bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Die Todesparty II

„Wo die Kunst ist, da ist auch viel Dreck!“

Es gehört schon eine gewisse Abgewichstheit dazu, im Jahre 1989, nachdem das Slasher-Subgenre quasi all seine Klassiker bereits hervorgebracht hatte, einen derart uninspirierten Genre-Beitrag zu liefern, wie es der US-Regisseur Rospo Pallenberg mit „Die Todesparty II“ tat, der eigentlich „Cutting Class“ heißt und mit dem empfehlenswerten „Die Todesparty“ nichts zu tun hat. Kurioserweise zählt dieser selbst bei beinharten Genre-Fans in der Regel durchfallende Schnellschuss zu den allerersten Spielfilm-Gehversuchen des jungen Brad Pitt („Fight Club“), der bekanntermaßen später zum Superstar avancierte. Anders erging es Pallenberg, der hiermit debütierte und anschließend nicht mehr wollte oder nicht mehr durfte: Es blieb seine einzige Regiearbeit.

Brian Woods (Donovan Leitch Jr., „Der Blob“-Remake) befand sich einige Jahre zwecks Behandlung seiner psychischen Erkrankung in der Heilanstalt, geschlossene Abteilung. Als geheilt geltend, kehrt er an seine alte High School zurück, wo man ihm jedoch mit Misstrauen begegnet, allen voran sein alter Freund Dwight (Brad Pitt). Der Hauptgrund: Sie sind beide am selben Mädchen interessiert, der attraktiven Paula (Jill Schoelen, „Stepfather“). Als es zu einer unheimlichen Mordserie an der Schule kommt, fällt der Verdacht auf Brian. Doch ist er wirklich der Täter…? Ein Rückblick auf den Film inklusive aller Spoiler:

„Ich ändere jetzt meinen IQ!“

Zu Beginn wähnt man sich beinahe im Videospiel-Klassiker „Paperboy“, wenn ein Zeitungsjunge durch die Straßen der US-Kleinstadt fährt und die Gazetten vor die Hauseingänge pfeffert. Die interessante Titelsong ist die New-Wave-Nummer „Nearer to Morning“ von „Wall of Voodoo“, die gleich drei oder vier, wenn man das ebenfalls von ihrem Sänger Andy Prieboy vorgetragene „Man Talk“ mitzählt, Stücke zum Soundtrack beisteuerten. Paula öffnet die Tür ohne Hose, dafür im langen Hemd, holt sich die Zeitung rein und diskutiert mit ihrem besorgten Vater (Martin Mull, „Mrs. Doubtfire“), der auf die Jagd fährt. Die Szene verfügt über ein gewisses Sex-Appeal, doch die Kamera fängt nicht nur Paulas Beine ein, sondern gestattet auch einen beiläufigen Blick auf die Schlagzeile: „Boy Who Killed Father Released From Institution“

Aha, ein Vatermörder ist also wieder auf freiem Fuße. Dies muss auch Paulas alter Herr bald am eigenen Leib erfahren, denn statt dass er Stockenten schießt, wird er von einem Unbekannten mit Pfeil und Bogen angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Ist’s der Vatermörder, der es schlicht deshalb auf Paulas Dad abgesehen hat, weil er eben ein Vater ist? Oder treiben radikale Tierschützer ihr Unwesen? Ist der alte Sack gar in vormals unberührtes Indianer-Gebiet vorgedrungen? Der Film schweigt sich aus – noch. Zurück in der Stadt baut Dwight, ein widerlicher Sunnyboy mit Fönfrisur, leider nur beinahe einen Unfall mit seinem protzigen Sportwagen, hat einen coolen Spruch auf den Lippen und stößt zu spät zum Chemie-Unterricht. In der nächsten Stunde steht Sport auf dem Plan, wo ein Mädel ein Baumblatt an einem Pfeil findet. Befindet sich der Todesschütze möglicherweise in genau dieser Schule, womöglich gerade am Barren die Fortpflanzungsorgane riskierend oder am Reck den Körper stählend? Bis jetzt sind es nur Indizien.

Der Zuschauer erfährt nun in bester Seifenoper-Manier, dass Dwight irgendwie mit der scharfen Paula verbandelt ist und Brian ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hat, beide Kerle früher Kumpels waren, aber Brians Klapsen-Aufenthalt dazwischenkam, seit dem Dwight nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Anschließend steht Kunst auf dem Programm, denn Paula posiert als Unterwäschemodell im Unterricht. Brian stellt ihr nach. Ist er der irre Killer? Sicherlich nicht, das wäre etwas sehr profan… oder? Der kauzige Rektor (Roddy McDowall, „Die Klasse von 1984“) mit seinen lustigen Sprüchen erhascht einen Blick auf Paulas Hintern, doch er wird dabei beobachtet. Das Whodunit? lenkt den Verdacht überaus auffällig auf Brian, also kann er es nach den Genre-Regeln eigentlich nicht sein. Wer den armen Teufel, der als nächster dran glauben muss, im Ofen verfeuert hat, bleibt also unklar. Dwight und seine Freunde brechen in die Schule, pfeifen, wie üblichen in den US-of-NSA, auf jeglichen Datenschutz und lesen in Brians auskunftsfreudiger Akte, die der Stasi zur Ehre gereichen würde. Brian ist wachen Geistes und stets die Szenerie genau beobachtend.

„So viel Blut hab’ ich ja lange nicht mehr gesehen!“

Zurück im Schulalltag springt ein Mädel mitten im Unterricht plötzlich auf und macht Faxen, was den Lehrer aber überhaupt nicht interessiert – Zustände sind das... Heiter geht es weiter, nämlich auf eine Schulexkursion mit einem komödiantisch überzeichneten Lehrer und alle latschen am sterbenden Jäger und Vater Paulas vorbei, ohne ihn zu bemerken, wie er da im Schilf vor sich hin röchelt. An der High School steigt schließlich ein Sportwettkampf und da sind die Cheerleader natürlich nicht weit. Eine von ihnen cheerleadet ohne Höschen, doch ihr unter den Rängen gaffendem Freund wird vor ihren Augen die Kehle durchgeschnitten – Täter: unbekannt. Doch es gibt auch gute Nachrichten, denn Dwight und Brian scheinen sich wieder anzufreunden, während sich jedoch der Hausmeister durch markige soziopathische Sprüche verdächtig macht. Haben wir da einen neuen Verdächtigen Nummer eins?

Zu früh gefreut, denn prompt wird Lehrkörperin Mrs. Knocht (Nancy Fish, „Dr. Giggles“) mit dem Kopf auf den Kopierer geknallt, wo sie ihren anscheinend schweren Verletzungen erliegt. Dieses zugegeben nicht ganz alltägliche Ereignis treibt endgültig einen Keil zwischen Dwight und Brian, denn ersterer bezichtigt letzteren nun öffentlich des Mordes, was diesen in die Flucht treibt. Nach einem Schnitt auf Oben-ohne-Mädels in der Umkleide lässt man Brian Paula in ihrem Badezimmer überraschen und ihn sich ihr erklären. Dwight hingegen lässt sich hängen, betrinkt sich, hat Ärger mit dem Sportlehrer usw. Hat Brian nun wieder bessere Karten? Zumindest scheint er über Beweismittel zu verfügen, denn er entdeckt einen Ring an der Hand des Mörders auf der Fotokopie, die während Mrs. Knochts Ableben entstand: Es handelt sich um Dwights Schmuck! Umgehend informiert er Paula. Der Sportlehrer muss zwischenzeitlich auf dem Trampolin sein Leben lassen (Sport ist Mord!) und ausgerechnet Paula entdeckt schließlich mehrere Leichen. Der Mörder schreibt unterdessen eine Aufgabe für den Mathelehrer an die Tafel, die dieser falsch löst und in einer harten Mordszene mit einer Axt erschlagen wird – von, Achtung, jetzt kommt’s: Brian!

Dieser faselt gegenüber Paula irgendetwas von Liebe und Sünde, doch Dwight greift ein und versucht, Kenntnisse aus dem Chemie-Kurs anzuwenden, doch leider kam er ja damals zu spät zum Unterricht! So ist sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt und die pädagogische Aussage des Films perfekt. Es kommt zu einem Duell in der Werkstatt, Dwight findet sich im Schraubstock steckend wieder, doch Brian entpuppt sich als strohdoof, schließt die Augen und lässt sich Werkzeug von Paula in die derangierte Rübe jagen. Irgendwie geht dann doch alles ganz schnell und ein ganz netter Schlussgag besiegelt „Die Todesparty II“.

