bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone

„Gandhi hätte sie wahrscheinlich erwürgt!“

Die letzte gemeinsame Regiearbeit des US-Trios David Zucker, Jim Abrahams und Jerry Zucker (kurz: „ZAZ“) nach „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ und „Top Secret“ datiert auf das Jahr 1986. Mit „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ nach einem Drehbuch Dale Launers emanzipierte man sich von seinen parodistischen Spoof-Komödien und versuchte sich erstmals an einer formal relativ konventionellen Komödie.

„Man kann niemandem trauen, nicht einmal der Polizei!“

Sam Stone (Danny DeVito, „Einer flog über das Kuckucksnest“), Inhaber eines Bekleidungsherstellers, ist ein skrupelloser Kapitalist, der seiner Affäre Carol (Anita Morris, „Blue City“) eröffnet, seine ihm verhasste Ehefrau Barbara (Bette Midler, „Verhext“) umbringen zu wollen, um an deren Familienvermögen zu gelangen. Noch bevor er seinen finsteren Plan durchführen kann, erfährt er jedoch, dass Barbara entführt wurde. Die Kidnapper fordern 500.000 Dollar für Barbaras Leben. Sam feiert dies insgeheim und denkt natürlich nicht im Traum daran, die geforderte Summe zu zahlen, ganz im Gegenteil: Er setzt alles daran, die Entführer zu verärgern, indem er umgehend die Journaille und die Polizei informiert, die Höhe des Lösegelds zu verhandeln versucht und sich dennoch weiterhin partout weigert, selbst wesentlich geringere Summen den Entführern zukommen zu lassen. Bei diesen handelt es sich um das Ehepaar Ken (Judge Reinhold, „Gremlins – Kleine Monster“) und Sandy (Helen Slater, „Supergirl“), zwei Menschen in Geldnot, die eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun können und sich zu diesem Schritt nur deshalb gezwungen sahen, weil Sam der aufstrebenden Modedesignerin Sandy ihre Entwürfe gestohlen und selbst zu Geld gemacht hat, während Sandy leer ausging. Nun haben sie jedoch die neurotische, bösartige Mrs. Stone am Hals, die sich als überaus wehrhaft erweist. Ken und Sandy sind zunehmend mit der Situation überfordert, während Carol ihre eigenen Pläne verfolgt und zusammen mit ihrem tumben Toyboy Earl (Bill Pullman, „Spaceballs“) ebenfalls Sam zu erpressen beginnt…

Auf den hübsch animierten Vorspann folgen Sams Mordpläne, ausführlich dargelegt von einem von Anfang bis Ende fulminant aufspielenden Danny DeVito. Die Entführer sind dilettantische, blutige Anfänger, für die man schnell Mitleid entwickelt, während die Entführte Mrs. Stone zunächst eine unsympathische Furie ist, bis sie die Situation annimmt, in ihrem Versteck ein straffes Fitness-Programm durchzieht und dadurch einige Pfunde purzeln, woraufhin sie ihre Lebensfreude zurückgewinnt – und endlich umgänglich wird. Als sie von Sams Zahlungsunwilligkeit erfährt, ist sie ganz aufgelöst und verbündet sich schließlich mit ihren Entführern. Die turbulente Handlung schlägt zahlreiche Haken und steckt voller völlig irrer Verwicklungen und Konfusionen, ein Missverständnis jagt das nächste. Die Unvorhersehbarkeit der raffiniert konstruierten Geschichte und die durch die Bank weg großartigen Leistungen des Schauspielensembles sind die größten Pluspunkte dieser ansonsten recht konventionell gestalteten Komödie, die nichts mehr mit dem Nonsens-Klamauk anderer „ZAZ“-Produktionen zu tun hat. Zwar fehlt bedauerlicherweise der anarchische Charme, der diese bisher ausgemacht hatte, und wirkt „Die unglaubliche Entführung…“ insgesamt wesentlich gefälliger, doch dafür ist die Ausrichtung des Films eine sehr sympathische, indem sie die Entführer in einer von Raffgier und Unehrlichkeit bestimmten Welt als die einzig normalen und vor allem menschlichen Wesen charakterisiert. Dass es Ken und Sandy als einzigen Ausweg aus ihrer finanziellen Misere betrachten, eine derartige Straftat zu begehen, während der eigentliche Verbrecher ein vermögendes Firmenoberhaupt ist, das den Hals nicht vollbekommt, ist zudem ein unmissverständlicher Seitenhieb auf das US-Wirtschaftssystem unter Reagan und Konsorten.

„Ruthless People“, so der stimmigere Originaltitel, ist ein bunter Spaß, der aus heutiger Perspektive zudem mit seinem ‘80er-Interieur-Schick im Überfluss begeistert. Es lohnt sich daher, diesen Film im Zuge des ‘80er-Rollbacks wiederzuentdecken, wenngleich Mick Jaggers Titelsong nicht das Gelbe vom Ei ist und generell andere Filme jener Epoche aufregendere Musik zu bieten haben. Bruce Springsteens Rock’n’Roller „Stand On It“ geht aber in jedem Falle klar und auch Nicole McClouds „Don’t You Want My Love“ hat was, ebenso Paul Youngs „Wherever I Lay My Hat (That's My Home)”. Ach, eigentlich ist die Ausbeute gar nicht so schlecht. Und welcher Heavy-Metal-Song wird eigentlich in der Kaufhausszene angespielt…?
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Der sechste Kontinent

Die große Hafenrundfahrt in den Mastdarm der Erde (SchleFaZ)

„Wir sind lange genug auf der Erde rumgekrochen. Jetzt wollen wir endlich wissen, wie sie innen aussieht!“

Während seiner frühen Karriere verfilmte der britische Regisseur Kevin Connor mit „Caprona – Das vergessene Land“, „Der sechste Kontinent“, „Caprona 2. Teil – Menschen, die die Zeit vergaß“ und „Tauchfahrt des Schreckens“ drei Romane Edgar Rice Burroughs’ und einen Jules Vernes. Diese vier in den 1970ern im Auftrag der Amicus-Genrefilmschmiede entstandenen Werke lassen sich lose zu einer Tetralogie phantastischer Abenteuerfilme mit Science-Fiction-Anleihen zusammenfassen, die in erster Linie auf ein Kreaturen- und Effektspektakel setzen und sich gern die Darsteller teilen. Zwischen den beiden „Caprona“-Verfilmungen entstand „Der sechste Kontinent“, bei dem es sich um eine Verfilmung des Auftakts der siebenteiligen „Pellucidar“-Reihe Burroughs‘ handelt, der auf das Jahr 1914 datiert und aufgrund seiner Hohlwelt-Thematik grob an Jules Vernes „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ erinnert.

„Totaler Ausfall aller Systeme! Naja, etwas deprimierend…“

Dr. Perry (Peter Cushing, „Frankensteins Fluch“) hat einen Erdkernbohrer konstruiert, der in der Lage ist, selbst festestes Bergmassiv zu durchschlagen. Im Zuge einer feierlichen öffentlichen Präsentation bohren sich Dr. Perry und sein Assistent David (Doug McClure, „Die blutigen Geier von Alaska“) vertikal ins Erdinnere, um dieses zu erforschen. Jedoch verlieren sie dabei die Kontrolle über die Maschine und landen in Pellucidar, einem bisher unbekannten Kontinent unter der Erdoberfläche, der sowohl von fremdartiger, prähistorisch anmutender Fauna als auch von humanoiden Wesen und deren versklavten Menschen besiedelt wird. Unter permanentem rosa- bis purpurfarbenen Tageslicht werden die Abenteurer von den Sagoth gefangengenommen, primitiven zweibeinigen Schweinsaffenwesen, und zu ihren Sklaven gebracht. Die Sagoth wiederum stehen unter dem telepathischen Einfluss der Mahar, riesiger Flugsaurier, die regelmäßig Menschenopfer erhalten. Unter den Arbeitssklaven lernt David die junge, attraktive Dia (Caroline Munro, „Sindbads gefährliche Abenteuer“) kennen und freundet sich mit ihr an, muss jedoch auch erfahren, dass die verschiedenen menschlichen Stämme unter Tage miteinander verfeindet sind. Während Dr. Perry die unterirdische Welt erforscht, versucht David, die Menschen zu vereinen und zum gemeinsamen Schlag gegen die Unterdrücker zu bewegen. Ob er die Erdoberfläche jemals wiedersehen wird?

„Was für ein unglaublicher Anblick!“

Ein riesiges Man-in-suit-Federvieh stampft auf unsere Helden zu, die nach ihrer Gefangennahme hilflos mitansehen müssen, wie ein nicht minder monströses Doppelnashorn Menschen frisst und anschließend mit einem Artgenossen kämpft. Was auf dem virtuellen Papier zunächst einmal nach purem Kreaturen-Horror klingt, entpuppt sich als billig gemachtes Schauwerk irgendwo zwischen den späteren Familienfilm-Godzillas und der Augsburger Puppenkiste. In den leider allzu häufig recht unbeweglichen und somit wenig furchteinflößend aussehenden Viechern stecken bemitleidenswerte Stuntmen, wenn sie nicht direkt aus Pappmaché zusammengekleistert worden sind. Die Sprache der Schweinsaffenmenschen klingt stotterig, wie digitale Übertragungsfehler, mit menschlichen Hohlerdbewohnern lässt es sich jedoch ganz bequem auf Englisch kommunizieren – weshalb auch immer. Das ewig scheinende Tageslicht, das an den Nerven der Menschen zerrt, kann als subtil eingeflochtene Allegorie auf den notwendigen Dualismus zwischen hell und dunkel verstanden werden, die häufigen Zwischenschnitte auf die blinzelnden Augen der Mahar hingegen hämmern auch dem letzten Zuschauer ein, dass eine Art hypnotischer Kontakt zu den Sagoth besteht.

