bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Schimanski: Hart am Limit

„Den kriegen wir!“

Auch die dritte Episode des „Tatort“-Spin-offs „Schimanski“ folgte nur eine Woche nach der vorausgegangenen, konkret: am Sonntag, 23. November 1997 zur besten Sendezeit im Ersten. Am Drehbuch waren diesmal mit Uwe Erichsen, Hartmut Grund und Horst Vocks gleich drei Autoren beteiligt, die Regie übernahm erneut Schimmi-Intimus Hajo Gies.

„Dieser Penner! Der steckt mit der kleinen Schlampe unter einer Decke!“

BKA-Bulle Keller (Henry Hübchen, „Weihnachtsgeschichten“) stürmt mit dem GSG-9 eine Wohnung, um den gesuchten Terroristen Dirk Vogel (Sebastian Koch, „Todesspiel“) festzunehmen. Doch die Aktion geht gründlich daneben: Die Polizei tappt in eine Falle. Vogel ist längst ausgeflogen und hat seinen Häschern eine Bombe hinterlassen, die zwei von ihnen das Leben kostet. Das BKA muss der mit Verhaftung seiner Freundin Uta Maubach (Anica Dobra, „Spieler“) Vorlieb nehmen. Fünf Jahre später wird diese vorzeitig aus der Haft entlassen, vornehmlich aus einem bestimmten Grund: Keller und Konsorten wollen, dass sie sie unwissentlich zu Vogel führt. Dies ist der Düsseldorfer Oberstaatsanwältin Ilse Bonner (Geno Lechner) bewusst, die daher einmal mehr das Duisburger Raubein Schimanski (Götz George) reaktiviert, damit er nicht als Polizist, sondern möglichst verdeckt Maubach vor dem BKA beschützt. Da sie ihm dafür einen neuen Dieselmotor für sein Boot verspricht, sagt Schimanski nach anfänglicher Skepsis zu – und droht, zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Ganz allein schafft er’s nicht, weshalb er sich den Polizisten Tobias Schrader (Steffen Wink), mit dem er während seines ersten Einsatzes für Bonner Bekanntschaft machte, zur Hilfe holt. Was und wie viel weiß Maubach? Hat Keller über Recht und Gesetz sowie den Tod seiner Kollegen hinaus womöglich ein weiteres Motiv für seine verbissene Hatz? Und wo steckt er denn nun, der Vogel?

„Schimanski? Dieser abgehalfterte Bulle, dieses Arschloch, dieser Rentner… der keinen Fettnapf auslässt?!“

Gies eröffnet den Fall mit den Ereignissen vor fünf Jahren: Observierung in der Innenstadt, Stürmung der Wohnung, Zuschnappen der Falle, mehrere Tote und Verletzte. Fünf Jahre später hat es Bonner diesmal vergleichsweise leicht, Schimmi zu überreden, der ohnehin wieder Blut geleckt zu haben scheint – wenngleich er zunächst nicht weiß, worauf er sich da eigentlich einlässt. So wird er in eine Verfolgungsjagd auf der Autobahn verwickelt, bevor die komplett bescheuerte Polizei eine tödliche Schießerei in einer Gaststätte provoziert, in der Maubach sich mit Vogel trifft. Dass Vogel daraufhin damit konfrontiert wird, dass seine Männer glauben, Uta habe ihm eine Falle gestellt, macht die Sache für keinen der Beteiligten einfacher (wenngleich gerade dieser Aspekt keine so große Rolle spielen wird wie zunächst angenommen).

„Ich liebe nun mal blasse Frauen.“

Schimanski wird auf dem Polizeirevier zusammengeschlagen, muss später im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen runterlassen, Utas Schwester Regina (Nina Petri, „Zwei Brüder“) wird in seinen Armen erschossen… Hier ist wieder eine Menge los. Dass sich Keller, der auch vor Foltermethoden nicht zurückschreckt, auf einem persönlichen Rachefeldzug befindet, ist früh klar, dass seine Gründe dafür auch familiärer Natur sind, wird sich erst spät herausstellen. Schrader, der wieder dabei ist und mit seiner grundlegenden Verschiedenheit gegenüber Schimanski ein wenig an das ursprüngliche Konzept der Schimanski/Thanner-„Tatorte“ erinnert, wird als Utas Babysitter eingesetzt – und erweist sich als damit überfordert, bleibt aber an Schimanskis Seite und avanciert zum mehr oder weniger nützlichen Sidekick.

„Ihr wart die nützlichen Idioten für die Law-and-Order-Generation."

Welcher Terrorgruppe Vogel und Maubach angehören, bleibt unerwähnt; man erfährt lediglich, dass Vogel mittlerweile mit Japanern zusammenarbeitet. Durch die recht deutlich geübte Kritik, die sich ohne Weiteres auf die RAF übertragen lässt, dürfte eben diese gemeint sein. Ein Hauch Sympathie und Außenseiterromantik schwingen dabei mit, zumal Uta in ihrer seltenen Mischung aus juvenilem, zuweilen Beschützerinstinkte weckendem Verhalten einer- und ihrer durch rabiate, durchsetzungsstarke Aktionen untermauerte Solidarität zu Vogel andererseits einen interessanten Charakter abgibt. Der Showdown findet diesmal in einem Mietwohnungskomplex statt. Humor ist in „Hart am Limit“ rar gesät, dafür umso köstlicher. Schimmi rüpelt, steckt ein, teilt aus, behält die Nerven und verliert sie, liefert also alles, was man an dieser Figur so liebt. Seine Saufszene erhält er erst im Epilog, in der pikanterweise Dieter Bohlens für Chris Norman geschriebenes „Midnight Lady“, das einst für einen Schimanski-„Tatort“ Verwendung fand, in einer deutschen Interpretation Roland Kaisers läuft, von Schimmi aber kurzerhand durch Ernst Buschs „Moorsoldaten“ ersetzt wird.

Fazit: Eine zwar sehr konstruierte, nichtsdestotrotz faszinierende, Bezüge zur damals noch nicht allzu lange zurückliegenden deutschen Nachkriegsgeschichte aufweisende Handlung, mit wohldosierter Action, Härte und der gewohnten Schnoddrigkeit von Gies und seinem Team inszeniert und von einem tollen Ensemble geschauspielert. Ein Fernsehkrimi, nah am Thriller, der den Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung bemerkenswert meistert – und sichtlich Freude daran hat, den Ex-Bullen Schimanski gegen noch aktive Bullen antreten zu lassen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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40m² Deutschland

„Jeder Tag ist wie ein Tag im Gefängnis!“

Das Drama „40m² Deutschland“ des türkischstämmigen Hamburgers Tevfik Başer („Abschied vom falschen Paradies“) ist eine fast ausschließlich in einer 40 Quadratmeter großen Wohnung im Hamburger Stadtteil St. Pauli spielende Low-Budget-Produktion aus dem Jahre 1986, die Başer schrieb, inszenierte und mitproduzierte. Es handelt sich um einen der ersten deutschen Spielfilme eines türkischstämmigen Filmemacher, womöglich um den ersten seit Sema Poyraz‘ „Gölge“ aus dem Jahre 1980. Damit wird ihm ein ikonischer Status innerhalb des deutsch-türkischen Films zuteil, der damals auch in Form von viel Aufmerksamkeit und Auszeichnungen anerkannt wurde.

