um Genre-Junk-Food für Zwischendurch ohne höheren Nährwert – jedoch der angenehmeren Sorte, über die man sich nicht beschwert, wenn man beim Zappen an ihr hängen bleibt oder sie für ’nen schmalen Taler vom Wühltisch oder Flohmarkt mitnimmt.
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Blutroter Morgen

„Was treibst du denn so?“ – „Das Übliche, wenn du sitzt...“

Der britische Regisseur Douglas Hickox debütierte 1959 mit dem von „Godzilla“ inspirierten Monsterfilm „Das Ungeheuer von Loch Ness“ und pausierte anschließend recht lange, bevor er 1970 mit der Komödie „Seid nett zu Mr. Sloane“ zum Kino zurückkehrte. Genrefans ist er vor allem durch seine kongeniale Zusammenarbeit mit Vincent Price für die Horrorkomödie „Theater des Grauens“ bekannt, doch ein Jahr zuvor, 1972, entstand ein zu Unrecht in Vergessenheit geratener Gangster-Streifen, für den er auf niemand Geringeren als Oliver Reed in der Hauptrolle zurückgreifen konnte: Die Romanverfilmung „Blutroter Morgen“, auch bekannt als „Time For Killing“ oder unter ihrem Originaltitel „Sitting Target“, entstanden in britisch-US-amerikanischer Koproduktion.

„Wieso du Hemmungen hast, zuzuschlagen, werde ich nie begreifen!“

Harry Lomart (Oliver Reed, „Die Teufel“) sitzt für 15 Jahre wegen Totschlags hinter Gittern. Als ihn seine Frau Pat (Jill St. John, „Der geheimnisvolle Dritte“) nach einiger Zeit mal wieder dort besucht, eröffnet sie ihm, dass sie nicht plane, länger auf ihn zu warten, im Gegenteil: Sie erwarte bereits ein Kind von einem anderen Mann. Wutentbrannt durchschlägt Harry die Trennscheibe des Besucherraums und würgt Pat, bis die Wärter eingreifen. Der seelisch tief verletzte Harry erträgt den Gedanken an seine untreue Frau nicht und sieht nur noch eine Lösung: Sie muss sterben. Zusammen mit den Mithäftlingen Birdy (Ian McShane, „Die alles zur Sau machen“) und MacNeil (Freddie Jones, „Frankenstein muss sterben“) bricht er aus dem Gefängnis aus und plant seinen Rachefeldzug. Inspektor Milton (Edward Woodward, „The Wicker Man“) stellt Pat derweil unter Polizeischutz...

„Es gibt kein morgen – es gibt nur ein Heute!“

Eben noch befand sich Harry beim Training innerhalb der Justizanstalt, kurz danach brennen ihm auch schon die Sicherungen durch. Die Szene mit der Trennscheibe besitzt sprichwörtliche Durchschlagskraft und macht dem erschrockenen Zuschauer unmissverständlich klar, dass mit Harry nicht gut Kirschen essen und schon gar nicht Schlussmachen ist. Nach dem erfolgreichen Ausbruch setzt sich MacNeil nach Liverpool ab, während es Harry und Birdy in den Süden Londons zieht. Harry besorgt sich eine Schnellfeuerwaffe und sucht den Wohnblock auf, in dem Pat lebt. Pat hält eine Unterredung mit Milton, der Harry auch einst in den Knast brachte, und es kommt zu einer nervenaufreibenden Schlägerei auf dem Balkon des obersten Stockwerks, als Harry dazustößt und die Plauderrunde empfindlich stört. In bester Manier macht er die hinzueilenden Bullen kalt und entkommt erneut.

„Die Polizisten sind schlimmer als die Leute, die im Knast sitzen!“

Hickox inszeniert daraufhin einen Nebenhandlungsstrang, in dem Harry und Birdy mit Verrätern abrechnen. Sie suchen die Wohnung eines gewissen Martys (Frank Finlay, „Teufelskreis Y“) auf, dessen promiskuitive Freundin es erst einmal Birdy treibt (was Hickox indes nicht zum Anlass für eine Sleaze-Szene nahm). Bei den folgenden Auseinandersetzungen stirbt der mit der Polizei zusammenarbeitende Marty. Das Finale lässt Harry seiner abtrünnigen Frau mit einem Scharfschützengewehr auflauern und die Ereignisse überschlagen sich schließlich: Eine überraschende Wendung, ein abgekartetes Spiel, eine Verfolgungsjagd per Pkw – und ein Showdown voller starker Bilder, der in eine berührende Schlussszene mündet, die von, ja, von wahrer Liebe zeugt und ihrem Film ein halboffenes Ende beschert.

