Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

Moderator: jogiwan

purgatorio
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque

Beitrag von purgatorio »

buxtebrawler hat geschrieben:
jogiwan hat geschrieben:läuft heute im Hessen 3 - zeichnet zufällig jemand auf? :?
Danke für den Tipp, den zeichne ich per onlinetvrecorder.com auf!
kannst du den Downloadlink dann teilen oder muss sich da jeder selbst anmelden :?
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buxtebrawler
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque

Beitrag von buxtebrawler »

purgatorio hat geschrieben:kannst du den Downloadlink dann teilen oder muss sich da jeder selbst anmelden :?
Letzteres.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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purgatorio
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque

Beitrag von purgatorio »

EIN ENGEL FÜR DEN TEUFEL (UN ANGELO PER SATANA, Italien 1966, Regie: Camillo Mastrocinque)

EIN ENGEL FÜR DEN TEUFEL ist eher klassischer Gothic-Horror mit einer angenehm erotischen Komponente (Barbara Steele ;) ). Eine wenig verworrene, aber zurückhaltend vorgetragene Story um Frauen- und Männerrollen, alte und neue Intrigen sowie dörflichen Aberglauben, Machverhältnisse von Adel zu Bauer und ein wenig Mystik formen eine runde Geschichte, die gut gespielt und hervorragend inszeniert ist. Für Freunde seichter Gruselunterhaltung durchaus sehenswert. 6/10


Danke Bux für den Tipp mit dem onlinetvrecorder. Ist zwar ganz schöner Sackgang mit Spiegelsuche und Dekodierung, funzt aber prima! Da kann man sich bequem die ein oder andere Italo-Perle aus dem Nachtprogramm der Dritten (weil werbefrei) besorgen 8-)
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buxtebrawler
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Beitrag von buxtebrawler »

„Ich bin ein großer Freund von Legenden, aber ich glaube nicht an Flüche!“

Das vorletzte Werk im Leben des italienischen Regisseurs Camillo Mastrocinque („Vorbestraft!“) wurde das noch komplett in Schwarzweiß gedrehte Gothic-Gruseldrama „Ein Engel für den Teufel“ aus dem Jahre 1966, das die Hauptrollen mit Barbara Steele („Die Stunde, wenn Dracula kommt“) und Anthony Steffen („Die blutigen Spiele der Reichen“) besetzen konnte.

Italien, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Restaurator Roberto Merigi (Anthony Steffen) wird in ein Dorf gerufen, um eine Statue zu restaurieren, die man kurz zuvor aus dem See gefischt hat. Die Statue zeigt eine Vorfahrin der Montebrunos, die noch immer die Villa in der Nähe des Sees bewohnen. Um die Statue rankt sich eine ebenso gruselige wie tragische Geschichte: Die Cousine der abgebildeten Montebruno war seinerzeit in den Bildhauer verliebt, welcher sie jedoch abwies. Voller Wut und Trauer verfluchte sie die örtlichen Männer und stürzte die Statue in den See, wobei sie unabsichtlich selbst den nassen Tod fand. Aus diesem Grund betrachten die abergläubischen Dorfbewohner den Fund mit Argwohn und Angst. Kurz nach seiner Ankunft lernt Merigi die Montebruno-Nachfahrin und -Erbin Harriet (Barbara Steele) kennen, die gerade aus England eingetroffen ist und der Statue zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, denn er verliebt sich in sie – während eine unheimliche Mordserie über das Dorf hereinbricht und Harriet eine gespaltene Persönlichkeit zu entwickeln scheint. Sie treibt einen Mann nach dem anderen in den Wahnsinn, indem sie auf dominante Weise Spielchen mit ihnen treibt und sich zeitweise selbst Belinda nennt. Steht sie unter dem Eindruck von Belindas Geist? Wurde der Fluch grausame Realität?

In bemüht klassischem Schwarzweiß-Gothic-Look entfaltet Mastrocinque die Handlung erzählerisch etwas dröge und unnötig sperrig, lässt Barbara Steele jedoch als manipulatives Weibsbild brillieren. Ihre (angedeuteten) sexuellen Handlungen sprengen dabei manch moralischen Rahmen und überschreiten bisweilen gar die Grenze zum Sadomasochismus – als habe Mastrocinque den Genre-Rahmen gewählt, um mehr oder weniger versteckt sexuelle Grenzen auszuloten und Geschlechterklischees zu torpedieren, so kurz, bevor die sexuelle Revolution ihren Weg auch in die Lichtspielhäuser fand. Dieses interessante Spiel mit den Befindlichkeiten des Publikums ist gleichzeitig die Krux des Films, denn angesichts dessen, was nur kurze Zeit später in den schönsten Farben möglich wurde und vom Zelluloid flimmerte, wirkt „Ein Engel für den Teufel“ doch reichlich altbacken und wie ein Relikt aus vergangener Zeit.