Dursun (Yaman Okay, „Pehlivan“) ist ein in Hamburg lebender, frustrierter türkischer Gastarbeiter, der sich vom Leben in Deutschland mehr erhofft hatte. Seine Umgebung empfindet er als verkommenen Sündenpfuhl Als er seine Ehefrau Turna (Özay Fecht, „Abschied in Berlin“) nachholt, schottet er sie weitestmöglich von der Außenwelt ab. So vegetiert sie in der kleinen Wohnung vor sich hin, lernt Deutschland fast nur durch den Blick aus dem Fenster kennen…

„40m² Deutschland” ist ein fiktionaler, aber auf realen Fällen basierender Problemfilm mit einer Frau als Oper einer arrangierten Ehe mit einen hinterwäldlerischen Mann, der keinen Zugang zur Kultur seines neuen Umfelds findet und, verstärkt durch seine negativen Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt, auch gar nicht finden will. Başer erzählt sein Kammerspiel sehr langsam und ruhig, womit er erfolgreich den Eindruck einer völligen Tristesse vermittelt, zudem komplett im türkischen (aber deutsch untertitelten) Originalton. Unterlegt sind die Bilder mit melancholischer bis trauriger Klaviermusik Claus Bantzers.

Aus ihrem Fenster heraus beobachtet Turna eine Prostituierte, ohne zu wissen, dass es sich um eine handelt. Sie fühlt sich eingesperrt und wünscht sich, dass ihr Mann wenigstens einmal mit ihr auf den Dom (ein in St. Pauli regelmäßig stattfindender Hamburger Jahrmarkt) geht. Als er ihr dies zusagt, freut sie sich und ist ganz aufgeregt. Sie kleidet sich ganz anders, überschminkt sich und versucht eine kulturelle Mimikry anhand der Bilder in ihrem Kopf, orientiert sich womöglich unwissentlich am Erscheinungsbild Prostituierter – wobei diese Interpretation zugegebenermaßen auf wackligen Beinen steht, da ihr Outfit ebenso an an Volkstänzen teilnehmende anatolische Frauen erinnert. Als ihr Mann, statt mit ihr den Dom zu besuchen, einfach nicht vom Zeitungholen zurückkommt, nimmt sie allen Mut zusammen und schleicht sich aus der Wohnung, eilt aber sofort zurück, als Licht im Treppenhaus angeht. Dursun kommt zu ihrer tiefen Enttäuschung erst spät nach Hause, behauptend, beim Kartenspielen mit Freunden die Zeit vergessen zu haben und ein anderes Mal mit ihr ausgehen gehen zu wollen.

Als in Deutschland Silvester gefeiert wird, weiß sie gar nicht, was das ist. Ihr Mann monologisiert abfällig über Deutsche, über Frauenhauer usw., formuliert im Prinzip seine Ängste als armseliger, sexistischer Patriarch. Dazu passen die sehr unangenehmen Sexszenen, die die vereinzelten Rückblenden von Brautkauf, Hochzeit und erstem Sex ergänzen. Zeitweise wirkt es, als sei er impotent, versuche aber krampfhaft, Turna zu schwängern. Als sie schließlich doch noch schwanger wird, freut er sich erstmals in diesem Film. Turna hingegen wird von (visualisierten) Alpträumen geplagt und ekelt sich immer mehr vor Dursun. Als dieser einmal mehr einen seiner Krampfanfälle bekommt, stirbt er überraschend, als er gerade nackt aus der Dusche kommt. Endlich ist Turna frei.

Unmissverständlich vermittelt Başer mit seinem Film, dass man mit einer fremden Kultur in Kontakt kommen und jeden seine eigenen Entscheidungen treffen und seine eigenen Erfahrungen machen lassen muss. Der Film, so heißt, entspreche der Tendenz damaliger türkischer Migranten. Er ist ein ebenso bedrückender wie eindringlicher Weckruf und zugleich eine harsche Kritik am frauenfeindlichen patriarchalen Machismo. Gleichsam sehenswert für Deutsche wie für Migrantinnen und Migranten, aus heutiger Sicht zudem ein hochinteressanter Meilenstein der Entwicklung des migrantischen deutschen Films.
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Weapons – Die Stunde des Verschwindens

US-Schauspieler und -Regisseur Zach Creggers nach „Barbarian“ zweiter Horrorfilm ist der nach dem „Barbarian“-Erfolg mit einigen Vorschusslorbeeren bedachte „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“, für den er das Drehbuch verfasste, dieses inszenierte und zusammen mit Ryan und Hays Holladay auch den Score komponierte. Als Inspirationsquellen des im August 2025 veröffentlichten Kinofilms werden „Magnolia“ (Film) und „Der größere Teil der Welt“ (Roman) genannt. Mit einer Laufzeit von 129 Minuten weist er Überlänge auf.

Die beschauliche Kleinstadt Maybrook in Pennsylvania: Um Punkt 2:17 Uhr nachts verschwinden plötzlich 17 Grundschulkinder. Überwachungskameraaufnahmen zeigen, dass mit ausgebreiteten Armen schnurstracks davonliefen, als hätten sie ein festes Ziel vor Augen – oder wären ferngesteuert. Polizei, Bürgerinnen und Bürger stehen vor einem Rätsel. Die Stimmung ist angespannt bis aggressiv, was vor allem die junge Lehrerin Justine (Julia Garner, „Wolf Man“) zu spüren bekommt: Alle 17 Kinder gingen in ihre Klasse, von der nur der kleine Alex (Cary Christopher, „Zeit der Sehnsucht“) übrig ist. Insbesondere Bauunternehmer Archer (Josh Brolin, „Planet Terror“), Vater des verschwundenen Mathew, hat Justine auf dem Kieker, setzt aber auch alles daran, auf eigene Faust Licht ins Dunkel zu bringen. Daran hat auch Justine ein Interesse, doch Rektor Marcus (Benedict Wong, „Moon“) suspendiert sie vom Schuldienst und untersagt ihr jegliche außerschulische Kontaktaufnahme zu Alex oder dessen Familie. Dies ignoriert sie jedoch, wenn sie nicht gerade mit ihrem Ex-Freund, dem Polizisten Paul (Alden Ehrenreich, „Oppenheimer“), erst in ihrer Stammbar abhängt und dann mit ihm im Bett landet. Dieser wiederum erwischt Junkie James (Austin Abrams, „Kings of Summer“) bei einem Einbruchsversuch und wird kurze Zeit später erneut auf ihn treffen. Allen gemein ist, dass sie eigenartige Beobachtungen machen oder in bedrohlichen, geradezu lebensgefährliche Situationen geraten. Was zur Hölle geht in Maybrook vor sich?

„Weapons“ ist einer von mehreren erfreulich sehenswerten Horrorfilmen der aktuellen Kinosaison und hat mit dem einen oder anderen von ihnen gemein, dass man besser nicht zu viel über ihn weiß, bevor man ihn sich ansieht. Entsprechend versuche ich hier so wenig wie möglich zu spoilern. Eine Kinderstimme führt als allwissende Erzählinstanz aus dem Off im Präteritum in die Handlung ein, verstummt dann und wird sich erst zum Ende wieder zu Wort melden. Die Geschichte erinnert inhaltlich wie atmosphärisch stark an Stephen King’sche Kleinstadtszenarien. Cregger nimmt sich viel Zeit, sie zu erzählen, und zieht das Publikum mit angenehm-unangenehmer Mystery-Stimmung in seinen Bann. Der Horror spielt zunächst die zweite Geige, einzelnen visualisierten Alpträumen mit Schockklimax zum Trotz. Und Cregger erzählt sie, in Kapitel unterteilt, aus verschiedenen Perspektiven, beginnend mit der der mit Julia Garner prima besetzten Lehrerin. Diese wird abgelöst vom hemdsärmeligen Archer, der den Staffelstab an Polizist Paul übergibt usw. Alle Kapitel münden in unterschiedliche eskalierende Situationen, die nicht sofort aufgelöst werden, sondern als eine Art Cliffhanger fungieren. Das ist sehr geschickt gemacht und ergänzt die erfolgreich provozierte Neugier um Spannung. Die sich in Teilen überschneidenden Erzählstränge werden gerade rechtzeitig zusammengeführt, bevor die Spannungskurve abzufallen droht.

