bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Tatort: Das Team
„Ich weiß, dass Sie das nicht toll finden werden…“
Das neue Jahr begann mit einem weiteren „Tatort“-Experiment: „Das Team“ lässt sich grob als 15. Fall des Dortmunder Ermittlungs-Duos Martina Bönisch und Peter Faber einordnen, ist aber zugleich eine Art Crossover mit dem Münsteraner Team. Der von Jan Georg Schütte („Wellness für Paare“) inszenierten Episode lag kein Drehbuch zugrunde, den Schauspielerinnen und Schauspielern lag lediglich ein Rollenprofil vor – alles andere wurde improvisiert. Das gab es unter Regie Axel Ranischs mit den Odenthalern „Babbeldasch“ und „Waldlust“ schon mal, war aber ziemlich in die Hose gegangen. Nicht so diesmal.
„Die wollen uns doch verarschen!“
Bereits vier hochrangige nordrhein-westfälische Kriminalbeamte wurden grausam ermordet, mit dem Münsteraner Thiel ein weiterer angeschossen. Ministerpräsident Armin Laschet (persönlich, „Landtag Nordrhein-Westfalen“) und der Polizeipräsident versammeln die unterschiedlichsten Ermittlerinnen und Ermittler, alle selbst potentielle weitere Opfer, in einem leerstehenden Hotel und lassen sie unter Leitung der Coaches Christoph und Martin Scholz (Charly Hübner, Rostocker „Polizeiruf 110“ und Bjarne Mädel, „Der Tatortreiniger“) an einem Workshop zwecks Teambildung teilnehmen. Die Dortmunder Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) sollen also mit Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) aus Münster, dem aufgrund eines psychischen Traumas beurlaubten Oberhausener Kommissar Rettenbach (Ben Becker, „Spiel um dein Leben“), dem Aachener Kommissar Mitschowski (Nicholas Ofczarek, „Falco - Verdammt, wir leben noch!“), dem Paderborner Kommissar Ziesing (Friedrich Mücke, „Am Abend aller Tage“) sowie der Düsseldorfer Kommissarin Möller (Elena Uhlig, „Swimming Pool - Der Tod feiert mit.“), Witwe eines der Opfer, zusammenarbeiten. Oder ist das lediglich ein Vorwand und der oder die Täter(in) befindet sich längst unter ihnen, ist also jemand aus den eigenen Reihen…?
An zwei Drehtagen wurde das illustre Ensemble von 36 Kameras beobachtet, damit ja nichts entgeht. Das Material landete schließlich beim Schnitt, dem es nun oblag, einen möglichst stringenten, nachvollziehbaren 90-Minütiger daraus zu puzzeln. Die beiden Dortmunder sowie die Krusenstern sind echte „Tatort“-Figuren, alle anderen wurden für diese Episode erdacht. Etwas unglücklich erscheint es dabei, erneut auf Ben Becker zurückzugreifen, der erst kürzlich an der Seite Lena Odenthals eine andere „Tatort“-Figur verkörperte. Andererseits wäre es ein wirklicher Verlust gewesen, auf Becker zu verzichten, stechen doch er und Ofczarek, der einen arroganten, eiskalten Zyniker verkörpert, durch wahrlich grandiose schauspielerische Leistungen besonders hervor. Eine echte Gruppendynamik entwickelt sich jedoch nur schwerlich.
Stattdessen ist die Stimmung von vornherein untereinander schlecht. Irgendwie kennt man sich, kann sich nicht sonderlich gut riechen und kannte auch die Opfer. Zumindest eines dieser – Möllers Ehemann – war offenbar ein unsympathischer Macho, der nichts hat anbrennen lassen. Dies ergibt sich aus den schleppend verlaufenden Gesprächen, während der Sinn der nach Küchenpsychologie, bedeutungsschwangerem Geschwurbel und Willkür müffelnden Maßnahmen und Übungen weitestgehend auf der Strecke bleibt. Unklar bleibt zudem, ob diese lediglich dem Zeitvertreib dienen und man eigentlich in erster Linie auf Eskalation durch Isolation setzt oder ob sie tatsächlich zu bestimmten Erkenntnissen verhelfen.
Die erste Hälfte zieht sich spätestens ab dem Moment, an dem auch die Ermittlerinnen und Ermittler hoffnungslos auf der Stelle zu treten scheinen und ihre häufig geflüsterten Dialogfragmente zu nerven beginnen. Als besonderen Überraschungscoup lässt man plötzlich, unerwartet und leider auch unspektakulär offscreen eine beliebte Figur aus dem „Tatort“-Universum sterben, was entsetzt, aber auch neue Dynamik in die Angelegenheit bringt. Gegenseitige persönliche Beleidigungen und generell gereiztes, unumgängliches bis soziopathisch anmutendes Verhalten nehmen zwar nicht unbedingt ab, werden aber spannender, zielorientierter und führen schließlich zur Enttarnung des Täters, der einen in seiner Theatralik unfreiwillig komischen und für Improvisationskino unfassbar unpassenden Abgang bekommt.