„Muskeln verdunkeln den Verstand!“

Dr. Perry, vom ehrwürdigen Peter Cushing komödiantisch gespielt, macht das Beste aus der Situation und forscht, was das Zeug hält, bezieht sogar plötzlich eine Art Arbeitsplatz in einer Steintafelbibliothek und findet grundsätzlich alles faszinierend. Als das bunten Treiben vor dem Farbfernsehgerät Verfolgender muss man sich jedoch durch zahlreiche ermüdende Kämpfe gegen Kreaturen, gegen Sagoth und gegen Menschen quälen, die etwas unbeholfen und behäbig inszeniert wurden. Der Trash-Faktor wird durch unvermittelt explodierende Kreaturen in die Höhe getrieben und irgendwann brennt’s in den Studiokulissen voller Rückprojektionen ständig. David scheint der erste zu sein, der auf die Idee kommt, die verfeindeten Stämme gegen die Sagoth und Mahar zu vereinen, was u.a. einen elendig langen Kampf gegen ohrlose Monster zur Folge hat. Auf ein zähes, gerade zu Beginn schlaff inszeniertes Finale mit weiterem explodierendem Viehzeug folgt ein (Achtung, Spoiler!) pathetischer Abschied, bevor man mit wie von Geisterhand repariertem Bohrer von einer offenbar neu errichteten Startrampe in bügelfrischen Klamotten gen nettem Abschlussgag aufbricht, der schließlich aus dem Film entlässt.

„Sie können mich nicht hypnotisieren, ich bin nämlich Engländer!“ (Häh?)

„Der sechste Kontinent” ist schon eine eigenartige Erfahrung. Die versammelte Expertise vor und hinter der Kamera wird für die langatmige Inszenierung eines schwachen Drehbuchs verheizt, das just definierte und veranschaulichte Regeln dieser Fantasy-Welt im nächsten Moment direkt wieder über Bord wirft und dadurch unschlüssig und beliebig wirkt. Eben noch tödliche Fallen stellen im nächsten Moment keine wirklichen Hürden mehr dar, die Hypnose- und Telepathie-Fähigkeiten der Mahar scheinen mir nichts, dir nichts arg eingeschränkt und das ehemals so mächtige und undurchdringliche Imperium des „sechsten Kontinents“ wird von einem zugereisten Briten mit etwas Hilfe wie im Vorbeigehen plattgemacht. Dass Davids Gebaren bei den fremden Stämmen aus heutiger Sicht doch arg nach klischiertem „weißem Erlöser“ müffelt und das vermittelte Frauenbild etwas fragwürdig erscheint – geschenkt. So etwas ist nun einmal Teil altertümlicher Fantasy und Abenteuer und macht ein Stück weit deren naiven Charme aus. Dass „Star Wars“- und „James Bond“-Kamerachef Alan Hume derart trashiges Treiben enttäuschend lieblos gestalteter Kreaturen vor Rückprojektionen aus der Konserve abfilmen muss, ist jedoch ebenso ernüchternd wie es die Rollen Cushings und Munros sind, die sich immerhin wacker durch diesen Unfug spielen.

Dem Vergleich zum wesentlich besseren „Tauchfahrt des Schreckens“ hält „Der sechste Kontinent“ nicht stand, dafür ist hier doch vieles zu – im wahrsten Sinne – unterirdisch. Punkten kann er jedoch mit seinem spielfreudigen Ensemble, der einen oder anderen unfreiwilligen Komik, Carolin Munros Dress und jenem speziellen Charme eigentlich bereits damals überholten Unterhaltungskinos dieser Couleur, das sein entsprechend geeichtes Publikum dazu verführt, sich diesen Stoff auch heute noch gern einmal zu drücken…
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Black Emanuelle VI: Sklavenmarkt der weißen Mädchen

„Journalisten – ein Beruf, für den ich absolut nichts übrighabe!“

Im Jahre 1978 verabschiedete sich der Italiener Joe D’Amato als Regisseur der „Black Emanuelle“-Sexploitation-Spielfilmreihe um einem damaligen breiten Publikum exotisch erscheinende rasende, reisende und ratternde Reporterin Emanuelle (Laura Gemser). D’Amato, der die Reihe ab dem zweiten Teil von seinem Vorgänger Bitto Albertini übernommen und mit seiner Handschrift als wenig zimperlicher Genre-Regisseur versehen hatte, hatte den dritten und fünften Beitrag der Reihe mit Horrorelementen angereichert (vermeintliche Snuff-Szenen, Kannibalismus) und den vierten mit sexualisierten Gewaltexzessen bisweilen schwer genießbar gestaltet, schaltete für seinen Abschied von Emanuelle diesbezüglich aber ein paar Gänge runter.

„In vieler Hinsicht sind Frauen wie eine ansteckende Krankheit!“

Emanuelle ist mit ihrer Freundin Susan Towers (Ely Galleani, „A Lizard in a Woman's Skin“) nach Nairobi gereist, wo sie versucht, für eine Reportage an ein Interview mit dem italienischen Straftäter Georgio Rivetti (Venantino Venantini, „Neun Gäste für den Tod“) zu gelangen, der sich dorthin zurückgezogen hat und eigentlich seine Ruhe haben möchte. Wenig überraschend haben sie keinen Erfolg und fahren zum Flughafen, wo sie, als Stewardessen verkleidet, Prinz Arausani (Pierre Marfurt, „Terror in Roma“) treffen wollen, der den Kontakt zu Rivetti vermitteln soll. Dort macht Emanuelle eine seltsame Beobachtung: Ein Mann (Gabriele Tinti, „Das wilde Auge“) schiebt eine junge Frau im Rollstuhl, lässt sich an einer Theke einen Koffer aushändigen und verlässt die Szenerie ohne die Frau, die nun von einem anderen Mann geschoben wird. Arausani arrangiert ein gemeinsames Treffen mit Rivetti. Das Quartett versteht sich gut miteinander, sodass man am nächsten Tag zu einer Safari aufbricht, wo Emanuelle sogar erfolgreich ein Geschäft zwischen Arausani und Rivetti vermitteln kann. Zurück in der Stadt erspäht Emanuelle erneut den Mann vom Flughafen und die junge Frau, die nun nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen scheint. Susan ermittelt, dass es sich beim Mann um Francis Harley handelt. Emanuelle reist nach New York, um ihren befreundeten Fotografen Jim Barnes (Bryan Rostron, „Ein Haufen verwegener Hunde“) zu treffen und ihn um Informationen zu Harley zu bitten. Barnes vermittelt sie an das Fotomodell Eva Trettel, die wiederum auf Ray Hamilton verweist, welcher sie schließlich mit einen Mädchenhändlerring in Berührung bringt. Dort trifft sie Harley tatsächlich wieder und beschließt kurzerhand, sich inkognito einzuschleusen. Man vermittelt sie nach San Diego…

Eine Fahrt durch Afrika, Bilder der Savanne – bereits in seinen ersten Bildern etabliert „Sklavenmarkt der weißen Mädchen“ sein Globetrotter-Sujet, das die gesamte Reihe auszeichnet. Als Emanuelles und Susans Auto eine Panne hat und in eine Werkstatt muss, gibt sich Susan dem Automechaniker körperlich hin, Laura masturbiert dazu und der Film hat seine ersten Softsexszenen. Weiter geht’s mit gleichgeschlechtlichen Liebeleien beider Damen unter der Dusche, bevor man sich auf die Safari begibt, wo Emanuelle und Laura es mit je einem der Männer treiben und nackt durch die Natur laufen. Der zumindest zum Teil originelle Schnitt kann leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass D’Amato seinen Film bis hierhin ebenso routiniert wie langweilig heruntergekurbelt hat, fast, als habe er keine große Lust mehr auf diese fünfte Fortsetzung und die Inszenierung der immer gleichen Schauwerte verspürt.

Nachdem der Prinz wieder abgereist ist, vergnügen sich Emanuelle, Laura und Rivetti noch mit einem Dreier, woraufhin sich der Film vom afrikanischen Kontinent verabschiedet. Beim Fotografen Barnes in New York platzt Emanuelle natürlich mitten in ein Erotik-Shooting. Mit nackter Haut geizt man wahrlich nicht, wenngleich die zig Verweise von einer kurzzeitig eingeführten und schnell wieder vergessenen Figur zur nächsten etwas ermüdend wirken und die Handlung Gefahr läuft, die Aufmerksamkeit ihres Publikums zu verlieren. Sobald sich Emanuelle aber in die bizarre konspirative Mädchenversteigerung eingeschlichen hat, gewinnt der Film an Unterhaltungswert, zumal er nun seinen pseudo-sozialkritischen Topos initiiert hat. Recht hübsch eingefangen hat D’Amato eine Sexszene in einem Fotolabor bei Rotlicht. In San Diego, wo Emanuelle nun selbst als Hostess antritt, muss sie vor Bordellbetreiberin Madame Claude (Gota Gobert, „KZ 09“) und ihrem Assistenten Stefan (Nicola D'Eramo, „Blutiger Schweiß“), einem tuntigen Transsexuellen, einen Eignungstest bestehen, indem sie einen Senator verwöhnt. Diesen besteht sie derart bravourös, dass Claude sogar selbst Hand an sich Hand legt. Stefan wird bei Emanuelles Anblick gar spontan bisexuell und treibt es mit ihr. Die völlige Überzeichnung, mit der diese Figur entworfen wurde, greift jedes Transsexuellen-Klischee auf und degradiert sie zu einer Art Comic-Relief – was jedoch später immerhin relativiert wird, wenn Stefan seine Kampfkunstfähigkeiten unter Beweis stellen darf.

