Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Moderator: jogiwan

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McBrewer
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Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von McBrewer »

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Originaltitel: Brawl in Cell Block 99
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2017
Regie: S. Craig Zahler
Darsteller: Vince Vaughn, Jennifer Carpenter, Don Johnson, Dan Amboyer, Fred Melamed, Rob Morgan, Tom Guiry, Marc Blucas, Udo Kier, Geno Segers, Clark Johnson
Der ehemalige Boxer Bradley Thomas (Vince Vaughn) verliert seinen Job als Auto-Mechaniker. Völlig niedergeschlagen zu Hause angekommen, erfährt er von seiner Ehefrau Lauren (Jennifer Carpenter) auch noch, dass sie seit einigen Monaten eine Affäre hat.

Die beiden wollen jedoch nochmal neu anfangen und Bradley nimmt das Angebot eines Freundes an, als Drogenkurier für diesen zu arbeiten. Zunächst scheint die illegale Beschäftigung sich auch zu lohnen, doch dann wird er bei einer Übergabe geschnappt und landet im Knast.
Seine ehemaligen Geschäftspartner wollen für das vermasselte Drogengeschäft allerdings entschädigt werden. Sie fordern von Bradley, ihnen eine Gefälligkeit zu erweisen, für die er das Gefängnis in ein gewalttätiges Schlachtfeld verwandeln muss.@ofdb.de

https://www.ssl.ofdb.de/film/301427,Bra ... l-Block-99
https://www.imdb.com/title/tt5657856/
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McBrewer
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von McBrewer »

Brawl in cell block 99 wurde jetzt schon öfters als Überraschungsfilm genannt, daher war ich verwundert, das hier noch nicht viel über den Film berichtet wurde.
Ich selbst war anfänglich skeptisch, sagte mir Regisseur S. Craig Zahler bisher nicht viel & Optik wie auch Aufmachung sehr nach B-Ware aus, was ja aber per se nicht negativ sein sollte...spätestens wenn der Film beginnt.
Man wird gleich zum Anfang mit der Figur des Bradley Thomas (Vince Vaughn) konfrontiert, der so bedrohlich daherkommt, wie auch ausschaut, unter dessen Haut aber zwar ein starker, aber auch reflektierender Charakter sitzt. und so schafft es der Film auch in der gut ersten halben Stunde, den Weg Bradley Thomas vom Drogenkurier aus Geldsorgen hin ins Gefängnis nachzuvollziehen. Von da an beginnt bzw. endet eine Abwärtsspirale an Gewalt die ich selten so eindrucksvoll & schmerzerfüllt gesehen habe.
Vinc Vaughn habe ich selten so imposant bedrohlich erlebt. Dank seiner natürlichen Körperstatur von annähernd 2 Meter lässt er so ziemliche alle Darsteller im Film klein aussehen & man nimmt ihm die Kampfmaschine, die er verkörpert, ab. Jennifer Carpenter als seine Ehefrau sollte genauso noch genannt werden wie Udo Kier als fieser Ganovenanwalt & Don Johnson als sadistischer Gefängnisdirektor.
Eine wirklich runde Vorstellung, wo das zusehen zwar weh tut, aber man trotzdem nach mehr verlangt...den BONE TOMAHAWK & DRAGGED ACROSS CONCRETE vom selben Regisseur habe ich mir jetzt schon mal ins Hausaufgabenheft notiert :thup: :prost:
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jogiwan
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von jogiwan »