Das ist es natürlich auch und sollte gerade bei in vergangenen Jahrhunderten angesiedeltem Gothic-Grusel kein Problem darstellen, doch verlässt sich Mastrocinque indes sehr auf die Steele, ihre ausdrucksreiche Erscheinung und auf verschämte Weise auf ihren Erotik-Faktor, so dass kaum Raum für andere Stilelemente bleibt. Billige Effekthascherei mit einem künstlich wirkenden Gewitter, das mit verdammt hoher Blitzfrequenz immer wieder aufzieht, aber niemanden zu beeindrucken scheint, jedenfalls bewirkt eher das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses. Anthony Steffen einmal als Schönling, dem die Damenwelt scheinbar zu Füßen liegt, zu erleben, ist hingegen eine willkommene Abwechslung.

Die betont langsame Erzählweise mit ihrem Rätselraten um den tatsächlichen Zustand Harriets und die Identität des Mörders steht im Kontrast zur hohen Geschwindigkeit, mit der das Rätsel am Ende gelöst wird, was dem Film dramaturgisch nicht sonderlich gut tut und ihn zudem ein gutes Stück weit vom Gothic-Grusel abrücken und in Richtung Giallo tendieren lässt. Rechne ich Stärken und Schwächen des Films gegeneinander auf, komme ich auf glatten Durchschnitt und glaube, dass „Ein Engel für den Teufel“ ein durchaus ambitionierter Film war, an dem der Zahn der Zeit kräftig genagt hat. Barbara-Steele-Fans allerdings dürfte Mastrocinques Film große Freude bereiten!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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CamperVan.Helsing
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: denn er verliebt sich ihn sie –
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Allesglotzer
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Beitrag von Allesglotzer »

Der Film wird übrigens am 27.10.2021 von Severin Films in den USA auf Blu Ray veröffentlicht. Wird ein Pflichtkauf für mich, da ich von den Koch-Bavas die Einzel-VÖs bereits hatte, als die Box mit diesem als Bonusfilm angekündigt wurde.
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Salvatore Baccaro
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

...womit ich heute Abend dann wohl die letzte eklatante Lücke geschlossen habe, die für mich noch im italienischen Gothic Horror der 60er Jahre klaffte: Die Inszenierung von Veteran Mastrocinque mag etwas behäbig sein, und sich der Film ein wenig zu sehr auf seiner Atmosphäre ausruhen, aber, puh, gerade diese Atmosphäre könnte man in einem Lexikonartikel abdrucken, um den Terminus "Gothic" zu definieren: Ein Familienfluch, der auf einer Frauenstatue lastet; nebelverhangene Seeufer; wallende Vorhänge; vermeintlich plaudernde Gemälde; sexuelle Begierden, die sich mehr oder minder explizit Bahn brechen usw.

UN ANGELO PER SATANA zählt zu jenen italienischen Gothic-Stücken der Phase zwischen 1960 und 1966, die sich besonders anschlussfähig erweisen an die literarische Schauerromantik um 1800: Das Thema einer unheilbringenden Statue haben schon Romantiker wie Joseph Eichendorff oder Prosper Mérimée entzückend verarbeitet; die letztlich rationale Erklärung des ganzen Teufelsspuks erinnert an die große Ann Radcliffe, die es ihrerseits in ihren genrekonstituierenden Romanen wie "The Mysteries of Udolpho" oder "The Italian" (sic!) liebt, erst Szenarien aufzubauschen, die die Möglichkeit übernatürlicher Intervention nicht ausschließen, um uns sodann knallhart (und dramaturgisch oftmals holprig) auf den Realitätsboden zurückzuzerren; der gesamte Kernplot wiederum ist - wie schon andere Menschen vor mir festgestellt haben - unübersehbar von einem der wenigen Gothic-Romane abgeschaut, den das primär veristisch geprägte Italien des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat, nämlich Antonio Fogazzaros "Malombra" von 1881, der zuvor bereits (mindestens) zweimal mit mehr oder weniger großem Erfolg verfilmt worden ist, (am schönsten wahrscheinlich 1941 von Mario Soldati, wobei - kleine Seitenanekdote - dieser Adaption gar der Bukarester Zweig des Surrealismus eine enthusiastische Besprechung widmete).