Conclusio: Was längere Zeit den Eindruck eines überzeichneten und in Sachen Handlung sehr unwahrscheinlichen, aber eigentlich recht angenehmen Genrefilms für Schulhasser erweckte, der einen überraschend kleinen Kreis Verdächtiger anbietet und darauf hinauszulaufen scheint, Kritik an der Vorverurteilung psychisch Kranker zu üben, ja, vielleicht sogar ein ganz heißes Eisen anzufassen und sich für die Resozialisierung von Mördern auszusprechen, flacht leider vollends ab, als dann eben doch die einfachste Auflösung präsentiert und gleich der erste Verdächtige zum tatsächlichen Killer erklärt wird. Dabei entblödet sich „Die Todesparty II“ nicht, den Oberunsympathen Dwight, der Brian auch im Falle seiner Unschuld nie eine wirkliche Chance gegeben hätte und sich auch ansonsten verhält, wie der letzte Kotzbrocken, zum Helden zu verklären und das Mädchen kriegen zu lassen, womit der Film konträr zu sämtlichen Slasher-Regeln verläuft. Da hilft es dann auch nicht mehr viel, dass sich der Film nicht allzu ernst nimmt, aber auch nicht zur Komödie wird, wenngleich einige Gags eher zum Abgewöhnen sind – beispielsweise die häufigen Schnitte auf Paulas Vater, der sich durch die Botanik schleppt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige gelungene Gags zu attestieren und der lässige ’80er-Look kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Spezialeffekte sind mitunter zwar reichlich billig gemacht und die etwas sehr bemüht auf Originalität getrimmten Mordszenen arg konstruiert, dafür gewinnt der Film zum Ende hin aber an Härte und wird blutiger. Im schauspielerisch durchwachsenen, weil zum Chargieren neigenden Ensemble kann man immerhin auf die hübsche Jill Schoelen verweisen, die ja schon so etwas wie eine kleine Genre-Ikone und gerngesehen Scream Queen ist; ich werfe einfach mal Filmtitel wie „Stepfather“, „The Bite“, „Skinner ...lebend gehäutet“ und „Stimme der Dunkelheit“ in den Raum und bemerke, dass sie auch mit Wes Craven und Robert Englund zusammengearbeitet hat. Ihrem Gegenspieler Brian fehlt es an vielem, vor allem aber an einer irgendwie bemerkenswerten, bizarren Hintergrundgeschichte, wenn er schon der Mörder sein soll. Ein weiteres Indiz dafür, wie unheimlich einfach es sich Autor Steve Slavkin und Regisseur Pallenberg letztendlich gemacht haben. Das ist schade und enttäuschend, denn Potential hätte dieser Streifen zumindest in der zweiten Slasher-Liga durchaus gehabt – ob nun mit oder ohne Brad Pitt. Slasher dürfen gern auf den ersten Blick konservativ erscheinen, mit seinem Hang zum gesellschaftlichen Konformismus und Teenager-Sozialdarwinismus in Kombination mit der zugegebenermaßen nicht ganz so untypischen Eindimensionalität verrät „Die Todesparty II“ jedoch das Subgenre gewissermaßen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Bloodmoon

„Der Fluch der Unterklasse…“

Als Aussie- oder Ozploitation würde man heutzutage den australischen Slasher „Bloodmoon“ aus dem Jahre 1990 bezeichnen. Regie führte der Brite Alec Mills, der hauptsächlich als Kameramann an James-Bond- und Star-Wars-Filmen beteiligt war, aber lediglich zwei eigene Regie-Einsätze vorzuweisen hat: neben „Bloodmoon“ den Thriller „Ein Arzt unter Verdacht“ mit Linda Blair, kurioserweise beide aus demselben Jahr.

Die Handlung ist eigentlich schnell grob umrissen: An einer katholischen Mädchenschule und einem Elite-Internat für reiche Schnösel geht ein wahnsinniger Mörder um, der seine Opfer vorzugsweise mit Stacheldraht stranguliert. Über den recht unbekannten Film gibt es aber wesentlich mehr zu erzählen:

Der Prolog zeigt uns eine Nonne (Hazel Howson) in einer Kirche und schneidet kurz darauf in die Mädchenumkleide der katholischen Schule, um direkt die erste Oben-ohne-Szene unterzubringen. Im Anschluss spielt sich ein Drama ab: Eine Schülerin will wegen ihres Freundes durchbrennen, schleicht sich nachts raus ins Dickicht der Bäume und Büsche – und findet ihren Freund dort tot vor. Eine Stimme spricht zu ihr, laut und hallend, sie könne ihm nicht entkommen. Damit soll sie Recht behalten, denn das Mädchen wird mit Stacheldraht erdrosselt. Aus dem Hintergrund erklingt schöne, klassische, getragene, teil orgellastige sakrale Musik und die Nonne betet, sie habe gesündigt. Der unbekannte Mörder, der sich dem Zuschauer nicht zeigt, vergräbt derweil die Leichen.

„Was für eine Art von gottverdammter katholischer Schule ist das hier eigentlich?!“

Der Szenenwechsel wird eingeläutet von fröhlicher Musik, man begibt sich ins sonnige Küstenstädtchen Coopers Bay. Dort gibt es quasi drei Gruppen Jugendlicher: Die Mädels aus der Katholikenpenne, die vermögenden Jungs vom Winchester-Elite-Internat und die Angehörigen der lokalen Arbeiterklasse, von den Winchester-Faschos abwertend „Externe“ genannt und ständig provoziert. Während einer Ballnacht, wo alle drei Gruppen aufeinandertreffen, tritt, wie gern einmal in ‘80er-Horrorstreifen, eine Hard’n’Heavy-Band auf, nämlich die australische Gruppe „Vice“. Die Kommentare der Gäste: „Kindisch“, „fürchterlich“, „grässlich“. Ob man sich auf die Band oder die Party bezog, bleibt unklar. Zwei Mädchen sitzen herum und „handtanzen“ dazu; zu einer echten Tanzszene, wie sie in jeden guten Slasher gehört (habe ich das gerade geschrieben?), kommt es natürlich auch noch. Doch plötzlich spricht die unheimliche Stimme aus dem Prolog zu Mary, während die Haarband eine Ballade zum Besten gibt. Die Jungs haben ihren ritualisierten Zoff, Pärchen vergnügen sich in den Büschen und eines wird mittels der tödlichen Stacheldrahtschlinge erledigt.

„Sie böser Mensch! Sie böser, böser Mensch!“

Eine zarte Romanze entwickelt sich zwischen Prolet Kevin (Ian Williams, „Wild X-Mas“) und Katholikin Mary (Helen Thomson, „Der Tod fliegt mit“), er begleitet sie gar am nächsten Tag zur Messe. Es kommt zu einer Liebesszene zwischen beiden, kitschige Musik ertönt. Das ist weniger bizarr und lasterhaft als das Treiben der Rektorin und Frau des Biologie-Lehrers Virginia Sheffield (Christine Amor, „Kohle, Koks & heiße Kurven“), die mit einem der Elite-Schüler ins Bett steigt und ihren Mann Myles (Leon Lissek, „Time Bandits“) anschließend wie einen Sklaven beschimpft. Dass sich Myles nun grimmigen Blickes mit einer Schere über das Schuljahrbuch hockt, macht ihn zum Hauptverdächtigen und siehe da, der Film hält sich gar nicht länger mit Whodunit? auf und enthüllt bereits nach einer Stunden den Täter, als die Oberstreberin in seinem Raum die Stacheldrahtschlinge und ein Glas mit Augen und Fingern findet. Myles schlägt sie nieder und ersticht die Zeugin. Nun kommt die Polizei ins Spiel und ermittelt. Myles zwingt die Einserschülerin, Kevin anzurufen und ersticht sie ebenfalls. Es kommt heraus, dass die Sheffields bereits in Kalifornien gesucht werden, wo der anscheinend impotente Myles schon einige Opfer auf dem Gewissen hat. In Coopers Bay wollte man einen Neuanfang wagen, doch Myles hat wieder alles zunichte gemacht. Seine Frau begegnet dem, indem sie dick aufträgt und beinahe poetisch prophezeit: „Dies ist die Nacht der Alpträume! Das verdammte Ende der Welt! All die Käfer und Fledermäuse und Ungeheuer kommen heute Nacht zum Vorschein und keiner kann sie aufhalten!“ Doch statt Viehzeug und Ungeheuern kommt die Polizei, der Bulle wirft die fast schon philosophische Frage in den Raum: „Der Liebespfad – wo ist das?“ Nun, er findet ihn und dort kommt es zum Showdown, in den sich nun auch die Nonne, die erste Verdächtige aus dem Prolog, einmischt, indem sie Myles Säure ins Gesicht schüttet. Das genretypische Klischee-Unwetter tobt, Myles greift zur Flinte und…

Das behalte ich für mich, jedenfalls besiegelt er das Ende der sprunghaften Handlung, die vom reichlich blutarmen Teenage-Slasher zum die Subgenre-Regeln brechenden Maniac-on-the-Loose-Thriller wurde, in dem beispielsweise der Klassenkampf, die Konflikte mit den Winchester-Jungs, schon lange keine Rolle mehr spielten, ebensowenig wie manch anderes zuvor bedeutungsschwanger eingebrachtes und betontes Detail. Das irritiert ebenso wie die Rollenkonzeption, die eine Vielzahl an Charakteren einführt und sich damit schwertut, sich auf ein oder zwei Hauptrollen zu fokussieren. Was mit Kevin passierte, bleibt sogar gänzlich offen. Schauspielerisch bewegt man sich auf üblichem Genreniveau, Leon Lissek als im Alltag unscheinbarer, sexuell frustrierter Serienmörder macht eine gute Figur. Seine Rolle wurde möglicherweise an den realen russischen Massenmörder Andrei Romanowitsch Tschikatilo angelehnt. Alec Mills' kinematographisches Gespür für ausdrucksstarke Bilder findet sich auch in „Bloodmoon“ wieder, viele Szenen sind toll ausgeleuchtet und gefilmt, der Film verfügt über viel visuelle Kraft. Auch musikalisch ist er auffällig; zu den erwähnten sakralen Klängen und der Heavy-Rock-Band gesellen sich ein spannungsgeladener Score mit lauten Trommeln und ein abgefahrener Rocksongs Brian Mays (des australischen Filmkomponisten, nicht des britischen Rock-Monarchen) im Abspann, schlicht „Bloodmoon“ betitelt. Für Genre-Fans und an Exploitation aus Down Under Interessierte bietet „Bloodmoon“ ein unterhaltsames und über manch Qualität verfügendes Filmerlebnis, das mit den großen US-Vorbildern jedoch nicht mithalten kann.
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Pledge Class

„65% aller Senatoren und Kongressteilnehmer und 75% von Fortune 500 CEO sind Mitglieder einer Collegeverbindung!“ – „Und warum ist das Land dann in so großen Schwierigkeiten?“ – „Weil du ein Hippie warst und selbst nichts erreicht hast!“

US-Regisseur Paul Ziller („Bloodfist IV - Deadly Dragon“) debütierte im Jahre 1990 mit dem im Studenten-Milieu angesiedelten Slasher „Pledge Night“, einer Zeit also, in der die besten Slasher längst gedreht und die Nachzügler häufig eher durchschnittlicher Qualität waren – so auch dieser Trash-Streifen im Semi-Amateur-Look.