Regisseur und Impro-Experte Schütte, der hier auch den SEK-Leiter spielt, hat vieles richtig gemacht und gezeigt, worin der Reiz eines solchen Konzepts besteht: in einem Ensemble, dem bei der Orientierung, Entwicklung und Ausgestaltung seiner Figuren zuzusehen Spaß macht. Dass dabei kaum eine wirkliche Ermittlungsarbeit zu einer Mordserie zustande kommt, liegt jedoch auch gewissermaßen in der Natur der Sache. Auf eine CDU-Pfeife wie Laschet kann zudem sicherlich nicht nur ich prima verzichten und der Tod eines langjährigen „Tatort“-Teammitglieds schockiert vor allem aufgrund seiner Unmotiviertheit – zumal es noch einen Auftritt in einem bereits abgedrehten „Tatort“ haben wird, man die Chronologie also durcheinanderbrachte, nur um diesen 2019 gedrehten Fall am Neujahrsabends 2020 ausstrahlen zu können.
Bleibt als Fazit, dass dieser „Tatort“ einem großen Teil seines Publikums kräftig vor den Kopf stößt, dass Improvisation faszinieren kann, aber nicht ohne Weiteres für einen TV-Krimi geeignet ist, und dass Becker und Ofczarek „Das Team“ doch zu etwas so Besonderem machen, dass ich mit von den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel noch etwas verschallerter Runkelrübe 6,5 von 10 Psychospielchen für dieses allen Schwächen und Problemen zum Trotz sehenswerte Experiment vergebe.
„Ich weiß, dass Sie das nicht toll finden werden…“
Das neue Jahr begann mit einem weiteren „Tatort“-Experiment: „Das Team“ lässt sich grob als 15. Fall des Dortmunder Ermittlungs-Duos Martina Bönisch und Peter Faber einordnen, ist aber zugleich eine Art Crossover mit dem Münsteraner Team. Der von Jan Georg Schütte („Wellness für Paare“) inszenierten Episode lag kein Drehbuch zugrunde, den Schauspielerinnen und Schauspielern lag lediglich ein Rollenprofil vor – alles andere wurde improvisiert. Das gab es unter Regie Axel Ranischs mit den Odenthalern „Babbeldasch“ und „Waldlust“ schon mal, war aber ziemlich in die Hose gegangen. Nicht so diesmal.
„Die wollen uns doch verarschen!“
Bereits vier hochrangige nordrhein-westfälische Kriminalbeamte wurden grausam ermordet, mit dem Münsteraner Thiel ein weiterer angeschossen. Ministerpräsident Armin Laschet (persönlich, „Landtag Nordrhein-Westfalen“) und der Polizeipräsident versammeln die unterschiedlichsten Ermittlerinnen und Ermittler, alle selbst potentielle weitere Opfer, in einem leerstehenden Hotel und lassen sie unter Leitung der Coaches Christoph und Martin Scholz (Charly Hübner, Rostocker „Polizeiruf 110“ und Bjarne Mädel, „Der Tatortreiniger“) an einem Workshop zwecks Teambildung teilnehmen. Die Dortmunder Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) sollen also mit Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) aus Münster, dem aufgrund eines psychischen Traumas beurlaubten Oberhausener Kommissar Rettenbach (Ben Becker, „Spiel um dein Leben“), dem Aachener Kommissar Mitschowski (Nicholas Ofczarek, „Falco - Verdammt, wir leben noch!“), dem Paderborner Kommissar Ziesing (Friedrich Mücke, „Am Abend aller Tage“) sowie der Düsseldorfer Kommissarin Möller (Elena Uhlig, „Swimming Pool - Der Tod feiert mit.“), Witwe eines der Opfer, zusammenarbeiten. Oder ist das lediglich ein Vorwand und der oder die Täter(in) befindet sich längst unter ihnen, ist also jemand aus den eigenen Reihen…?
An zwei Drehtagen wurde das illustre Ensemble von 36 Kameras beobachtet, damit ja nichts entgeht. Das Material landete schließlich beim Schnitt, dem es nun oblag, einen möglichst stringenten, nachvollziehbaren 90-Minütiger daraus zu puzzeln. Die beiden Dortmunder sowie die Krusenstern sind echte „Tatort“-Figuren, alle anderen wurden für diese Episode erdacht. Etwas unglücklich erscheint es dabei, erneut auf Ben Becker zurückzugreifen, der erst kürzlich an der Seite Lena Odenthals eine andere „Tatort“-Figur verkörperte. Andererseits wäre es ein wirklicher Verlust gewesen, auf Becker zu verzichten, stechen doch er und Ofczarek, der einen arroganten, eiskalten Zyniker verkörpert, durch wahrlich grandiose schauspielerische Leistungen besonders hervor. Eine echte Gruppendynamik entwickelt sich jedoch nur schwerlich.