Emanuelles investigativer Journalismus bei Madame Claude und Konsorten führt natürlich zur erwarteten Mischung aus weiteren entsprechend visualisierten Beobachtungen sexueller Aktivitäten und gefährlichen Situationen, die sogar Todesopfer fordern. Emanuelle spielt man einmal mehr übel mit, sie wird vergewaltigt und soll lobotomiert werden. Und natürlich wäre sie nicht Emanuelle, würde sie nicht ihren Körper und ihre Sexualität auch einsetzen, um brenzligen Situationen zu entkommen und letztlich ihre dunkle Haut einmal mehr zu retten. Man kennt das zur Genüge und schaut doch trotzdem auch diesmal wieder hin, denn Laura Gemser ist nach wie vor eine Augenweide. Die Sexploitation, in die ihre Rolle hier eingebettet wird, ist jedoch mittlerweile derart abgeschmackt, dass sie kaum noch wirkliche Überraschungsmomente hervorbringt. Der Wille, nicht ausschließlich ein männliches, weißes, heteronormatives Publikum mit anregenden Szenen zu unterhalten, ist erkennbar, die Filmfigur Emanuelle wirkt jedoch einmal mehr wie hin- und hergerissen zwischen der Verkörperung weltoffener, sexuell freizügiger, selbstbestimmter und selbstbewusster junger Frauen, die die Fesseln des Patriarchats durchschaut und abgestreift haben, und einer Projektionsfläche für diskussionswürdige Altherrenfantasien. Letztere werden ausgerechnet mit der finalen Pointe bedient, in der sich Emanuelle gegenüber einer ganzen Schiffsbesatzung bereitwillig prostituiert, um nach Los Angeles mitgenommen zu werden.

Bevor es zum Vollzug der „Zahlung“ kommt, wird jedoch abgeblendet, was das Konzept dieses Films, diesmal auf allzu krude Szenen, auf Gesplatter und Gekröse ebenso zu verzichten wie auf HC-Szenen und -Inserts, noch einmal unterstreicht. Schade nur, dass D’Amato den dadurch entstandenen Raum nicht in einem Maße mit sinnlicher Erotik wie noch im wirklich gut gelungenen zweiten Teil aufzufüllen verstand. Dafür darf Tinti, Gemsers Ehemann und Dauergast der „Black Emnuelle“-Reihe, diesmal einen Antagonisten verkörpern. Der kosmopolitische Ansatz der Reihe leidet dagegen ein wenig unter D’Amatos Drehort-Recycling. Der Soundtrack liefert ein paar Easy-Listening- und Disco-Nummern, die der eigentlichen Brisanz mancher Sequenz kaum gerecht werden – wie es strenggenommen das gesamte letzte Drittel inszenatorisch kaum tut. Irritierend rasch werden Totschlag, Missbrauch von Minderjährigen, Vergewaltigung und Todesangst denkbar undramatisch abgehandelt und von der Protagonistin ad acta gelegt, als sei all dies ihr täglich Brot. Was es wiederum gewissermaßen einige Filme lang ja auch tatsächlich war.

„Black Emanuelle VI: Sklavenmarkt der weißen Mädchen“ hat seine Momente, hat schöne Frauen, die eine oder andere geglückte Erotikszene und Gemsers Charisma, wirkt unterm Strich aber wie ein etwas müder Nachklapp. Jedenfalls tat es der Reihe gut, dass D’Amato den Staffelstab an Bruno Mattei übergab, der 1982 mit „Laura – Eine Frau geht durch die Hölle“ Emanuelle kurzerhand ins Gefängnis steckte…
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Höllenhunde des Secret Service

„Denkt dran: Wer zuerst schießt, lebt länger!“

Nach seiner Sandalenfilm-Phase, aber noch bevor er sich am Italo-Western versuchte, zum gefragten Giallo- und Poliziesco-Regisseur avancierte und mit „Mondo Cannibale“ das umstrittene Subgenre des Kannibalenfilms begründete, inszenierte der Italiener Umberto Lenzi mehrere Agentenfilme, sog. Eurospy-Beiträge, die im Fahrwasser der „James Bond“-Big-Budget-Filmreihe mitschwammen und einen Teil vom Kuchen abzubekommen versuchten. Auf „Heiße Grüße vom C.I.A.“ („A 008, operazione Stermino“, 1965) folgte noch im selben Jahr „Höllenhunde des Secret Service“ („Superseven chiama Cairo“) in italienisch-französischer Koproduktion mit Roger Browne in der Hauptrolle. Und wie der „James Bond“-Reihe die Romane Ian Flemings zugrunde liegen, handelt es sich angeblich auch hierbei um eine Romanverfilmung, nämlich von „S7 calling Cairo“ des Autors H. Humbert. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass ein solcher Roman tatsächlich existiert, zumal Lenzi „Humphrey Humbert“ mehrfach als Pseudonym bei späteren Regiearbeiten verwendete.

„Sie genießen zu oft die Gesellschaft schöner Frauen!“

Der britische Geheimagent Martin Stevens (Roger Browne, „Argoman – Der phantastische Supermann“) erhält in der Londoner Zentrale den Auftrag, eine Schmalfilm-Handkamera zu beschaffen, und zwar eine ganz bestimmte: Eine skrupellose Gangsterbande hat aus einer nuklearen Forschungsstation in Liverpool ein neues Metall entwendet, das hundertmal radioaktiver als Uran ist. Dieses Baltonium, so der Name des Elements, wurde in das Objektiv der Kamera eingebaut und über die Grenzen bis nach Kairo geschmuggelt, wo es jedoch abhandenkam: Arglose Touristen haben die Kamera erworben. Hinter ihnen sind nun sowohl die Gangster um Anführer Alex (Massimo Serato, „El Cid“) als auch Stevens her, ein regelrechter Wettlauf beginnt. Stevens reist nach Kairo, wo man die attraktive Faddja (Rosalba Neri, „Arizona Colt“) auf ihn angesetzt hat. Zwar durchschaut er rasch Faddjas Spiel, doch lauern zahlreiche weitere Gefahren auf ihn. Das Baltonium darf keinesfalls wieder in falsche Hände geraten, stellt es doch eine Gefahr für den Weltfrieden dar!

„Wir bieten Ihnen ein äußerst interessantes Programm und ich bin sicher, Sie werden damit zufrieden sein.“ (Na, schauen wir mal…)

Roger Browne, der mit seinem markanten Kinn und der Pfeife im Mundwinkel ein wenig an Nick Knatterton erinnert, mimt also den Schmalfilmspur-007 „Superseven“ alias Stevens, einen machistischen Frauenheld und Dressman, der im Prolog knutschend mit der Blondine Cleopatra [sic!] im Bett liegt, als sie wegen eines vermeintlichen Termins plötzlich aufspringt. Sie zückt ihren Revolver, doch Stevens ist mit seinem umfunktionierten Kugelschreiber schneller und erschießt die Dame süffisant lächelnd. Durch diesen Einstieg ist die Genrezugehörigkeit bereits festgezurrt und jeder weiß, womit man es hier zu tun bekommt. Die Secret-Service-Kampfsportausbildung inklusive scharfem Maschinengewehr, deren Zeuge Stevens wird, mutet bereits derart unglaubwürdig übertrieben an, dass sich die Frage stellt, ob man sich gerade einen unfreiwillig komischen oder bewusst parodistisch angelegten Film ansieht. Dies bleibt bis zum Ende unklar.

„Er starb an einem Messerstich – eine im Orient weitverbreitete Krankheit…“

Rosalba Neri sorgt als Faddja direkt bei ihrem ersten Zusammentreffen mit Stevens für ein paar knisternde Akzente, auch ohne, wie so oft in ihren späteren Produktionen, blankzuziehen. Die später hinzustoßende Fabienne Dali („Die toten Augen des Dr. Dracula“), die als Denise in Konkurrenz zu Faddja tritt, verblasst gegen Neri und mogelt sich mit ungefähr eineinhalb Gesichtsausdrücken durch den Film. Neri meistert ihre Rolle auch hier mit ihrer ihr eigenen Anmut, sodass man es regelrecht bedauert, wenn ihre Rolle nach relativ kurzer Liebelei mit Stevens durch Denise „ersetzt“ wird. Umso gelungener die Überraschung, wenn sie später wieder in die Handlung eingreift. Lenzi ist bemüht, nicht nur die Damen, sondern auch Kairo ansprechend in Szene zu setzen, greift jedoch auch auf recht durchschaubar eingearbeitete Rückprojektionen bei Autofahrten sowie eingefügtes Archivmaterial zurück. Abgeschmeckt wird die Exotik mit orientalischen Tanzeinlagen in einem Vergnügungsclub.

„Ich begreife nicht, was das Ganze soll!“

Prügeleien, konspirative Treffen und Gespräche, Manipulationen und Fallen greift Lenzi als typische Genre-Ingredienzien auf, gibt Stevens als Gadgets aber lediglich erwähnten Kuli, einen Rasierapparat sowie ein, ähm, als Revolver getarntes Feuerzeug an die Hand. Als Zuspitzungen der Handlung fungieren ein fieser Mord in einer Autowerkstatt, eine Schießerei an den Pyramiden (bei der sich das Opfer reichlich dämlich verhält, indem es die Pyramiden hochklettert, um an möglichst exponierter Stelle abgeknallt zu werden), die Misshandlung und Tötung einer heroinabhängigen Handlangerin der Gangster sowie eine Elektroschockbehandlung Stevens‘. Grafisch explizit geht es dabei nicht zu, die Kamera blendet stets ab, bevor es richtig unappetitlich wird, stiehlt sich damit aber auch aus der Affäre, etwaige Spezialeffekte verwenden zu müssen.