Larkin Seiples Kameraarbeit ist herausragend, lässt die Kleinstadt groß erscheinen, fesselt mit Tracking Shots, fokussiert Gegenstände anstelle der Personen, die sie bewegen, fängt Spiegelungen originell ein usw. Übermäßig grafisch wird der Film in seinen wohldosierten Gewaltspitzen indes nicht und manches unappetitliche Ergebnis wird nur halbscharf eingefangen. Ab einem gewissen Punkt lebt „Weapons“ verstärkt von seinen Kontrasten aus mystischer Atmosphäre gepaart mit klassischem Grusel und wahnsinniger, in puren Terror mündender Raserei. Nicht erst das Finale arbeitet auch mit Humor, wobei man es dort für meinen Geschmack etwas übertreibt und beinahe slapstickhaft albern zu werden droht. Es beantwortet auch nicht alle Fragen, auf das eine oder andere muss man sich selbst einen Reim machen.

Die eingangs erwähnten Einflüsse sind mir unbekannt, für die Make-up-Effekten hat man sich aber u.a. an Heath Ledgers „Joker“-Interpretation bedient und Stephen Kings „Es“ wird in mindestens einer Szene regelrecht zitiert. Dessen Coming-of-age-Aspekte finden sich hier jedoch nicht, dafür aber negative Kleinstadtdynamiken und nicht zuletzt die Manipulierbarkeit und Traurigkeit schutzbefohlener Kinderseelen. Ferner wird ein wenig Kritik am Schulsystem bzw. dessen starren Regeln geübt und Mobbing unter Schülern angerissen, woraus man mehr hätte machen können. Dass das Ende nicht durchweg happy ist, unterstreicht wiederum den Ernst des Films.

Ein Prequel soll bereits in Arbeit sein, das sicherlich die eine oder andere Frage beantworten wird und auf das man sich wohl freuen darf.

Bewertung: 7,5 von 10 Sparschälern!
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Schimanski: Muttertag

„Wenn Sie in Rente gehen, dann haben Sie so einen krummen Rücken, dass Sie sich mühelos selbst einen blasen können!“

Die vierte Episode des „Tatort“-Spin-offs „Schimanski“ um den ehemaligen Duisburger Kult-Kommissar ist die erste aus dem Jahre 1998. Am 25. Oktober wurde der von Horst Vocks geschrieben und von Mark Schlichter („Faust“) inszenierte Fall ausgestrahlt, der mehr ein klassischer Actionfilm denn ein Krimi ist.

„Julia klingt ja schon wie'n Verhängnis...“

Die Düsseldorfer Oberstaatsanwältin Julia Schäfer (Suzanne von Borsody, „Lola rennt“) tut es ihrer Vorgängerin gleich und überredet Schimanski (Götz George) zu einem besonders heiklen Undercover-Einsatz: Ihre Freundin Frau Wörner (Eleonore Weisgerber, „Die Klette“) vermute, dass ihr Sohn Christian noch am Leben sein könnte – obwohl er einst als Söldner in den jugoslawischen Bürgerkrieg zog und sie, nach einer Karte mit Glückwünschen zum Muttertag, nur noch einen Totenschein Christians erhielt. Den Leichnam habe sie nie zu Gesicht bekommen und brauche Gewissheit. Schimanski reist nach Kroatien, wo er den belgischen Gerichtsmediziner Dr. Gordon (Johan Leysen, „Swing Kids“) kennenlernt, der Massengräber untersucht und die Verantwortlichen vors Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag bringen möchte. Zugleich kommt er einer Miliz auf die Spur, die unter Anführer Marco (Sylvester Groth, „Sperling und der gefallene Engel“) die Gegend kontrolliert und terrorisiert. Schnell gerät auch Schimanski in Lebensgefahr…

„Tote sind die meistgefragten Leute hier...“

Der Prolog ist so brutal wie rätselhaft: Zwei deutsche Kripo-Beamte untersuchen gerade nachts ein Grab, als sie von uniformierten Männer überwältigt und verschleppt werden. Einer von ihnen wird hingerichtet, der andere muss zuschauen und landet daraufhin im Irrenhaus. Damit gewährt man dem Fernsehpublikum zumindest einen geringen Wissensvorsprung gegenüber Schimanski, der in seinem belgischen Wohnsitz die Nachricht erhält, sich sein Salär zukünftig persönlich in Duisburg abholen zu müssen. Wutentbrannt reist er dorthin, geht äußert rabiat vor und wird rausgeschmissen, direkt vor die Bühne Julia Schäfers, die Nachfolgerin Ilse Bonners. Diese Einführung Schimanskis in diese Episode ist derart übertrieben, dass sie hart an der Karikatur kratzt.

„Der Krieg ist noch lange nicht zu Ende...“

Der weitere Verlauf erinnert frappierend an US-Söldneraction-Vorbilder; problemlos ließe sich Schimmi durch einen beliebigen US-Action-„Helden“ ersetzen und aus ihm statt einem Ex-Bullen ein Ex-Soldat und ließe sich aus dem ehemaligen Jugoslawien Vietnam oder Afghanistan machen. Schimanski, zu Beginn beim Training mit einem Kumpel oben ohne seinen ausdefinierten Körper präsentierend, fährt ins Kriegsgebiet, durch ein Minenfeld, trifft auf erstaunlich viele seine Sprache sprechende Menschen und sieht sich mit grausamen Morden konfrontiert, die seine Ermittlungen durchkreuzen, gerät selbst mehrfach in akute Lebensgefahr. Die Bundeswehr muss ihn gar mit einem Helikopter aus einem verminten Gebiet retten. Anonyme Massengräber, Bombenattentate – der Krieg ist allgegenwärtig.

Weit vorm Ende präsentiert die Handlung eine wahrlich überraschende Wendung, die dem Fall ganz neue Dimensionen verleiht und geschickt platziert ist, andererseits erneut an US-Vorbilder erinnert, in denen die den alten Ex-Söldner, -Soldaten, wen auch immer reaktivierenden Schreibtischtäter nicht ganz ehrlich sind und damit die Wut desjenigen auf sich ziehen. Schimmi kann von Glück sagen, dass er auch MacGyver-Qualitäten besitzt und sämtliche eher unwahrscheinlichen Zufälle auf seiner Seite sind – die Tücken des One-Man-Army-Actionkinos…

Zurück in Deutschland kommt auch Schrader (Steffen Wink), einer der wenigen Schimanski gegenüber loyalen Polizisten, zum Zuge, wird Schimmi in eine actionreiche Verfolgungsjagd verwickelt und doch tatsächlich mit Panzerfäusten um sich geschossen. So bekloppt und maßlos übertrieben das alles klingen mag: Das falsche Spiel, das die Staatsanwaltschaft mit Schimanski spielt und die Interessenskonflikte, zwischen die er gerät, sind gar nicht doof und bieten somit auch etwas zum Nach- und Mitdenken. Zudem verfolgt „Muttertag“ das eherne Ziel, einen Eindruck nicht nur der Kriegsgräuel zu vermitteln, sondern auch dessen, was sie mit den Menschen machen. Die Zerstörung des Vielvölkerstaats Jugoslawien ist eine der finstersten Konsequenzen des Ende des Warschauer Pakts, deren Folgen bis heute nachhallen und weder bewältigt noch erschöpfen aufgearbeitet sind.