„Wir haben einen Schwarzen, wir haben einen Juden, Silvera ist Italiener – schließlich gibt es keine Diskriminierung!“

Um in eine Studentenverbindung aufgenommen zu werden, müssen die Anwärter in der sog. „Höllenwoche“ zahlreiche erniedrigende, bizarre Rituale über sich ergehen lassen: Sich permanent beschimpfen lassen, Regenwürmer verspeisen, Wettrennen mit Kirschen zwischen den Pobacken veranstalten (der Verlierer muss sie dann essen) etc. Dan (Arthur Lundquist, „The Regenerated Man“) ist diesmal an der Reihe, den Anwärtern einen besonderen Schrecken einzujagen, denn er mimt einen psychopathischen Killer. Was sie nicht wissen: Er tut nur so, als würde er am Esstisch jemanden erstechen. Doch irgendwann beginnt Dan, tatsächlich zu morden. Der Grund: Er ist besessen vom Geiste Sids, der bei einem der Ekelrituale vor 20 Jahren ums Leben kam…

„Was immer es war, es war kein Mensch!“

Zunächst verarscht dieser Streifen den Irrsinn um ach so elitäre Studentensekten ganz kräftig, wenn er die Verbindung in einem mit Graffiti vollgeschmierten Loch „tagen“ und die nicht minder bekloppten Anwärter zahlreiche idiotische Rituale durchlaufen lässt, die die Frischlinge auch noch bereitwillig über sich ergehen lassen. So ist locker die erste Hälfte des bisweilen an Trash-Produktionen der Troma-Schmiede erinnernden Films bestimmt von all diesem Unfug inkl. des vermeintlichen Mords durch den irre lachenden Dan, aufgelockert durch etwas Sleaze wie eine Striptease-Show auf einer Party sowie Titten und Fummeleien im „Boom Room“. Die Mutter (Barbara Summerville, „Prime Evil - Im Namen des Satans“) des Anwärters Larry (Todd Eastland) bittet diesen schließlich, inkognito ein paar Dinge herauszufinden, was als Überleitung zu einer Rückblende in ihre Studentenzeit dient. Diese zeigt das unfreiwillige Säurebad Sids, der in dieser Sequenz von niemand Geringerem als Joey Belladonna, dem Sänger der Thrash-Metal-Formation Anthrax, gespielt wird.

„Ich verklage den ganzen gottverdammten Staat!“

Bald darauf beginnt dann auch endlich der Horroranteil und so wird Tom (Tony Barbieri) von einer Hand aus dem Klo (!) getötet; Dan ersticht den Entdecker der Leiche und lacht irre und laut, bevor er einer Studentin in der Badewanne den Garaus macht und einer anderen mit zweckentfremdeten Rührstäben zu Leibe rückt. Diese Morde geschehen vornehmlich im Off, doch nach ca. einer Stunde holt Ziller doch noch die Splatter- und Gore-Keule hervor: Zombie-Sid (Will Kempe, „Last Days of Disco“) kriecht aus Dan heraus und zündet eine Kirschbombe (!), holt schließlich seine Gedärme heraus und stranguliert einen der nichtsnutzigen Studenten damit. Blut spritzt aus der Wand, der Bauch eines Studenten bläht sich auf und Ungeziefer platzt heraus. Und da die Polizei durchaus Kenntnis von der „Höllenwoche“ hat und dem sie alarmierenden Richard (David Neal Evans) daher kein Wort glaubt, bewahrt Sid einige weitere der auf sich allein gestellt herumschleichenden Studenten vor dem Schicksal des arbeitslosen Akademikers. Mittels Feuerlöscher und Schwert kann er kurzzeitig ruhiggestellt werden, kehrt jedoch noch einmal wieder und erzählt Larry, dass er nur zurückgekommen sei, um ihn zu beschützen – na klar, Sid, und Rache oder so spielte natürlich so gar keine Rolle, gelle? Bei genauerer Betrachtung ergibt eigentlich beides keinen Sinn, denn um Larry zu beschützen, muss er sicherlich keine anderen Studentenanwärter brutal ermorden und um sich an den damaligen Missetätern zu rächen, sind sie ebenfalls die falschen Adressaten. Aber was soll man von einem Zottelzombie aus dem Klo schon groß an Logik erwarten?

„Wieso will er uns ohne Grund umbringen? Ich werde ihm das nicht gestatten!“

Im Epilog darf er noch einmal empfindlich ein Pärchen beim Ficken stören, indem er mit einem Schwert unterm Hochbett auftaucht. „Das war’s dann“, sagt er, und das war es wirklich, denn es folgt der Abspann. Selbstverständlich ist „Pledge Class“ schlecht geschauspielert, strotzt nur so vor dümmlichen Dialogen von debilen, vollkommen austauschbaren Jugendlichen und geschmacklosem Humor sowie ebensolchem Herumgemantsche. Das ist durchaus spaßig anzusehen, wenngleich nicht immer deutlich wird, was unter freiwilliger und was unter eher unbeabsichtigter Komik zu verbuchen. Ist. Die Intention dürfte jedenfalls von vornherein nicht gewesen sein, dass irgendetwas ernstzunehmen wäre. Dafür wiederum ist „Pledge Class“ als Slasher-Verschnitt nun nicht sonderlich originell und als Satire auf elitäres Studentengehabe zu sehr Holzhammerhumor. Vor den Kopf gestoßen dürfte man denjenigen Teil des Publikums haben, der mit der Erwartung eines soliden Genrefilms an „Pledge Class“ herantrat und ob dieses Discount-Abklatsches enttäuscht wurde. Neben Trash-Fans sollte aber manch Headbanger oder Mosher seinen Spaß gehabt haben, denn neben einem Kurzauftritt ihres Sängers steuerten Anthrax auch quasi den gesamten Soundtrack mit diversen Stücken ihres Repertoires bei!
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Happy Hell Night

„Diese ganze Geschichte erinnert mich an Frankenstein!“

Ein Nachzügler der ‘80er-Slasher-Welle ist die kanadisch-jugoslawische (!) Koproduktion „Happy Hell Night“ aus dem Jahre 1992, die Regisseur Brian Owens‘ einzige Regiearbeit markiert. Der mit okkulten Motiven sowie im Studenten-Milieu spielende Film orientiert sich unverkennbar am Klassiker „Halloween“ und verzichtet von vornherein auf ein Whodunit?.

Seit 25 Jahren sitzt ein unheimlicher, haarloser Mann (Charles Cragin, „True Lies – Wahre Lügen“) stoisch und stumm in einer Zelle einer Nervenheilanstalt in Winfield. Dieser hatte damals in einer Gruft des örtlichen Friedhofs offenbar ein satanisches Ritual an mehreren Studenten verübt, das in einem Massaker gipfelte. Der Fall wurde vertuscht und totgeschwiegen, doch an Halloween des Jahres 1991 graben College-Studenten anhand eines Zeitungsausschnitts die alte Geschichte aus und wollen den Täter heimlich in der Anstalt aufsuchen und fotografieren, um den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Doch der Plan misslingt, der Täter kann sich befreien und hinterlässt eine blutige Spur…

Der Prolog zeigt die düstere Nervenheilanstalt Winfields. Der dem Zuschauer noch nicht vorgestellte Patient sitzt, ähnlich einem Michael Myers, seit einem Vierteljahrhundert regungslos in seiner Zelle, als würde er auf etwas warten. Die anschließende, wunderbar gruselige Rückblende zeigt einen Jungen (Sam Rockwell, „The Green Mile“) mit einem blutigen Kruzifix in der Hand, der den örtlichen Pfarrer (Irfan Mensur, „The Battle of Kosovo“) um Hilfe bittet. Dieser betritt die Gruft, in der sich ihm ein Bild des Schreckens bietet: Eine haarlose Gestalt inmitten verstümmelter Leichen, die „Kein Frieden!“ mit unwirklicher Stimme formuliert. Zurück in der Gegenwart des Jahres 1991 will man – natürlich – die Halloween-Feierlichkeiten begehen. Der Moderator des College-TV-Senders Ned Bara (Ted Clark, „Wrong Turn“) stößt auf den Fall und heckt seinen Plan aus. Gesucht wird er bereits vom Sheriff (Winston May, „Ghostbusters“), weil er Akten hat mitgehen lassen. Student Eric (Nick Gregory, „Evil Twin“) fragt seinen Vater (Darren McGavin, „Dead Heat“) nach dieser Geschichte, welcher schockiert reagiert, aber sich nichts anmerken zu lassen versucht und seinen Sohn am Telefon abwürgt. Zeit für etwas obligatorischen Sleaze, ein Student beobachtet die hübsche Liz (Laura Carney, „Pleasantville“) beim Sex. Anstatt selbst die Anstalt aufzusuchen, überredet Ned Bara seine Kommilitonen Ralph (Jeffrey Miller, „Jolly Roger: Das Massaker von Cutter's Cove“) und Sonny (Frank John Hughes, „Big Shot“), dort einzubrechen. Gesagt, getan, sie dringen in die düstere Zelle ein, schießen Fotos und erblicken Zachary Malius (so der Name des Insassen) im Blitzlicht. Es kommt zur Katastrophe, denn Ralph bleibt zurück, Malius beweist seine Humorlosigkeit, reißt ihm eine Hand ab und sagt: „Niemals scherzen!“

