Queens of Evil - Tonino Cervi (1970)

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Moderator: jogiwan

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jogiwan
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Re: QUEENS OF EVIL - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von jogiwan »

Ich hatte meine schon am Freitag in der Post und ja, sie ist tatsächlich "Region A" - habs gerade am Player ausprobiert...

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jogiwan
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Re: QUEENS OF EVIL - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von jogiwan »

David fährt mit seinem Motorrad durch die Gegend und eckt mit seinem Aussehen und seinen Vorstellungen von Gleichberechtigung und freier Liebe im Italien Ende der Sechziger durchaus bei seiner Umgebung an. Als er eines Nachts einem gutsituierten Mann aus Patsche hilft, ist das jedoch der Beginn einer seltsamen Nacht, die auf einer Hängematte in einem Holzschuppen irgendwo inmitten eines Waldes endet. Als David am nächsten Tag von einer jungen Frau namens Liv geweckt wird und sich vom Acker machen möchte, wird er von den Schwestern Samantha und Bibiana zum Bleiben überredet und seltsame Dinge nehmen erst recht ihren Lauf…

Anfang der Siebziger entsanden ja eine Reihe von sehr seltsamen Filmen in denen der gesellschaftliche Umbruch auf unterschiedlichste Weise thematisiert wurde. Während der Sichtung von „Queens of Evil“ musste ich auch andauernd an Filme wie „Femina Ridens“ von Piero Schivazappa oder auch „Nerosubianco“ von Tinto Brass denken, die irgendwie aus derselben Kiste stammen. Auch diese Filme präsentieren sich dem Zuschauer nur auf den ersten Blick als herkömmliche Genre-Filme, die zu ihrer Zeit durchaus gesellschaftspolitische Sprengkraft besaßen. In „Queens of Evil“ trifft Tradition auf Moderne, die Vergangenheit auf die Zukunft und das Gute auf das Böse. Aber nicht so, wie man sich das vielleicht vorstellen würde, sondern eher auf eine surreale, fast schon verträumte Pop-Art-Weise, die den Zuschauer auf eine wundersame Reise mit tragischem Ende und dabei drei wunderbare Frauen und so viel Haare präsentiert. Die Ausstattung zwischen Blockhütte und Panton ist absolut herrlich, die Atmosphäre entrückt, die Story unvorhersehbar, Silvia Monti atemberaubend und zu Beginn und am Ende darf Ray Lovelock auch noch zur Gitarre und Mikrofon greifen. Mehr wird auch nicht verraten, außer der Tatsache, dass sich jeder aufgeschlossene Italo-Fan hier sehr wohl fühlen sollte.




Ray Lovelock - We love you Underground
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jogiwan
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Re: Queens of Evil - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von jogiwan »

nachdem Nellos Bilder leider gelöscht wurden...
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buxtebrawler
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Re: Queens of Evil - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von buxtebrawler »

jogiwan hat geschrieben: Mi 17. Mär 2021, 16:13 nachdem Nellos Bilder leider gelöscht wurden...
Klasse, danke!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Canisius
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Re: Queens of Evil - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von Canisius »

Hach, der ist schon unterhaltsam. Hat eine psychedelisch-trippige 70er Hippie Verträumtheit an sich. Und wenn Lovelock anfängt, zu singen (was er nicht wirklich kann), dann ist eigentlich alles vorbei. Und trotzdem feier ich das. Genau wie "Maggie" aus den eiskalten Typen.



Düdüdümmdüdümdüüdüümdümdüdüdüm :pfeif:

Habe auch noch ein paar japanische 7 inches vom trällernden Lovelock rumliegen, deren Titel mir gerade entfallen sind. Könnte ich vielleicht mal verwichteln demnächst.

Die Single aus "Tote pflastern seinen Weg" hatte ich auch mal oder habe ich noch? :hirn:

„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
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Maulwurf
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Re: Queens of Evil - Tonino Cervi (1970)

Beitrag von Maulwurf »

 
Queens of evil
Le regine
Frankreich/Italien 1970
Regie: Tonino Cervi
Guido Alberti, Evelyn Stewart, Ray Lovelock, Silvia Monti, Haydée Politoff, Gianni Santuccio


Queens of evil.jpg
Queens of evil.jpg (132.47 KiB) 159 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Maulwurf)