Stattdessen ist die Stimmung von vornherein untereinander schlecht. Irgendwie kennt man sich, kann sich nicht sonderlich gut riechen und kannte auch die Opfer. Zumindest eines dieser – Möllers Ehemann – war offenbar ein unsympathischer Macho, der nichts hat anbrennen lassen. Dies ergibt sich aus den schleppend verlaufenden Gesprächen, während der Sinn der nach Küchenpsychologie, bedeutungsschwangerem Geschwurbel und Willkür müffelnden Maßnahmen und Übungen weitestgehend auf der Strecke bleibt. Unklar bleibt zudem, ob diese lediglich dem Zeitvertreib dienen und man eigentlich in erster Linie auf Eskalation durch Isolation setzt oder ob sie tatsächlich zu bestimmten Erkenntnissen verhelfen.
Die erste Hälfte zieht sich spätestens ab dem Moment, an dem auch die Ermittlerinnen und Ermittler hoffnungslos auf der Stelle zu treten scheinen und ihre häufig geflüsterten Dialogfragmente zu nerven beginnen. Als besonderen Überraschungscoup lässt man plötzlich, unerwartet und leider auch unspektakulär offscreen eine beliebte Figur aus dem „Tatort“-Universum sterben, was entsetzt, aber auch neue Dynamik in die Angelegenheit bringt. Gegenseitige persönliche Beleidigungen und generell gereiztes, unumgängliches bis soziopathisch anmutendes Verhalten nehmen zwar nicht unbedingt ab, werden aber spannender, zielorientierter und führen schließlich zur Enttarnung des Täters, der einen in seiner Theatralik unfreiwillig komischen und für Improvisationskino unfassbar unpassenden Abgang bekommt.
Regisseur und Impro-Experte Schütte, der hier auch den SEK-Leiter spielt, hat vieles richtig gemacht und gezeigt, worin der Reiz eines solchen Konzepts besteht: in einem Ensemble, dem bei der Orientierung, Entwicklung und Ausgestaltung seiner Figuren zuzusehen Spaß macht. Dass dabei kaum eine wirkliche Ermittlungsarbeit zu einer Mordserie zustande kommt, liegt jedoch auch gewissermaßen in der Natur der Sache. Auf eine CDU-Pfeife wie Laschet kann zudem sicherlich nicht nur ich prima verzichten und der Tod eines langjährigen „Tatort“-Teammitglieds schockiert vor allem aufgrund seiner Unmotiviertheit – zumal es noch einen Auftritt in einem bereits abgedrehten „Tatort“ haben wird, man die Chronologie also durcheinanderbrachte, nur um diesen 2019 gedrehten Fall am Neujahrsabends 2020 ausstrahlen zu können.
Bleibt als Fazit, dass dieser „Tatort“ einem großen Teil seines Publikums kräftig vor den Kopf stößt, dass Improvisation faszinieren kann, aber nicht ohne Weiteres für einen TV-Krimi geeignet ist, und dass Becker und Ofczarek „Das Team“ doch zu etwas so Besonderem machen, dass ich mit von den Feierlichkeiten zum Jahreswechsel noch etwas verschallerter Runkelrübe 6,5 von 10 Psychospielchen für dieses allen Schwächen und Problemen zum Trotz sehenswerte Experiment vergebe.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Silent Night - Leise rieselt das Blut
Das Remake, das gar keines ist
„Heiligabend ist die schrecklichste verdammte Nacht des Jahres!“
US-Genre-Regisseur Steven C. Millers („Scream of the Banshee”) Weihnachts-Slasher „Silent Night - Leise rieselt das Blut“ aus dem Jahre 2012 wurde zwar als Remake des Semi-Klassikers „Silent Night, Deadly Night“ angekündigt, doch dürfte dies in erster Linie Vermarktungszwecken gedient haben: Bis auf einen im Santa-Claus-Kostüm meuchelnden Killer hat dieser Film so gut wie nichts mit dem vermeintlichen Original aus dem Jahre 1984 zu tun.
„Oh mein Gott, was für ein Blutbad!“
Die Kleinstadt Cryer im US-Staat Wisconsin hält alljährlich an Heiligabend eine Santa-Claus-Parade ab, zu der etliche kostümierte Möchtegernweihnachtsmänner erscheinen. Doch dieses Jahr hat sich ein Serienmörder unter die Meute gemischt, der anscheinend eine Todesliste angefertigt hat und sie akribisch abarbeitet. Wie sollen Sheriff Cooper (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“) und seine verwitwete Deputy Aubrey Bradimore (Jaime King, „My Bloody Valentine 3D“), die zum Dienst an Weihnachten verdonnert wurde, da den Schuldigen finden? Zumal Bradimore ziemlich auf sich allein gestellt ist, weil Cooper ihr kaum Glauben schenkt...
„Mord ergibt nie einen Sinn!“
Das bereits im Prolog weggebrutzelte Opfer entpuppt sich als der nicht zum Dienst erschienene Deputy Jones (Rick Skene, „Wishmaster 3 - Der Höllenstein“), eine rotzfreche Teenie-Göre wird erstochen und in einer gottverdammten Gruselbude findet sich unter abgetrennten Körperteilen auch eine Hand, die noch ein klingelndes Mobiltelefon hält. Der Einstieg ist rasant und brutal, versteht es aber dennoch, Spannungsszenen aufzubauen. Der Neo-Slasher-kritische Zuschauer kann sich also entspannt zurücklehnen: Offenbar beherrscht der Regisseur beides. Der Weihnachtsmann scheint umzubringen, wer naughty ist – und als solches scheinen ihm auch Erotik und Sex zu gelten. So überfällt er ein Erotikfoto-Shooting, das dem Filmpublikum entblößte Oberweiten beschert, dem Modell jedoch einen Riesenschreck einjagt, sodass es fast nackt flieht, nur um doch noch einen ultrabrutalen Tod im Häcksler zu erleiden.