„Der muss ja einen Schädel aus Beton haben!“

„Blutroter Morgen“ ist ein angenehm straff inszenierter Gangster-Streifen, der neben der altmeisterlich gekonnt erscheinenden Regie viel von seinem Hauptdarsteller Oliver Reed lebt. Dieser versteht es nämlich, trotz Minimalmimik der tragischen Note seiner Rolle Ausdruck zu verleihen. Er wirkt trotz seiner Brutalität menschlich, wie ein Mann mit tiefen, echten Gefühlen, die bei ihrer Verletzung in Hass und Rachegelüste umschlagen. Unberechenbar, kühl und grobschlächtig gibt er sich nach außen hin, um seine Zerbrechlichkeit zu kaschieren. Die Handlung hat durchaus etwas vom Film noir an sich, u.a. seinen Fatalismus. Die Kameraarbeit hält ebenfalls prima bei Laune und zeigt sich bisweilen gar von einer originellen Seite. Schauspielerisch gibt es bis in die Nebenrollen allgemein nichts zu meckern. „Blutroter Morgen“ ist eine vergessene Perle des britischen Gangster-Kinos der ‘70er-Jahre, die neben Spannung, Action, Tempo und Charakterfressen auch eine nicht ungefähre emotionale Ebene aufweist, die sie veredelt.
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Verfluchtes Amsterdam

„Die Grachten wurden vom Sperrmüll befreit, jetzt sind sie voller Leichen!“

Der niederländische Regisseur Dick Maas drehte nach seinem kultigen, trashigen Debüt „Fahrstuhl des Grauens“ und der Asi-Komödie „Eine Familie zum Knutschen“ im Jahre 1988 den Action-Thriller „Verfluchtes Amsterdam“ – eine Art Hommage der etwas anderen Art an die Grachtenstadt inkl. Anleihen beim Slasher-Film.

Das niederländische Amsterdam ist Schauplatz einer grausamen Mordserie: Die Opfer werden stets an oder in den Grachten gefunden. Ermittler Eric Visser (Huub Stapel, „Fahrstuhl des Grauens“) tritt zunächst auf der Stelle, doch die Spur führt schließlich zur lokalen Tauchszene. Die Nachforschungen im Tauchverein stoßen aber auf wenig Gegenliebe, mit der attraktive Taucherin Laura (Monique van de Ven, „Rollentausch“) kann Eric dafür anbändeln. Wer ist der mysteriöse Mörder und was ist sein Motiv? Das fragt sich auch Erics minderjährige Tochter Anneke (Tatum Dagelet, „Der verlorene Soldat“), die zusammen mit ihrem Freund Willy (Edwin Bakker, „Eine Familie zum Knutschen“) auf eigene Faust zu ermitteln beginnt…

„Er hat sie regelrecht abgeschlachtet!“

Unheilschwangere Musik, eine in den Grachten schwimmende Kamera, die Point-of-View-Perspektive eines Schwimmers mit Atemgerät: Das ist der stimmungsvolle Einstieg in Maas’ „Verfluchtes Amsterdam“, der danach ins weniger verborgene Nachtleben schwenkt. Man bekommt die Küche eines Asia-Restaurants zu sehen sowie, und das ist wesentlich spektakulärer, einen Taxifahrer, der eine Prostituierte zu vergewaltigen versucht. Sie wehrt sich redlich, der Unhold zischt ab, doch ein noch fieserer erscheint auf der Bildfläche: Die Kreatur aus den Grachten, die der Dame des horizontalen Gewerbes nun im Off den Garaus macht. Wie einen Kontrast zu diesen erschütternden Bildern der niederländischen Metropole installiert der Schnitt nun wunderschöne Luftaufnahmen der Stadt, die anschließend einen Ausflugsdampfer fokussieren, auf dem eine Führerin die Gäste mit touristisch relevanten Informationen versorgt. Maas nimmt dies erneut zum Anlass, zu kontrastieren – er erschreckt die Touris und die Zuschauer gleichermaßen, indem er in einer der berüchtigtsten Szenen des Films eine von einer Brücke hängenden Leiche übers Glasdach des Schiffs schrammen und zum allgemeinen Entsetzen eine Blutspur ziehen lässt.