„Muttertag“ ergreift dabei keine Partei für eine der beteiligten Kriegsparteien, schweigt sich sogar darüber aus, auf wessen Seite Marco einst kämpfte. Damit ist Vocks‘ und Schlichters Film klüger als das durchschnittliche US-Action-Vehikel, geht es hier doch nicht um Propaganda oder die Befriedigung niederer Instinkte. Zu diesem düsteren Kapitel der 1990er-Dekade passend, arbeitet Schlichter in seiner Inszenierung mit ein paar Neo-noir-Anleihen und vermittelt den Nihilismus der Verrohung, den man nicht zynisch feiert, sondern vor dem man warnt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Jagd auf Jungfrauen

„Es lebe Berlin!“

Diese Softsex-Klamotte des späteren deutschen Pornofilmers Wolfgang Bellenbaum („Tanzstunden-Report“) erschien im Jahre 1973 und ist mir unter dem Alternativtitel „Motel Report“ bekannt. Beide Titel sind Mogelpackungen, denn weder handelt es sich um einen Reportfilm noch wird zur Jagd auf Jungfrauen geblasen. Wie so oft, wenn ich über derartige Filme schreibe, enthält dieser Text eine umfangreiche Inhaltsangabe, auf die ein Fazit folgt.

„Sie kennen sich doch aus hier – als Eingeborene...?“

Ein Provinzunternehmen unternimmt anlässlich der Grünen Woche einen Betriebsausflug nach Westberlin mit einem Reisebus. Man freut sich insbesondere auf die libidinösen Versuchungen, die die geteilte Stadt zu bieten hat, und gibt sich ihnen gerne hin…

„Meine Körperschleuder steht draußen vor der Tür!“

Noch im Bus werden die ersten „Lutschpuppen“ entblößt. Auf etwas Rumgeplänkel folgt bald die erste Softsexszene auf einem Zimmer, unterbrochen von Bildern einer Stadtrundfahrt. Das ist ganz nett gefilmt. Wir sehen einen Schwimmbadbesuch, weiteres Rumgeplänkel, Verführungsversuche, Voyeurismus... und hören reichlich dumme Sprüche. Die durchaus hübschen jungen Frauen des Unternehmens wollen unbedingt angequatscht werden. Das Figurenensemble ist indes eine ziemliche Klischeeparade: Ein lispelndes blondes Dummchen, eine rassige Brünette, ein Stotterer...

„Jetzt gehen wir erst mal zu dem Itaka da und hauen uns 'n großen Klops Eis in die Bluse.“

Ein Teil der Herren geht mit zwei einheimischen Damen im Luxusrestaurant fein essen, zwei Mädels wiederum mit Berlinern auf ein Motorboot. Die Blonde lässt sich dort von einem Mike verführen, die schwarzhaarige Angelika ebenfalls – wenn auch an Land in einem Zelt. Gefummel, Geknutsche, Softsex. Die erwähnten Herren ziehen nach dem Restaurantbesuch mit ihren Begleiterinnen zum Tanzen in einen Nobelschuppen weiter. Die Damen wollen die Kerle ausnutzen und lassen sie sitzen, als diese nicht mehr zahlen (was zugleich die Pointe dieser Episode darstellt). Reiseleiter Herr Flottwich (Max Giese, „Josefine – das liebestolle Kätzchen“) wirft sich erfolglos im Zoo an eine Jüngere heran. Eine verdammt süße mitreisende Blondine (wer ist das?) lernt einen jungen Berliner kennen, der jedoch fast nur vulgäres Zeug und Rainer-Brandt-Gedächtnissprüche von sich gibt. Gemeinsam fährt man ins Grüne zum Fummeln und Knutschen. Mehr als ein für sie enttäuschender Schnellfick, für den ihr Stecher sogar seine Klamotten anlässt (sie hingegen ist splitterfasernackt), springt für sie aber nicht dabei heraus. Zu allem Überfluss lässt er sie auch noch sitzen und braust mit seinem Wagen, in dem noch ihre Kleider liegen, davon. Na Mensch, diesen Gag hat man ja noch nie gesehen oder gehört…

„Im Stehen kann das Bier viel besser runterlaufen!“

Die älteren Herren lassen nach dem Zoobesuch die als wenig attraktiv empfundene Frau Baumann allein zurück, eine andere geht mit einem Kerl ins Kino, und die süße blonde Nackedei bedeckt sich notdürftig mit Zeitungspapier, trifft auf ein im VW Käfer vögelndes Paar und lässt sich den Weg erklären. Die älteren Damen wiederum besuchen ein Bahnhofskino, in dem ein Sexfilm läuft. Als Film im Film bekommen wir eine Softsexszene in einem Krankenhaus zu sehen, angeregt beäugt von den Besucherinnen. In der Loge nebenan treiben es zwei miteinander, die man schon vorher gesehen hat, als sie sich zum Kinobesuch verabredeten.

„Er rammelte wie ein Hase beim Preisbumsen!“

Die süße Nackte ist inzwischen im Hotel angekommen und vernascht dort den Portier, der ebenfalls seine Kleidung anbehält… Reiseleiter Flottwich ist mittlerweile betrunken und geht in den Puff, ausgerechnet als die Kripo den Laden hochnimmt. Er wird verhaftet und bei der Abfahrt am nächsten Tag vermisst. Bereits im Bus sitzend, erinnert sich die sächselnde Schwarzhaarige noch, wie sie auf ihrem Zimmer ein Bad nahm und den Zimmerservice verführte, was wir als visualisierte, offscreen von ihr kommentierte Rückblende zu sehen bekommen. Im Hotel nervt der Portier derweil mit albernen Wortwitzen, während Fräulein Baumann sich um den aus dem Gewahrsam entlassenen Flottwich kümmert. Der öffnet zum Dank ihr Haar, nimmt ihr die Brille ab und stellt fest, dass die graue Maus des Unternehmens eine Sexbombe ist. Auf der Rückfahrt sind alle glücklich und vergnügt, Berlin war eine Reise wert.

„Für die Filmindustrie sind die Sexfilme wie die Heimatfilme der 50er-Jahre!“

Ein Metaebenenkommentar wie dieser gehört neben der einen oder anderen hübschen, zeigefreudigen Schauspielerin zu den Höhepunkten dieser auf ihre Weise typischen deutschen Fummelkomödie der 1970er. Der Schnitt ist derart sprunghaft und die Figuren derart oberflächlich gezeichnet, dass man nicht immer gleich weiß, wer nun eigentlich wer genau ist, was aber auch egal ist. Leider sind die meisten schlüpfrigen Szenen – wie damals üblich – nicht sonderlich sinnlich oder erotisch gefilmt, wirken in Kombination mit dem pseudolustigen, permanenten dummen Gequatsche gar eher abtörnend. Dennoch hat die Dialogtonspur dann und wann die Lacher eher auf ihrer Seite als die Handlung, deren plumper, alberner Witz sich niemandem erschließen dürfte, der die Pubertät erfolgreich hinter sich gelassen hat.