Skurril und bizarr wird es, wenn man eine geschminkte Leiche gegenüber der Polizei als Puppe ausgibt – immerhin von vornherein als humoristische Szene angelegt –, sich die Gangster an barocker Aktmalerei aufgeilen, durch einen Fotofund ein Nazibezug hergestellt, aber nie wieder aufgegriffen wird, oder sich die Szenerie auf einen klischeehaft dargestellten Campingplatz verlagert, wo sich Stevens im strengen Anzug inmitten eines etwas zu vergnügten und sich offenbar über den gesamten Platz erstreckenden Ballspiels ins Bild schiebt. Ganz zu schweigen davon, dass es mit keiner Silbe problematisiert wird, welche gesundheitlichen Folgen ein derart radioaktives Metall bei den arglosen Besitzern, aber auch bei den Gangstern oder bei Stevens anrichten könnte. Ratlos zurück lässt auch der Umstand, dass Stevens‘ Bedrohung zweiter Grenzbeamter mit einem Revolver für die Polizei und Staatsanwaltschaft keinerlei Problem mehr darstellt, sobald sich herausstellt, dass es sich um ein getarntes Feuerzeug handelte. Man kann sogar kollektiv herzlich darüber lachen…

Beeindruckend sieht dagegen eine mit Rotfilter und Negativbildern visualisierte Szene aus, deren Sinn sich mir jedoch nicht ganz erschlossen hat. Zu London als Handlungsort gesellen sich im Laufe der Zeit Locarno und Rom hinzu, auf ein ausladendes Schurken-Hauptquartier muss man jedoch ebenso verzichten wie auf Gegner mit übermenschlichen Kräften und/oder besonderen Waffen respektive Fähigkeiten, mit denen die Originalreihe um James Bond so gern wucherte. Generell ist Alex keinerlei Konkurrenz zu manch exaltierterem Bond-Gegenspieler. Gar nicht schlecht gelungen ist das Finale auf dem Wasser, doch wirklich spannend oder aufregend ist dieser Film mit seinem viel zu reißerischen deutschen Titel nur selten. Dafür passiert ständig irgendetwas Verrücktes und scheint mir der Film zwischen unfreiwilliger Komik und einem zumindest zeitweise bewussten Augenzwinkern zu pendeln.

Zu keinem Zeitpunkt bekommt man den Eindruck, „Superseven“ Stevens wolle es wirklich mit Bond aufnehmen; stattdessen lassen Lenzi und Co. ein Abziehbild durch die Weltgeschichte gondeln und demonstrativ über all den Dingen stehen, die ebenso unwahrscheinlich sind wie die Geschehnisse bei 007, jedoch mit weit weniger Budget und Bombast aufgeblasen ihre geringe Substanz auf durchaus unterhaltsame bis amüsante Weise schneller offenbaren. Der humorige Epilog deutet eine Fortsetzung an, die mit „Die Höllenkatze des Kong-Fu“ im Jahr darauf tatsächlich folgte…
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Tatort: Unsichtbar

„Wo bist du?“ – „Beim Yoga, wieso?“

Mit dem zwölften „Tatort“ des Dresdner Ermittlungsteams um Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) hat Kommissarin Karin Gorniaks (Karin Hanczewski) „neue“ Partnerin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) mit ihrer Vorgängerin Alwara Höfels gleichgezogen – beide absolvierten nun je sechs Episoden. Mit der Verfilmung des Drehbuchs Michael Comtesses inszenierte Sebastian Marka seinen bereits zehnten Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe. Dieser wurde im pandemischen Herbst 2020 gedreht und erst am 17. Oktober des Folgejahrs erstausgestrahlt.

„Der Jugendwahn ist ausgebrochen!“

Mit nur 29 Jahren bricht Anna Schneider (Milena Tscharntke) aufgrund eines Herzstillstands zusammen und verstirbt. Der neue Rechtsmediziner Jonathan Himpe (Ron Helbig) meint, eine Vergiftung und somit jegliche äußere Einwirkung ausschließen zu können, doch die Kommissarinnen Gorniak und Winkler bitten ihren Vorgesetzten Schnabel inständig, Ermittlungen aufnehmen zu dürfen. Ihre Intuition verrät ihnen, dass da etwas nicht stimmen kann: Kurz vor ihrem Tod hatte Anna Schneider Strafanzeige gegen eine(n) anonyme(n) Nachsteller(in) erstattet, die/der sie regelmäßig terrorisierte. Zudem litt sie zuletzt unter körperlichen Schmerzen unbekannter Ursache – genau wie Gorniak in jüngster Zeit… Schneiders Ex-Freund Nils Klotsche (Christian Friedel) ist der naheliegendste Verdächtige, und er ist Angestellter eines medizinischen Labors, in dem mit Nanobots experimentiert wird. Dessen Vorgesetzter Professor Mühl (Matthias Lier) und seine Kollegin Martha Marczynski (Anna Maria Mühe) halten es jedoch für extrem unwahrscheinlich, dass diese Technologie bei Schneiders Tod eine Rolle spielte. Handelt es sich eventuell beim verheirateten Lucas Dreesen (Beat Marti) um den Stalker? Immerhin unterhielt er eine Affäre zu Schneider. Plötzlich erhält auch Gorniak bedrohliche Anrufe, außerdem werden ihr rätselhafte private Videoaufnahmen eines Partygeschehens zugespielt. Was wird hier gespielt, und was hat Gorniak damit zu tun? Der Schlüssel liegt in ihrer Vergangenheit…

„Viel Spaß beim Anschauen!“

Ein(e) irre(r) Stalker(in) vergiftet in diesem „Tatort“ also Frauen mit Nanobots, so auch Kommissarin Gorniak – dies ist an dieser Stelle sicherlich nicht zu viel verraten. Dass es Delinquent(inn)en schon mal direkt auf eine Kommissarin oder einen Kommissar abgesehen haben, ist nichts Neues, mitunter gar Ausgangspunkt für episodenübergreifende Erzählungen innerhalb der Reihe. Hier jedoch erscheint dieser Handlungsmittelpunkt leider reichlich unmotiviert und überkonstruiert, regelrecht erzwungen. Teil der horizontalen Narration ist in „Unsichtbar“, dass Gorniaks Sohn Aaron (Alessandro Schuster) zunehmend flügge und aufmüpfig wird, was sich mit der episodenspezifischen Handlung kreuzt, wenn er plötzlich für seine kranke Mutter da sein muss. Im Krankenhaus liest er zudem vor, worin Nanopartikel schon überall enthalten sind und vermittelt damit ein wenig Wissen. Zu den mehr oder weniger interessanten Erkenntnissen zählt auch, dass die Suche nach Giften bei Obduktionen eine teure Angelegenheit ist, die von Fall zu Fall gesondert genehmigt werden muss (und somit seltene, schwer nachweisbare Gifte für perfekte Morde prädestiniert – ist notiert!), und (ok, recht naheliegend) dass eine Smartwatch zwecks Erkenntnisgewinn ausgewertet wird. Aufmerken lässt auch ein als Yoga getarntes Aggressionstraining, das im weiteren Verlauf tatsächlich noch eine entscheidende Rolle spielen wird.

Ansonsten wird die Dramaturgie längere Zeit von der Suche nach Täter(in), Motiv und Methode bestimmt. Noch vorm Finale wird all dies „ermittelt“ und es bleibt die Frage, weshalb man es (auch) auf Gorniak abgesehen hat. Vom Krimi- versucht man in einen harten Psycho-Thriller-Stil zu wechseln und inszeniert einen Showdown, der mit einer mehr schlecht als recht zusammengesponnenen Hintergrundgeschichte aus Gorniaks Jugend wuchert. „Unsichtbar“ greift die insbesondere im Zuge der Covid-19-Pandemie unter Impfgegnerinnen und -gegnern verbreitete Paranoia vor der Injektion mikroskopisch kleiner Krankmacher oder Manipulatoren auf und tischt seinem Publikum eine unwahrscheinliche, absonderliche Geschichte auf, die Marka unter Zuhilfenahme von Rückblenden, Make-up-Effekten, Jumpcuts und zwischen bedrohlich und melancholisch schwankender Musik aber sehr ansprechend zu inszenieren und zu erzählen verstand.

Oder kurz: Drehbuch Flop, Regie top – ergibt eine Durchschnittsbewertung.
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Halloween Kills

„Das würd‘ ich mal Massaker nennen!“

Zum 40-jährigen Jubiläum seines subgenredefinierenden Slasher-Originals beteiligte sich John Carpenter an der Produktion eines neuen zweiten „Halloween“-Teils, der sämtliche Remakes und bisherigen Fortsetzungen ignorierte, im Herbst 2018 pünktlich zu Halloween in die Kinos fand und neben dem ersten Michael-Myers-Darsteller Nick Castle mit der Original-Scream-Queen Jamie Lee Curtis in ihrer Paraderolle als Laurie Strode aufwartete. Der schlicht „Halloween“ betitelte Film wurde ein echter Kassenknüller und schon bald war zu vernehmen, dass es sich um den Auftakt einer Trilogie handelte. Deren zweiter Teil „Halloween Kills“ (also der neue Teil 3 – es bleibt kompliziert in der Kontinuität der Reihe…) versetzte ab Oktober 2021 sein Publikum in Entsetzen respektive Verzückung. Auch dieser entstand unter der Regie David Gordon Greens, der auch wie zuvor zusammen mit Danny McBride das Drehbuch verfasste. Co-Autor Jeff Fradley wurde diesmal durch Scott Teems ersetzt.