„Es gab Zeiten, in denen der Ruf unserer Stadt nicht allzu gut war!“

Nach einem harschen Schnitt lernen wir Eric Visser kennen, der gerade ein Bad nimmt, sowie seine Tochter Anneke. In einer Konditorei überwältigt er einen bewaffneten Räuber, doch der Zuckerbäcker zeigt sich undankbar; Eric reagiert betont cool und professionell. „Es war ein Monster“, weiß eine Zeugin zu berichten und meint natürlich nicht den Räuber, sondern den Mörder. Und dieser schlägt erneut zu, diesmal hat er es auf Umweltschützer abgesehen, die auf den Wasserstraßen unterwegs sind. Eric arbeitet mit John (Wim Zomer) von der Wasserschutzpolizei zusammen und das Whodunit? verdichtet sich zumindest ein wenig: Es scheint sich um einen Taucher zu handeln. Das ist zunächst einmal nichts, was der Zuschauer nicht schon wüsste und so ist dieser neugierig, was Erics Besuch des Tauchvereins möglicherweise an neuen Erkenntnissen bringt. Dass man ihn dort nicht mit offenen Armen empfängt, wirkt durchaus verdächtig. Immerhin lernt er dort sein Love Interest Laura kennen, deren Psychiater – ein ehemaliger Taucher – sich irgendwie auffällig verhält. Doch nachdem sich auch Erics Tochter und ihr Freund eingeschaltet haben, wird eine Blondine auf einem Schlauchboot böse aufgeschlitzt. Ein Verdächtiger flieht auf seinem Motorrad, was eine rasante Verfolgungsjagd zur Folge hat, wird verhaftet und von den Bullen mies behandelt – doch die ach so heiße Spur verläuft im Sande und der wahre Mörder bringt ein Boot samt Bootsmann zum Sinken. John begibt sich auf Tauchgang und begegnet erst der Leiche, dann dem Mörder und der Unterwasserkampf endet tödlich – leider nicht für den Täter.

Mit der Verfolgungsjagd per Motorboot beginnt eine weitere Sternstunde des Films: Diese ist superlang, spannend, voll irrer Stunts und weist zudem ein wenig Humor auf. Hierfür wurde es an nichts gespart. Sie endet für den Mörder mit einem Unfall und einer Explosion, doch ist er auch dadurch nicht kleinzukriegen. Es scheint zu einem Showdown in der Kanalisation zu kommen, doch seine Taucherbrille ist schusssicher... Die Identität des Täters scheint nun klar und wirkt enttäuschend überraschungsarm, doch im Zuge des tatsächlichen Showdowns hält „Amsterdamned“, so der wortspielerische Originaltitel, noch eine Wendung parat, die den Film wieder ein Stück weit in Richtung Phantastik treibt und mit effektiver Make-up-Arbeit einhergeht – sowie doch einiges erklärt.

Das Finale kommt zwar ohne das sattsam bekannte klischeehafte Unwetter nicht aus, setzt aber einen adäquaten Schlusspunkt unter den Film, der dann doch auch wieder Maas’ Vorliebe fürs Krude durchschimmern lässt. Über weite Strecken ist „Verfluchtes Amsterdam“ nämlich ein üblichen Konventionen folgender Krimi mit einigen starken Actionszenen sowie den beschriebenen Versatzstücken aus dem Horror-Thriller-Bereich. Doch nicht nur letztere machen den Film zu einer vergnüglichen, unterhaltsamen Angelegenheit. Auch wie Maas sich das Flair Amsterdams zu eigen macht, ohne die Stadt romantisch zu verklären oder ins andere Extrem zu verfallen und sie als grundlegend lebensfeindlichen Moloch zu karikieren, bietet ein nicht alltägliches Ambiente für einen Film dieser Gattung und macht Laune – das Lokalkolorit sorgt für einen starken individuellen Touch und zeichnet ein ambivalentes Bild der Stadt und ihrer Bewohner. Der schmissige zeitgenössische Pop-Song, mit dem der Abspann hinterlegt wurde, ist dann auch ein durchaus stimmiger Abschluss für diesen Film, der sich nicht permanent bierernst nimmt und seine Hauptdarsteller sicher durch die Handlung führen lässt, die mit einem „Fahrstuhl des Grauens“ bis auf die etwas schräge Auflösung nicht mehr viel gemein hat.
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Der Puppenmörder

„Möchten Sie eine Puppe, Sir?“

Der britische Regisseur Freddie Francis war vornehmlich im Bereich der phantastischen Genres aktiv und arbeitete u.a. für die „Hammer“-Produktionsschmiede. Zwischen seinen beiden „Amicus“-Episodenfilmen „Die Todeskarten des Dr. Schreck“ und „Der Foltergarten des Dr. Diablo“ verfilmte er im Jahre 1966 ein Drehbuch des „Psycho“-Autors Robert Bloch für „Amicus“: „Der Puppenmörder“, eine interessante Mischung aus Psycho-Thriller und Horrorfilm.

