Smog - Wolfgang Petersen (1973)

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sid.vicious
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Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von sid.vicious »

Smog.jpg
Smog.jpg (41.47 KiB) 133 mal betrachtet

Alternativer Titel: Smog
Produktionsland: Deutschland
Produktion: Peter Märthesheimer
Erscheinungsjahr: 1973
Regie: Wolfgang Petersen
Drehbuch: Wolfgang Menge
Kamera: Jörg-Michael Baldenius, Günter Kiesling
Schnitt: Liesgret Schmitt-Klink
Musik: Nils Sustrate
Länge: ca. 86 Minuten
Freigabe: FSK 12
Darsteller:
[center]Marie-Luise Marjan: Elvira Rykalla
Wolfgang Grönebaum: Franz Rykalla
Heinz Schacht: Opa Rykalla
Michaela Henner: Andrea Rykalla
Hans Schulze: Herr Grobeck
Doris Gallart: Frau Grobeck
Edda Dohrmann-Pastor: Frl. von Schulz
Wolff Lindner: Stettner
Rudolf Jürgen Bartsch Engelbrecht
Wilfried Szubries: Timpe
Konrad Horschik: Plötz
Alf Pankarter: Steinbrück
Jakob Gröblighoff: Villarcik
Jürgen Hilken: Schwind
C.W. Koch: Moderator
Hajo Jahn: Moderator
Hans Werner Conen: Reporter
Gisela Marx: Reporterin
Werner Sonne: Reporter Herr Kuchenbäcker
Hermann Lause: Dr. Beiersdorf
Tana Schanzara: Frau am Fenster
Egon Hoegen: Radiosprecher[/center]



Smog-Alarm im Ruhgebiet. Schmieriger Niederschlag auf der Windschutzscheibe und erste gesundheitliche Probleme innerhalb der Bevölkerung. Nicht jeder nimmt die Lage so ernst wie sie eigentlich ist. Der Bürger ignoriert, die Industrie verharmlost, aber der Ausnahmezustand ist schon da.

4 Tage Smog-Alarm im Duisburger Norden. Das Team Petersen/ Menge nahm sich eines brisanten Themas an und es gab vor der Ausstrahlung im deutschen TV bereits reichhaltig Proteste der Industrie.

Der Film stellt das Bild des Duisburger Nordens als öde und trostlos dar. Dazu kommt der unaufhaltsame Smog, der sich als Nebel in den Straßen niederlässt und für erste Opfer sorgt. Neben diesem zentralen Thema ist der Film auch in der Lage den Arbeitstrott im Ruhrgebiet zu vermitteln. Es gibt Bilder die schon ein wenig an Claude Faraldos „Themroc“ erinnern. Eine geschickte und richtige Vorgehensweise um die vereinzelnde Gleichgültigkeit des Bürgers darzustellen.

„Ich fahre Diesel, dass ist nicht so tragisch.“

Neben der sehr dokumentarischen Vorgehensweise konzentriert sich der Film auch auf die Sichtweise der Familie Rykalla. Hier werden die Situationen unterschiedlich dargestellt. Die Angst, dass „die werden das schon richten“ und der Respekt wie die Gleichgültigkeit kommen zum Tragen. Das all dieses zu einer tragischen Mischung werden kann, ist absehbar.

„Das Land beschließt und die Kommune hat die Arbeit.“

Die Thematik und das Zustandekommen von Smog, wird innerhalb des Films sehr gut definiert, so dass jeder Zuschauer dieses nachvollziehen kann und ich bin mir sicher, dass dieser Film bei seiner TV Ausstrahlung für einiges an Ängsten und Panik gesorgt haben wird.

Fazit: Deutsche Fernsehkultur der aggressiven und warnenden Art. Fies, gemein und so real wie es nur sein kann.

8/10
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buxtebrawler
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Re: Smog - Wolfgang Petersen

Beitrag von buxtebrawler »

Satiriker, Mahner und Visionär Wolfgang Menge, der den meisten Deutschen als Erschaffer von Charakteren wie „Ekel“ Alfred Tetzlaff und Motzki bekannt sein dürfte, hielt seinem Publikum auch in weit weniger lustiger Weise den Spiegel vors Gesicht, beispielsweise durch den fernsehkritischen Film „Das Millionenspiel“ aus dem Jahre 1970, für den er das Drehbuch schrieb, und durch „Smog“ aus dem Jahre 1973, den ein junger Wolfgang Petersen („Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“) verfilmte.