„Willst du mit mir schlafen?“ – „Mit dir? Warum nicht!“

Daraufhin erledigt er auch die weibliche Nachtwache und ist nun auf freiem Fuß. Zurück auf dem Campus überrascht Liz Bara beim Pornogucken und er erfährt, was geschehen ist. Liz informiert den Pfarrer, welcher in Panik gerät, denn der Film betont nun verstärkt das okkulte Element, das ihn beispielsweise von einem „Halloween“ unterscheidet: Der Kirchenmensch ist seinerzeit mit einem Exorzismusversuch an Malius gescheitert, er betet furchterfüllt und hat Visionen vom blutenden Jesus am Kreuz. Doch statt nun konsequent die ernste Schiene zu fahren, bedient auch „Happy Hell Night“ Subgenre-Klischees von dämlichen Jugendlichen, die sich ihrer Lage nicht bewusst sind und stattdessen eine Party feiern. Dies führt immerhin zu Nacktszenen einer Kimberly (Tatjana Pujin), die der lüsterne Bara filmt. Eric bekommt einen Korb von einem Mädchen und wird vom Einsilbigen per Spitzhackenhieb durchs Autodach getötet, was zwar ordentlich blutig, aber auch arg unrealistisch aussehend ausgefallen ist. Das Schlimmste allerdings ist Malius Kommentar, der den so düster begonnenen Film der Lächerlichkeit preisgibt und Gefahr läuft, aus Malius einen sprücheklopfenden Clown zu machen: „Parken verboten!“

Weitere Einzeiler sind „Kein Sex!“ zu Kimberly und „Keine Perversionen mehr!“ zu einen Mädel, das sich mit Handschellen ans Bett gekettet hatte. Das ist genauso stumpf, wie es klingt und trägt leider dazu bei, Malius zu entmystifizieren. Unheimlich ausdrucksstark und morbide wiederum ist die Szene um ein ans Kreuz genagelte, zerschlagene Opfer, das hin und her schwankend aufgehängt wurde. Eine Köpfung, einen Harpunenabschuss und Fenstersturz später schaut schließlich Erics Vater mal vorbei und bekennt sich verantwortlich, rattert schnell die Hintergrundgeschichte herunter. „Es gibt keine Livesendungen mehr!“ muss Bara erfahren und so gibt es weitere Todesopfer zu beklagen, bis man Malius mittels eines Rituals beizukommen versucht...

„Happy Hell Night“ hat einige gute Ansätze, gruselige Szenen und diverse Härten, flacht jedoch bald ab und schöpft nicht das ganze Potential aus, das Charles Cragin mit seinem außergewöhnlichen Äußeren, verstärkt durch entsprechende, zum Teil hervorragende Make-up-Arbeit, mitbringt und als einziger aus dem ansonsten trotz einiger bekannterer Namen recht austauschbaren Darsteller-Ensemble heraussticht. Auch aus der Hintergrundgeschichte um blasphemische Rituale hätte man mehr machen können, ist sie es doch, die hauptsächlich für Spannung sorgt. Dass man sich in manch Klischee suhlt, ist einem Slasher aber nur schwerlich ernsthaft vorzuwerfen, der unangebrachte Humor hingegen konterkariert die bisweilen durchaus gelungenen düster-atmosphärischen Bemühungen der filmischen Umsetzung. Die eingestreute Elektromusik aber ist mal etwas anderes und verleiht „Happy Hell Night“ tatsächlich einen damals leicht modernen Anstrich. Hörenswert ist auch das Ramones-artige Stück der Slush Puppies, das im Abspann ertönt. Alles in allem gehobener Durchschnitt aus Subgenre-Fan-Sicht, der aber auch das Unvermögen und die mangelnde Innovationskraft manch frühneunziger Slashers dokumentiert.
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Das Geheimnis von Centreville

„Mr. Bigelow hier hat ein außerirdisches Wesen gesehen!“

„Das Geheimnis von Centreville“ alias „Strange Invaders“ war nach „Strange Behaviour“ der zweite „fremdartige“ Spielfilm des Regisseurs Michael Laughlin, der nach seinem Drittwerk, dem Drama „In guten wie in schlechten Zeiten“, seine Regiekarriere auch schon wieder beendet hatte. Der US-Science-Fiction-Film mit Versatzstücken aus dem Horrorgenre erschien im Jahre 1983, wirkt aber als Invasoren-Paranoia-Film vielmehr wie ein Relikt aus den 1950ern.

Im Jahre 1948 landete ein Ufo in der Stadt Centreville in Illinois. 35 Jahre später muss Margaret (Diana Scarwid, „Psycho III“), die Ex-Frau des New Yorker Professors Charles Bigelow (Paul Le Mat, „American History X“), nach Centreville zur Beerdigung ihrer Mutter und lässt die gemeinsame Tochter Elizabeth (Lulu Sylbert, „Strange Behaviour“) bei Charles zurück. Als sie sich nicht meldet, fährt er sie dort suchen, bringt aber in Erfahrung, dass überhaupt keine Beerdigung stattfand. Zudem wird er alles andere als freundlich aufgenommen und schließlich von Außerirdischen angegriffen. Zurück in New York erfährt er von den Behörden, dass der Ort seit 1958 als unbewohnt gelte. Da man ihn nicht ernst nahm, nimmt er Kontakt zu Autorin Betty Walker (Nancy Allen, „Carrie - Des Satans jüngste Tochter“) auf, die im Sensationsblättchen „Informer“ einen Artikel über die „Strange Invaders“ veröffentlicht hat. Diese verhöhnt ihn jedoch, beteuert, die Story wäre frei erfunden und das Bildmaterial stamme aus einem alten Ordner. Doch als die Außerirdischen auch hinter ihr her zu sein scheinen, freunden sich beide miteinander an und wollen das Geheimnis von Centreville lüften…

Der Prolog zeigt idyllische Bilder zu ebensolcher Musik, jäh gestört von der Ankunft des Ufos 1948. Man bekommt einen unheimlichen Schatten in Handform zu sehen, bevor man sich nach dem Vorspann an einer New Yorker Uni in der Gegenwart wiederfindet. Bigelow und seine Ex-Frau werden vorgestellt und als er sie in Centreville suchen fährt, scheint er sich in einer Parallelwelt zu befinden. Sein Hund wird in der Pension prompt unruhig und geht stiften und unfreundliche Menschen in einem Imbiss sind nur die Vorboten dessen, was ihm noch widerfährt: Eine Art Blitz schlägt in ein Auto ein, das sofort Feuer fängt. Als Charles das Weite suchen will, wird er von Außerirdischen angegriffen, von denen sich einer die menschliche Maske vom Gesicht reißt, wofür der Film auf einen großartigen, ekligen Spezialeffekt zurückgreift.

„Du solltest vielleicht mal im Lexikon nachschauen, unter F-R-A-U!“

Nachdem er Kontakt zur „Journalistin“ aufgenommen hat, verschafft sich ein als Avon-Beraterin (!) getarnter Alien Zutritt zu ihrer Wohnung und „blitzdingst“ ihren Kumpel Earl (Wallace Shawn, „Der verführte Mann“) zu Tode. Als Betty sie erschießt, schießt grünes Blut hervor. Ausgerechnet, als er gerade etwas mit Betty angefangen hat, taucht seine Ex-Frau wieder auf, doch diese entpuppt sich als ehemalige Kundschafterin der Außerirdischen. Weitere Aliens sind nun hinter Charles und Betty her, doch eine Regierungs-Ufologin (!) verhilft beiden zur Flucht und weiß von einem Pakt mit den Außerirdischen zu berichten, welche übrigens Bettys Artikel ernstgenommen haben und sich ertappt fühlten!

„Eigentlich sieht das hier gar nicht wie ‘ne Irrenanstalt aus!“

Laughlin muss sich an dieser Stelle entschieden haben, auch irgendwie nahegehende Dramatik einzubringen und so geht es fortan um auseinandergerissene Familien. Außerirdische entführen Elizabeth, ihre Mutter erzählt etwas von einer Frist und ein paar Bahnfahr-Dialoge später („Heutzutage fährt doch kein Mensch mehr Eisenbahn!“ / „Sie haben doch den Zug genommen…“ / „Früher bin ich oft mit der Bahn gefahren, allerdings ist es nie so schön gewesen!“) sucht man einen Psychiatrie-Patienten auf, der seine Familie an die Aliens verloren hat – was eine Rückblende eindrucksvoll-trashig zeigt, in der sich die Tochter auflöst und in einer Art Energieball verschwindet. Gemeinsam begibt man sich bewaffnet gen Centreville und versucht zu verhindern, dass die just in diesem Moment wieder abrückenden Außerirdischen Charles‘ Tochter mitnehmen. Und so bekommt man vorm kitschigen spielbergesken Happy End noch einen Energieball und weitere sich demaskierende Aliens zu sehen.

Was in der vorliegenden gekürzten deutschen Fassung wirkt wie ein kurzweiliger, aber unfreiwillig trashiger Versuch, an die klassische Paranoia-Thematik um als Menschen getarnte Außerirdische, die die Gesellschaft infiltrieren, anzuknüpfen, war anscheinend als augenzwinkernde Hommage an die Welle jenen Typus von Science-Fiction-Filmen gedacht, was in der deutschen Bearbeitung weitestgehend verloren geht. Was sich da alles zu einem recht angenehmen Orchester-Soundtrack so tut, ist bisweilen herrlich absurd und überzogen, gewinnt gegen Ende jedoch an Ernst. Wie das alles im Originalton wirkt, kann ich leider nicht beurteilen, die deutsche Fassung indes scheint befremdlicherweise in allen Stilelementen, sei es Humor, seien es Spezialeffekte oder Dramatik, inkonsequent und erweckt den Eindruck eines eigenartigen („strange“ eben) Sammelsuriums an Genre-Charakteristika. Das bedeutet jedoch mitnichten, dass ich als Genrefreund mit einem Herz für Trash nicht gut unterhalten worden wäre...
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Freitag der 13. IX - Jason Goes to Hell - Die Endabrechnung

„Wir haben ihn in die Hölle geschickt!“

1993 war es endlich soweit: Nach sieben Fortsetzungen holte sich der Regisseur des ersten „Freitag der 13.“, Schlitzohr Sean S. Cunningham, die Rechte an der Reihe zurück, wodurch diese von Paramount zu New Line übergingen, in deren Diensten Cunningham mittlerweile stand. Eigentlich wollten Cunningham & Co. das schon länger angedachte Zusammentreffen der Slasher-Ikonen Freddy Krueger und Jason realisieren; diese Idee musste jedoch weiter aufgeschoben werden, da Mr. Krueger zunächst einmal seinen „New Nightmare“ durchleben sollte, denn auch er war „nach Hause“ zu Papa Craven gekommen. Eine gute Zeit für die alten Schlitzer, sollte man meinen, und tatsächlich wurde vieles besser: Statt eines Quasi-Remakes seines Originals gab Cunningham zusammen mit Debbie Hayn-Cass einen wahnwitzigen Horrorstreifen auf der Höhe der Zeit in Auftrag, der die ohnehin schon allen Unkenrufen zum Trotz immer um Originalität und Neuerungen bemühte Reihe einmal mehr revolutionierte. Jasons erster und einziger Auftritt in den 1990ern (wenngleich die vollkommen unfuturistische Handlung gemäß Kontinuität der Reihe irgendwann in den 2000ern spielten müsste, aber das soll egal sein) sollte ihn zur Hölle schicken, die ihn (auf der Veröffentlichungszeitleiste) erst 2001 wieder für einen (dann tatsächlich) futuristischen Horrortrip ausspuckte. Mit der Regie betraute man den noch sehr jungen Debütanten Adam Marcus („Snow Days“), nachdem mehrere Autoren am mehrmals umgeschriebenen Drehbuch beteiligt waren.