Eine unheimliche Mordserie beschäftigt Inspektor Holloway (Patrick Wymark, „Ekel“): Vier ehemalige Mitglieder einer Kommission, die einst einen Kriegsgewinnler verurteilt hat, werden ermordet. Mysteriös: Der Täter hinterlässt stets eine Puppe am Tatort, die nach Vorbild des Opfers modelliert wurde. Die Spur führt zur Witwe des Verurteilten, der sich nach dem Schuldspruch das Leben nahm: die an den Rollstuhl gefesselten Puppensammlerin Amelia Maugham (Margaret Johnston, „Hypno“). Doch noch viel mehr interessiert sich Holloway für Mrs. Maughams Sohn Mark (John Stranding, „Die eiserne Jungfrau“)…

„Sie haben hier interessante Bücher stehen: ,Anormale Psychologie‘“

Das erste Opfer wird von einem Auto an der Wand zerquetscht, dem zweiten wird die Medizin gegen Blausäure ausgetauscht, das dritte wird stranguliert, das vierte grausam verbrannt (wofür die Kameralinse eingerußt wird) – und der Inspektor entgeht nur knapp einem Bombenanschlag auf sein Auto. „Der Puppenmörder“ ist ein komplett unblutiger, jedoch inhaltlich harter Thriller, der Holloway und damit den Zuschauer in ein mysteriöses Umfeld eintauchen lässt: Das der schrulligen Puppensammlerin Mrs. Maughams, auf die Holloway kommt, weil der Puppenhersteller ihm von sechs bestellten Exemplaren berichtet und ihm die Adresse nennt. Mrs. Maugham bewohnt ein gruseliges Puppenhaus und spricht mit ihren Sammlungsstücken, die sie als ihre Kinder bezeichnet. Verdächtig macht sich jedoch ihr Sohn aus Fleisch und Blut, der junge Mann Mark, der Gina (Gina Gianelli) bittet, weitere Puppen zu besorgen.

Diese rafft’s ebenfalls dahin, interessanterweise in einem ausgesprochen gialloesken Mord mit knallrotem Mantel, schwerem Messer und schwarzen Handschuhen. Mark liefert sich in einem Bootshaus eine schwere Prügelei mit dem Inspektor, bis seine Mutter eingreift und er einen Abgang in schweren Metallketten hat. Was all das soll und wer nun weshalb mordet, wird zumindest ein bisschen deutlicher, als offiziell bestätigt wird, dass Mr. Maugham auf Grundlage gefälschter Beweise verurteilt wurde. Die Identifikation des Mörders, der seine Taten bewusst wie die einer anderen Person aussehen lassen wollte, sowie seines Motivs erscheint schließlich arg weit hergeholt, ist jedoch noch nicht die Pointe des Films. Dieser wirft nämlich in den letzten Minuten seine Kriminalfilm-Handlung über Bord und liefert stattdessen ein krudes Horror-Finale mit gruseligen Bildern, das recht originell ausgefallen ist und durchaus verstörende Wirkung besitzt.

Eine Spieluhrmelodie findet als Soundtrack Verwendung und versieht den Film mit morbider, unheilschwangerer Atmosphäre, die ihm in den herkömmlichen Krimi-Szenen abgeht. Dafür bieten diese aber Raum für interessante Charakterisierungen der Rollen, die wiederum leider keinerlei Entwicklungen durchlaufen – von der Schlusspointe einmal abgesehen, auf die sich Freddie Francis damit dann etwas zu sehr verlässt. Für einen nostalgischen Briten-Grusel langt’s aber allemal, 6,5 von 10 Puppen opfere ich gern dafür. Bezeichnenderweise hießen Mrs. Maugham und ihr Sohn in der Originalfassung „von Sturm“ mit Familiennamen und wurden als Deutsche dargestellt, wovon man in Deutschland aber offenbar nichts wissen wollte...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Leidenschaften einer Minderjährigen

„Was sind das denn wieder für Schweinereien?“

Der nach Mario Imperoli zweite Regisseur, der das Glück hatte, mit der bezaubernden italienischen Erotik-Darstellerin Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“) drehen zu dürfen, war sein Landsmann Silvio Amadio („Amuck!“). Nach „Kesse Teens - Die erste Liebe“ wurde der 1974 veröffentlichte Erotikfilm „Leidenschaften einer Minderjährigen“ Guidas (zum Drehzeitpunkt selbstverständlich volljährig) zweites Spielfilm-Engagement.