Meine Fresse, was für ein Film in und auf die Fresse. Was ja noch recht harmlos beginnt, entwickelt sich ja zu einem Inferno der körperlichen Gewalt, welches ruppiger nicht sein könnte. Dabei startet der Film eher ruhig, aber mit einer latent passiv-aggressiven Stimmung und einem Protagonisten, der zwar äußerlich ruhig wirkt, aber dennoch wie ein brodelnder Vulkan jederzeit ausbrechen kann. Die Eruptionen der Gewalt sind dabei so unvermittelt wie brutal und kein Wunder, dass der Streifen keine Chance auf eine Freigabe hatte. Andererseits ist „Brawl in Cell Block 99“ auch eine Studie der Gewalt in einem Milieu, dass niemand selber kennenlernen möchte und einem Menschen, der sich damit arrangiert hat um für sich und seiner Frau ein besseres Leben zu ermöglichen. Vince Vaughns Figur möchte man trotzdem nicht begegnen und dennoch ist es verwunderlich, mit welcher Selbstverständlichkeit und Bravour dieser seine Rolle in diesem Neo-Grindhouse-Werk ausfüllt. Da schickt sich wohl der nächste Schauspieler an, im Alter noch der (Anti-)Action-Hero zu werden. Zurück bleiben ein fassungsloser Zuschauer und ein Film im oberen Härtegrad, der keine Gefangenen macht.
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purgatorio
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von purgatorio »

Bei Prime finde ich den für 3,99 EUR zum Leihen. Aber wie ist das eigentlich: Stellen amazon und Netflix und Konsorten den Stoff uncut zur Verfügung? (meine Güte, wie in der Kommentarfunktion von Schnittberichte.com :lol: :lol: :lol: )
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
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jogiwan
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von jogiwan »

Wer "Brawl in Cell Block 99" schaut, kann sich in gewisser Weise vorstellen, wie Exploitationware in den Siebzigern auf das unbedarfte Publikum gewirkt hat. Zwar sind die Gewaltspitzen viel, viel kürzer im Vergleich zur indonesischen Schlachtplatte "The Night comes for us" mit seinem Dauer-Geschmoddere, aber ich fand die Gewalt - wenn auch ebenfalls völlig überzeichnet - doch wesentlich funktionaler und abschreckender. Auch der ambivalente Antiheld wirkt hier vielschichtiger und lebendiger und die Gewaltspirale nach unten stimmiger. Ich frage mich aber dennoch, wann der moderne Action-Film eigentlich so in Richtung Gore abgebogen ist.

Fun Fact: das auch in der Originalversion angesprochene Luxus-Gefängnis ist Österreich (!!!) ist die Justizvollzugsanstalt in Leoben, die ca. 50 km von Graz entfernt ist. Da gab es ja vor Jahren mal die Diskussion, wie angenehm ein moderner Strafvollzug denn sein dürfe.
wiki hat geschrieben: [...] ist gerade die angeschlossene Justizanstalt aufgrund der modernen Führung der Anstalt umstritten. So wurde das Gefängnis auf einer georgischen Webseite als Urlaubsziel angepriesen, da man beim Vergleich mit georgischen Verhältnissen fast an paradiesische Zustände denken könnte. Zudem war die Justizanstalt Leoben auch die erste Haftanstalt in Österreich, in der ein im Volksmund als „Kuschelzelle“ bezeichneter Langzeitbesucherraum eingerichtet wurde, was für zusätzlichen Unmut in der Bevölkerung sorgte.
Hier gibt auch einen Bericht dazu ;)

https://www.buzznicked.com/luxurious-jail/
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Arkadin
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von Arkadin »

Nachdem Jogi nach langer, langer Zeit endlich mal wieder einen Film gut fand, habe ich "Brawl" gleich mal aus dem Regal gezogen, von der Einschweissfolie befreit und in den Player geworfen.

Jau, das ist ein ganz schönes Brett. Hölle. Wobei ich es Zahler hoch anrechne, dass er sich viel Zeit nimmt, uns Bradley Thomas vorzustellen. Die Welt in der lebt und was ihn antreibt. Nein, Bradley ist kein guter Mensch und sieht seinen Job als Drogenkurier auch sehr pragmatisch. Damit schafft er es seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Drogenopfer sind nicht sein Problem. Aber er hat einen Codex und eine gewisse Moral, was geht und was nicht. Und der bringt ihn im wahrsten Sinne in Teufels Küche.