Bellenbaum vermengt die Themen innerdeutscher Sextourismus und Berlin als das ganz andere Westdeutschland miteinander, um Menschen aus der Provinz auf einen urbanen, sexuell befreiten Sündenpfuhl treffen zu lassen. Leider versäumt er es dabei, zu erklären, weshalb die Belegschaft alldem derart aufgeschlossen gegenübertritt, versäumt zudem die Chance, einen Culture Clash heraufzubeschwören, der letztlich vielleicht humoriger gewesen wäre. Dass auch die sexuellen Abenteuer der Frauen hier reinen Männerfantasien entspringen: geschenkt. Dass man Wert darauf legte, möglichst viel nackte weibliche Haut einzufangen, die Herren der Schöpfung aber noch nicht einmal aufforderte, sich für die Softsexszenen wenigstens ihrer Beinkleider zu entledigen, ist aber ein starkes Stück und zeugt davon, wie es um die Antiprüderie des Filmteams tatsächlich bestellt war. Zudem dürfte jeder Berliner die Hände ob des vermittelten Bilds seiner Stadt überm Kopf zusammenschlagen.

Ergo: Ein weiteres in Umsetzung wie Anspruch billiges, mehr schlecht als recht gealtertes Stück Sexploitation, nach dem heutzutage zurecht kein Hahn mehr kräht.
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Bring Her Back

„Grapefruit?“

Mitten im Sommer ist plötzlich Horrorsaison im Kino: Auf den mediokren neuen dritten „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“-Teil folgten mit „Together – Unzertrennlich“ und „Weapons“ zwei sehr sehenswerte Genre-Beiträge, die von „Bring Her Back“, dem nach „Talk to Me“ zweiten Spielfilm der australischen Brüder Danny und Michael Philippou, noch getoppt werden. „Talk to Me“ hatte ich im Kino verpasst (und dummerweise bis heute nicht gesehen), für das Horror-Melodram „Bring Her Back“ aber fand ich die Zeit.

„Respektier meine Privatsphäre!“

Der 17-jährige Andy (Billy Barratt, „Kraven the Hunter“) kümmert sich im Alltag liebevoll um seine jüngere blinde Stiefschwester Rowdy Roddy Piper (Sora Wong). Beide wachsen zusammen mit ihrem alleinerziehenden (Stief-)Vater auf, der eines Tages zu Hause beim Duschen stirbt. Das Jugendamt gibt die beiden in die Obhut von Pflegemutter Laura (Sally Hawkins, „Wonka“), einer ehemaligen Therapeutin, die ihre eigene Tochter Cathy auf tragische Weise verlor, als diese im Pool des Grundstücks ertrank. Sie betreut bereits ein anderes Pflegekind namens Oliver (Jonah Wren Phillips, „Human Error“), das eine psychische Behinderung aufweist und kein Wort spricht. Laura war in erster Linie an Piper interessiert, doch die Geschwister wollten sich nicht trennen lassen. Andy wird in drei Monaten volljährig und möchte dann ohnehin die Vormundschaft für Piper beantragen. Bis dahin muss er bei Laura jedoch einen positiven Eindruck hinterlassen. Dies fällt nicht immer leicht, denn Laura schwankt zwischen aufgeschlossener und verständnisvoller Pflegemutter auf der einen und autoritärem, übergriffigem Drachen auf der anderen Seite. Zudem scheint ihr Engagement in Bezug auf Piper alles andere als uneigennützig zu sein…

„Sie wird sterben im Regen...“

Eigentlich ist von vornherein klar, wohin die Reise geht: Eine übergriffige Pflegemutter, die die Privatsphäre ihrer Pflegekinder nicht respektiert und aus Piper einen Ersatz für ihre Tochter, über deren Verlust sie nie hinweggekommen ist, zu machen versucht. Es stellt sich allerdings die Frage, was das irgendein befremdliches und brutales Ritual zeigende Snuff-Video aus dem Prolog damit zu tun hat – und weshalb Laura, die es nicht dabei belassen wird, Piper Cathys Klamotten anzuziehen und ihr die Haare zum Zopf zu binden, es sich zusammen mit dem an einen jungen Jason Voorhees erinnernden Oliver immer wieder anschaut. Die Handlung ist nicht nur mit einigen Rätseln und Überraschungen gespickt, sondern verstört sowohl mit besagten Videoausschnitten als auch mit Szenen herber Gewalt und (Selbst-)Verstümmelungen sowie der generellen, mit Sicherheit starkes Triggerpotenzial aufweisenden Thematik einer systematischen Manipulation und Misshandlung Schutzbefohlener. Zwar wirkt die eine oder andere besonders exponierte Szene eher selbstzweckhaft denn narrativ motiviert, verfehlt nicht zuletzt aufgrund ihrer perfekten Umsetzung ihre Schockwirkung aber keineswegs.

Interessanterweise weist die Geschichte die eine oder andere Parallele zu „Weapons“ auf, was dem Zufall geschuldet sein dürfte. Wong, die tatsächlich blind ist, spielt ihre Rolle sehr eindrucksvoll und weckt Beschützerinstinkte, während Hawkins als toxisch positive, damit jedoch ihre inneren Abgründe überspielende und überaus verschlagene Laura meist verdammt wütend macht, in manchen Momenten aber auch beinahe Mitleid erregt. Barratt wiederum muss, allein schon für seine Stiefschwester, stets die Contenance zu wahren versuchen, wirkt dabei als Billy für einen 17-Jährigen schon (vielleicht etwas zu) sehr erwachsen, lässt das Filmpublikum an den Konflikten seiner Figur aber emotional teilhaben. Das ist alles toll gespielt und dürfte dem Ensemble einiges abverlangt haben.

Atmosphärisch wird „Bring Her Back“ immer schwermütiger; es regnet ständig – je mehr sich die Ereignisse zuspitzen, desto stärker. Auf der erzählerischen Ebene wird nicht alles haarklein erklärt, womit sich auch dieser Film Pre- oder Sequeloptionen bewahrt. Als sonderlich störend erweist sich dies nicht; der Film wirkt nicht unvollständig, sondern im Gegenteil mit seiner Schlusseinstellung von seltsam morbider Schönheit sogar sehr rund. „Bring Her Back“ hält unterschiedliche menschliche Emotionen auf verschiedenen Ebenen unter Dauerbeschuss, ist nicht zuletzt tottraurig und bei alldem nicht so leicht zu bewältigen wie manch anderes Genreprodukt.

Bewertung: 8 von 10 Melonenscheiben
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Yasemin

„Kirschen sind rot – wer redet, ist tot!“

Der Spielfilm „Yasemin“ des Hamburger Schauspielers und Regisseurs Hark Bohm („Nordsee ist Mordsee“) aus dem Jahre 1988 überführte das sich mit der Lebensrealität von Migrantinnen und Migranten auseinandersetzende deutsche Kino vom eher sperrigen, spröden Sozialdrama zum den Sehgewohnheiten der zweiten Häflte der 1980er-Dekade entgegenkommenden Jugend- bzw. Coming-of-age-Liebes-Migrationsdrama mit emanzipatorischer Komponente und melodramatischen sowie gegen Ende märchenhaften Zügen. Dieser Kurswechsel wurde auch dadurch ermöglicht, dass er sich der zweiten Generation, also hier geborenen Kindern von Migranten, widmet. Die männliche Hauptrolle besetzte Bohm mit seinem Sohn Uwe. Obacht! Diese Filmkritik gibt die Handlung inklusive ihrem Ausgang grob wieder, enthält also eine Vielzahl Spoiler.