„Zieh dich aus!“

Klosterschülerin Valeria Sanna (Gloria Guida) verbringt ihre Freizeit zwangsläufig gern mit erotischen bis gewalttätigen Tagträumereien und fühlt sich – in Ermangelung von Alternativen? – zu Schwester Angela (Nicoletta Amadio, „Liebe ohne Stundenplan“) hingezogen. Nach Ihrem Abschluss kehrt sie zu ihrer Familie zurück. Ihr Vater Massimo (Marco Guglielmi, „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“) betreibt ein Architekturbüro und ist nur selten daheim, ihre Mutter Franca (Rosemary Dexter, „Marquis de Sade: Justine“) unterhält eine Affäre mit dem Steuerberater Carlo (Giacomo Rossi Stuart, „The Last Man on Earth“). Ihr Bruder Lorenzo (Luciano Roffi, „Convoy Busters“) hat ständig Geldsorgen und verdient sich ein Zubrot, indem er seiner Clique Geld dafür abknöpft, ihn beim Sex mit Hausmädchen Carlotta (Gabriella Lepori, „Die Viper“) zu beobachten – schreckt aber auch vor kleinkriminellen Machenschaften nicht zurück. Als Valeria den Künstler Spartacus (Corrado Pani, „Willkommen in der Hölle“) kennenlernt, findet sie Gefallen an ihm…

„Ich hoffe und wünsche dir, dass dein zukünftiges Leben von der Reinheit der Gefühle und der Tiefe des christlichen Glaubens geprägt sein wird, die du hier empfangen hast.“

Valeria läuft allein in kurzem Rock und Blümchenbluse eine leere Straße hinunter, die voyeuristische Kamera zoomt dabei auf ihr Gesäß. Sie wird von Motorradfahrern belästigt und schließlich vergewaltigt, stumm beobachtet von einem Mann. Nach dieser minutenlangen Einstiegsszene ohne Dialoge erwacht Valeria im Wohnheim und sucht den Arzt auf, der während der Untersuchung genüsslich eine Zigarette raucht und sich schließlich über Valeria hermachen will – doch ihre Mitschülerinnen platzen hinein, gehen dazwischen, üben Rache und scheinen den perversen Arzt sogar zu entmannen. Und wieder ist da dieser Mann… Schnitt, Ausflug in den Wald, Regisseur Amadio dokumentiert die zarten Gefühle zwischen Angela und Valeria, die von einer Oberschwester harsch verurteilt werden. Es folgt eine Sado-Maso-Szene inkl. Auspeitschung und einem aufgehängten Dekan, an dessen Ende erneut der geheimnisvolle Mann steht.

„Ich bin wahnsinnig, schon seit meiner Geburt!“

Eine berechtigte Frage ist an dieser Stelle, wo man angesichts dieser Bilder eigentlich gelandet ist. Des Rätsels Lösung: In Valerias Träumen und Phantasien! Auf sleazige, kontroverse Weise werden der so unschuldig wirkenden Blondine Vergewaltigungs-, Kastrations-, Sado-Maso- und Tötungsphantasien angedichtet und entsprechend visualisiert. Nachdem sie nach ihrem Abschluss feierlich nach Hause entlassen wurde, überrascht ihr Bruder sie unter der Dusche und äußert sich erstaunt über ihren körperlichen Entwicklungsstand. Mit den zumindest teilweise komödiantisch überzeichneten Charakteren mutiert „Leidenschaften einer Minderjährigen“ nun zusehends zu einer schlüpfrigen Teenie-Klamotte, wenn auch in erträglicherem Ausmaß als vergleichbare italienische Produktionen.