Man versucht, von behördlicher Seite endlich das Problem des seit Jahren sein Unwesen treibenden, unoten Massenmörders Jason Voorhees (Kane Hodder, „Freitag der 13.“ Teile VII – X“) in den Griff zu bekommen und lockt ihn eine Falle. Er wird von einer Spezialeinheit in seine Einzelteile gesprengt, welche in die Pathologie gebracht werden. Doch Jasons abgrundtiefschwarzes Herz schlägt noch immer für das Böse dieser Welt und zwingt den Leichenbeschauer, es zu essen, damit Jason in ihm weiterleben kann. Doch Jason benötigt nach kurzer Zeit stets einen neuen Wirt, so dass er sich von Mensch zu Mensch mordet und einnistet – auf der Suche nach seiner letzten weiblichen Verwandtschaft, um durch diese dauerhaft wiedergeboren zu werden…

„Wir wollen zum Crystal Lake Camp!“ – „Ich glaube, ihr wollt euch ‘n bisschen Dope reinpfeifen, ‘n bisschen Sex haben und euch am Ende abschlachten lassen!“

Um den Handlungsverlauf grob zu skizzieren: Ein Mädel kommt nach Hause und will ein Bad nehmen, doch der Strom fällt aus. Wer glaubt, dass dies ein schlechtes Omen sei, soll zunächst scheinbar Recht behalten, denn prompt wird die Ärmste von Jason in den Wald gejagt. Dort wartet allerdings im Anschluss an diese nach guter alter Schule gekonnt gruselig inszenierten Szenen schon eine Spezialeinheit, die ihn kräftig durchsiebt und schließlich in die Luft sprengt – man war Zeuge des splatterstarken Prologs. Ja, in „Jason Goes to Hell“ geht es zumindest in der Unrated-Fassung grafisch wieder wesentlich expliziter zu als in den einem R-Rating zum Opfer gefallenen Teilen zuvor. Doch das ist längst nicht die einzige aufsehenerregende Neuheit, nein: Unter Cunningham und Marcus avanciert der neunte „Freitag“ zu demjenigen Film, der gewissermaßen Fragen beantwortet und kräftig an der Mythologie um Jason Voorhees schraubt – im Gewand eines „Best of ’80s“-Horrorfests, wenn man so will. In Youngstown, Ohio, werden Jasons Leichenteile obduziert, der Zuschauer erfährt anatomische Details und dass Jasons Herz gefüllt ist mit schwarzer viskoser Flüssigkeit, sozusagen die Essenz des Bösen. Und diese ist auch durch eine Zerstörung von Jasons Körper nicht kleinzukriegen – so beginnt das Herz wieder zu schlagen und findet im Leichenbeschauer seinen ersten neuen Wirt, was die ersten Opfer fordert. Der Fall Jason Voorhees schafft es diesmal auch ins Fernsehen, wo ein Interview mit Kopfgeldjäger Creighton Duke (Steven Williams, „Akte X“) stattfindet, der es auf Jason abgesehen hat. Allgemein ist Jason – wen wundert’s nach einer solch unvergleichlichen Mordserie? – sozusagen omnipräsentes Kulturgut geworden, wird touristisch vermarktet, im Imbiss lassen sich witzige Jason-Gerichte bestellen.

„Jason Goes to Hell“ spielt mit Klischees, ist schwarzhumorig und augenzwinkernd, jedoch keine Horrorkomödie im klassischen Sinne. Von einem klassischen Slasher kann jedoch auch keine Rede mehr sein. Dennoch dürfen natürlich die Teenies nicht fehlen. Diese waren baden, es gibt nackte Haut zu sehen – da ist sie kurzzeitig, die Sommercamp-Atmosphäre. Und natürlich ist auch „Jason“ im Camp, in Form seines aktuellen Wirts. Nach einer freizügigen Sexszene im Zelt wird der weibliche Geschlechtspartner böse zersplattert, Manfredinis berühmtes Sample ertönt. Beziehungskisten werden angedeutet, Diana (Erin Gray, „Like a Virgin - 100 Tage, 100 Nächte“), Jessica (Kari Keegan, „Jerry Maguire - Spiel des Lebens“) und Steven (John D. LeMay, „Die Kids von Orlando“) eingeführt. Diana ist Jessicas Mutter, Steve Jessicas Ex-Freund, gemeinsam haben sie ein Baby namens Stephanie (Brooke Scher, „AmerAsian“). Bis auf Steve handelt es sich um die letzten lebenden Verwandten Jasons, dessen „Essenz“ nun den Plan hegt, in das Baby zu inkarnieren, um wiedergeboren zu werden. Diese Suche des Unholds nach der Verwandtschaft ist unschwer als von „Halloween“ inspiriert zu erkennen und wird zum hauptsächlichen Handlungsstrang des Films.

„Jason“ verhält sich in anderen Körpern anders als sonst, kalkulierter, weniger primitiv, feinmotorischer: Er wetzt ein Messer und schnappt sich Hilfssheriff Josh (Andrew Bloch, „Das turboscharfe Spanner-Hotel“), schnallt ihn fest und rasiert ihn (!), denn er hat ihn als neuen Wirt auserkoren. Gesagt, getan und beim Zusammentreffen mit Diana erkennt diese in Joshs Spiegelbild den altbekannten Zombie-Jason, der nun à la „The Hidden“ als echsenartige Kreatur aus Joshs Mund kommt und in Diana will, jedoch von Steve gestört wird, es kommt zu Messerstechereien und Schürhakenattacken. Diana hat den Angriff nicht überlebt und Steven wird als Mordverdächtiger in den Knast gesteckt, wo er auf den Kopfgeldjäger trifft. Dieser eröffnet ihm, dass nur Jasons Verwandtschaft denselben töten könne. Steven büxt aus, sucht das alte Voorhees-Haus auf und findet das Necronomicon („Tanz der Teufel“ lässt grüßen). Jessicas aktueller Freund, Fernseh-Nulpe Campbell (Steven Culp, „Herkunft unbekannt“), will das alles sensationell ausschlachten. Doch „Jason“ im Körper Joshs platzt herein, inkarniert in den TV-Schnösel und zerfließt hübsch eklig – in einem einmal mehr aufregenden Spezialeffekt. Hilfssheriff Randy (Kipp Marcus, „Snow Days“) gerät in einen Konflikt: Einerseits ist Steven einer seiner Kumpel, andererseits muss er ihn eigentlich festnehmen. In einer von dieser inneren Zerrissenheit geprägten Szene balgen sich beide, bevor sie zusammen zum Polizeirevier aufbrechen. Dort wütet Schnösel-Jason und der Kopfgeldjäger wartet ganz cool auf seinen Einsatz. Ein Unterarm wird blutig gebrochen und im Imbiss eskaliert die Szenerie vollends und ultrabrutal, dramatische Zeitlupen, Action und Splatter bestimmen die Szenerie. Endlich kommt Jäger Duke ins Spiel und es zum Showdown im Voorhees-Haus, bei dem ein magischer Dolch eine entscheidende Rolle spielt. Die Kreatur, die nun wirkt wie ein kleines Monster, kriecht aus ihrer geköpften menschlichen Hülle, findet Dianas Leiche, verflüchtigt sich vaginal in sie und siehe da: Jason wie man ihn kennt ist zurück! Aber nicht lange, denn schließlich schafft man es, ihm seiner Energie (eine Art CGI-Lichtgeflimmer) zu entledigen und tatsächlich scheint die Hölle ihn zu verschlucken, nur seine Maske bleibt übrig – die sich im Epilog Freddys Rasierklingengriffel schnappen und damit „offiziell“ auf die Möglichkeit eines filmischen Aufeinandertreffens beider Ikonen hindeuten.