Ein Hauch von EASY RIDER weht durch die Kulisse, wenn Ray Lovelock als David auf einem Motorrad durch das Land fährt, wildromantische Landschaften beäugt, und dazu (von ihm selbst komponierte und eingesungene) country-eske Musik ertönt. Doch wo Peter Fonda seinem Schicksal in Form stupider Hinterwäldler begegnete, ist die Auflösung von LE REGINE schon eine ganz Ecke europäischer. Soll heißen, nicht die Gewalt ist hier der Schlüssel, sondern der Mystizismus. Das beginnt bereits damit, dass David des Nächtens einem Mann bei einer Reifenpanne an seinem Rolls-Royce hilft. Man unterhält sich ein wenig, über Haarlänge, Sex-Sklaven und Freiheit, worüber man halt so spricht während der eine den Reifen wechselt und der andere zuschaut und Zigarre raucht, und zum Dank sticht der Mann einen Nagel in den Reifen von Davids Motorrad, bevor er sich in die Nacht verabschiedet. David will ihn zur Rede stellen, doch dabei kommt es zu einem Unfall – Und der Mann ist tot.
Um nicht Ärger mit der Polizei zu bekommen fährt David durch den Wald und findet ein alleinstehendes Haus, das von drei schönen Frauen bewohnt ist: Liv, Samantha und Bibiana laden ihn zum Frühstück ein, fragen nach seinen libertären Ansichten von Freiheit und Liebe, und zeigen deutlich Interesse an seiner Gegenwart. David bleibt tatsächlich noch da, schläft zuerst mit Samantha, später dann auch mit Bibiana, und bei einem Fest in einem benachbarten Schloss schließlich auch mit Liv. Doch dazwischen gibt es Ereignisse, die David zu denken geben sollten: Bibiana stopft ein totes Eichhörnchen aus. Nach einem Festmahl ist die Küche voll mit Essensresten und Geschirr, zwei Minuten später ist die Küche so leer wie frisch aus dem Katalog. In der Nacht stehen die drei Frauen rund um ein Feuer im Wald, in welches sie ominöse Dinge werfen (wahrscheinlich Molchesaug' und Unkenzehe, Hundemaul und Hirn der Krähe). Samantha kann sich offensichtlich im Moment eines Augenzwinkerns von einem Strand zum anderen bewegen, während armes kleines David immer unter Einsatz seiner Arme schwimmen muss. Seltsame Momente, die David kraft seiner Selbstüberschätzung aber völlig gedankenfrei überstehen kann. Ein Fest, das der Schlossbesitzer in der Nachbarlichtung gibt, wird die Entscheidung bringen, ob David seinen freiheitlichen Idealen entsagen wird, oder ob er dort im Wald bleibt. Bei den Drei …?

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Denn ganz ehrlich, der hellste ist kleines dummes David nicht. Anstatt seinen Sinnen zu trauen und sich zu fragen, ob die drei Schönheiten wirklich alleine im Wald leben, Unmassen von Lebensmitteln fix und fertig in der Küche stehen haben, und sich per offensichtlicher Teleportation von einem Flecken zum andern bewegen können, anstatt sich also solche Fragen zu stellen, gehorcht David, typisch Mann, seinem Schwanz, stellt keine Fragen, und will mit allen dreien ins Bett. David zelebriert seine ganz persönliche Freiheit wie einen Schatz den nur er gefunden hat, der nur ihm gehört, und der zwar seinen Worten nach allen gehören soll, seine Worte aber durch sein Handeln schnell Lügen straft. Denn natürlich legt er keinen Wert auf Besitztümer oder auf Treue, er propagiert nachdrücklich die freie Liebe, wenngleich er auf Rückfrage diese ein wenig darauf einschränkt, dass dies ja eher für Männer gilt. Und als Samantha sich sein Motorrad „ausborgt“ zeigt er bemerkenswert wenig Sinn dafür, dass es kein Eigentum gibt und allen alles gehört. David ist, wenn es hart auf hart kommt, nicht besser als der Mann im Rolls-Royce, ja er ist auch nicht besser als alle andern auf die er von seinem Turm hinabschaut. Die drei Frauen scheinen ihm dies aufzuzeigen, doch er begreift nicht - Das würde sein Ego auch nicht zulassen. Und er begreift auch nicht, wozu dies alles geschieht. Der Zuschauer wird es im Gegensatz zu David am Ende erfahren, und aus heutiger Sicht ist dies ein böses und gemeines Ende. Achtung Spoiler!!! Denn der Teufel, der seine Hexen zusammenstaucht, dass sie ihm zu wenig Seelen bringen, woraufhin sich die Geschurigelten beschweren, dass die heutige Generation keinen Wert mehr legt auf die Dinge die immer funktioniert haben, der führt sich erst einmal auf wie jeder moderne Manager es so tut, gleich ob 1970 oder 2020. Der aus heutiger Sicht böse Nachtritt kommt dann, wenn der Teufel neue Ideen fordert, neue Methoden und Erfindungen (!) verlangt um die Seelen zu ködern, und wir heute wissen, dass er, seiner damaligen Verzweiflung zum Trotz, mittlerweile längst gewonnen hat. Dass die fast ausschließliche Beschäftigung mit den sogenannten sozialen Medien, dem Konsum und dem süchtigen Selbst dazu geführt hat, dass so komische Dinge wie Freiheit, soziale Integrität, Gleichheit oder, was ganz was Verwegenes, Liebe, dass solche Dinge heutzutage längst untergegangen sind. Viel wichtiger ist es doch, das größere Auto, den neuesten Rasenmäher und das Wochenende im Swingerclub zu zelebrieren, anstatt der Ideale denen David am Ende entsagen wird, und die doch eigentlich viel anständiger und aufrichtiger wären, auch und gerade sich selbst gegenüber. Spoiler und Auskotzen Ende.