„Das Böse stirbt heute!“

Die Handlung knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängers an und spielt in derselben Nacht: Laurie Strode (Jamie Lee Curtis), deren Tochter Karen (Judy Greer, „Into the Dark: Ein braver Junge“) und Enkelin Allyson (Andi Matichak, „Life-Snatcher“) haben Michael Myers zwar in die Falle gelockt und im Keller einen brennenden Hauses eingesperrt, doch die Feuerwehr ist schnell zur Stelle und beginnt, das Inferno zu löschen. Michael erfreut sich noch bester Gesundheit, dezimiert die Feuerwehr und mordet sich durch Haddonfield. Laurie und Co. bekommen davon zunächst nichts mit, da sie im Krankenhaus weilen, wo Lauries Verletzungen behandelt werden. Dort liegt auch Deputy Frank Hawkins (Will Patton, „Susan... verzweifelt gesucht“), der es in der ersten Horrornacht 1978 versäumte, Michael den Garaus zu machen. Als Tommy Doyle (Anthony Michael Hall, „Breakfast Club“) zusammen mit anderen Myers-Überlebenden in einer Kneipe zum Veteranentreff zusammensitzt und dort erfährt, dass Michael wieder on the loose ist, trommelt er die Bewohner(innen) Haddonfields zusammen, um Jagd auf ihn zu machen und diesmal endgültig auszuschalten…

„Er schleicht sich an, er tötet und geht nach Hause!“

„Halloween Kills“ erzählt nicht nur die 2018er-, sondern auch die 1978er-Handlung weiter, verneigt sich vor dem Original und bietet in Form von Parallelen zur ursprünglichen Reihe und einigen Referenzen eine Menge Fanservice. In Form von auf alt getrimmten Rückblenden in die ‘78er-Halloween-Nacht wird die Basisgeschichte um einige Aspekte erweitert, die eng mit der Figur Frank Hawkins verknüpft sind (in den Rückblenden gespielt von Thomas Mann, „The Highwaymen“) und sogar einem von Tom Jones Jr. gedoubelten Dr. Loomis einen Kurzauftritt bescheren. Die Quasi-Bürgerwehr, die Doyle heraufbeschwört, gab es in abgewandelter Form bereits in früheren Fortsetzungen, eine Demaskierung, ohne dass man dadurch nun signifikant mehr von Myers sehen würde, gelang bereits des Öfteren, und ein paar Gören tragen doch tatsächlich „Silver Shamrock“-Masken spazieren! Das Krankenhaus und der Umstand, dass die Handlung noch in derselben Nacht spielt, sind indes Reminiszenzen an „Halloween II – Das Grauen kehrt zurück“ aus dem Jahre 1981 – und ganz so, wie dieser seinerzeit über einen deutlich gesteigerten Härtegrad verfügte, warfen auch Green und sein Team in dieser Hinsicht einige Briketts nach.

Nicht nur Michael Myers serviert eine deftige, übertriebene Schlachtplatte inklusive manch derbem Splatter-Spezialeffekt, wenn er seine Opfer genüsslich, jedoch ohne erkennbare Gefühlsregung sadistisch mit Stichwaffen oder gleich mit bloßen Händen zu Tode quält. Dass diese Szenen ohne jede Brechung mittels schwarzem Humor oder ironischem Augenzwinkern durchexerziert werden, lässt mitunter Erinnerungen an den Terror in der zweiten Hälfte des Rob-Zombie-„Halloween“-Unterfangens wach werden und ist grimmig und unverfälscht böse, manchmal aber auch drüber, zu dick aufgetragen, zu viel des „Guten“. Daran werden sich die Geister scheiden. Dass dieser Absatz mit „Nicht nur…“ beginnt, ist dem aufgeheizten Lynchmob zu verdanken, der einen armen Teufel in den Tod hetzt. „Halloween Kills“ lässt keinen Zweifel daran, was von Bürgerwehren und ähnlichen Erscheinungen zu halten ist. Der Bodycount ist vermutlich der höchste aller „Halloween“-Filme.

Vor Ehepaaren gemischter Hautfarben (Diva Tyler, „Captive“ und Lenny Clarke, „Stronger“) oder gleichen Geschlechts (Scott MacArthur, „The Mick“ und Michael McDonald, „The Happytime Murders“) macht Michael Myers ebenso wenig Halt wie vor allen anderen, womit „Halloween Kills“ Teile einer diversen Gesellschaft auf selbstverständliche und unaufdringliche Weise abbildet. Worauf der Film hingegen verzichtet und woran es ihm zuweilen dann leider auch tatsächlich etwas mangelt, ist die eigentlich subgenreimmanente Person, die zum dezidierten starken Gegenspieler avanciert, Stichworte Scream Queen und Final Girl. Beibehalten wurde aber das Motiv der starken Frauen, die dem Grauen mehr entgegenzusetzen haben als das ach so starke Geschlecht. Dennoch bekommt Jamie Lee Curtis weit weniger zu tun als im Vorgänger. Schön, dass sowohl Greer als auch Matichak auch für diese Fortsetzung gewonnen werden konnten und das aus dem Vorgänger bekannte Damentrio komplettieren. Leider bremsen die vielen Szenen an Lauries Krankenbett den Film etwas aus. Währen des Veteranentreffens zu Beginn fühlt man sich als Zuschauer(in), der oder die die Reihe bereits seit etlichen Jahren interessiert begleitet, dieser Gruppe beinahe selbst zugehörig. Diese Sequenz dürfte also auch einen Hinweis darauf geben, dass man sich darüber im Klaren war, welch hoher Anteil des Publikums zusammen mit der Filmreihe gealtert ist.

Mehr denn je zuvor zeichnet man hier nach und nach Michael Myers als eine Allegorie auf Terror und darauf, was dieser mit den Menschen macht, indem er sie verroht, hassen, selbst gewalttätig und ungerecht werden lässt. Schön auch die eingebrachte Idee, dass Michael als Kind am Fenster stehend gar nicht auf Haddonfield geblickt hat, sondern auf sich selbst, auf seine Reflexion in der Scheibe. Als erwachsener Massenmörder bleibt er auch demaskiert der „schwarze Mann“, man bekommt nur schemenhafte Details zu sehen – mehr nicht. Myers bleibt konsequent bis zum Gänsehaut-Finale die Inkarnation des ultimativ Bösen, unaufhaltsam, unverwundbar, unerklärbar. Die Ernsthaftigkeit des Films, der nicht viel mit Teenie-Slashern nach Schema F gemein hat, wird auch von den Schauspielerinnen und Schauspielern konsequent getragen. Emotionen scheinen echt, Verzweiflung und Wut steigern sich permanent und machen den Film zu einem No-Bullshit-Horrorerlebnis.

Die skandinavische Rockband Ghost unterlegt den Abspann mit ihrer eingängigen Goth-Metal-Nummer „Hunter’s Moon“, und den genannten Kritikpunkten zum Trotz darf man sich sicherlich auf den Abschluss der Trilogie freuen. 7,5 von 10 Augäpfeln werfe ich für „Halloween Kills“ in den Kürbiseintopf.
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buxtebrawler hat geschrieben: Di 8. Nov 2011, 14:14 Bild
Halloween H20
20 Jahre sind vergangen seit den schrecklichen Ereignissen der Halloweennacht in Haddonfield 1978. Laurie Strode hat eine neue Identität angenommen und ist Leiterin eines Privat-Internats. Zu Halloween verlassen die meisten Schüler das Internat, einige wenige sowie Laurie und ihr Mann bleiben zurück. In der Nacht geschieht das, was niemand für möglich hielt. Michael Myers ist zurück und kennt nur ein Ziel: Sein blutiges Handwerk vollenden und seine Schwester töten. Ein gnadenloser Kampf gegen die Kreatur des Bösen beginnt...
Was macht man, wenn man gern auf einer plötzlich wieder angesagten Slasher-Welle mitschwimmen will, indem man eine DER Horrorikonen schlechthin reanimiert, einem beim besten Willen aber nicht einfällt, wie man an den letzten Teil der Reihe anschließen könnte? Man erklärt kurzerhand die Teile 4 bis 6 für null und nichtig und knüpft 20 Jahre nach der ersten Fortsetzung an. Das zu akzeptieren fällt mir schwer, ist doch insbesondere Teil 4 einer der stärksten der gesamten Reihe. Doch davon losgelöst – kann „Halloween H20“ als eigenständiger Film bestehen?

Nein. Zwar wurde „Scream Queen“ Jamie Lee Curtis, Michaels favorisiertes Opfer der ersten beiden „Halloween“-Filme, wieder die Hauptrolle zuteil, die auch im Post-Teenage-Alter eine wirklich gute Figur macht, doch auf Donald „Dr. Sam Loomis“ Pleasence musste man leider verzichten. Somit ist Lee Curtis als Laurie gezwungen, beide Rollen in sich zu vereinen – die des auserkorenen potentiellen Hauptopfers und des manisch wirkenden Mahners zugleich. Zugegeben, Lee Curtis macht das Beste daraus in US-Regisseur Steve Miners („Freitag der 13.“ Teil 2 und 3, „House“) „Semi-Reboot“ aus dem Jahre 1998, aber meinen Donald vermisse ich dennoch schmerzlich.