Es ist klar, dass sich am neunten „Freitag“ einmal mehr die Geister scheiden. Der klassische Camp-Slash findet hier nur noch als augenzwinkerndes Klischee sowie als Teil der „Best of ‘80s-Horror“-Revue Verwendung und die meiste Zeit findet der bekannte Jason mit Machete und Hockeymaske gar nicht statt, ist in dieser Form lediglich zu Beginn und am Ende präsent. Doch wer einen Backwood-Slasher möchte, hat bekanntlich gerade auch innerhalb der „Freitag der 13.“-Reihe reichlich Alternativen, einen weiteren Aufguss hätte es sicherlich nicht gebraucht. Insofern tat man sehr gut daran, einen neuen Weg zu beschreiten und einen comicartigen, also auf Unterhaltung denn auf Psycho-Terror getrimmten, nicht sonderlich ernstzunehmenden und sich selbst nicht übermäßig ernstnehmenden, sehr grafischen, expliziten Horrorfilm zu drehen, der sich der Jason-Thematik aus neuen Perspektiven annimmt und alle Freunde handgemachter, plastischer Schmodder-Effekte, die die Grenzen des ach so guten Geschmacks gern überschreiten, befriedigen sollte. Das Tempo des Films ist recht hoch, bisweilen fast zu hoch, so dass man das Gefühl bekommt, beim Schnitt wäre manch vielleicht dann doch nicht so unbedeutender Dialog im Abfall gelandet. Darunter leidet die Charakterentwicklung etwas, die eigentlich interessante Handlung um Jasons Verwandtschaft droht manchmal unterzugehen. Und erwähnte ich anfangs, dass Fragen beantwortet werden, so muss ich konstatieren, dass auch neue aufgeworfen werden, beispielsweise woher dieser magische Dolch plötzlich kommt. Die Schauspieler sind größtenteils wieder ziemlich austauschbar und wenig charakteristisch, was indes nicht unüblich für das Genre ist. „Star“ des Films sind all die abgefahrenen Ideen, für die man sich von manch Genreklassiker inspirieren ließ und die man wild zu einem heillos übertriebenen und damit äußerst unterhaltsamen, actionreichen Schlammcocktail zusammenmixte, der in Verbindung mit den deftigen Spezialeffekten so richtig morbide und blutig mundet.

Trotz allem ist „Jason Goes to Hell“ unverkennbar ein Kind seiner Reihe, Jason „rahmt“ den Film gewissermaßen ein und Manfredini sorgt erneut für die musikalische Untermalung. Dennoch werden konservative Freunde der Reihe sich entsetzt abwenden und Kleingeister an ihm verzweifeln, bricht er doch mit zahlreichen Regeln des Subgenres und stellt bisweilen die eigene Reihe kräftig auf den Kopf, funktioniert nicht mehr nach den denkbar einfachsten Motiven der ersten Teile. Die dadurch entstehenden Freiräume werden jedoch prima ausgefüllt und Widersprüchlichkeiten zu vorausgegangenen „Freitag der 13.“-Filmen vermieden. Schade finde ich lediglich, dass man mit keiner Silbe auf die Ereignisse aus „Freitag der 13. XIII - Todesfalle Manhattan“ und darauf, wie Jason seine bekannte Gestalt wiedererlangt hat, eingeht. Für mich jedoch der Höhepunkt der Reihe seit Teil 2!
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Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

„So ist es wirklich passiert!“

Nachdem US-Regisseur Wes Craven im Jahre 1996 dem Slasher-Subgenre mittels „Scream“ in Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Kevin Williamson erfolgreich neues Leben eingehaucht hatte, erlebte es eine Renaissance und brachte weitere Beiträge hervor, so beispielsweise „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“, mit dem Regisseur Jim Gillespie sein Langfilm-Debüt ablieferte und der 1997 zwischen „Scream“ und „Scream II“ erschien. Das Drehbuch stammt ebenfalls aus der Feder Williamsons und basiert auf einem Buch Lois Duncans, die eher ungehalten darauf reagierte, dass aus ihm ein Slasher gemacht wurde.

„Wir nehmen es mit ins Grab!“

Ein kleines Fischerstädtchen in den USA: Helen (Sarah Michelle Gellar, „Scream II“) hat den alljährlichen Schönheitswettbewerb, die Wahl zur „Croaker-Queen“, gewonnen. In Feierlaune rast sie zusammen mit ihren Freunden Julie (Jennifer Love Hewitt, „Ghost Whisperer“), Barry (Ryan Phillippe, „Eiskalte Engel“) und Ray (Freddie Prinze Jr., „Wing Commander“) eine Küstenstraße hinunter, als es zum Unglück kommt: Ray überfährt einen Mann. Dieser scheint tot zu sein, woraufhin ihn die Jugendlichen ins Meer werfen, um den Unfall zu vertuschen. Doch der Totgeglaubte lebte noch. Statt ihm zu helfen, lassen sie ihn ertrinken und schwören sich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Ein Jahr später kehrt Julie in den Sommerferien von ihrem Universitätsstudium nach Hause zurück, wo sie einen Brief mit dem Satz „I know what you did last summer“ vorfindet. Sie nimmt Kontakt zur alten Clique auf, doch niemand will es gewesen sein. Zunächst verdächtigt man Max (Johnny Galecki, „Das Gegenteil von Sex“), dem man in jener schicksalhaften Nacht begegnete. Doch dieser wird kurz darauf von einem Unbekannten in Öljacke mit einem Packhaken getötet. Langsam realisieren die Jugendlichen: Sie befinden sich in höchster Lebensgefahr…

„Ich hab‘ schon ‘ne Überdosis Sexismus!“

Bilder des Meeres und der Brandung gehen über zu besagter Miss-Wahl, die Helens Freunde vom Geländer aus beobachten. Bei einem Lagerfeuer am Strand erzählen sie sich eine urbane Legende (die so ähnlich ein Jahr später in „Düstere Legenden“ tatsächlich umgesetzt wurde). Eine Stimmung glücklicher, unbeschwerter Jugend mischt sich unter die idyllischen Bilder, jäh zerstört durch den fahrlässig herbeigeführten Unfall. Nach der von Panik und Egoismus geprägten Tat und dem anschließenden Schwur, 23 Minuten sind bisher vergangen, macht der Film einen Zeitsprung um ein Jahr in die Zukunft bzw. die filmische Gegenwart. Die furchteinflößenden Nachrichten gehen um, die Jugendlichen sind psychologisch auffällig und/oder bei Weitem nicht so erfolgreich oder glücklich in dem, was sie tun, wie sie es sich im letzten Sommer ausgemalt hatten. Barry ist aufbrausend und extrem unentspannt, beide Paare haben sich getrennt. Das erste Todesopfer wird ausgerechnet der unbeteiligte Max, was einen ersten Hinweis auf die Boshaftigkeit des offenbar um mehr als Sühne bemühten Täter bietet. Barry lässt er zunächst am Leben, als er ihn attackiert. Ist er noch nicht an der Reihe? Der Täter scheint Vergnügen und Genugtuung dabei zu finden, in der Vierergruppe Angst und Schrecken zu verbreiten.

„Amerikanisches Volksgut!“

Helen und Julie recherchieren die Verwandtschaftsverhältnisse des mutmaßlichen Toten und suchen seine Schwester Missy Egan (Anne Heche, „Nicht schuldig“) auf, die Trauriges zu berichten hat. Doch offenbar war und ist doch alles anders, als angenommen – wer ist wirklich tot, wer noch am leben und wer der geheimnisvolle Killer in der Fischerkluft? Ist er vielleicht doch in den eigenen Reihen zu suchen...? Sein Whodunit? gestaltet „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ ansprechend und spannend. Vor lauter Misstrauen droht die Clique auseinanderzubrechen. Zumindest Helen und Julie setzen sich glaubhaft mit ihrer Schuld auseinander und avancieren damit zu Sympathie- und Identifikationsfigurenfiguren für den Zuschauer.

„Ich verstehe deinen Schmerz!“

Dazu trägt auch bei, dass Williamson und Gillespie beide Charaktere weitestgehend klischeefrei gestalten. Damit einher geht, dass der Film ohne sleazige Nacktszenen o.ä. auskommt, was ihm gut zu Gesicht steht und seiner Ernsthaftigkeit zugute kommt – er möchte keinesfalls ein „Party-Slasher“ sein. So empfindet man durchaus Empathie, wenn den Mädels die Haare abgeschnitten werden und ihnen eine Leiche in den Kofferraum gelegt wird, die jedoch schnell wieder verschwindet – und verzweifelt gefleht wird: „Ich will mein Leben wiederhaben!“ – was eher ungewöhnlich für einen Teenage-Slasher ist. Während des heurigen Talentwettbewerbs wird Barry getötet, als er vom Balkon aus zuschaut; eine Szene, die sich ins Subgenre-Langzeitgedächtnis eingebrannt hat. Der Fischer macht fortan auch vor Polizisten keinen Halt und tötet Helens Schwester Elsa (Bridgette Wilson-Sampras, „Haunted Hill“) – der bisher nicht sonderlich hohe Bodycount kommt in Fahrt. Nach langer Hatz muss schließlich eine weitere Protagonistin das Zeitliche segnen, während ein Feuerwerk und ein Spielmannszug die Bevölkerung in Feierlaune versetzt. Die gelungene Wendung der Handlung läutet das actionreiche Finale mit abschließender netter Pointe ein.

