Kennwort: Salamander - Peter Zinner (1981)

Action, Crime, harte Cops, Gangster & Mafia

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Maulwurf
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Kennwort: Salamander - Peter Zinner (1981)

Beitrag von Maulwurf »

 
Kennwort: Salamander
The salamander
Italien/USA/Großbritannien 1981
Regie: Peter Zinner
Franco Nero, Anthony Quinn, Martin Balsam, Sybil Danning, Christopher Lee, Cleavon Little, Paul L. Smith, John Steiner, Claudia Cardinale,
Eli Wallach, Renzo Palmer, Anita Strindberg, Marino Masé, Jacques Herlin, Fortunato Arena, John Stacy, Andrea Esterhazy, Massimo Ciprari


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Italo-Cinema.de (Prisma)

In Italien kam das Ende der sogenannten bleiernen Zeit im heißen Hochsommer 1980, als ein Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof in Bologna 85 Menschen tötete und mehr als 200 verletzt wurden. Dieser Massenmord, denn um nichts anderes handelte es sich, war der Schlusspunkt einer langen und blutigen Serie von Anschlägen, die sowohl von rechten wie auch von linken Extremisten während der 70er-Jahre verübt wurden, und denen zumindest von rechter Seite eine klare Strategie zugrunde lag: Das Volk, überdrüssig der andauernden Gewalttaten, sollte nach dem starken Mann rufen, und eine rechte Militärdiktatur hätte die Regierung übernommen. Die Pläne dazu wurden bereits Mitte der 60er-Jahre auf einem Kongress des neofaschistischen Ordine Nuovo vorgestellt, ab dem Dezember 1969 nahmen diese Pläne mit dem Attentat auf der Piazza Fontana in Mailand dann immer mehr Gestalt an. Wobei mittlerweile als gesichert gilt, dass ein gewaltsamer Putsch bereits für das Jahr 1969 geplant war, der nur an den schwachen Nerven der Beteiligten scheiterte.

Während der gesamten 70er-Jahre war dies ein Thema, das sowohl die politische Diskussion in Atem hielt, als auch die Kulturschaffenden Italiens mit Stoff versorgte. So drehte Francesco Rosi 1976 den etwas spröden und zugleich beklemmenden DIE MACHT UND IHR PREIS, und Damiano Damiani 1977 den dichten und unglaublich spannenden ICH HABE ANGST. Und der österreichisch-amerikanische Cutter Peter Zinner stellte mit KENNWORT: SALAMANDER 1981 seine einzige Regiearbeit vor, die sich mit ebendiesem Thema beschäftigte: Ein Abwehroffizier, der Kenntnis bekommt von einem Militärputsch im eigenen Land, und feststellen muss, dass das Netz, dass die Beteiligten an diesem Putsch ausgeworfen haben, sich immer enger um ihn zieht, und er auf sich allein gestellt gegen eine unsichtbare und vollkommen skrupellose Armee im Schatten kämpft. Was frappierend an Romanszenarien von Robert Ludlum erinnert, der mit seinen Verschwörungsthrillern in dieser Zeit riesige Erfolge feierte.

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Im Gegensatz zu Damianis und Rosis Arbeiten ist SALAMANDER dabei allerdings eher actionorientiert, was ja aber prinzipiell nichts Schlechtes sein muss. Anders als Lino Ventura in DIE MACHT UND IHR PREIS hat Franco Nero als Colonello Matucci hier einen festen und vor allem definierten Gegner. Wo Gian-Maria Volonté in ICH HABE ANGST nur vermuten kann wer sein Gegenspieler ist, und Ventura sich in Rosis Film einer sinisteren und unfassbar nebulösen Verschwörung gegenübersieht, wird in KENNWORT SALAMANDER das Böse klar benannt: Ein General Leporello ist hier quasi der Superschurke, und das Ausmerzen dieses Schurken und seiner nächsten Helfershelfer sorgt bereits für die Vernichtung der Gefahr.