„Meine Tochter geht nicht nach St. Pauli!“

Die Handlung spielt in Hamburg: Die 17-jährige Yasemin (Ayşe Romey, „Das blaue Exil“) macht den Eindruck einer modernen, integrierten türkischstämmigen jungen Frau, die kein Kopftuch trägt und Medizin studieren will, um Ärztin zu werden. Ihr Vater (Şener Şen, „Mr. Muhsin“) unterstützt sie dabei. Durch ihre Attraktivität fällt sie dem machohaften, halbstarken Jan (Uwe Bohm) auf. Der stellt ihr nach, versucht, sie mit seinem Motorrad zu beeindrucken und kann ein heimliches Treffen mit ihr in Övelgönne arrangieren. Solche Verabredungen muss sie unbemerkt von ihren Eltern eingehen, denn als ihre Schwester kürzlich heiratete, war dise keine Jungfrau mehr – ein Schock für den dann eben doch fragwürdigen und frauenfeindlichen Traditionen nachhängenden Vater. Der will auch Yasemin, nachdem sie nach der Hochzeitswache nicht rechtzeitig nach Hause gekommen war, nicht mehr rauslassen, da er sich um die „Familienehre“ sorge…

„Du bist hier nicht in der Türkei!“

Hark Bohm lässt in Person Jans Vaters etwas Slapstick-Humor in seinen ansonsten recht ernsten Film einfließen, der bald andeutet, dass Yasemin und Jan ein reales Interesse aneinander entwickeln. Sie grinst die ganze Zeit über glücklich, wenn er bei ihr ist, doch während einer gemeinsamen Barkassenfahrt treffen sie auf alte sexistische und rassistische Türken, die ihnen das Rendezvous zu verleiden drohen, während zugleich Yasemins Vetter auf der Suche nach ihr ist. Dass man sich unter solchen Umständen kaum frei entfalten kann, macht Bohm ebenso deutlich wie das dem Ganzen innewohnende Konfliktpotenzial, das zunächst in einer Prügelei zwischen besagtem Vetter und Jan (die ebenso wie Yasemin Judo trainieren) eskaliert. Dennoch hilft Jan dem sich verdeckt in Deutschland aufhaltenden Vetter, aus dem Blickfeld der anrückenden Polizei zu geraten.

„Verfluchte Ehre!“

Doch es kommt noch wesentlich dicker: Als Yasemins Vater sie aus dem Fenster mit Jan beobachtet, dreht er vollends durch, will sie in die Türkei zurückschicken. Yasemin wird von ihrer Familie verboten, weiter zur Schule zu gehen, woraufhin ihre Lehrerin ihren Vater aufsucht und mit rechtlichen Konsequenzen droht. Yasemin, die für ihr Alter erstaunlich selbstbewusst und stark auftritt, wehrt sich gegen die Deportation und droht mit Suizid – woraufhin der Onkel entgegnet, sie solle sich ruhig umbringen, schließlich habe sie die „Familienehre“ beschmutzt… Am Ende rettet Jan sie auf einem Motorrad wie ein Ritter auf dem Pferd. Sie trägt weiß – ein Showdown mit sehr stilisierten, metapherreichen Bildern.

Die zunächst so offen wirkende türkische Familie zeigt sich bald von ihrer negativ konservativen Seite, die nahtlos übergeht in puren Sexismus und Tyrannei. Das mag seltsam anmuten, doch der Schlüssel dazu liegt in der „missglücken“ Hochzeitsnacht Yasemins Schwester, die für Vater Yusuf offenbar bedeutete, seine Tochter an der zu langen Leine gelassen zu haben und seine Liberalität infragestellte. Als wesentlich ausgeprägter und zerstörerischer als der offensichtliche Machismo Jans erweist sich also der der männlichen Mitglieder der Familie Yasemins mit ihrem Konstrukt einer imaginären „Familienehre“. Von Jans Familie hingegen erfährt man so gut wie nichts, was einerseits schade ist, andererseits ein Indiz dafür, dass sie für Jan in Liebesfragen eben keine allzu große Rolle spielt.

Dennoch ist der Film nicht am Schüren plumper Ressentiments interessiert, sondern zeichnet Yasemins Eltern durchaus differenziert und erzeugt ein Bewusstsein für die Kommunikations- und kulturellen Probleme zwischen der zweiten und der ersten Generation türkischer Immigranten. Yasemins ungetrübtes Interesse an Jan allen Vorfällen zum Trotz erscheint nicht immer 100%ig nachvollziehbar; realistischer wäre es gewesen, dass die beiden zumindest zeitweise auch an ihrer Beziehung zueinander zweifeln oder sich der von außen herangetragene Konflikt auch im Umgang miteinander über die Heimlichkeiten hinaus widerspiegelt. Dass alle Judo trainieren, mag einem damaligen kurzlebigen Trend geschuldet sein, erscheint mir aber ebenfalls nicht so ganz authentisch. Dies ändert indes nichts daran, dass der Film seine Botschaft auf sehr unterhaltsame Weise transportiert und mit seinem offenen Ende zum Nach-, vor allem aber Weiterdenken einlädt.

Der Soundtrack aus Klavier- und Synthie-Klängen ist ebenfalls gar nicht schlecht. Seine einfache Zugänglichkeit prädestinierte ihn offenbar auch zum Einzug in den Schulunterricht, wo ihn der bzw. die eine oder andere gesehen haben dürfte. Doof nur, dass die Zweitausendeins-DVD keinerlei Untertitel aufweist. Die wären vielleicht gerade für Migrantinnen und Migranten hilfreich gewesen.
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Tatort: Ein Hauch von Hollywood

„Sind Sie akkreditiert?“ – „Nee, Deutscher.“

Mit „Ein Hauch von Hollywood“ machte das Berliner „Tatort“-Duo Ernst Roiter (Winfried Glatzeder) und Michail „Zorro“ Zorowski (Robinson Reichel) die Zehn voll: Der von Jiří Polák geschriebene und von Urs Odermatt („Zerrissene Herzen“) inszenierte Fall wurde im Juli 1998 erstausgestrahlt. Und wie bereits andere zuvor hatte auch dieser Berliner Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe wenig Glück: Die ARD befand ihn für nicht gut genug für die Hauptsendezeit und verbannte ihn auf einen Sendeplatz um 23:00 Uhr, weshalb die Einschaltquote ein Rekordtief aufwies. Das Schlimmste aber: Die ARD hatte Recht.

„Ein Verrückter!“ – „Ja, wer ist das nicht...“

Der junge deutsche Schauspieler Roland Haas (Johannes Brandrup, „Die Versuchung – Der Priester und das Mädchen“) hat in Hollywood Karriere gemacht und stattet Berlin nach fünf Jahren erstmals wieder einen Besuch ab. Anlass ist die Präsentation seines neuen Films auf der Berlinale. Während Haas‘ Pressekonferenz platzt ein offenbar verwirrter Mann (Michael Gwisdek, „Der Verdacht“) herein, lässt nationalistische Sprüche gegen Haas ab und hantiert mit einem Messer herum. Als Haas von einem Besuch bei seiner alten Liebe Laura (Marie-Lou Sellem, „Winterschläfer“), die zu Haas‘ Überraschung mittlerweile Mutter der vierjährigen Nadine (Leoni-Benice Baeßler) und mit ihrem Mann Kurt (Götz Schubert, „Zwei schräge Vögel“) verheiratet ist, ins Hotel zurückkehrt, erwartet ihn der verwirrte Hugo Kowalski und ersticht einen Sicherheitsmann. Daraufhin erhält Haas Polizeischutz, während die Mordkommission nach dem Täter fahndet. Haas jedoch wird flügge, sucht weiterhin Lauras Nähe, erfährt, dass nicht Kurt, sondern er Nadines Vater ist, und bringt mit alldem Kurt immer mehr gegen sich auf. Haas wird entführt und Kowalski gesteht, ihn ermordet zu haben, doch darauf fallen die Kommissare Roiter und Zorowski nicht herein: Haas lebt. Noch.