„Sie werden das nie wieder los, wenn Sie das sehen!“
Der Pfaffe (Curtis Moore, „Mother's Day - Mutter ist wieder da“), nicht nur ein notgeiler Bock, sondern auch ein geisteskranker Irrer, wird ebenso plattgemacht wie der Bürgermeister (Tom Anniko, „Roswell - Aliens Attack“), der mit einer Lichterkette erdrosselt wird, bevor auch seine Tochter, sexy Tiffany (Courtney-Jane White, „Todd & the Book of Pure Evil“), und ihr Freund ( Erik J. Berg, „Das Haus der Dämonen“) dran glauben müssen. Ferner erwischt es einen weiteren Deputy und so weiter und so fort... Santa haut hier gut was weg und schraubt den Bodycount in die Höhe, wobei sich die ordentlich umgesetzten blutigen Spezialeffekte selbst in der zensierten Version sehen lassen können. Die Todesarten sind abwechslungsreich und mitunter originell, also ist auch in Sachen Schauwerte alles so, wie es soll und wie man es mag. Positiv fällt darüber hinaus auf, dass man der Verlockung widerstand, die Kleinstadt in ein verschneites Ambiente zu tauchen, und auf dieses Klischee verzichtete – denn wo gibt es schon wirklich weiße Weihnachten?
„Weihnachten hat auch eine sehr dunkle Seite!“
Doch wer ist der Mörder und was ist sein Motiv, woher rühren sein Hass und sein Psychoschaden, kurz: Was soll das alles? Eine visualisierte Rückblende erzählt eine alte urbane Legende, von der Stein Karsson (Mike O’Brien, „Verführung einer Fremden“) im Weihnachtsmannkostüm der im Dunkeln tappenden Bradimore berichtet und sich damit höchstverdächtig macht – jedoch nicht ihr gegenüber, denn sie bezweifelt Karssons Schuld. Ein für seinen Job als Weihnachtsmann für Kinder arg zynischer Typ wird verhaftet, doch auch dessen Verantwortung zweifelt Bradimore an. Der wahre Mörder bekommt vom Dialogbuch schließlich sogar ein paar Textfragmente in den Mund gelegt, bleibt aber sehr einsilbig. Als man sich schon beinahe damit abgefunden hat, dass das Whodunit? nicht mehr aufgelöst wird und die Identität des Mörders unbekannt bleibt, versucht sich der Epilog doch noch an einer Erklärung. Das wirkt leider etwas unbeholfen drangepappt, relativ widersinnig und lieblos stumpf.
„Weihnachten macht Sie kaputt!“
Damit hätten wir die Disziplin, in der „Silent Night - Leise rieselt das Blut“ versagt, also ausgemacht: Seine „Mythologie“, seine Hintergrundgeschichte. Das Ausbleiben einer starken antagonistischen Figur, die sich mit etwas Bestimmtem über das Weihnachtsfest Hinausgehende verknüpfen ließe, führt dazu, dass der Film in seiner Gesamtheit nicht sonderlich erinnerungswürdig ausfällt: Dem durchaus kurzweilig inszenierten Schema F fehlt das gewisse Etwas. Das ist schade, denn ansonsten stimmen die Ingredienzien größtenteils: Neben der bereits genannten Dramaturgie, dem kompromisslosen Gewaltlevel und den Schauwerten überzeugen ein gut zusammengestelltes Ensemble mit einem gewohnt aufdrehenden McDowell als Zugpferd, der sich letztlich einem plietschen jungen, weiblichen Deputy unterordnen muss. Rot- und Grünausleuchtungen zum Finale greifen die typische saisonale Farbgebung auf und integrieren sie ins Filmkonzept, das wie bereits manch Subgenre-Beitrag zuvor einmal durchspielt, was eine Unterteilung der Weihnachtsfeiernden in naughty und nice in letzter Konsequenz bedeuten könnte und damit jenen den weihnachtlichen Legenden immer schon innewohnenden Gruselfaktor hochpotenziert in unterhaltsamer Slasher-Form präsentiert. Schade also, dass die Täterfigur so stiefmütterlich behandelt wird. Als Subgenre-Fan und (Anti-)Weihnachtsfilmgucker ist mir das dennoch 6,5 von 10 gerichteten bigotten Pfaffen wert.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Santa Clause - Eine schöne Bescherung
„In putting on the suit and entering the sleigh, the wearer waives any and all rights to any previous identity, real or implied, and fully accepts the duties and responsibilities of Santa Claus in perpetuity until such time that wearer becomes unable to do so by either accident or design.”