„Du siehst aus wie der wandelnde Tod!“

Trotz seines über weite Strecken gemessen an wesentlich ungestümeren Genrevertretern geringeren Grads an Schlitzereien ist „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ recht rasant inszeniert, wirkt manchmal gar beinahe gehetzt. Die durch aus den interessant gewählten Drehorten gewonnenen malerischen Landschaftsaufnahmen in Kombination mit den sehr ästhetischen Bildkompositionen erzeugte Atmosphäre wird dadurch zeitweise gefährdet oder zumindest konterkariert; dafür ist man bisweilen geneigt, zu vergessen, dass der ganze Inhalt des Films eigentlich schon etwas abgedroschen und unspektakulär ist. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Gillespies Film den Beweis antrat, dass man auch auf der „Scream“-Euphorie mitschwimmend ohne humoristischen, ironischen oder genrereferentiellen Ansatz mittels sorgfältigem Handwerk, etwas Inspiration und mithilfe motivierter Jungschauspieler (von denen bekanntermaßen nicht wenige den Durchbruch schafften) ein guter, unterhaltsamer und von entsprechendem Erfolg gekrönter Genrefilm möglich ist, für den die Zeit 1997 anscheinend einfach reif war. Bestens dazu passt der stimmige Rock-Soundtrack inkl. Interpreten wie The Offspring, L7 und Typo O Negative, der in Form des lässigen Billy-Joe-Royal-Covers „Hush“ ebenso die alte Schule mit der Moderne vereint, wie es der Film tat.
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Herzflimmern

„Ich hasse Mittelmäßigkeit!“

Der als leichtfüßiges Drama inszenierte Coming-of-age-Film „Herzflimmern“ des der Nouvelle Vague nahestehenden französischen Filmemachers Louis Malle („Fahrstuhl zum Schafott“) aus dem Jahre 1971 sorgte bei seinem Erscheinen für einen Skandal, da er den Inzest zwischen einer jungen Mutter und ihrem heranwachsenden Sohn thematisiert, ohne ihn moralisch zu verurteilen. Doch es geht um viel mehr:

Dijon im Jahre 1954: Laurent (Benoît Ferreux, „Das Ritual“), Sohn des konservativen französischen Gynäkologen Charles Chevalier (Daniel Gélin, „Der Mann, der zuviel wusste“) und der attraktiven, lebenslustigen jungen Mutter Clara (Lea Massari, „Die abgetrennte Hand“) lebt mit beiden sowie zwei älteren Brüdern und der rigorosen, temperamentvollen Haushälterin Augusta (Ave Ninchi) unter einem Dach. Hauptbezugsperson ist seine Mutter, die ein besonders inniges Verhältnis zu ihrem Jüngsten pflegt. Zusammen mit seinen Brüdern entdeckt der jazzbegeisterte Laurent die Welt der Erwachsenen, konsumiert Alkohol und macht erste sexuelle Erfahrungen, verliert seine Jungfräulichkeit bei einer Prostituierten (Gila von Weitershausen, „Blutiger Freitag“). Als er mit den Pfadfindern auf Exkursion fährt, wird der titelgebende Herzfehler bei ihm diagnostiziert, woraufhin er sich zusammen mit seiner Mutter auf Kur begibt. Im Kurhotel spitzt sich die Beziehung beider schließlich zu…

„Krieg ist eine viel zu ernste Sache, die kann man unmöglich den Militärs überlassen!“

Über weite Strecken porträtiert Malle zu einem aufgeregt dudelnden Jazz-Soundtrack humorvoll das Aufwachsen des pubertierenden Laurents, der Grenzen austestet und übertritt, auch schon einmal einen Ladendiebstahl begeht, nach sexuellen Erfahrungen dürstet und sich mit seine Brüdern balgt. All dies geschieht vor dem Hintergrund eines Kriegs, in dem sich Frankreich befindet und dazu beiträgt, dass die Jugendlichen sich politisch interessiert zeigen und am Esstisch diskutieren. Laurent ist Messdiener, beichtet beim Pater (Michael Lonsdale, „Der Name der Rose“), welcher das Gespräch in Richtung Onanie drängt und Laurent droht, Gott werde sich von ihm abwenden, dabei jedoch offensichtlich pädophiles oder homosexuelles Interesse an Laurent hegt. In der Kirche soll schließlich für „Kriegshelden“ gebetet werden. Mutter Clara wiederum unterhält eine Affäre mit einem jüngeren Mann, was ihr Ehemann entweder nicht weiß oder stillschweigend hinnimmt. „Herzflimmern“ verteilt also reichlich Seitenhiebe gegen eine vermeintlich heile Welt, unter deren Oberfläche es kräftig brodelt.

„Entweder, oder: Zigarre oder Frauen! Beides geht nicht!“

So entsteht ein interessantes Zeit- und Sittengemälde, denn die drei Brüder zeigen sich von der Spießigkeit ihres Vaters, den sie offenbar wenig ernstnehmen, ebenso unbeeindruckt wie von staatlicher Politik und Klerikus und veranstalten eine Party, sobald die Eltern aus dem Haus sind, spielen ihnen Streiche, vergleichen ihre Geschlechtsteile und suchen Bars und Bordelle auf. Die älteren Brüder machen sich gar einen Spaß daraus, Laurent bei seinem ersten Mal mit einer Prostituierten zu stören. Von der vielzitierten Bravheit der 1950er auch kurz vor Ausbruch des Rock’n’Roll-Fiebers demnach keine Spur, auch nicht in jener bourgeoisen Familie, was Malle in angenehmer Unaufgeregtheit und ohne jeden Moralismus, dafür mit viel auch mal deftigerem Humor genüsslich skizziert.

„Jazz ist was zum Anhören, aber nicht zum Tanzen!“

Auf der Kur präzisiert sich Laurents Beziehung zu seiner Mutter nicht für den Zuschauer, sondern auch für beide Beteiligten. Auf der Suche nach sexuellen Abenteuern stellt Laurent zwar dem einen oder anderen Mädchen nach, empfindet aber auch starke Eifersucht, wenn seine Mutter von anderen angesprochen wird oder sich mit ihrer Bettaffäre trifft. Er beobachtet sie beim Baden, äußert sich abfällig gegenüber ihren Männerbekanntschaften etc. und als er sie in angetrunkenem Zustand nach einem gemeinsamen Partybesuch zurück ins Hotel bringt und beide schließlich engumschlungen und kuschelnd im Bett liegen, passiert es und sie haben Geschlechtsverkehr. Malle deutet dies jedoch lediglich an, statt es in irgendeiner Form auszuschlachten. Ebenso wenig bewertet der Film den Vorfall, der von Laurents Mutter als einmaliger Akt beschrieben wird, der mahnende Zeigefinger bleibt aus. Am nächsten Morgen redet Clara mit ihrem Sohn darüber und es scheint alles in Ordnung zu sein, es gibt keine Schuldgefühle. Als wolle die Handlung beweisen, dass es der sexuellen Entwicklung Laurents nicht geschadet habe, lässt sie ihn auch noch bei Daphne, einer jungen Dame seiner Altersklasse, im Bett landen.

Obwohl sich dann doch hier und da ein paar Längen eingeschlichen haben, schafft es „Herzflimmern“, über die volle Länge interessant zu bleiben, was nicht zuletzt an seiner erfrischenden Frechheit und den herausragenden schauspielerischen Leistungen liegt. Lea Massari, die mit italienischem Akzent spricht, ist in der Tat ein echter Hingucker, der nur schwerlich zu seinem Ehemann passen will, doch Gegensätze sollen sich ja anziehen. Nackte Tatsachen bekommt man im Prinzip lediglich in Form der Oberweite der Prostituierten zu sehen und so sehr es Laurent um eigene sexuelle Aktivitäten geht, so wenig geht es dem Film um Zurschaustellung derselben. Was er mit seiner Mutter erlebt, hat dann auch weniger mit Sex als vielmehr mit Liebe zu tun – nichtsdestotrotz, gerade deshalb oder wie auch immer ist das natürlich der Knackpunkt; zumal Malle am Ende suggeriert, dass alles in Ordnung wäre, jedes einzelne Familienmitglied glücklich, alle vergnügt miteinander lachen. Malle ignoriert sämtliche möglichen negativen psychischen Folgen, war aber auch stets darauf bedacht, den hier vollzogenen Inzest nicht als Missbrauch, sondern als einvernehmliche, spontane, natürliche Entscheidung in einer Ausnahmesituation darzustellen. Durch den glaubwürdigen, differenzierten und ambivalenten Aufbau seiner Rollen ist man geneigt, „Herzflimmern“ dies abzunehmen. Wie es in der Realität aussähe, steht jedoch auf einem anderen Blatt, wobei ich nicht komplett ausschließen möchte, dass etwas Derartiges tatsächlich auch ohne Folgen stattfinden kann, nicht zwangsläufig ein Missbrauch Ursache und ein psychischer Defekt die Folge sein müssen. Ich empfinde „Herzflimmern“ als ein zeitgemäß provokantes und Voyeure bewusst unbefriedigt zurücklassendes Plädoyer für allgemeine sexuelle Freizügigkeit zu Zeiten der sexuellen Revolution und der Enttabuisierung des Kinos. Ich erlaube mir aber, die Frage in den Raum zu werfen, ob der Film heutzutage einen ähnlich guten Leumund hätte, hätte in ihm ein junger Vater mit seiner pubertierenden Tochter Sex gehabt – womit sich auch die Frage nach letztlich sexistischen Geschlechterrollenklischees ergibt, weniger in Bezug auf den Film als mehr auf sein ihm zugeneigtes Publikum.
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Düstere Legenden

„Auf dem Campus treibt sich ein Mörder rum!“

Das durch Wes Cravens „Scream“ eingeläutete Slasher-Revival der 1990er brachte als einen der ersten auf der Erfolgswelle mitschwimmenden Film „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ hervor, für den das junge australische Talent Jamie Blanks einen Trailer drehte – die Regie übernahm jedoch Jim Gillespie. Produzent Neil H. Moritz war jedoch von Blanks Können überzeugt und betraute ihn mit der Regie von „Düstere Legenden“, einem weiteren Teenage-Slasher, mit dem Blanks schließlich im Jahre 1998, nachdem „Scream II“ erschienen war und die „Halloween“-Reihe mit „H20“ an ihren zweiten Teil angeknüpft hatte, erfolgreich debütierte.

