Die Nächte einer schönen Frau - Charlie Chaplin (1923)

Moderator: jogiwan

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Die Nächte einer schönen Frau - Charlie Chaplin (1923)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: A Woman of Paris

Herstellungsland: USA / 1923

Regie: Charlie Chaplin

Darsteller(innen): Edna Purviance, Clarence Geldart, Carl Miller, Lydia Knott, Charles K. French, Adolphe Menjou, Betty Morrissey, Malvina Polo, Nellie Bly Baker, Henry Bergman, Charles Chaplin, Frank Coghlan Jr., Harry d'Abbadie d'Arrast, Stella De Lanti, Jean de Limur, Charles Farrell, Bess Flowers u. A.
Marie St. Clair (Edna Purviance) möchte mit Ihrem Verlobten Jean nach Paris entfliehen. Am Abend der Abreise stirbt jedoch Jean's Vater, so dass Jean die Reise verschieben will. Marie steigt jedoch kurzerhand in den Zug ein. Ein Jahr später ist Marie zu Wohlstand gekommen, da sie eine Affäre mit dem reichen Junggesellen Pierre Revel hat. Auf dem Weg zu einer Party trifft sie allerdings unerwartet Jean wieder, der in Paris nun in einem Künstleratelier arbeitet. Das Wiedertreffen ist jedoch alles andere als glücklich.
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Die Nächte einer schönen Frau - Charlie Chaplin (1923)

Beitrag von buxtebrawler »

„Heirat oder Luxus?“

Charles Chaplins Stummfilm „Die Nächte einer schönen Frau“ aus dem Jahre 1923 ist die erste Produktion der von ihm zusammen mit Douglas Fairbanks und Mary Pickford gegründeten Firma United Artists – und zugleich Chaplins erster nicht vorwiegend komödiantischer Film, sondern vielmehr ein Drama um eine unglückliche Liebe.

Marie (Edna Purviance, „Der Vagabund und das Kind“), eine attraktive junge Frau, ist geplagt von ihrem herrischen Stiefvater (Clarence Geldert, „Irrwege einer Ehe“). Ihr Verlobeter Jean (Carl Miller, „A Bit o’ Heaven“) wiederum leidet darunter, dass seine Eltern nicht glauben, dass Marie die richtige Frau für ihn ist. Gemeinsam wollen die beiden nach Paris abhauen, doch während Marie am Bahnhof auf Jean wartet, erscheint dieser nicht, weil gerade sein Vater (Charles K. French, „Das Piratenschiff“) verstorben ist. Davon weiß Marie jedoch nichts und reist allein nach Paris, wo sie den vermögenden Lebemann Pierre Revel (Adolphe Menjou, „Die drei Musketiere“) kennenlernt, dessen Mätresse sie wird und sich von ihm in ein dekadentes luxuriöses Leben einführen lässt. Eines Tages jedoch begegnet sie Jean wieder, als dieser in Paris als Künstler Fuß zu fassen versucht. Von nun an steht sie zwischen zwei Männern bzw. der Fortführung ihres sorg-, aber auch lieblosen Lotterlebens und der Entscheidung, ihrem Herzen zu folgen…

In einer Texttafel weist Chaplin zu Beginn darauf hin, dass er selbst nicht in diesem Film mitspielt. Nicht nur damit unterlief er die Erwartungshaltung des Kinopublikums, das zudem, so heißt es, gehofft haben soll, es mit einer weiteren Chaplin-Komödie zu tun zu bekommen, in der er in seine Paraderolle als Tramp schlüpft. Chaplin erlaubt sich jedoch lediglich einen kurzen Cameo als Gepäckträger am Bahnhof. So kam es, dass der Film trotz guter Kritiken an der Kinokasse floppte und Chaplin ihn anschließend für Jahrzehnte aus dem Verkehr zog. Das ist schade, denn „Die Nächte einer schönen Frau“ ist inszenatorisch überaus gelungen, arbeitet mit zahlreichen Details und vermeidet jegliche Geschwätzigkeit, was einem Stummfilm natürlich nur guttut. Weder in Bezug auf die Ausstattung noch aufs Ensemble gibt es etwas zu bekritteln. Zudem kommt auch der Humor durchaus wohldosiert zum Zuge, beispielsweise bei köstlichen Seitenhieben auf die Haute Cuisine. Auf einer der ausschweifenden Partys des Pariser Nachtlebens sorgt gar ein Striptease für Furore, der im Film natürlich offscreen stattfindet.

Inhaltlich ist der Film zum einen eine melodramatische Liebesgeschichte, zum anderen ein Porträt des Pariser Milieus, in dem er sich bewegt. Pierre Revel ist ein überheblicher, stets gut gelaunter, im Endeffekt aber zynischer Reicher, der zwar die Umgangsformen beherrscht, aber keinen wirklichen, ehrlichen Respekt vor Marie oder Jean aufbringt. Statt eindimensionale Frauenfiguren zu zeichnen, beweist Chaplin Empathie für die Beweggründe und inneren wie äußeren Konflikte der weiblichen Rollen und übt leise Kritik am klassischen Familienmodell. Der melodramatische Anteil entwickelt sich ganz furchtbar – sonst wäre es ja nicht melodramatisch –, endet jedoch mit der konstruktiven These Chaplins, das Glück liege in der Hingabe für andere, und einem Vorschlag zu einem möglichen Umgang mit Trauer und Verlust. Der Film schließt mit einer Gegenüberstellung erfüllten einfachen Lebens mit der Luxuswelt als finale Pointe.

„Die Nächte einer schönen Frau“ gilt als einer der ersten realistischen Filme und trägt zwar mitunter reichlich dick auf, hat aber auch für Melodrammuffel ausreichend Chaplin-Charme sowie den für ihn typischen Humanismus zu bieten und ist filmhistorisch wohl ein echter Meilenstein.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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