Sitcom-Star Tim Allen und US-Regisseur John Pasquin haben nicht nur für 36 (von 202) Episoden der erfolgreichen Comedy-Serie „Hör mal, wer da hämmert“ zusammengearbeitet, sondern auch für Disneys 1994 veröffentlichte Familien-Weihnachtskomödie „Santa Clause – Eine schöne Bescherung“. Eine weitere Kollaboration folgte 1997 mit „Aus dem Dschungel in den Dschungel“, während Michael Lembeck Regie bei beiden „Santa Clause“-Fortsetzungen führte.
Der von seiner geschiedenen Frau Laura (Wendy Crewson, „Das zweite Gesicht“) getrenntlebende Scott Calvin (Tim Allen) ist Vater des kleinen Charlies (Eric Lloyd, „Greedy“), der mit seiner Mutter und deren neuem Mann, dem Psychiater Neil (Judge Reinhold, „Gremlins – Kleine Monster“), zusammenlebt. An Heiligabend kommt Charlie jedoch seinen Vater besuchen. Ein Poltern auf dem Dach schreckt beide auf: Jemand ist im Weihnachtsmannkostüm heraufgeklettert und erschreckt sich nun so sehr darüber, erwischt zu werden, dass er herunterstürzt, kurz besinnungslos im Schnee liegenbleibt und daraufhin spurlos verschwindet. Lediglich sein Kostüm hat er zurückgelassen. Dieses enthält eine Karte mit der eigenartigen Aufforderung, das Gewand anzulegen. Charlie drängt seinen Vater dazu, der diesen Spaß etwas widerwillig mitmacht. Urplötzlich finden sich beide Geschenke verteilend in einem fliegenden Rentierschlitten wieder, der am Ende der rasanten Nacht Halt in der Spielzeugfabrik am Nordpol macht. Dort eröffnet Elf Bernard (David Krumholtz, „Die Addams Family in verrückter Tradition“) dem verdutzten Scott, dass er mit Anlegen der Tracht nunmehr die Aufgaben des Weihnachtsmanns übernommen habe, und verweist aufs Kleingedruckte auf der Karte, die „Santa Clause“.
Als Scott am nächsten Morgen in seinem eigenen Zuhause erwacht, tut er seine Erinnerungen als kuriosen Traum ab, so sehr Charlie auch beteuert, dass alles tatsächlich so geschehen sei. Doch Scott verändert sich: Sein Haar wird immer weißer, sein Bart immer wuchernder und sein Bauch immer größer. Für Charlie ist nach wie vor klar: Sein Dad ist der neue Weihnachtsmann. Laura und Neil hingegen beobachten diese Entwicklungen mit Argwohn, schalten eine Psychologin ein und vermuten schließlich, dass Scott seinen Sohn mit der Weihnachtsmanngeschichte an sich binden will – oder gar unter Wahnvorstellungen leidet. Sie entziehen ihm das Besuchsrecht, sehr zu Charlies Unmut. Doch alles ist wahr: Am nächsten Heiligabend bringt Elf Bernard „Santa“ Scott und Charlie zum Nordpol, von wo aus sie sich der logistischen Herausforderung der Geschenkzustellungen stellen müssen…
Wer kennt das nicht? Der echte Weihnachtsmann ist mal wieder verhindert, also muss man selbst ins Kostüm schlüpfen, um den Nachwuchs zu bespaßen und die Illusion von der Weihnachtsmythologie aufrechtzuerhalten. Dass man dadurch plötzlich zum echten rotweißen Rauschebart wird, der für sämtliche Kinder verantwortlich ist, dürfte jedoch ausschließlich der Fantasie der Drehbuchautoren Leo Benvenuti und Steve Rudnick zuzuschreiben sein, deren Skript von Pasquin sowie seinem Ensemble und Team zu einem launigen Saisonspaß für die ganze Familie umgesetzt wurde. Diese Persiflage auf Knebelverträge hantiert mit einigen wenigen grafischen Spezialeffekten, verlangt ansonsten aber neben der Requisite, die ein nordpolisches Weihnachtsdorf aufbauen musste, Tim Allen sein komödiantisches Talent und Mut zur Wandlung ab. Für den augenzwinkernden, durchaus auch frechen Humor ist er hauptsächlich, jedoch nicht allein zuständig, obschon seine köstlichen, wenngleich tendenziell psychiatriefeindlichen Sprüche, mit denen er den Neuen seiner Ex-Frau bedenkt, dominieren.
Mal schlägt das Pendel in Richtung Fantasy aus, nämlich immer dann, wenn der Film Erklärungen liefert, wie der Weihnachtsmann und sein Team ihre Mammutaufgabe einmal jährlich bewältigt bekommen – eine Erklärung dafür, dass niemand fremde Geschenke und Metamorphosen in Schornsteine und Kamine bemerkt, liefert man jedoch (leider) auch hier nicht und scheint darauf zu vertrauen, dass die Kleinen das nicht hinterfragen und die Älteren geflissentlich darüber hinwegsehen. Werden hingegen Scotts Scheidung und die damit verbundenen Querelen thematisiert, bekommt „Santa Clause“ einen nur allzu realistischen Anstrich. Manchmal gibt sich der Film durchaus sentimental und etwas kitschig, bekommt jedoch über weite Strecken immer wieder die Kurve und übt sogar Kritik an der Polizei, wird zum Ende hin dann aber doch ganz schön rührselig.