Der Weg dorthin wird ebenfalls ausführlich gezeigt. Und Zahler zeigt, dass er amivalente Charaktere kann. Wie z.B. den einen Wärter im ersten Gefängnis. Der kommt erst als typisches Arschloch rüber, erklärt sich dann aber irgendwann, weshalb er so reagiert hat (wollte Bradley im von ihm trainierten Box-Team des Gefängnisses haben) und wirkt sogar sympathisch. Zu dumm, dass genau in diesem Moment der gute Bradley einen gewissen Plan gefasst hat. Tja, das war's wohl mit dem Boxen.

Das zweite Gefängnis ist ein surrealer Albtraum und wird von Don Johnson regiert. Der aber auch nicht durch und durch böse ist, sondern eher eine sehr effiziente und konsequente Art hat, seinen Laden am Laufen zu haben. Sadismus sieht in meinen Augen anders aus (den hat eher dieser kleine fiese Wächter, der am Ende zwischen die Tür und Angel gerät).

Was mich positiv gewundert hat ist, dass Zahler auch einige wundervoll zärtliche Momente inszeniert, die einem wirklich ans Herz gehen. Erwähnt sei hier die erste Szene, in der Bradley mit der Untreue seiner Frau konfrontiert wird und durch seine Wut hindurch, aber auch seine Schuld an der Sache einsieht, akzeptiert und bereit ist, daran zu arbeiten.

Die unangenehmen Szenen sind hier WIRKLICH unangenehm. Ich sage nur: Udo! Wie generell Spirale der Ausweglosigkeit und der Gewalt im Film erst langsam und dann mit genau dem richtigen Timing immer schneller dreht. Und den Zuschauer mitreißt.

Was mich tatsächlich gestört hat ist die sehr cartoonesque Gewalt zum Ende hin. Das ist so over-the-top, dass sie mich mehr rausgerissen als schockiert hat. Das hatte schon fast etwas von Fun-Splatter und passte meiner Meinung dann nicht mehr zu der verzweifelt-düsteren Grundstimmung des Filmes. Auch, dass Bradley immer mehr zur schmerzunempfindlichen und immer unaufhaltsameren Killermaschine mutiert, fand ich nicht ideal. Wenn Zahler hier etwas mehr auf dem Boden geblieben wäre, dann hätte das dem Film meiner Meinung nach gut getan.

Zudem störte mich etwas am Plot und zwar habe ich nicht so recht verstanden,
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So oder so. Sehr gut Film, auch wenn ich "Bone Tomahawk" noch etwas besser fand.
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jogiwan
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von jogiwan »

Arkadin hat geschrieben: So 9. Mai 2021, 23:50 Nachdem Jogi nach langer, langer Zeit endlich mal wieder einen Film gut fand,
Fand ich den gut? Hmm...ich überlege noch. Auf jeden Fall beeindruckend, beunruhigend und sehr konsequent.
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purgatorio
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Re: Brawl in cell block 99 - S. Craig Zahler (2017)

Beitrag von purgatorio »

...fix geordert und geschaut. Joar, danke für den Tipp!
Na der Film haut doch mal ordentlich rein. Mitunter ist nicht ganz klar, ob man das nun ernst nehmen soll oder nicht. Das etwas emotionale Distanz zum Geschehen gewünscht und geraten ist, wird dann deutlich, wenn die hemmungslose und unfassbare Gewalt ins Spiel kommt und immer und immer wieder noch eins drauf setzt. Anfangs schwer, ruhig, tragisch. Dann zunehmend auswegloser aber auch im Ernst gebrochen. Schockierend und over the top in ein Blutbad gesteigert, dass einen sprachlos macht. Exploitation eben :mrgreen: Mir gefiel das gut. Mir gefällt vor allem auch, dass der Film unperfekt und unausgereift wirkt. Ist das letzte Drittel zu extrem oder das erste zu lang? Hängt vom Fokus ab. Möchte ich Knastexploitation oder etwas tragisch-dramatisches? Der Film bietet ansprechend beides, möchte vielleicht auch beides sein. Wer weiß das schon? Was der Film aber definitiv ist: Konsequent in seiner Gewaltspirale. Da gibt es keinen Ausweg, nur viel deformiertes Fleisch. Gefiel mir tatsächlich sehr gut!
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