„Kommst du dir dabei nicht ein bisschen lächerlich vor?“

So treibt’s also Lorenzo in Form eines Rollenspiels mit Carlotta, während seine Freunde zusehen, räkelt sich Valeria oben ohne auf einem Strandfelsen und lässt sich fotografieren und betrügt ihre junge, hübsche Mutter ihren Ehemann, in dessen Unternehmen es kriselt. Und da sich auch Lorenzo in einer permanenten Finanzkrise befindet, zieht sich Valeria vor seiner Clique aus, um Geld für ihn aufzutreiben. Carlo hingegen zeigt sich neben Valerias Mutter nun auch von Valeria angetan und möchte ihr „helfen, eine Frau zu werden“ – indem er ihr zunächst einen Porno vorführt und anschließend in eine seiner Nazi-Uniformen schlüpft. Herrlich sind die scharfzüngigen Dialoge dieser Szene, denn Valeria macht sich in erster Linie über Carlo lustig. Auch Gianluca (Fabrizio Moroni, „Vier Fliegen auf grauem Samt“) würde Valeria gern entjungfern und fast sieht es so aus, als würde es ihm gelingen, doch das Subjekt seiner Begierde sieht sich vielmehr zum irren Künstler Spartacus hingezogen.

„Leidenschaften einer Minderjährigen“ hätte evtl. das Psychogram einer jungen Frau mit erwachter Sexualität werden können, die unter einer lustfeindlichen religiösen Erziehung leidet und vor diesem Hintergrund radikale Phantasien entwickelt, wirft diese Ausrichtung jedoch schnell über den Haufen und tendiert in die beschrieben komödiantische Richtung. Auch wenn nicht immer ganz eindeutig zu erkennen ist, wer es aus welchen Gründen nun gerade mit wem treibt, bleibt aber immerhin ein die an katholischen Klosterschulen propagierte Keuschheit kontrastierender Film, der offenbar auch eindrucksvoll aufzeigen will, wie wenig Einfluss die religiöse Indoktrination auf Valeria hatte, die auch unter dem Einfluss ihrer sexuell aufgeschlossenen Familie und ihres Umfelds ihre eigenen Erfahrungen sammelt und sich dabei alles andere als lustfeindlich oder prüde zeigt, für ihr erstes Mal aber ihre ganz eigene Entscheidung trifft. Das ist einerseits erotisch-unterhaltsam und dank der vielen wirklich schönen, ästhetischen Bilder sowohl Guidas als auch der Orte, die sie mit ihrer Anwesenheit beehrt, auch nicht unbedingt billig oder allzu schmierig, andererseits aber wohl auch tatsächlich ein religiöse Moralvorstellungen aushöhlendes, für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau eintretendes Statement – wohlweislich aus männlicher Sicht.

Dennoch lässt es sich Silvio Amadio nicht nehmen, nach dem abschließenden Geschlechtsakt unter freiem Himmel noch eine regelrechte Kitsch-Offensive anzuhängen. Witzig ist wiederum, dass man sich erst hinterher seine Namen verrät… Alles in allem ist „Leidenschaften einer Minderjährigen“ eine nicht unangenehme Guida-Schau, die eigentlich dramatische Familienverhältnisse jedoch gern ins Lächerliche zieht und sich nach seinen starken ersten 20 Minuten reichlich unentschlossen zeigt, welche Aspekte er neben der Erotik-Komponente denn nun betonen möchte. Dadurch gibt es aber auch irgendwie von allem etwas, zudem gallonenweise J&B in zahlreichen Szenen und so schwelge ich in 5,5 von 10 glücklicherweise unerfüllten Brutalosexphantasien.
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Blue Movie

„Man muss ihn eigentlich nur reinstecken!“

Als Andy Warhol sich 1968 zum vorletzten Mal selbst als Regisseur betätigte, wollte er schlicht einen Film drehen, in dem es zwei Menschen miteinander treiben. Das zunächst „Fuck“ getaufte Kammerspiel wurde reichlich gestrafft und in „Blue Movie“ umbenannt – und wirkte dennoch derart provokant, dass er die Zensur auf den Plan rief und ihr schließlich zum Opfer fiel.