„Du sieht aus wie ein Schauspieler in einem schlechten Film...“

„Ein Hauch von Hollywood“ blieb bis heute Odermatts einziger „Tatort“. Ob er nicht mehr durfte oder nicht mehr wollte, weiß ich nicht, ebenso wenig wer verantwortlicher für die Misere zeichnet: der Autor oder der Regisseur. Ein experimenteller, satirischer „Tatort“ sollte es sein, hieß es. Es handelt sich um einen der Fälle, bei denen man dies dazuschreiben müsste – und selbst das würde es nicht besser machen. Konkret sieht das dann wie folgt aus: Kowalski fuchtelt drohend mit einem Messer herum, ohne dass die Polizei informiert würde, sodass er wiederkommen und tatsächlich jemanden umbringen kann. Roiter baggert erfolglos an einer Frau in seiner Stammkneipe herum, in der jedes Mal Extrabreits Anti-Bullen-Hit „Polizisten“ läuft.

„Mord stand nicht auf meinem Drehplan!“

Um Verwirrung zu stiften, wird eine Vielzahl kaum bedeutender Figuren eingeführt, beispielsweise Wildmoser (Michael Kind, „Küstenwache“), der von Zorowski beim Sex in einer Winterhütte überrascht wird. Zig Leute werden befragt, was eher konfus erscheint, zumal die Dialoge wie aufgesagt klingen und alle irgendwie ein Rad ab zu haben scheinen. Hier und da ergeben sich Hinweise auf ein mögliches Motiv, die aber alle nicht zu Kowalski passen wollen. Falls Glauben gemacht werden soll, Kowalski werde von jemand anderem manipuliert und „ferngesteuert“, erweist sich dies als absichtlich gelegte falsche Fährte. Eine ganz andere Richtung schlägt man ungefähr ab der Hälfte ein, wenn Kurt den Ex-Freund seiner Frau kurzerhand entführt und Kowalski sich der Polente stellt. Damit hat man quasi einen neuen Fall.

„Haas war immer nur die Nebenrolle!“

Odermatt hat seine Freunde an Großaufnahmen von Gesichtern und Gesichtspartien, insgesamt ist seine Arbeit aber ein eher misslungener Versuch einer überstilisierten Inszenierung. Der Verhörraum sieht aus wie eine riesige leere Lagerhalle, warum auch immer. Die Dialoge geraten immer stärker zum Austausch von Einzeilern und Zorowski glänzt plötzlich als Sprachgenie, der etliche Fremdsprachen beherrscht. Immerhin sind ein paar bissige Dialogzeilen darunter. Es fehlt, wie damals allerdings nicht unüblich, eine wirklich starke Frauenrolle, dafür wurden behelfsmäßig und unmotivierte ein paar Nackedeis eingebaut. Kurt macht innerhalb kürzester Zeit eine Entwicklung zum völligen Psycho durch; der entsprechende Showdown wird durch Slapstick-Einlagen konterkariert. Es handelt sich – Satire hin oder her – wohlgemerkt um keine Komödie! Roiter kommt sich noch mit einer Kollegin näher, was möglicherweise in den verbleibenden Episoden wiederaufgegriffen wird. Einigen hilflos angedeuteten Meta-Verweisen zum Trotz weiß zumindest der Zynismus im Epilog zu gefallen, wenn Haas durch das, was er erleiden musste, noch erfolgreicher wird,

Hier passt nicht viel zusammen, was ein sehr schräges Gesamtbild ergibt. Die Satire ist eher eine Sabotage, der Humor rar gesät und wenig bis gar nicht lustig, außer vielleicht für Filmschaffende, die zum Lachen in den Keller gehen. „Ein Hauch von Hollywood“ ist nicht einmal langweilig, dafür ist zu sehr neben der Spur, sodass man dranbleibt, wenn man nicht sofort abwinkt. Er ist stattdessen vor allem eines: in seinem missglückten Experiment, seinem eigenen Sujet – dem des TV-Krimis – satirisch zu begegnen, unfassbar arrogant.
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Garfield als Pirat

„Warum kann ich nie böse auf dich sein, Garfield?" – „Weil ich 'ne Katze bin.“

„Garfield als Pirat“ alias „Garfield auf der Schatzinsel“ ist der vierte, 24-minütige Zeichentrick-Kurzfilm des wohlbeleibten Comickaters, erneut geschrieben von Garfields Zeichner Jim Davis und unter der Regie Phil Romans für den US-TV-Sender CBS inszeniert. Die deutschen Titel suggerieren eine Nähe zum Piraten-Abenteuerfilm, vermutlich weil man hierzulande Mitte der 1980er mit den Halloween-Feierlichkeiten noch nicht allzu viel anzufangen wusste. De facto handelt es sich um ein Halloween-Special, das am 30. Oktober 1985 in den USA erstausgestrahlt wurde.

„Die Geschichte scheint nun doch ein Happy End zu nehmen...“

Garfield ist vor der Glotze eingepennt und wird vom Kinderfrühsportprogramm mit Binky dem Clown geweckt. Der weist auf Halloween und – zu Garfields Freude – auf die ganzen damit verbundenen Süßigkeiten hin. Also zieht Garfield zusammen mit Hündchen Odie als Piratenduo los. Obwohl sie schon reichlich Beute eingesackt haben, muss Nimmersatt Garfield unbedingt noch zu einem einsamen Haus auf einer Insel übersetzen, wo sie auf einen älteren Mann treffen, der ihnen eine unheimliche Piratengeschichte erzählt – bei der es sich, wie die beiden bald feststellen müssen, keineswegs um Seemannsgarn handelt…

Ich mag solche Halloween-Specials mit ans Herz gewachsenen Comic- und Cartoon-Figuren. Dieses verfügt über einige sehr charmante Songs, ohne dadurch zum Musical zu werden. Wie üblich lässt Garfield seine Zuschauerschaft an seinen Gedanken teilhaben, was die Dialoge ersetzt, während Odie mehr oder weniger einfach ein höchstens mal bellender oder winselnder Hund bleibt. Bevor es Garfield und Odie auf die Straße zieht, gibt es eine Kostümschau zu sehen. Für die Zeichentrickfilmchen hatte Jim Davis offenbar viel Spaß daran, Garfield in die unterschiedlichsten Klamotten zu stecken, was er hier voll ausleben kann. In der Halloween-Nacht begegnen sie dann ein paar wirklichen Gruselgestalten, was recht witzig gemacht ist und die Möglichkeiten einer animierten Geschichte gut nutzt. Die Geschichte um um Mitternacht wiederkehrende Piraten, die der ältere Mann ihnen erzählt, ist teilvisualisiert, während, ganz Gruselfilmklischee, ein heftiges Unwetter tobt – als könne man ein solches durchs Erzählen von Makabrem heraufbeschwören.