Laurie Strode, wie sie mittlerweile heißt, hat die 20 Jahre zurückliegenden Ereignisse noch immer nicht komplett verarbeitet und lebt gerade zu Halloween in ständiger Sorge um sich und ihren Sohn John (Josh Hartnett, „Faculty – Trau keinem Lehrer!“) im Teeanger-Alter. Sie ist leitende Angestellte eines Internats, das auch ihr Sohn besucht und über das Rapper LL Cool J (warum eigentlich ausgerechnet der?) als Pförtner wacht. Doch plötzlich ist Michael wieder da und wie üblich getrieben von Mordabsichten seine Familie und alle, die ihm dabei über den Weg laufen, betreffend.

Soweit wie gehabt, doch „Halloween H20“ ist weniger eine Fortsetzung als mehr eine Hommage an das gute alte Schlitzerkino. Mal mehr, mal weniger subtil wird auf Szenen und Einstellungen aus John Carpenters Klassiker angespielt, auch Raum für ein wenig Selbstironie ist vorhanden, angenehmerweise jedoch ohne in alberne komödiantische Gefilde abzuflachen. Die einzelnen Charaktere werden für einen Slasher recht ausführlich vorgestellt und ist Michael erst einmal vor Ort, macht das hohe Tempo aus „Halloween H20“ einen sehr kurzweiligen, nie langweiligen, flotten Film mit überschaubarem Bodycount und ohne übertriebenen Gewaltgrad, aber in sehr sehenswerter Optik, der mit unter 90 Minuten Nettospielzeit in keiner Weise künstlich aufgebläht wurde. Der sehr dominante, sich ausgiebig an Carpenters Originalthema bedienende Soundtrack dröhnt unentwegt aus den Boxen und verteilt einerseits „Halloween“-Atmosphäre mit dem Vorschlaghammer, erfreut aber andererseits die Ohren mit seinen Modernisierungen und Variationen.

Auf der Strecke bleibt dabei aber die besondere Spannung, die neben dem Original auch die oft harsch kritisierten Fortsetzungen zu bieten hatten. Es bleibt kaum Zeit für das nackte Entsetzen in den Gesichtern der Opfer, für die Entfaltung Michaels unmenschlicher, bedrohlicher Aura und letztlich leider auch für „magische Momente“ wie die Demaskierung in Teil 1 oder die Annäherung von Täter und Opfer in Teil 5. „Halloween H20“ wirkt auf mich weniger emotional, dafür kälter und routinierter. Damit ist der Film als Hommage für Fans ebenso gut zu gebrauchen wie für ein Spannung als langatmig empfindendes nachgewachsenes Popcorn-Publikum, unterm Strich aber leider trotz seiner handwerklichen Perfektion der am wenigsten erinnerungswürdige Teil der Reihe.
Meine gestrige Sichtung bestätigt grundsätzlich meine einst geäußerten Eindrücke, wobei mir diesmal aufgefallen ist, wie dominant die Emanzipation Johns von seiner Mutter Laurie behandelt wird. Schwingen da evtl. Parallelen zum unbedingten Willen mit, sich mit dem Film bzw. diesem neuen Zweig innerhalb der Reihe von den den Fortsetzungen 4-6 zu emanzipieren? Ferner dürfte es sich um den hellsten "Halloween"-Teil handeln, derart viel spielt er am hellichten Tag oder in schneeweiß eingerichteten Räumen bzw. ganzen Häusern; "Hell-oween" sozusagen. Einmal mehr habe ich aber auch realisiert, wie wohl ich mich innerhalb der "Halloween"-Reihe fühle - auch mit diesem Film.
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Zombies unter Kannibalen

„I could easily kill you now, but I'm determined to have your brain!“

Auf dem Höhepunkt der Zombie- und Kannibalenfilmwelle kombinierte man in Italien beide Topoi kurzerhand mit dem des Mad Scientists und ließ Marino Girolami („Die blutigen Spiele der Reichen“) einen Film inszenieren, der, 1980 veröffentlicht, häufig unterschätzt und als rein exploitative Trittbettfahrerei missverstanden wurde.

New York: Der von den Molukken stammende Turan (Turam Quibo, „Adios Sabata“) hat sich eine bescheidene Existenz in den USA aufgebaut. Mühsam hat er die Sprache erlernt und sich zum Krankenpfleger ausbilden lassen. Längst ist er aus dem Krankenhausalltag nicht mehr wegzudenken, gilt als einer der besten und beliebtesten Mitarbeiter. Er kann zurecht stolz auf sich sein. Doch jüngst hat Turan sich verändert: Immer wieder überkommt ihn wie aus dem Nichts ein unbändiger Appetit auf rohes Menschenfleisch und -innereien. In diesen Momenten bedient er sich bei den toten Körpern verstorbener Patientinnen und Patienten. Doch was ist die Ursache dieses ebenso abscheulichen wie mysteriösen Drangs? „Kito! Kito hat es befohlen!“, gibt der junge Mann zu verstehen, nachdem ihn Klinikleiter Professor Drydock (Walter Patriarca, „Flash Solo“) und dessen Assistentin Lori (Alexandra Delli Colli, „Wer spritzt denn da am Mittelmeer“) auf frischer ertappt haben. Dem bedauernswerten Turan ist die Angelegenheit derart peinlich, dass er sich aus dem Fenster stürzt. Regisseur Girolami erspart seinem Publikum die Bilder dieses grausamen Todes, indem er Turans Körper demonstrativ durch eine Schaufensterpuppe ersetzt, die beim Aufprall einen ihrer Arme verliert. Nein, ein europäisches oder westliches Publikum soll sich nicht am Todessturz eines Indigenen ergötzen können! Erst anschließend zeigt man den blutüberströmten Einwanderer auf der Straße seine letzten Atemzüge machend. Wer sich da in den Tod stürzte, war nicht mehr Turan, wie man ihn kannte; er war zu einer fremdgesteuerten Figur geworden, zu einer Art entseelter menschlicher Puppe.

Dr. Peter Chandler (Ian McCulloch, „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“), FBI-Agent der Gesundheitsbehörde, weiß von ähnlichen Fällen in anderen US-Städten zu berichten, und Lori, die nicht nur Assistentin der Klinikleitung, sondern auch studierte Anthropologin ist, weiß von einem Volk auf der Molukkeninsel Kito, das einst zu Blutopfern neigte. Chandler, dessen Kollege George (Peter O'Neal, „Il Passatore“) und Georges Lebensgefährtin, die Fotoreporterin Susan (Sherry Buchanan, „Junge Mädchen zur Liebe gezwungen“), reisen daraufhin gemeinsam mit Lori auf eine benachbarte Insel, um den US-Chirurg Dr. O’Brian (Donald O'Brien, „Silbersattel“) aufzusuchen, der vor einigen Jahren dorthin ausgewandert ist. O’Brian stellt ihnen für die Expedition nach Kito den ortskundigen Führer Molotto (Dakar, „Papaya – Die Liebesgöttin der Cannibalen“) und vier Träger zur Seite. Da O’Brian ein dunkles Geheimnis zu verbergen hat, sollte die Reisegruppe eigentlich auf eine andere Insel gelotst werden, doch durch einen Motorschaden ihres Boots landet sie letztlich doch auf Kito – mit tödlichen Folgen: Nach der ersten Nacht in einem provisorisch errichteten Zeltlager finden sie einen der Träger tot nebst dem Kito-Symbol, das bereits im Krankenhaus aufgefallen war. Und er wird nicht das einzige Opfer bleiben, denn die indigenen Bewohner Kitos sind in Kannibalismus zurückverfallen. Bald sind nur noch Molotto und die vier Amerikaner(innen) übrig, bis Susan verschleppt und George getötet und aufgegessen wird. Molotto, Dr. Chandler und Lori verdanken ihrem Überleben dem Umstand, dass eine unvermittelt auftauchende Gruppe Zombies die Wilden vertreibt – sie scheinen das einzige zu sein, wovor sie Angst haben.

Wie sich herausstellt, handelt es sich bei den Zombies um Wesen, die Dr. O’Brian in Frankensteinmanier aus Leichenteilen herstellt, um die Eingeborenen in Schach zu halten und für seine Zwecke ausnutzen zu können. Dass er hierfür ihren längst überwunden gewesenen Kannibalismus wieder heraufbeschwören, ja, das eigentlich zivilisierte Urvolk wieder zu primitiven Wilden machen musste, nimmt er billigend in Kauf. Und sein nächstes Opfer hat er bereits auserkoren: Susan hat er auf eine Liege gefesselt, skalpiert, ihre Stimmbänder durchtrennt und für eine Hirntransplantation vorgesehen. Die grafische Zurückhaltung, die Regisseur Girolami bei Turans Tod walten ließ, gilt nicht für die weiße Täterrasse und ihre Erfüllungsgehilfen: Genüsslich hält die Kamera drauf, wenn sie in bester Splatter/Gore-Manier ausgeweidet und gefressen werden. Auch die Bilder der skalpierten, um ihr Leben fürchtenden Susan sind wenig appetitlich, dafür umso beunruhigender. Die drastische Bildsprache steht stellvertretend für das Leid, das O’Brian und seinesgleichen den Urvölkern angetan haben; das bis heute vom Kolonialismus und seinen Gräueln profitierende Publikum der Ersten Welt wird nicht geschont – ebenso wenig wie die Einheimischen von O’Brian. Sein Agieren stellt auf überzeichnete, teils satirisch überspitzte Weise koloniale Ausbeutung allegorisch dar. Generell arbeiten Girolami und sein Team viel mit Symbolen, angefangen beim häufig auftauchen Kito-Zeichen, stets einen Alarmtoneffekt auf der Tonspur auslösend, über in ihrer Lautstärke besonders hervorgehobene Quietsch-, Ritsch-, Ratsch- und Schmatzgeräusche, als erklinge aus ihnen viel mehr Elend als nur das eines Einzelnen, bis hin zu von den Figuren behaupteten Vorgängen, für die es keine erschöpfenden Erläuterungen, logischen Erklärungen oder sie auf Plausibilität abklopfende Faktenchecks gibt – oder deren Konterparts; in allen Details gezeigte und somit bewiesene Abläufe, deren Sinn sich einem erst durch starke Abstraktion, vielleicht auch gar nicht, erschließt.