„Wieso bist du so erschöpft? Hast du letzte Nacht so rumgefickt?“

Die Schauspielerin Susan Hoffman alias Viva („Flash Gordon“) und ihr Kollege Louis Waldon („Der Graf von Monte Christo“) befinden sich in einer Wohnung in New York City, labern belangloses Zeug miteinander und haben Sex, denn sie ist eine Prostituierte und er ihr Freier. Warhol stellt Voyeure jedoch auf eine Geduldsprobe, denn im Prinzip zeigt er, wie unspektakulär und profan der Sex fremder Menschen eigentlich ist, wenn er nicht gerade einen besonderen Fetisch bedient oder pornografisch eingefangen wurde. Viva und Waldon albern ein bisschen herum, führen enterotisierende Dialoge wie „Weißt du, dass ich Fußpilz habe? Schon seit ’58!“, „Siehst du den Ausschlag an meinen Beinen?“, „Deine Brustwarze sieht aus wie ‘ne getrocknete Aprikose!“ und nach über einer halben Stunde scheint es endlich zur Sache gehen. Plötzliches Bildflimmern, verstummender Ton und schließlich die Gewissheit, dass man sich noch immer im Vorspiel befindet ist die ernüchternde Konsequenz. Erst nach langer Zeit macht sich Viva obenherum frei und irgendwann sind tatsächlich beide nackt. Primäre Geschlechtsorgane bekommt man jedoch keine zu sehen.

„Das letzte Mal war's furchtbar!“

Beide sind sich (natürlich) der Kamera bewusst und erwähnen sie (das ist außergewöhnlich) auch dem Zuschauer gegenüber, Viva fährt Waldon im Scherz sogar an: „Wir wollen deinen hässlichen Schwanz und deine Eier nicht sehen!“ Nach einer Dreiviertelstunde kommt es endlich zum Geschlechtsakt, der zunächst seltsam unauthentisch aussieht, wie er so halb auf ihr draufliegt. Nach einem Stellungswechsel wird es expliziter und im Anschluss an den Akt die Gespräche ernster: Nun geht es um Politik, Atomkraft etc. Sie machen sich den Fernseher an und essen, die Postproduktion gibt sich nun schnittfreudiger und die Kamera arbeitet verstärkt mit Zooms. Viva und Waldon ziehen sich wieder an und er wiederholt mantraartig: „Du bist schön!“ und „Ich liebe dich!“ Da sie noch immer Hunger haben, bereiten sie sich eine richtige Mahlzeit zu und gefühlt ist das sogar noch langweiliger, als würde man Menschen im realen Leben dabei beobachten.

„Jetzt passen da wenigstens alle Möhren rein!“

Als Zuschauer erfährt man immerhin noch, dass Waldon verheiratet ist und in Viva anscheinend etwas Abwechslung sucht. Sie gehen gemeinsam duschen, singen dort aber mehr als dass sie’s miteinander treiben, albern auch in der Badewanne herum und haben dort noch einmal Sex – und ohne Pointe o.ä. endet „Blue Movie“ schließlich. Das Ergebnis ist ein seinerzeit selbstverständlich skandalträchtiger Film, der wahnsinnig schlecht gealtert ist, und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Farbstichigkeit kam angeblich durch falsch verwendetes Material zustande, inwieweit der eine oder andere unwillkürliche Schnitt, auch mitten in Dialogen, auf Materialverschleiß zurückzuführen oder beabsichtigt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Mein Fazit: Sex ist eine der natürlichsten Tätigkeiten der Welt, Abermillionen Menschen haben ihn täglich. Sex ist normal und damit eigentlich für andere wenig aufregend, ebenso das ganze Drumherum, kann sogar richtiggehend langweilig und bedeutungslos sein. Andy Warhol beweist dies mit seinem improvisierten, experimentellen und völlig unerotisch plump abgefilmten „Blue Movie“ eindrucksvoll. Wenn man ihn denn durchsteht.
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Roboter der Sterne

„Hier wackelt die Heide gleich bis nach Lüneburg!“

Gute Science-Fiction entführt einen in faszinierende Zukunftswelten, malt bewusstseinserweiternde Szenarien oder überschreitet die Grenzen von Raum, Zeit, Wissenschaft und Technologie, regt die Phantasie an und lädt ein zu Gedankenexperimenten, sie begeistert, erschreckt oder verblüfft. Tut sie all dies jedoch nicht, spricht man von Scheiß-Fiction. Einen der berüchtigtsten Beiträge zu diesem Subgenre leistete im Jahre 1974 entweder Regisseur Kwok Ting-Hung oder Berufskollege Koichi Takano, OFDb und IMDb sind sich diesbzgl. uneins, mit „Roboter der Sterne“, der sich seine Roboterkampfszenen aus einer japanischen Fernsehserie entlieh und durch eine Gaga-Rahmenhandlung mit hongkong’schen Schauspielern verknüpfte.