Unterm Strich ist Pasquin, Allen und Konsorten aber ein mit viel Fantasie liebevoll gestaltetes, modernes Weihnachtsmärchen geglückt, das zu keiner Sekunde langweilt, auch schauspielerisch bis hin zu den jüngsten Mimen überzeugt und – für mich etwas überraschend – tatsächlich beinahe durchweg gelungene Festtagsfamilienunterhaltung bietet. Lediglich die Stigmatisierung von Übergewichtigen hätte man sich sparen sollen, das hat – bei allem Humor – in einem solchen Film nichts zu suchen.
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The Testament of Sister New Devil Departures
Geschwisterliebe?
„Mann, diesem notgeilen Porno-Sukkubus fällt auch immer neuer Unsinn ein!“
Nach zwei Serien und zwei Filmen fand Hisashi Saitôs auf einer Light-Novel-Jugendschundserie und ihren Manga-Adaptionen basierende Anime-Reihe mit dem dritten Film „The Testament of Sister New Devil Departures“ im Jahre 2018 ihr (vorläufiges?) Ende.
Nachdem der 15-jährige Basara mit seinen sexuell reifen Stiefschwestern Maria und Mio – eine angehende Dämonenkönigin – viel Sex und viele Kämpfe gegen das Böse bestritten hatte, können sie endlich Sex miteinander haben, ohne gegen die Unterwelt kämpfen zu müssen. Doch der Frieden währt nicht lang und so kommen bald zum Sex doch wieder Kampfeinsätze hinzu…
Der Fantasy-Action-Softporno-Anime erklärt nicht viel, wobei für seinen zweifelhaften Genuss auch keine großen Vorkenntnisse über vorausgegangene Ereignisse vonnöten sein dürften. Nach einem Prolog, der die bösen Verschwörer beim Aushecken eines neuen Plans zeigt, wird in ruckelig animierten Bildern der Polygamie gefrönt und der Inzest-Vorwurf umgangen, indem Basaras Gespielinnen zu Stiefschwestern erklärt werden. Sexszenen, in denen sich die übertrieben drall gezeichneten weiblichen Figuren und Basara aneinander reiben, gegenseitig ablecken und Mario und Mio ihre Brüste kneten oder geknetet bekommen, wechseln sich mit einigen Anime-typischen übertrieben bunten und prätentiösen Action-Einlagen ab.
Handlung und Charaktere sind dabei vollkommen nebensächlich wenn nicht gar gänzlich egal; mit seiner seltsamen Mixtur wendet man sich unverhohlen an pickelige Teenager, die trotz entwickelter Geschlechtsorgane geistig noch derart in kindlichen Fantasiewelten verhaftet sind, dass sie sich tatsächlich auf diesen infantilen Zeichentrickschund einen runterholen, statt sich einen echten Porno anzusehen. Eine bestimmte Fetischklientel dürfte darüber hinaus eine gewisse Rolle spielen. Mir hingegen bleibt das relativ fremd, sodass ich froh war, dass man nach diversen Wiederholungen des Sujets und einem Epilog bereits nach knapp einer Stunde Schluss zum Ende fand. Der schmissige Poprock-Song im Abspann war da noch das Beste.
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Tatort: Grenzgänger
Neckermann macht's möglich
„Wer spät ins Bett geht und früh raus muss, der weiß, woher das Morgengrauen kommt…“ – „Lass mich am frühen Morgen mit Goethe in Ruhe!“ – „Das ist von Robert Lembke.“
Die passenderweise am A.C.A.B.-Tag des Jahres 1981, also am 13.12. erstausgestrahlte zweite Episode des berüchtigten Duisburger „Tatort“-Ermittlungsduos Schimanski/Thanner (Götz George/Eberhard Feik) stammt von Regisseurin Ilse Hofmann („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“-Erstverfilmung) – ihr erster von bis heute zehn „Tatort“-Beiträgen. Er basiert auf einem Drehbuch Felix Hubys.