In einer kalten Nacht bei Schneefall stirbt eine Studentin eines grausamen Todes, als ihr ein wahnsinniger Mörder auf der Rückbank ihres Autos auflauert und sie mit einer Axt erschlägt. Doch das war nur der Beginn einer bizarren Mordserie an der Pendleton-Universität, die sich offenbar an urbanen Legenden, gruseligen, zigfach weiter getragenen modernen Märchen und Mythen mit hohem Gruselfaktor, orientieren. Zu exakt diesem Thema referiert Professor Wexler (Robert Englund, „A Nightmare on Elm Street“) gerade in seinem Folklorekurs, ohne jedoch die offenbar wahre Legende zu erwähnen, die sich vor 25 Jahren an dieser Uni zugetragen haben soll: Ein Professor soll sich durch das Studentenwohnheim amoklaufend gemordet haben. Natalie (Alicia Witt, „Bongwater“) und der Uni-Zeitungs-Nachwuchsredakteur Paul (Jared Leto, „Durchgeknallt“) kommen dem Geheimnis auf die Spur und geraten selbst in den Fokus des Killers…

„Habt ihr schon den Puls gefühlt? Denn so sieht sie schon seit Jahren aus!“ (tot oder lebendig – bei Grufties manchmal schwer zu sagen)

Während „Scream“ in selbstironischer Weise an das eigene Subgenre referierte, schien er gleichzeitig wieder die Lust des Publikums an unironischen, humorlosen Slashern zu wecken, wie der Erfolg von „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ zeigte. „Düstere Legenden“ orientierte sich irgendwo dazwischen, denn er setzte sich nicht direkt mit Horrorfilmen, sondern mit dem Stoff, aus dem viele sind, auf humorvolle Weise auseinander: den urbanen Legenden. Mit viel schwarzem Humor wird die eine andere Revue passiert und später in Form fast originalgetreuer Morde in die Tat umgesetzt. „Düstere Legenden“ beginnt schwer atmosphärisch; Musik, Schneefall und eine schicksalhafte Autofahrt vermengen sich zu einem neugierig machenden Prolog, der nach einer Begegnung mit einem unheimlichen, doch harmlosen Tankwart im ersten Mord mündet. Dieser fällt wie eigentlich alle in diesem Film wenig explizit aus und so sind Blutfontänen und Splattereien nicht das Thema auch dieses Beitrags zum Slasher-Comeback. Die Teenies dürfen hier wieder schön eindimensional und dämlich bis bizarr agieren, unter ihnen die in den unterbewerteten „Halloween“-Teilen IV und V als kleine Jamie brillierende Danielle Harris als Gruftie-Fetisch-Studentin, die ich unter ihrer Schminke fast nicht erkannt hätte. Ein weiterer Genre-Veteran findet sich in Robert Englund als Professor Wexler, der zwischenzeitlich im Rahmen des spannenden und viele potentielle Mörder bietenden Whodunit? selbst verdächtigt wird.

„‘Journalismus und Moral‘ hab‘ ich gleich wieder abgewählt – damit hätte ich mir den Notendurchschnitt versaut!“ (Paul weiß, worauf es als guter Journalist nicht ankommt)

Genüsslich in Klischees suhlt sich der Film, mit seiner Studentenparty inkl. obligatorischem Getanze, seinem gruseligen Hausmeister und seinem Unwetter mit Blitz und Donner, das rechtzeitig einsetzt. Etwas arg übertrieben hat man es mit der fülligen schwarzen Sheriff-Dame, die sich während der Arbeit „Foxy Brown“ anschaut und die Dialoge mitspricht, selbst gern eine Pam Grier wäre. Andere Charaktere sind die üblichen Scherzbolde (Joshua Jackson, „Dawson’s Creek“) und notgeilen Rüpel, die knapp daran vorbeischrammen, aus dem Film eine Komödie zu machen. Insgesamt wirkt die komödiantische Charakterzeichnung auf mich bisweilen wie eine Entschuldigung dafür, dass man die alten Subgenre-Klischees bedient, wofür man sich aber als Slasher doch nun wirklich nicht zu schämen braucht. Im Gegenteil, „Düstere Legenden“ knüpft eigentlich recht nahtlos an die glorreichen 1980er an. Die Konstellation des ungleichen Duos Natalie und Paul (in dessen Rolle sich ein wenig Kritik an Sensationsjournalismus mischt, ohne jedoch jemandem weh zu tun) ist interessant genug, um den Zuschauer auch durch ruhigere Abschnitte hindurch bei der Stange zu halten und schauspielerisch sind die Jungdarsteller offenbar erfahren und professionell genug, um trotz gelegentlichen Chargierens kein Schmierentheater aus dem Film zu machen – zudem kann man ihnen einen für Slasher ungewöhnlich hohen Wiedererkennungswert nicht absprechen. Auch die False Scares sitzen, fallen teilweise deftig aus und offenbaren einen morbiden Sinn für Humor. Das überraschende Ende bietet dann noch einmal die volle Kelle Überzeichnung und Geistesgestörtheit sowie eine nette Pointe, ist jedoch genauso wenig wirklich ernstzunehmen wie die Handlung zuvor. Wie der Täter, dessen Identität schließlich enttarnt wird, zu all dem fähig gewesen sein soll, kann zudem nur mit der „Kraft eines Wahnsinnigen“ erklärt werden. Unterm Strich bleibt aber in jedem Falle ein unterhaltsamer Slasher, der über weite Strecken ohne über den Unterhaltungsfaktor großartig hinausgehende Ansprüche prima unterhält und insbesondere aufgrund seiner originellen Prämisse in Bezug auf die Verarbeitung urbaner Legenden, die vielen Zuschauern sicherlich erst durch diesen Film bewusst wurden, im Langzeitgedächtnis haften blieb.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Beitrag von buxtebrawler »

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Ich weiß noch immer, was du letzten Sommer getan hast

„Ich hab gerade versucht, dich abzustechen – mir ist nicht sonderlich nach Tanzen!“

Nach dem Erfolg des Slashers „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ aus dem Jahre 1997, einer der ersten Kassenknüller nach dem durch „Scream“ eingeläuteten Comeback des Subgenres, gab US-Produzent Neal H. Moritz ein Jahr später eine Fortsetzung in Auftrag, für die mit Danny Cannon („Judge Dredd“) jedoch ein anderer Regisseur verpflichtet wurde. Es wurde der bis dato vorletzte Teil der Reihe und der letzte, der es in die Kinos schaffte.

„Es geht wieder los!“

Ein Jahr ist vergangen, nachdem Julie (Jennifer Love Hewitt) und ihre Freunde vom Fischer Ben Willis gejagt wurden. Julie studiert und ist mit Ray (Freddie Prinze Jr.), der sich als Fischer verdingt, liiert, doch die Beziehung kriselt. Ray möchte die Ferien mit Julie in Southport verbringen, doch sie lehnt ab. Am nächsten Morgen macht Julies Freundin Karla (Pop-Sternchen Brandy) bei einem Radiogewinnspiel mit. Die Frage nach der Hauptstadt Brasiliens beantwortet sie mit „Rio“ und gewinnt dadurch einen Wochenendtrip für vier Personen auf die Bahamas. Sie nimmt ihren Freund Tyrell (Mekhi Phifer, „Dawn of the Dead“-Remake) mit und Julie bietet Ray an, sie zu begleiten. Als dieser ihr Angebot ebenfalls ablehnt, lädt Karla ihren Collegefreund Will (Matthew Settle, „Beneath“) ein, der ein Auge auf Julie geworfen hat. Doch auf den Bahamas angekommen, beginnt erneut eine unheimliche Mordserie. Ist der Fischer mit dem Haken zurück und hat es wieder auf Julie & Co. abgesehen?

„Wie wär’s mit einem Freddy oder Jason oder wie die heißen?“

Diese direkte Fortsetzung versucht, die erfolgreiche Formel des Teenage-Slashers beizubehalten und kann mit Jennifer Love Hewitt und Freddie Prinze Jr. auf zwei Schlüssel-Schauspieler des Erstlings zurückgreifen. Der Film präsentiert Julie als verängstigte und paranoide junge Frau, die noch immer unter dem Eindruck des letztjährigen Horrorsommers steht. Er eröffnet mit einer Beichte Julies, der sich als Alptraum mitten im Unterricht (anscheinend nicht ganz so gesund wie Büroschlaf) entpuppt. Ein Kurzurlaub würde ihr sichtlich gut tun, doch wäre sie angesichts des bevorstehenden Hurrikans sowie der Mordserie auf der Bahamas-Insel besser zuhause geblieben. Unsere Reisegruppe und der Zuschauer werden dort konfrontiert mit so skurrilen Gestalten wie einem Gepäckträger, der nebenbei eine Art Voodoo-Priester (Bill Cobbs, „Das Haus der Vergessenen“) ist und sich schnell verdächtig macht, einem undurchsichtigen Rezeptionisten (Jeffrey Combs, „Re-Animator“) und der albernsten komödiantischen Nebenrolle überhaupt, einem nervigen Kiffer (Jack Black, „School of Rock“). Tyrell wird die Rolle des ewig Notgeilen zuteil, Karla hingegen wirkt in ihrer Lebensfreude durchaus sympathisch und Ray wird auch noch in das Geschehen eingreifen.

Der Film versucht den Eindruck zu erwecken, dass es sich beim Mörder möglicherweise gar nicht um Ben Willis, sondern um einen Trittbrettfahrer handelt, was jedoch nicht so recht funktionieren will. Ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen, gibt es im Finale dann doch eine gelungene Überraschung in Form einer interessanten und für das Genre ungewöhnlichen Dopplung. Dafür fällt der Showdown eher unspektakulär aus, ist die Schlusspointe mittlerweile arg abgenutzt und bleibt das Motiv für all die, über Julie & Co. weit hinausgehenden, Morde unklar. In Bezug auf optische Härte aber legte man ein paar Scheite drauf und hat in Sachen blutiger Spezialeffekte und Maskenarbeit mehr zu bieten als Gillespies Original. Sleazige Tatsachen gibt es hingegen weiterhin keine zu sehen, was aber, um nicht missverstanden zu werden, nicht negativ ins Gewicht fällt. Alles in allem ist „Ich weiß noch immer, was du letzten Sommer getan hast“ mit seinen schnieken Urlaubskulissen im Gegensatz zum kargen Fischerdörfchen weitaus weniger atmosphärisch als der Vorgänger ausgefallen und insgesamt in Sachen Charakterzeichnung, psychologischer Komponente etc. flacher und viel weniger ernstzunehmen als der konsequent humorlose „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ – und während sich ersterer längst seinen Platz in den Annalen der Subgenre-Klassiker gesichert hat, kommt der Nachfolger bei aller kurzweiligen Unterhaltung nicht über das Stigma eines typischen Fortsetzungs-Schnellschusses hinaus.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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