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Re: Schimanski - H. Gies/J. Rusnak/M. Schlichter/A. Kleinert/M. Glasner/E. Berger/M. Stelzer u.a. (1997-2013) [TV-Serie]

Verfasst: Di 11. Nov 2025, 16:14
von buxtebrawler
Schimanski: Tödliche Liebe

„Schalke hat gewonnen!“

Alles neu bei „Tödliche Liebe“, der achten Episode des „Tatort“-Spin-offs „Schimanski“: Autorin Christa Kosmala verfasste erstmals ein Drehbuch für die Reihe und mit der Regie wurde Andreas Kleinert („Denk ich an Deutschland – Niemandsland“) betraut, der damit seinen ersten von zwei „Schimanskis“ inszenierte. Dieser wurde am 12. November 2000 erstausgestrahlt und verabschiedet sich vom losen Konzept, eine Krimihandlung mit deftigen Actionsequenzen aufzupeppen.

„Es gibt keinerlei Spuren, die auf einen Mord hinweisen.“

Marion, die jüngere Schwester des LKA-Beamten Thomas Hunger (Julian Weigend), wird tot aus dem Rhein gefischt, entsprechend angefasst und aufgewühlt ist Hunger. Die Spur führt zu einer Drückerkolonne, die vorzugsweise mit vom rechten Weg abgekommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern agiert und diese mehr wie Sklaven denn wie Angestellte behandelt. Sowohl der ehemalige Duisburger Kripo-Kommissar Schimanski (Götz George) als auch Hunger schleusen sich unter falschem Namen inkognito in das Unternehmen, was zum einen oder anderen Konflikt zwischen ihnen führt – zumal Schimanski sich als die Branchengröße Baldorf ausgibt, die eigentlich gerade eine Strafe im Knast absitzt. Elke (Katrin Sass, „Das vergessene Leben“), die Leiterin der Kolonne, hat Haare auf den Zähnen, behauptet, Marion habe Selbstmord begangen, und hüllt sich ansonsten in Schweigen…

„Wer draußen nicht klarkommt, kriegt hier noch 'ne Chance!“

Wie so oft beginnt eigentlich alles ganz harmlos: Schimanski und Marie-Claire (Denise Virieux) wollen mit Hänschen (Chiem van Houweninge) und dessen Frau bei ihm zu Hause feiern, doch die Party ist bereits vorbei. Hänschen kommt ihnen entgegen und berichtet vom Mord an Hungers Schwester, während seine Frau zetert, dass ihm die Arbeit wichtiger als alles andere sei. Gemeinsam sucht man Hunger auf, der noch am Wasser bei der Leiche steht und völlig aufgelöst mit seiner Waffe herumfuchtelt. Schimanski leistet ersten Beistand, sucht daraufhin Baldorf (Bernd Tauber, „Lindenstraße“) im Knast auf – und kehrt als ebendieser zurück.

„Das ist hier wie bei der Mafia!“

Schimanski beherrscht seine Rolle als schmieriger Drücker-Mafioso sehr gut und Götz George dabei zuzusehen, wie er einen jemand anderen spielenden Schimanski spielt, ist eine Freude. Schimmi will Hunger am liebsten loswerden, weil er fürchtet, dass dieser die Ermittlungen gefährdet, doch der jähzornige LKA-Kollege erweist sich als hartnäckig – und wurde zudem offiziell als verdeckter Ermittler auf diesen Fall angesetzt. Nach dem Umstand, dass es ausgerechnet die Schwester eines LKA-Bullen erwischt, ist dies die zweite große Unwahrscheinlichkeit, die das Filmpublikum schlucken muss: Bei derartiger persönlicher Betroffenheit würde wohl kein echter Ermittler mit dem Fall betraut.

„Das ist meine Familie, ich hab' sonst niemanden.“

Mit ihrer düster-kalten Neo-noir-Optik weiß diese Episode hingegen zu gefallen. Sie zeichnet das Drücker-Milieu als einen Mikrokosmos, der aus der Bahn Geworfenen Zuflucht bietet, um sie zu drillen, zu misshandeln und auszupressen. Es existiert ein autoritäres Machtgefälle, auch Sex wird als Machtinstrument eingesetzt (Elke versucht sogar Schimmi ins Bett zu kriegen). Innerhalb der Gruppe gibt es Liebe- und Eifersüchteleien, Solidarität einer- und Missgunst andererseits. Einer der Drücker konfrontiert Schimanski damit, seine wahre Identität zu kennen, was ihm nicht gut bekommen wird. Ansonsten wird der Actionanteil zugunsten einer unwirtlichen Atmosphäre und Einblicken in die Arbeitsweise von Drückerkolonnen deutlich zurückgenommen. Brutalität findet meist lediglich offscreen statt.

Eine überraschende Wendung und Auflösung gegen Ende wirkt dann doch recht überkonstruiert und geht erneut zu Ungunsten eines etwaigen Realismus, führt die Geschichte, in der es zwischen Marie-Claire und Schimanski schon wieder zu kriseln beginnt, aber zu einem akzeptablen Ende. Katrin Sass spielt die abgebrühte Chefin überzeugend; Inga Busch („Aprilkinder“) als deren Stiefelleckerin gibt sich sexier, als sie ist (was indes zur Rolle passt). „Tödliche Liebe“ ist alles in allem ein wesentlich besserer „Schimanski“ als es die vorausgegangenen Episoden waren und weiß nicht zuletzt mit seiner musikalischen Untermalung zu gefallen. Zudem bietet dieser Fall historisch interessante Einblicke ins Drückermilieu, das erst wie so manche Auflagenhöhe vom Siegeszug des World Wide Web hinweggefegt worden sein dürfte. Aus heutiger Sicht mutet es beinahe schräg an, welch kriminelle Energien einst im Zusammenhang mit Zeitschriften-Abonnements standen…