„Ich gelte im Allgemeinen als weniger höflich!“
Schimanski muss von Kriminalrat Königsberg (Ulrich Matschoss, „Tatort: Strandgut“) erfahren, dass er mit dem V-Mann Gerhardt Hollai (Günther Maria Halmer, „Lucky Star“) gesehen wurde, der daher mutmaßlich nicht mehr sicher ist. Tatsächlich wurde Hollais Wohnung durchwühlt – und Hollai ist nicht zu Hause. Der Informant Udo „Bombe“ Blickel (Willi Thomczyk, „Was nicht passt, wird passend gemacht“) steckt Schimanski, dass sich Hollai vermutlich im Keller des windigen Einzelhändlers Kessenich (Charles Brauer, Hamburger „Tatorte“) aufhält. Schimanski und Thanner verschaffen sich Zutritt und enttarnen Hollai nun vollständig – davon ausgehend, das Kessenich ohnehin längst im Bilde sei. Hollai kehrt in den normalen Kriminalpolizeidienst zurück, doch steht die Frage im Raum, ob er nun nicht eventuell ein V-Mann im Dienste der Unterwelt sein könnte und weiterhin gemeinsame Sache mit Kessenich macht. Dies herauszufinden obliegt nun Schimanski, der seinen Freund und Kollegen beschattet, sich mit ihm betrinkt und sein näheres Umfeld wie seine Freundin Hanni (Beatrice Kessler, „Tatort: Drei Schlingen“) durchleuchtet. Hanni wusste bisher gar nicht, dass ihr Freund ein Bulle ist und erfährt es recht unsanft von Schimanski…
„Mein Gott, diese Empfindlichkeit…“
Schimanski reagiert zunächst aufbrausend auf Königsbergs Vorwürfe hinsichtlich der möglichen Enttarnung Hollais, was jedoch in erster Linie der zerfahrenen Situation und den für Hollai gefährlich werden könnenden Umständen geschuldet ist. So erobert Schimmi in der Folge auch rabiat einen Münzfernsprecher für sich und verschafft sich gewaltsam Zutritt zu Hollais Wohnung. Mit diesem prügelt er sich später sogar noch in Hannis Boutique. Seinem Ruf als „Ruhrpott-Rambo“ wird Schimanski also mehr als gerecht. Doch auch Hollai kann ungemütlich würden, nämlich als er sich mit einem pedantischen Erbsenzähler von einem Bullen herumärgern muss, der die Inventur von Hollais Undercover-Dienstwohnung durchführt – eine köstliche Szene, die den hyperkorrekten Diensteifer deutscher Beamter aufs Korn nimmt. Und es wird gesoffen! Schimanski trinkt im Dienst, besäuft sich mit Hollai in einer Kneipe, wo sie zu Westernhagens rüden Rock’n’Roll-Nummern tanzen, Schimmi geht zu Opa Friedrich aufs Hausboot ordentlich einen zwitschern und nimmt einen Rentner von einer Parkbank mit, und er besorgt sich drei Dosen Bier vom Späti. Für einen „Tatort“-Kommissar dürfte er damit einen Rekord aufgestellt haben.
Die Musik Marius Müller-Westernhagen zieht sich durch die ganze Episode, seine Kultnummer „Hier in der Kneipe fühl‘ ich mich frei“ wurde offenbar eigens für den „Tatort“ geschrieben, zumindest exklusiv für ihn verwendet. In den Kneipen laufen ebenso wie bei Schimanski privat weitere Westernhagen-Songs aus dessen Rock’n’Roll-Phase weit vor seiner Armani-Arenarocker-Zeit. Schimanski nervt mit einem Telespiel und bearbeitet einen „Zauberwürfel“, womit er nicht nur seinen allgemein sehr nervösen Eindruck untermauert, sondern weiteres Zeitkolorit einbringt. Den späteren Hamburger „Tatort“-Ermittler Charles Brauer als Gangster Kessenich hätte ich ohne seinen Schnauzbart fast nicht erkannt. Mit seinem Auftritt reiht er sich ein in die Riege von „Tatort“-Antagonisten, die später auf die Seite des Gesetzes wechseln sollten – ganz wie einst Götz George. Günther Maria Halmer mimt seine Figur angenehm zurückhaltend und nuanciert, womit er zum Spannungserhalt bis zum Finale beiträgt. Und Willi Thomczyk als Ruhrpott-Original ist einmal mehr eine Bank. Eberhard Feik als Thanner spielt diesmal eine eher untergeordnete Rolle, kabbelt sich kaum mit seinem Kollegen.
Mit „Grenzgänger“ sensibilisiert der Duisburger „Tatort“ für die Herausforderungen, Probleme und Gefahren, die das Prinzip verdeckter Ermittler(innen) mit sich bringt. Ferner stellt er die Gesetzestreue von Polizisten infrage, haben diese erst einmal die Möglichkeit, etwas vom großen Kuchen abzubekommen – und können sie ihre Position im Staatsdienst dafür auch noch zu ihrem Vorteil nutzen. Achtung, Spoiler:
Leider grätschte WDR-Redakteurin Steinhaus dazwischen und erzwang einen abweichenden Ausgang der Handlung. Dies merkt man dem Ende deutlich an, es wirkt inkohärent und weist ein, zwei Wendungen zu viel auf. Ein staatstragendes, typisches Happy End wurde es trotzdem nicht – die eigentliche Intention bleibt deutlich, der Nachdreh erhält Alibi-Charakter. 7,5 von 10 Runden darf Marius‘ „Tatort“-Single für diesen harsch provokanten, dem deutschen Spießbürger die Zornesröte ins Gesicht getrieben habenden zweiten Auftritt Schimanskis und Thanners auf meinem Plattenteller drehen, bevor ich mich in die Kneipe verabschiede, von man einen durstig machenden „Tatort“ wie diesen am besten feiert. Prost, Schimmi, prost, Hollai!