Recht unvermittelt ist „Garfield als Pirat“ zur Horrorkomödie geworden und ehe unsere Freunde sich versehen, türmt der Mann mit ihrem Boot und den erbeuteten Süßigkeiten. Dass er nicht gelogen hatte, zeigen sehr charmant gezeichnete und animierte Vorgänge, die an John Carpenters „The Fog“ erinnern. Sich wirklich fürchten dürfte sich dabei aber nur das allerjüngste Publikum. Das Possierliche der vorausgegangenen Garfield-Kurzfilme gerät in Kombination mit derartigen populärkulturellen Anspielungen und dem Halloween-Kontext zu einem kurzweiligen saisonalen Spaß für die ganze Familie, der sich auch gut als Vorprogramm eines echten Horrorfilms macht, kurioserweise aber sämtliche Möglichkeiten für Gags ungenutzt lässt, die daraus resultieren könnten, dass zwei verkleidete Tiere Süßes oder Saures spielen…

Bewertung: 7,5 von 10 Frühsportclowns
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Männer sind zum Lieben da

Liebling, ich habe die Männer geschrumpft

„Die Männer hier haben nur einen Gedanken: Frauen! Ihr werdet also leichtes Spiel haben.“

Nach zwei Kurzfilmen, seinem Beitrag zum „Erotik auf der Schulbank“-Episodenfilm und seinem Langfilm-Debüt „Jet Generation“ schrieb und drehte der deutsche Filmemacher Eckhart Schmidt im Jahre 1970 die Erotik-Fantasykomödie „Männer sind zum Lieben da“ alias „Atlantis – Ein Sommermärchen“. Die Hauptrolle besetzte er kurzerhand mit seiner Frau Isi Ter Jung. Anschließend nahm er sich eine zehnjährige Pause vom Regiestuhl.

„Wenn er liebt, liebt er extrem!“

Atlantis (Isi Ter Jung, „Jet Generation – Wie Mädchen heute Männer lieben“) und ihre Kolleginnen (Anführerin Ursula König, „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh“ sowie u.a. Marianne Sock, „Der Neue heiße Report: Was Männer nicht für möglich halten“, Diana Nisbeth und Barbara Capell, „Peter und Sabine“) stammen von einem Unterwasserplaneten, auf dem nur Mädchen geboren werden, was die Reproduktion erschwert. Daher müssen sie regelmäßig die Erde aufsuchen, um Männer zu entführen. So auch eines Sommertages in München. Sie becircen Männer und haben Sex mit ihnen, woraufhin die Herren sich auf praktische Kompaktgröße verkleinern und zwecks Mitnahme in die Heimat in den Köfferchen der Nixen verstaut werden. Insgesamt sollen es diesmal zehn Männer werden. Doch so leicht es den anderen fällt, so schwierig gestaltet sich dieses Unterfangen für Atlantis. Sie bringt nicht die nötige Kaltschnäuzigkeit mit und gerät mit erstaunlicher Konsequenz an die falschen Männer: Einen Vertreter (Jürgen Michaelis, „Locker vom Hocker“) für erotische Schriften, der leider schwul ist. Auch der Bürgermeister (Friedrich Graumann) zählt zu seinen Kunden. Als sie’s bei diesem versucht, wird sie von dessen Tochter und dessen Frau gestört. Der örtliche Pfaffe (Art Brauss, „Mädchen: Mit Gewalt“) zeigt erst gar kein Interesse, obwohl er nur ein verkleideter Bankräuber ist. Ein Polizist (Peter Przygodda, „Bis ans Ende der Welt“) stellt ihr nach und nimmt sie mit auf die Wache, weil er glaubt, sie sei in den Bankraub verwickelt. Auch bei ihm versucht sie zu landen, doch der Beamte hat nur seinen Beruf im Sinn. Weitere erfolglose Stationen sind ein trotteliger Schausteller, ein streitendes Ehepaar, von dem die Frau Atlantis ihr Leid klagt und ihren Mann an sie vermitteln will, damit er durch diesen Akt „freier Liebe“ wieder ein glücklicher Ehegatte wird, sowie ein Gast aus dem Biergarten, der sich an sie heranmacht, aber vom Wirt aufgehalten wird. Eine Kollegin bringt sie zu einem „Sexprofessor“, der beim Versuch, mit Atlantis zu vögeln, in Ohnmacht fällt. Und dann lernt sie auch noch Raoul (Horst Letten) kennen, in den sie sich verliebt und ihm allein schon deshalb nichts Böses will…

Im in Schwarzweiß gedrehte Indie-Film, der von einem klassischen Klavierstück Mozarts untermalt wird, stürzen sich die Mädels gleich auf den ersten Mann und machen ihn zur Playmobil-Figur. Die Verwandlung geht ohne jegliche Spezialeffekte vonstatten, wird also schlicht filmisch behauptet. Als Atlantis, eine sommersprossige Blondine mit langen Beinen, sich an den Vertreter heranmacht, blättert sie in dessen dänischen Sexbüchern. Mozart wird irgendwann endlich von einem Popstück namens „Train Station Blues“ unterbrochen, kehrt aber rasch mit dem immer gleichen Klavierstück zurück. Die erste Erotikszene lässt auf sich warten: Atlantis duscht nackt auf dem Polizeirevier. Ich bezweifle, dass das damals in München so üblich war. Der Schausteller bekommt ein paar Slapstick-Momente. Zwischenzeitlich trifft Atlantis auf eine Kollegin, die gerade jemanden abschleppt und ihr zeigt, wie leicht das doch eigentlich geht. Hui, endlich wieder andere Musik: „Sweeter Woman“ wird zur poppigen Melodie gesungen. Doch als die Kollegin sich oben ohne präsentiert, erlebt Mozart ein abermaliges Comeback…

Beim „Sexprofessor“, der nervöse Zuckungen aufweist und völlig unreif ist (und somit kräftig durch den Kakao gezogen wird), findet gerade eine Lesbennummer statt, zu der er seine Anweisungen im Befehlston ruft. Raoul sucht einen mittlerweile verkleinerten Kumpel, weil ihm dieser 1.000 Mark schuldet, trifft auf Atlantis und fragt sie aus. Interessantes Geschäftsmodell: Er nimmt sich ein Hotelzimmer an einer Baustelle, um beim Bürgermeister eine Entschädigung für den Lärm zu erzwingen und dadurch Geld zu verdienen. Atlantis hat sich direkt in diesen Hallodri verknallt und hadert mit den Männerversklavungen. Den Sex verweigert sie ihm und erklärt ihm, warum. Dem Filmpublikum wird endgültig klar: Atlantis ist eine romantische Träumerin und noch derart unverdorben und gewissenhaft, dass sich die Frage stellt, weshalb man ausgerechnet sie für diese Expedition ausgewählt hat. Und ein wenig kitschig wird’s zudem. Es stellt sich nämlich heraus, dass Raoul gar nicht verkleinert und versklavt wird, weil sie sich lieben. Hach. Ein neues Musikstück – das vierte – stößt zur Belohnung hinzu.

Am Ende wird noch die Frage verhandelt, ob man gemeinsam auf der Erde bleibt oder es zu zweit auf Atlantis‘ Heimatplaneten geht, und den Ausgang der ganzen Chose habe ich nicht so recht verstanden. Egal. Schmidts Film ist ein charmanter No-Budget-Spaß der Münchener Schule, der weit weniger sexploitativ ausfällt als man, gerade auch angesichts Schmidts späterer Filme, hätte vermuten können. Vielmehr handelt es sich um eine unter dem Eindruck der damals losgetretenen Fummelfilmwelle stehende Mischung aus dem „Geschlechtsreifes Mädchen auf der Suche nach dem ersten Mal“-Sujet und einer satirisch aufbereiteten Betrachtung, wie Männer aufgrund ihrer Triebhaftigkeit zu Sklaven der Frauen werden (können).

Das ist alles nett gemacht und hübsch anzusehen, das fehlende Budget wird mit einigem (weiblichem) Charme wettgemacht. Etwas aufregender hätte das Ergebnis dann aber schon gern ausfallen dürfen; die anheimelnde sommerliche Stimmung des Films steht in Diskrepanz zur eigentlich ja existenziellen Thematik. Ich packe dafür 5,5 von 10 Playmobil-Figuren ins Köfferchen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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