Dafür, dass „Zombies unter Kannibalen“ in einer unserer Realität entrückten und doch so nahen Welt spielt, finden sich in Form des Puppensturzes, aber auch einer sich einem aggressiven Pilz gleich auf die Inneneinrichtung ausdehnenden Tapete oder einer seltsam wirren Überfahrt, nach der niemand mehr zu wissen scheint, wo er oder sie sich denn nun tatsächlich befinden, schon früh Anzeichen. Ebenso für den besonderen Status Loris, der erst dem Publikum gegenüber subtil in Form von zunächst unerklärlich ausgedehnten Aus- und Umziehszenen etwas makellos Göttinnengleiches zugesprochen und die schließlich von den Eingeborenen als sie aus dem Elend führende „weiße Göttin“ – ein Martinos Kannibalenfilm um Bond-Girl Ursula Undress entlehntes Motiv – erkannt wird, nachdem sie mit Blütenmalereien auf nackter Haut als Opfergabe geschmückt wurde, um, auf dem Kito-Opferstein liegend, unerwartete physikalische Prozesse auszulösen, die eine katalysatorische Wirkung auf das Volk ausüben: Zwar glaubt es, in Lori eine Art Göttin gefunden zu haben, die ihm Kraft gibt, letztlich sind es die Indigenen jedoch selbst, die sich auf ihre ureigenen Kräfte besinnen, sich wieder ihrer selbst ermächtigen und sich endlich bereit fühlen, die Fesseln des Kolonialismus zu sprengen, die, als Symbol globalen Unheils, bis zu ihrem ehemaligen Bruder Turan in New York reichten.

Girolami und die renommierten Autoren Fabrizio De Angelis und Romano Scandariato bedienten sich an Versatzstücken aus dem Abenteuer-, Science-Fiction-, Mystery-, Experimental-, Erotik-, Kannibalen-, Zombiefilm und dem Drama, um ein leichten Fußes ins Surreale tendierendes und mit offensiven grafischen Attacken das Publikum konfrontierendes Bildnis des Kolonialismus zu erschaffen, das aufrüttelt, anklagt, erschüttert und einem das Hirn zermartert wie ein sich durch die Schädeldecke bohrender Außenbordmotor.
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Die Simpsons [Staffel 1]

„Cowabunga!“

Nachdem der US-Comiczeichner Matt Groening im Jahre 1985 die Anfrage bekommen hatte, Cartoons für die „Tracey Ullman Show“ zu entwickeln, schuf er die Simpsons, eine brachiale Karikatur durchschnittlicher US-Familien. Sie gingen als kurze Clips im April 1987 auf Sendung und verfügten über einen gewöhnungsbedürftig unbehauenen, krakeligen Strich, da die Zeichnungen von den Animatorinnen und Animatoren nicht nachbearbeitet wurden. Zwei Jahre später erwuchs daraus eine eigene Zeichentrickserie für den US-Fernsehsender Fox, beginnend mit einer am 17.12.1989 erstausgestrahlten Weihnachts-Pilotfolge. Im Januar 1990 ging die erste reguläre Episode auf Sendung, seitdem kamen hunderte von wechselnden Regisseuren inszenierte hinzu. „Die Simpsons“ gelten als die langlebigste US-Zeichentrickserie und -Hauptsendezeit-Produktion.

Nach Deutschland kam die Serie 1991, zunächst im Bezahlfernsehen, ab September im Nachmittagsprogramm des ZDF, von wo sie später zu Pro7 wechselte. Die Cartoons aus der „Tracey Ullman Show“ waren hierzulande in der ersten Hälfte der 1990er auf RTL zu sehen.

Die Simpsons-Kernfamilie lebt in Springfield und besteht aus Vater Homer, einem im Atomkraft arbeitenden Einfaltspinsel, Mutter Marge, einer verlässlichen und ihre Familie liebenden Hausfrau mit Turmfrisur, Sohn Bart, einem frechen Rowdy, der um keinen Streich verlegen ist, dessen jüngerer Schwester Lisa, einer äußerst smarten und vorbildlichen Schülerin, und dem Nesthäkchen Maggie, einem Säugling. Das Haus bewohnt man zusammen mit Hund Knecht Ruprecht und Katze Schneeball II. Homers Einfalt und Barts Flegelhaftigkeit treiben Marge häufig in den Wahnsinn und Lisa zur Verzweiflung; wirken jedoch Probleme von außen auf die Familie ein, hält man zusammen, und letztlich findet man immer wieder zueinander.

Ich erinnere mich, wie ich die Serie mit ihren gelbhäutigen Menschen gleich ins Herz schloss, als sie 1991 im ZDF lief, damals noch im Glauben, eine klassische auf ein kindliches Publikum ausgerichtete Zeichentrickserie zu sehen – und wie schnell eine regelrechte „Bartmania“ losbrach, Barts Sprüche zitiert wurden, Bart-Simpson-Merchandise die Regale füllte, die „Bravo“ Bart-Poster brachte – es war, als sei er zum Helden und Idol von Jungs und Halbstarken geworden. Die Simpsons eroberten den popkulturellen Mainstream und Bart galt als endcool. Das war mitunter etwas zu viel des Guten – und als die Serie 1994 vom ZDF zu Pro7 wechselte, verlor ich sie aus den Augen, da wir weder Kabel- noch Satellitenanschluss hatten und den Sender somit nicht empfingen. Dies änderte sich erst, als ich Jahre später meine eigene Wohnung bezog.

Die kürzlich erfolgte Sichtung der 13 ca. 22-minütige Episoden umfassenden ersten Staffel von DVD half, diese Erinnerungen hervorzuholen. Endlich konnte ich sie in der korrekten Reihenfolge gucken, wobei ich die Pilotfolge „Es weihnachtet schwer“, in der die Familie zu ihrem Hund Knecht Ruprecht kommt und die das ZDF vermutlich saisonbedingt als letzte statt als erste Episode sendete, noch gar nicht kannte. Neben dem typischen Simpsons-Humor verfügt sie passend zur Weihnachtszeit über eine unheimlich warmherzige Geschichte. Mit Episode 2, „Bart wird ein Genie“, war ich sofort wieder drin im faszinierend mitanzusehenden raschen Aufbau des serienimmanenten sozialen Mikrokosmos und fühlte mich in ihm wie zu Hause – bzw. wie der 12-jährige Junge, der seinerzeit vorm elterlichen Fernseher saß. Intelligenz ist schön und gut, aber längst nicht alles, vermittelt diese Folge, und auch Intelligenzbestien und Hochbegabte Kinder können Arschlöcher sein – ein Balsam für die Seelen vieler Heranwachsender, die aber auch als eine Art Gesellschaftssatire gelesen werden kann, was die frühen „Simpsons“ mehr zu einer modernen, frechen Familienserie denn zu einer reinen Kinder- oder Jugendserie machte.

Episode 3, „Der Versager“, gehört Homer, der hier eine dramatische Sinnkrise durchleidet, am Ende aber seinen Beruf erhält, dem er bis heute nachgeht: Er wird von Mr. Burns zum Sicherheitsinspektor in Sektor 7G des Springfielder Kernkraftwerks befördert. So sehr sich hier über mangelnde Sicherheitskompetenz in Kernkraftwerken und auch über Homer lustig gemacht wird, so sehr wird gleichzeitig familiärer Zusammenhalt beschworen – und Homer für den weiteren Serienverlauf charakterisiert, wie es in der zweiten Episode mit Bart geschah. Episode 4, „Eine ganz normale Familie“, nimmt sich die ganze Familie vor, an deren ewigen Streitereien sogar ein Familientherapeut scheitert, „Bart schlägt eine Schlacht“ führt den gefürchteten Raufbold Nelson ein, gegen den Bart antreten muss und hierfür Unterstützung zusammentrommelt, „Lisa bläst Trübsal“ greift Lisas Schwermut auf, unter dem sie dann und wann zu leiden hat, und ist zugleich eine wunderschöne Liebeserklärung an ihr Instrument: das Saxophon. Episode 7, „Vorsicht, wilder Homer“, lässt von allen bisherigen Folgen am stärksten den anarchischen Irrsinn späterer Entwicklungen durchscheinen, wenn Homer nach einem vollkommen missglückten Familienausflug ins Grüne als wilder Waldbewohner und Affenmensch und somit als Sensation von der Öffentlichkeit aufgefasst wird.