Das Ruhrgebiet ächzt unter der Belastung von Industrie- und Kfz-Abgasen. Die Wetterlage verhindert einen Abzug der kontaminierten Luft, wie unter einer Glocke setzt sich das giftige Gemisch überall ab. Herz- und Kreislaufgeschwächte leiden ebenso besonders wie Neugeborene, das Baby der Duisburger Familie Rykalla schwebt in Lebensgefahr. Vorsichtig rufen die Behörden zum Missmut der Industrie die Smog-Warnstufe 1 eins aus und bitten die Bürger, weitestgehend auf das Auto zu verzichten. Die Industrie wehrt sich gegen entsprechende Auflagen und auch die Bürger erkennen lange Zeit den Ernst der Lage nicht und sind nur widerwillig bereit, ihren gewohnten Komfort einzuschränken...

„Smog“ porträtiert eine Zeit, in der Umweltschutzbewusstsein ein Fremdwort in deutschen Landen war und man die Industrie weitestgehend darin gewähren ließ, Ressourcen zu verschwenden und die Umwelt nachhaltig zu verschmutzen und zu schädigen. In semi-dokumentarischem Stil betrachtet Petersen sowohl das große Ganze in Form von gestellten Interviews, Nachrichtensendungen, Diskussionsrunden etc., als auch ein konkretes Einzelschicksal anhand Familie Rykalla, die insbesondere um ihr Neugeborenes bangt. Die für die damalige Zeit so typischen Bilder trister deutscher Innenstädte wurden in grauen Nebel getaucht, durch den die Menschen zunächst unbeeindruckt zum Schichtdienst trotten. Dialoge der einfachen Bevölkerung finden gern in breitestem Ruhrpottslang statt und sind ebenfalls um Authentizität bemüht. Scheinbar lose aneinandergereiht folgt eine dialogreiche Szene auf die nächste, zwischen der recht eindeutig als solcher erkennbaren Spielfilmhandlung (Familie Rykalla besteht u.a. aus den „Lindenstraße“-Darstellern Marie-Luise Marjan und Wolfgang Grönebaum) und den pseudodokumentarischen Stilelementen wird munter geschwankt, temporeiche Momente wechseln sich mit beunruhigend ruhigen Bildern der nahenden bzw. eintretenden Katastrophe ab. Auf eine klassische Dramaturgie verzichtete man zugunsten des spröden, mitunter sperrigen Stils, Spannung im eigentlichen Sinne wird nicht forciert.

Darin liegt gewissermaßen der Knackpunkt, weshalb „Smog“ heutzutage als wertvolles Zeitdokument anerkannt ist, jedoch mit seinem zeitlichen Abstand zum Entstehungszeitpunkt nur bedingt auf der Unterhaltungsebene taugt. Sehr gut möglich, dass man Familie Rykalla und die Sorge um ihr Baby ursprünglich als durch den Film führende Identifikationsfiguren etablieren wollte, jedoch gerät dieses Einzelschicksal in der Fülle der Perspektiven und Handlungsorte zwischenzeitlich fast in Vergessenheit. Wirklich schlimm ist das indes nicht, denn es ist wesentlich interessanter zu beobachten, wie Menge und Petersen den unterschiedlichen Umgang mit dem irgendwann dann doch endlich zur Stufe 2 erklärten Smog-Alarm differenziert beschreiben, von berichtenden Journalisten, verharmlosenden und die Behörden unter Druck setzenden Industrie-Vertretern und sich nur mühsam regenden, zu weiten Teilen ohnmächtigen Behörden über zu unterschiedlichen Schlüssen kommenden Gelehrten und Wissenschaftlern bis hin zu die Lage verkennenden, ignoranten Bürgern und aufgebrachten Protestlern. Am (pessimistischen) Ende ist es ein Wechsel der Wetterlage, der die Lage entspannt – und erschreckende Bilder zeigen, dass weitergemacht wird wie bisher, trotz vieler Toter. Nicht wenige Zuschauer hielten die dokumentarischen Szenen seinerzeit für echt und wähnten sich im Smog-Alarm, riefen erschrocken beim ausstrahlenden Sender an.

Auch in der Realität übten Vertreter von Industrie und Politik Druck auf die Sendeanstalten aus und erklärten „Smog“ zu paranoider Panikmache. Doch nur wenige Jahre später wurde tatsächlich erstmals Smog-Alarm im Ruhrgebiet ausgelöst, wurde aus Menges Dystopie bittere Realität, gewannen aber auch endlich Umweltschützer und weitere kritische Stimmen mehr Gehör. Insbesondere darin, wie die Industrie Druck auf Politik und Öffentlichkeit ausübt und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand droht, wenn man sie nicht ungehindert so weitermachen lassen möchte, wie sie es bevorzugt, hat „Smog“ leider kaum an Aktualität eingebüßt; noch immer agiert die Politik viel zu häufig als Steigbügelhalter für die Großindustrie, die, wenn überhaupt, nur sekundär ein Interesse an sozialem Wohlstand verfolgt, sondern primär Gewinne privatisiert und Kosten – gerade auch durch den beschriebenen Umgang mit Ressourcen und Umwelt entstehende – sozialisiert. „Smog“ ist ein wichtiges Stück deutscher Fernseh- und Zeitgeschichte, ein aufrüttelnder, unbequemer und mutiger Fernsehfilm und eine Parabel auf das gesellschaftliche Zusammen- und Gegeneinanderspiel unterschiedlicher Interessengruppen und Stände und die Rolle der einfachen Bevölkerung währenddessen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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CamperVan.Helsing
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Re: Smog - Wolfgang Petersen