Zumindest für meine Sinnen jedenfalls ist UN ANGELO PER SATANA höchster Genuss gewesen - eher ein gemächlich erzähltes Drama statt ein markerschütternder Horrroschocker -, und mehr noch als Barbara Steele in einer ihrer freizügigsten Rollen haben mich einige Details der Mise en Scene verzaubert: Diese wunderhübschen Bildkompositionen, wenn beispielsweise ein Priester den See einsegnet, in dem zuvor zwei Bootsmänner ertrunken sind, oder der erste Anblick der Statue, noch halb von Morast verklebt, wie ein Neugeborenes; die Rückblende, in der uns (vermeintlich) die Stimme eines Geistes von der Legende erzählt, die sich um besagte Statue rankt, und die größtenteils über Objekte, Räume, Stillleben veranschaulicht wird, sodass ich fast geneigt bin, mich an Avantgarde-Experimente von Resnais und Robbe-Grillet erinnert zu fühlen; diese allgemeine melancholisch-trübsinnige Stimmung, von der der Film durchzogen ist, und die gerade in jenen Etappen, in denen handlungstechnisch kaum etwas passiert, eine nahezu sedierende Wirkung für mich entfalten, (und der man, wenn ich mich recht entsinne, auch in Mastrocinques früherem Gothic-Grusler, der freien Le-Fanu-Adaption LA CRIPTA E L'INCUBO begegnen kann).

Im Jahre 1966 ist es allerdings erst einmal vorbei mit Italian Gothic: Die Filme sind im Inland sowieso nie allzu gut angekommen - weswegen das Korpus der ersten Welle gerade mal etwa 30 Titel umfasst, während zum Beispiel die Filme seit den späten 50ern, die Muskelprotze in Sandalen präsentieren, mehrere Hundert umfassen -, und Mitte der 60er werden die Hexen, Teufel, Gespenster endgültig von James-Bond-Lookalikes oder wortkargen Revolverhelden verdrängt. UN ANGELO PER SATANA steht damit am Ende eines Zyklus, der 1960 mit dem US-Erfolg von Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO begonnen hat, und fackelt dementsprechend noch einmal das komplette Gothic-Repertoire ab - inklusive einer Auflösung, die uns versichert, dass noch jedes noch so dämonisch anmutende Mysterium am Ende auf einer banalen Grundlage fußt. Im selben Jahr 1966 erscheint jedoch mit OPERAZIONE PAURA, ebenfalls von Bava, so etwas wie die Antithese zu UN ANGELO PER SATANA, denn mit Rationalität kommt man hier kein Stück von der Stelle: Während Mastrocinque das Genre sozusagen konservativ auf seinen Ursprung zurückführt, und so etwas liefert wie eine moderne Radcliffe-Variation, transzendiert Bavas Film es hinein in einen psychedelischen Farbrausch, in dem narrative Logik und räumliche Kohärenz vollumfänglich ad acta gelegt sind - und verweist damit voraus auf die Ikonoklasmen, die die 70er Jahre mit dem Gothic zugeneigte Regisseuren wie Polselli, Questi oder Argento bereithalten werden. Von daher ist es gar kein Wunder, dass UN ANGELO PER SATANA für heutige Augen etwas altbacken wirkt - was ihn aber, finde ich, umso liebenswerter macht: Der Nebel umhüllt den See, ein Gewitter zieht von einer Sekunde zur nächsten auf, und wir spielen mit dem Bart des Großvaters, der uns all das als gänsehautinduzierende Gutenachtgeschichte zum Besten gibt...
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Salvatore Baccaro
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Re: Ein Engel für den Teufel - Camillo Mastrocinque (1966)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

P.S.: Hat denn jemand von euch noch die auch hier im Forum rege diskutierte TV-Fassung als digitalisierten Mitschnitt verfügbar, und könnte mir diese zukommen lassen? Gerne Nachricht per PM oder über die anderweitigen Kanäle... :ugeek:
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