Doch trotz dieser düsteren Gedanken ist LE REGINE ein sinnenfrohes und lebendiges Märchen. Keine dunkle Moritat, ganz im Gegenteil hat der Film sogar viel Licht, viel Spaß, und einige sehr drollige Szenen, die mit ihrer leisen Komik gut zum Gesamtbild passen. Die drei Damen sind eben keine Hänsel und Gretel-artigen Megären, die nur für Mord und Totschlag leben, sondern dem Leben und der Liebe zugewandte Schönheiten – Zumindest scheint es für David so, und auch der Zuschauer macht diese Reise durch Sonne, Wald und See aus den genannten Gründen gerne mit, obwohl ihm natürlich immer wieder Übles schwant. Eine leichte und sommerliche Atmosphäre, ein deutlich spürbarer Rest von Love & Peace, durchzieht den Großteil des Films, und die gelegentlichen Ausflüge tief ins Herz des gotischen Grusels sind dabei das Salz in der Suppe. Wenn Samantha dem Herrn der Schöpfung einen Apfel frisch vom Baum anbietet, ihn dabei anschmachtet, und wir alle wissen, dass dieser Baum hier eigentlich gar nicht stehen dürfte, dann kommt diese leichte Gänsehaut hoch, die den Fan altmodischer Gruselfilme und –literatur so reizt. Kein Sleaze, kein Gore, keine nackten Tatsachen – Trotz dreier extrem gutaussehender Frauen wird nur ein einziges Mal ein klein wenig der Schleier gelüftet, und nur Haydee Politoff zeigt sich einmal kurz nackt, ohne dabei aber zu viel zu zeigen. LE REGINE legt Wert auf andere Qualitäten. Auf eher altmodisches Zeugs wie eine gute und von Symbolen tief durchdrungene Geschichte und ansprechende Darsteller in Verbindung mit einer perfekten Musik und Settings die zum Hinknien schön sind.

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Vier Jahre später wird Ray Lovelock wieder mit einem Motorrad unterwegs sein, und im LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN wird er den Auswüchsen der Zivilisation wieder entgegentreten müssen, dieses Mal dann aber noch etwas endgültiger. Die Parallelen zwischen LE REGINE und LEICHENHAUS sind auf narrativer Ebene durchaus bemerkenswert. Beide Male der Rückzug aus der Gesellschaft und hinein in einen idealisierten und privaten Bereich, beide Male der Störfaktor, der den Versuch, die geträumten Ideale auch zu leben, vernichtet. Hier sind es drei Hexen, dort ist es die moderne Wissenschaft mit ihren Auswüchsen, die, man denke an den Schlussmonolog aus LE REGINE, aber auch direkt vom Teufel kommen könnte …
Zu erwähnen sind auch gewisse Ähnlichkeiten zu José Ramón Larraz‘ WHIRLPOOL, der im gleichen Jahr gedreht wurde wie LE REGINE. Dort leben zwei Menschen, eine Tante und ihr Neffe, zurückgezogen auf dem Land, und laden fremde Frauen zu sich ein um Spaß zu haben. Was man halt alles so unter Spaß verstehen kann. Aber die Transformation des Gastes zum Objekt der Begierde, die ist beide Male vorhanden. Hier wie da existiert keine Außenwelt mehr, die sich störend einmischen könnte, und die die gewalttätigen Auswüchse einer konsequenten Abschottung unterbrechen könnte. Larraz hat halt mehr Sex und Gewalt im Gepäck, während Cervi mehr auf Stimmung und Symbolik setzt. Das Zusammenspiel aus diesen beiden Filmen findet man dann möglicherweise in Larraz‘ 1973-Grusler VAMPYRES, in dem wieder zwei Frauen allein in einem Schloss leben auf der Suche nach dem ultimativen männlichen Abendessen, dies nur so nebenbei. Aber in diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass 1970 die Ideale der Love & Peace-Generation tatsächlich gerade untergingen und der Rückzug ins Private und vor allem in den Drogenrausch begann. Es dürfte kein Zufall sein, dass Tonino Cervi LE REGINE und José Ramón Larraz WHIRLPOOL in genau diesem Jahr drehten, quasi als filmische Begleitmusik zur gesellschaftlichen Entwicklung. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist bei den damaligen Künstlern ganz deutlich zu spüren und hat klare Spuren in ihrer Arbeit hinterlassen.

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Schlussendlich ist LE REGINE eine große Empfehlung für alle, die auf gute und reichhaltige Geschichten mit mystischen Enden stehen …

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7/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
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