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Sid und Bux haben ja schon alles wesentliche gesagt, deshalb möchte ich eben nur mal ARD Video danken, die diesen absolut sehenswerten Film aus dem Archiv hervorgeholt haben, auch wenn er aufgrund der nicht optimalen Bildquali nur als Bonusfilm zum "Millionenspiel" veröffentlicht wurde.

Dafür eben noch ein paar informative Links:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42602599.html

http://www.zeit.de/1973/16/qualm-mir-da ... od/seite-1

http://www1.wdr.de/themen/archiv/sticht ... g3260.html
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buxtebrawler
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Re: Smog - Wolfgang Petersen

Beitrag von buxtebrawler »

Die DVD wird voraussichtlich am 21.11.2014 von Studio Hamburg noch einmal neu aufgelegt:

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Arkadin
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von Arkadin »

Holla, was war das denn? Von Wolfgang Petersen hätte ich was ganz anderes erwartet, als diesen extrem nüchternen, sehr dokumentarisch angelegten Katastrophenfilm. Okay, was heißt Katastrophenfilm. "Smog" spielt einfach recht distanziert, absolut realistisch und unaufgeregt ein Szenario durch, welches nun nicht den Weltuntergang nachzeichnet, sondern "nur" drei Tage unter der Smog-Alarmstufe 2. Es gibt Opfer, aber hier fällt jetzt keine ganze Stadt dem giftigen Nebel zum Opfer. Nur ein paar Kranke und Schwache. Inszeniert wird das so, dass man sich teilweise in einer TV-Übertragung wähnt. Gerade dieser Realismus, der Mangel an Identifikationsfiguren/Helden und die generelle Unaufgeregheit macht "Smog" so erschreckend. Und am Ende hat man dann doch den fetten Kloss im Hals und die Faust in der Tasche - ohne dass Petersen das direkt über reißerische Bidler einfordern würde. Stark!
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Blap
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von Blap »

Ewig nicht mehr gesehen, damals im Set mit "Das Millionenspiel" gekauft, tatsächlich aber nur dem Spiel ein Auge geschenkt. So wanderte die DVD in der vergangenen Nacht erstmalig in den Player. Ich war vor allem gespannt, ob ich noch ein paar Erinnerungen an das Werk hatte, denn die letzte Sichtung fand vermutlich vor über vierzig Jahren statt ...

Der Nebel des Grauens breitet sich im Bereich meines Geburtsortes (Duisburg) aus, erfasst das gesamte Ruhrgebiet. Alles sehr trist, so ungefähr sehen meine ältesten Kindheitserinnerungen aus. Mit weniger Smog, aber die Gedanken an diese Zeit sind ähnlich vernebelt.

Überwiegend dokumentarisch erzählt, mit leichtem Schwerpunkt auf einer Familie namens Rykalla. Die agierenden Gestalten muten etwas schablonenhaft an, für eine in die Tiefe gehende Zeichung war keine Zeit. Muss in diesem Fall auch nicht sein, es geht vor allem um ein Statement zu den Themen Luftverschmutzung, Lebensstil & Umweltschutz. Noch immer ein unbequemer und unangenehmer Film, an dessen Ende ein fieses und fettes Ausrufezeichen steht!

6,5/10 subjektiv, objektiv sicher ein wichtiges Stück einheimischer Fernsehgesichte.
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CamperVan.Helsing
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Blap hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 10:20
Der Nebel des Grauens breitet sich im Bereich meines Geburtsortes (Duisburg) aus,
:troest:

Ruhrort? Marxloh?? Bruckhausen???

:troest:
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Blap
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von Blap »

Meiderich! :opa:
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CamperVan.Helsing
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Blap hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 20:38Meiderich! :opa:
Das meide ich! :lol:
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Blap
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Re: Smog - Wolfgang Petersen (1973)

Beitrag von Blap »

ugo-piazza hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 21:51
Blap hat geschrieben: Di 28. Mär 2023, 20:38Meiderich! :opa:
Das meide ich! :lol:
Ich auch ... :mrgreen:
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