Außerirdische vom „Toten Stern“ wüten unter Führung des „Erhabenen Koordinators“ seit Jahrzehnten im Bermuda-Dreieck, indem sie Schiffe und Flugzeug mittels überdimensionalen Kampfrobotern verschwinden lassen. Der Grund: Sie wollen weiterhin unbemerkt auf der Erde Titanium abbauen können, auf dessen Grundlage sie eine unzerstörbare Roboter-Legierung entwickeln wollen. Dafür benötigen sie indes das Fachwissens des „Professors“ (Liang Shao-Hua, „Jen Ko - In seinen Fäusten brennt die Rache“), doch dieser ist Leiter einer Spezialeinheit, die mithilfe des „Magischen Ballermanns“, eines eigens zur Alien-Abwehr entwickelten Super-Roboters, dem Koordinator und seiner Bande den Garaus machen will. Gesteuert wird das metallene Ungetüm von Kai (Stephan Yip, „Die tödlichen Fäuste der Shaolin“), der seine Eltern vor 20 Jahren bei einem Alien-Angriff auf ein Kreuzfahrtschiff verlor. Doch den Außerirdischen gelingt es, Teile der Einheit zu entführen und gegen den Professor auszutauschen…

Nachdem ein Sprecher auf dem Off über das Bermuda-Dreieck referierte, beginnt mit einer Rückblende in Kais Kindheit auch schon der bunte Roboter-Reigen: Ein Riesenroboter greift das Schiff an, auf dem sich Kai gerade mit seinen Eltern befindet, Kai überlebt als einziger und hat seitdem Rache geschworen. Für diese kommt ihm der „Magische Ballermann“ gerade recht, den er mindestens genauso gut beherrscht wie den flotten Flitzer, mit dem er im Alltag unterwegs ist. Die offenbar lediglich auch fünf Mitgliedern bestehende Spezialeinheit in albernen rotgrünen Kostümen (mit Ausnahme des namenlosen Professors, der in einen Hosenanzug schlüpfen durfte) versucht es nun also, mit den Invasoren aufzunehmen, was eine Vielzahl von Roboter-Materialschlachten zur Folge hat. Die Blechkumpel ballern und prügeln in Miniaturkulissen auf sich ein und haben verschiedene Gimmicks zu bieten. Das erinnert an typische Kaijus und sieht meist aus wie in einer beliebigen Spielzeugabteilung der ‘70er. Die Japaner haben’s in ihrem Technologiewahn und ihrem Größenwahn ja irgendwie mit Riesenrobotern und so wird hier eine Schlacht nach der anderen geschlagen, leider mit sich zum Teil ständig wiederholenden Spezialeffekten und einer Umsetzung, mit der man höchstens einmal Grundschüler beeindrucken konnte.

Zwischen diesen auf Dauer ermüdenden Kämpfen bietet „Roboter der Sterne“ viel Platz für weitere, weitaus fulminantere Kuriositäten: Dem „Erhabenen Koordinator“ stehen seine langen Loden unentwegt sprichwörtlich zu Berge und leuchten zudem – anscheinend stimmungsabhängig – in diversen Neonfarben. Er schreckt auch nicht davor zurück, Football-Spieler mit Ballbomben auf Kai zu hetzen, welcher wiederum unverhoffte Hilfe von einem Polizisten namens „Specki“ erhält, der mit seinem ballonbetriebenen fliegenden Fahrrad unterwegs ist! Die extrem alberne, pseudobrandtsche deutsche Sprücheklopfer-Synchro gibt dem idiotischen Treiben dann endgültig den Rest und scheint den Film ihrerseits verballhornen zu wollen. Kai wird übrigens von niemand Geringeren als Christian Brückner gesprochen, Robert de Niros deutscher Stimme! Als Running Gag lautet die Parole der Spezialeinheit stets „Macht sie fettich!“ – „Gemacht!“.

„Roboter der Sterne“ ist Fernost-Volltrash oberster Kajüte, kindisch, knallbunt und ohne jeden Nährwert, ein oberflächlicher Effekt-Overkill billiger Machart mit ein paar Knallchargen als Schauspielern. Ein Paradebeispiel der Scheiß-Fiction, dem seine Beknacktheit zu einigem Ruhm unter Trash-Aficionados verholfen hat, das aber eigentlich durch keine Qualitätskontrolle der Welt hätte kommen dürfen und seitdem unbedarften, zu tief gewühlt habenden Freunde des phantastischen Films manch Hirnzelle kostet...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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