In „Bart köpft Ober-Haupt“ wird mit Jimbo ein weiterer Schulrowdy eingeführt, den Bart beeindrucken möchte, indem er der Statue des Stadtgründers Jebediah Springfield den Kopf absägt. Vordergründig Dumme-Jungen-Streiche und falsche Vorbilder bzw. „schlechten Umgang“ thematisierend, wird hier auch die öffentliche Empörung über die Schändung patriotischer Wahrzeichen und die daraus resultierende Gruppendynamik aufs Korn genommen. „Der schöne Jacques“ macht Marge schöne Augen, nachdem Homer ihren Geburtstag vergessen hat, woraus eine handfeste Ehekrise erwächst. Die Lieblosig- und Trotteligkeit manch Ehemanns wird durch den Kakao gezogen, wenngleich auf eine Weise, in der man den Ehepartnern, insbesondere Homer, die Daumen drückt, dass alles wieder in Ordnung kommt – tragikomisch und zugleich sehr herzlich. Doch direkt eine Episode später, in „Homer als Frauenheld“, strapaziert Homer die Geduld seiner Frau erneut, wenn er despektierliche Fotos von sich mit einer Bauchtänzerin provoziert, die ausgerechnet Bart angefertigt hat. Varieté, Eifersucht und die möglichen Folgen pikanter Fotos werden diskutiert. Dass es Bart in „Tauschgeschäfte und Spione“ als Austauschschüler nach Frankreich verschlägt, ist Anlass für eine köstliche Persiflage französischer Stereotype; dass Barts albanisches Pendant Adil im Springfielder Atomkraft schnüffelt, karikiert US-amerikanische Ängste vor Industriespionage. „Der Clown mit der Biedermaske“ führt nicht nur Krusty, den Clown ein, sondern auch dessen kriminellen Sidekick Tingeltangel-Bob und persifliert die Unterhaltungsbranche, bevor das Staffelfinale „Der Babysitter ist los“ zu einem waschechten Thriller avanciert.

In welchem US-Staat Springfield liegt, wird bewusst verschwiegen, denn Groening entschied sich für diesen Ortsnamen, da es ihn in gleich 35 Bundesstaaten gibt und somit prädestiniert ist, geht es um die von der Serie angestrebte exemplarische Darstellung einer US-Kleinstadt ohne genauere lokale Verortung. Was sich in dieser ersten Staffel dort ereignet, ist noch wesentlich stärker in einem sich an der Realität orientierenden Alltag verwurzelt und somit weniger absurd und auf anarchischen, offensiven Humor gepolt als in späteren Staffeln. Gesellschaftskritik wird noch subtiler eingearbeitet, auch die popkulturellen Referenzen sind noch weit weniger ausgeprägt und die Simpsons-Familie dient noch nicht als abschreckendes Beispiel, sondern ist prinzipiell funktional und vor allem überaus menschlich. Das macht diese erste Staffel besonders charmant. Funktional ist auch der Humor, denn bereits diese ersten Episoden stecken voller Situationskomik, überraschenden Wendungen, Slapstick und Action sowie vielen satirischen Anleihen und den ersten Running Gags in Form des in Episode 2 etablierten Vorspanns, der sich im Aufbau noch von späteren Versionen unterscheidet, aber bereits seine stets neuen feinen Variationen aufweist.

Weitere Details, in denen sich die erste Staffel von den folgenden unterscheidet, sind die Haarfarben von Nebenfiguren (Barney beispielsweise ist noch blond, Moe hat noch schwarzes Haar) sowie einige Besonderheiten der deutschen Synchronisation, in denen die „Tom & Jerry“-Hommage/-Persiflage „Itchy & Scratchy“ in „Itschy & Kratschy“ übersetzt wird, Tingeltangel-Bob noch Sideshow-Bob heißt und der indischstämmige Einzelhändler Apu Nahasapeemapetilon noch eine andere Stimme hat, mit der er akzentfrei spricht.

Die erste Staffel legte auf höchst unterhaltsame und kurzweilige Weise den Grundstein dieser großartigen Zeichentrickserie, die diese Gattung auf ein neues Niveau hob und die populärkulturelle Landschaft insbesondere ab den 1990ern prägte. Der Suchtfaktor ist hoch, die grenzenlose Ausschlachtung durch Merchandise und die damit einhergehende Omnipräsenz etwas fragwürdig, aber der Spaß enorm. Eine dieser Serien, um die kaum jemand herumkommt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Atlantis Inferno

„Ihm hat der Orkan das Hirn ausgeblasen!“

Zwischen dem kruden, aber überdurchschnittlichen Thriller „Der Schlitzer“ sowie seinem ihm einen zweifelhaften Ruf eingebracht habenden Meisterwerk „Cannibal Holocaust“, aber noch vor seinem durchweg gelungenen Abenteuer-Actioner „Cut and Run“ versuchte sich der italienische Regisseur Ruggero Deodato am damals kassenträchtigen, i.d.R. „Mad Max II“-inspirierten Endzeit-Action-Genre: „Atlantis Inferno“, offenbar unter merkwürdigen Umständen mithilfe philippinischer Geldgeber(in) koproduziert, wurde im Jahre 1983 veröffentlicht und ist mit Sicherheit einer der schrägsten Italo-Endzeitfilme.

„Haben wir genug Munition?“ – „Sechs Schuss – damit können wir gerade uns selbst umlegen.“

Die ferne Zukunft des Jahres 1994: Die beiden draufgängerischen Berufsagenten/Söldner Mike Ross (Christopher Connelly, „The Riffs – Die Gewalt sind wir“) und Washington (Tony King, „Asphalt-Kannibalen“), der sich nach einer religiösen Erweckung nunmehr Mohammed nennt, wollen sich nach ihrem jüngsten Auftrag, einer Entführung, mit einer Yacht in die Karibik absetzen. Die geheime Bergung eines russischen Atom-U-Boots macht ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung, denn die austretende Radioaktivität spült die versunkene Stadt Atlantis an die Oberfläche und verursacht dabei ein schweres Seebeben. Mike und Mohammed retten einige der involvierten Wissenschaftler und sehen sich den Raiders, atlantischen Motorradrockern, ausgesetzt, die mit allem kurzen Prozess machen, was ihrer Führung, den „Wächtern von Atlantis“, nicht behagt. Werden die Raiders zusammen mit den Wächtern bald den ganzen Erdball mit Terror und Krieg überziehen? Oder wird es gelingen, sie zurück ins Meer zu schlagen? Viel Zeit zu überlegen bleibt nicht…

„Ja, du Erhabener!“

Wie jetzt? Atlantis taucht wieder auf und spuckt irgendwelche bewaffneten Motorradrocker aus? Das war meine spontane Reaktion, als ich zum ersten Mal von diesem Film hörte. Tatsächlich vermengt Deodato typische Endzeitfilm-Motive mit Versatzstücken aus dem Abenteuerbereich, der Science-Fiction und der Fantasy zu einem über weite Strecken mit viel Ernsthaftigkeit inszenierten Trash-Festival. Der Synthie-Soundtrack der Angelis-Brüder, besser bekannt als Oliver Onions, hier unter „Black Inferno“ firmierend, geht gut uns Ohr und der Film beginnt direkt mit einem spektakulären Überfall – ohne Exposition gibt’s gleich auf die Zwölf. Noch besser gefällt gar die unheimliche Szene mit der springenden De-Angelis-Komposition „Santa Maria“ in Endlosschleife, weil eine baumelnde Leiche permanent gegen die Jukebox knallt – düster, atmosphärisch und böse, vielleicht eine der stärksten Szenen der Italo-Endzeit überhaupt.

„Ich hab‘ das dumpfe Gefühl, die wollen aus uns Hamburger machen!“

Die stummen Wächter, von denen manche ihre Köpfe in Goldfischgläsern stecken haben, wüten fortan. Jemand eilt zu ihnen und will reden, wird dafür kaltgemacht. Daraufhin versucht’s der Nächste gleich noch mal. Äh, ja… Spätestens ab diesem Moment wird klar, dass der Film zwar sorgfältig inszeniert, jedoch mies und lieblos geschrieben wurde. Ein Guerillakampf gegen die stummen Wächter entbrennt, der an den einen oder anderen Söldnerschinken gemahnt, bevor sie sich dann irgendwann doch, zumindest ganz grob, erklären. Auch hier ist unschwer zu erkennen, dass niemand so recht Lust zu haben schien, eine halbwegs schlüssige Hintergrundgeschichte zu konzipieren. Erst nach 50 Minuten wird der Film um ein wenig Atlantis-Mythologie ergänzt. Eine neu eingeführte Figur wie Larry (Maurizio Fardo, „Der gezähmte Widerspenstige“) wird nach nur fünf Minuten erschossen und der Film verkommt zu ziemlich ermüdender Actiongülle, hin und wieder um etwas pseudowissenschaftliches Gequatsche erweitert. Plötzlich rennen alle mit primitiven Waffen bereitwillig ins MG-Feuer, ebenso plötzlich kommt ein weibliches Medium o.ä. ins Spiel. Das Drehbuch schlägt seine unfreiwillig komischen Kapriolen und flapsige Sprüche werden auch angesichts höchster Gefahr gerissen (zumindest in der deutschen Originalsynchronisation, die sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht auf der zudem lettergeboxten KSM-DVD befindet).

Immerhin ist das Ensemble namhaft und gerngesehen (in Nebenrollen: George Hilton, „Der Killer von Wien“, Ivan Rassimov, „Black Emanuelle - 2. Teil“, Gioia Scola, „Conquest“, Michele Soavi, „Ein Zombie hing am Glockenseil“), wenn manch italophile Genrefilmgröße auch etwas verschenkt wird. Sogar Deodato höchstpersönlich gönnt sich einen kurzen Gastauftritt. Auch die Kulissen können sich sehen lassen, die mehr zu bieten haben als die übliche wüstengleiche Einöde. Die „Dschungelszenen“ sind jedoch mitunter arg dunkel – eventuell Zensurnachdunklungen der deutschen VHS-Fassung? Wie dem auch sei: Für „Atlantis Inferno“ wurde ein dünnes Drehbuch mit massig Action gestreckt – wie leider so oft. Eine spannende Handlung bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie nicht nur der logische, sondern jeglicher Menschenverstand. Der Film hat sein Publikum gefunden, mich als Actiongülle-Muffel hat er nicht abgeholt: Ob Atlantis nun die Weltherrschaft an sich reißt oder sich die überirdisch sozialisierte Menschheit wird retten können, war mir vollkommen wurst.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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