Diese Sicht der Dinge ist zugegebenermaßen etwas simpel, weswegen die erwähnte Action hier umso breiter zum Einsatz kommt. Doch trotz viel vordergründiger Gewalt, Verfolgungsjagden und Auseinandersetzungen kann doch der Boden bereitet werden für eine ausgesprochen düstere und oft geradezu erstickende Atmosphäre. Das Thema, die Gefahr eines rechtsgerichteten Militärputsches in einem als demokratisch gesichert geltendem europäischen Land, dieses Thema ist an sich bereits so ungeheuerlich und angsteinflößend, dass auch das oberflächliche und vorwiegend an Schauwerten interessierte Drehbuch da nicht mehr viel kaputt machen kann.

ICH HABE ANGST ist in dem erwähnten Paranoia-Dreigestirn sicher der stärkste Film, doch heißt das noch lange nicht, dass KENNWORT: SALAMANDER schlecht ist. Er ist halt einfach anders. Matucci ist der edle und aufrechte Streiter wider den Faschismus, der James Bond der italienischen Abwehr, und er bekommt einen ebenso edlen und aufrechten Mitkämpfer an die Seite gestellt, ohne den er nach 40 Minuten spätestens den Löffel abgegeben hätte. Der Großindustrielle Manzini, im Krieg Anführer einer kommunistischen Widerstandsgruppe, hat den Kampf gegen den Faschismus nie wirklich aufgegeben, und stellt Matucci nun Macht und Geld zur Verfügung, um diesen Kampf weiterzuführen.

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Wie gesagt, eine durchaus simple Sicht der Dinge. Genauso simpel wie der etwas einfältige Showdown, oder die an den Haaren herbeigezogene Liebesgeschichte zwischen dem hohen Offizier der Abwehr Matucci und der polnischen Geheimagentin Lisa Anders. Doch trotz dieser Hausmannskost, und um nichts anderes handelt es sich hier, wenngleich ich niemanden kenne der Spaghetti oder Frikadellen nicht mag, trotz dieser Hausmannskost also tummeln sich im fertigen Film ein paar Dinge, die zu dieser Oberflächlichkeit nur bedingt passen wollen, wie etwa der Tod des polnischen Konsuls, der dem Tod des Anarchisten Giuseppe Pinelli im Dezember 1969 nach vier Tagen Polizeiverhör auffällig nachempfunden wurde.

Auf der anderen Seite dann natürlich diese oft frappierende Naivität Matuccis, der seinen besten Freund nicht schützen kann, der einen wichtigen Zeugen in den Tod schickt, und der sich selbst bei einem Treffen mit der Ehefrau des Superschurken verhält wie jemand, der in seinem Leben noch nie einen Agentenfilm gesehen hat. Der sich kaum einmal absichert und seinen Rücken deckt, dafür aber mit einer Geradlinigkeit erfolgreich ermittelt, dass man sich heute ernsthaft fragt, wie denn die im ersten Absatz erwähnte Strategia del Strage jemals reifen konnte, wenn die italienischen Abwehrbeamten so tüchtig sind. Der billige Hollywood-Schluss passt zu diesen Momenten genauso wie die uniforme Figurenzeichnung, die in Gut und Böse unterscheidet, ohne dabei in Grauzonen abzudriften.

Aber trotz dieser Schwächen unterhält der Film. Er unterhält aus filmischer Sicht, gerade weil er so einfach gestrickt ist. Weil er voller gut inszenierter Action ist, jede Menge Spaß macht und voller überzeugender und dunkler Atmosphäre ist. Und er unterhält aus historischer Sicht, weil er nach dem Ende der Anni di Piombi eine einfache Sicht auf zehn sehr komplexe und anstrengende Jahre bot, und dem italienischen Kinogänger eine schlichte Lösung der Dinge an die Hand gab, mit der dieser gut leben konnte: Franco Nero rettet die Welt, und wir können alle wieder gut schlafen. Ach wär das schön, wenn die Welt wirklich so einfach gestrickt wäre …

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