Neckermann macht's möglich
„Wer spät ins Bett geht und früh raus muss, der weiß, woher das Morgengrauen kommt…“ – „Lass mich am frühen Morgen mit Goethe in Ruhe!“ – „Das ist von Robert Lembke.“
Die passenderweise am A.C.A.B.-Tag des Jahres 1981, also am 13.12. erstausgestrahlte zweite Episode des berüchtigten Duisburger „Tatort“-Ermittlungsduos Schimanski/Thanner (Götz George/Eberhard Feik) stammt von Regisseurin Ilse Hofmann („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“-Erstverfilmung) – ihr erster von bis heute zehn „Tatort“-Beiträgen. Er basiert auf einem Drehbuch Felix Hubys.
„Ich gelte im Allgemeinen als weniger höflich!“
Schimanski muss von Kriminalrat Königsberg (Ulrich Matschoss, „Tatort: Strandgut“) erfahren, dass er mit dem V-Mann Gerhardt Hollai (Günther Maria Halmer, „Lucky Star“) gesehen wurde, der daher mutmaßlich nicht mehr sicher ist. Tatsächlich wurde Hollais Wohnung durchwühlt – und Hollai ist nicht zu Hause. Der Informant Udo „Bombe“ Blickel (Willi Thomczyk, „Was nicht passt, wird passend gemacht“) steckt Schimanski, dass sich Hollai vermutlich im Keller des windigen Einzelhändlers Kessenich (Charles Brauer, Hamburger „Tatorte“) aufhält. Schimanski und Thanner verschaffen sich Zutritt und enttarnen Hollai nun vollständig – davon ausgehend, das Kessenich ohnehin längst im Bilde sei. Hollai kehrt in den normalen Kriminalpolizeidienst zurück, doch steht die Frage im Raum, ob er nun nicht eventuell ein V-Mann im Dienste der Unterwelt sein könnte und weiterhin gemeinsame Sache mit Kessenich macht. Dies herauszufinden obliegt nun Schimanski, der seinen Freund und Kollegen beschattet, sich mit ihm betrinkt und sein näheres Umfeld wie seine Freundin Hanni (Beatrice Kessler, „Tatort: Drei Schlingen“) durchleuchtet. Hanni wusste bisher gar nicht, dass ihr Freund ein Bulle ist und erfährt es recht unsanft von Schimanski…
„Mein Gott, diese Empfindlichkeit…“
Schimanski reagiert zunächst aufbrausend auf Königsbergs Vorwürfe hinsichtlich der möglichen Enttarnung Hollais, was jedoch in erster Linie der zerfahrenen Situation und den für Hollai gefährlich werden könnenden Umständen geschuldet ist. So erobert Schimmi in der Folge auch rabiat einen Münzfernsprecher für sich und verschafft sich gewaltsam Zutritt zu Hollais Wohnung. Mit diesem prügelt er sich später sogar noch in Hannis Boutique. Seinem Ruf als „Ruhrpott-Rambo“ wird Schimanski also mehr als gerecht. Doch auch Hollai kann ungemütlich würden, nämlich als er sich mit einem pedantischen Erbsenzähler von einem Bullen herumärgern muss, der die Inventur von Hollais Undercover-Dienstwohnung durchführt – eine köstliche Szene, die den hyperkorrekten Diensteifer deutscher Beamter aufs Korn nimmt. Und es wird gesoffen! Schimanski trinkt im Dienst, besäuft sich mit Hollai in einer Kneipe, wo sie zu Westernhagens rüden Rock’n’Roll-Nummern tanzen, Schimmi geht zu Opa Friedrich aufs Hausboot ordentlich einen zwitschern und nimmt einen Rentner von einer Parkbank mit, und er besorgt sich drei Dosen Bier vom Späti. Für einen „Tatort“-Kommissar dürfte er damit einen Rekord aufgestellt haben.
Die Musik Marius Müller-Westernhagen zieht sich durch die ganze Episode, seine Kultnummer „Hier in der Kneipe fühl‘ ich mich frei“ wurde offenbar eigens für den „Tatort“ geschrieben, zumindest exklusiv für ihn verwendet. In den Kneipen laufen ebenso wie bei Schimanski privat weitere Westernhagen-Songs aus dessen Rock’n’Roll-Phase weit vor seiner Armani-Arenarocker-Zeit. Schimanski nervt mit einem Telespiel und bearbeitet einen „Zauberwürfel“, womit er nicht nur seinen allgemein sehr nervösen Eindruck untermauert, sondern weiteres Zeitkolorit einbringt. Den späteren Hamburger „Tatort“-Ermittler Charles Brauer als Gangster Kessenich hätte ich ohne seinen Schnauzbart fast nicht erkannt. Mit seinem Auftritt reiht er sich ein in die Riege von „Tatort“-Antagonisten, die später auf die Seite des Gesetzes wechseln sollten – ganz wie einst Götz George. Günther Maria Halmer mimt seine Figur angenehm zurückhaltend und nuanciert, womit er zum Spannungserhalt bis zum Finale beiträgt. Und Willi Thomczyk als Ruhrpott-Original ist einmal mehr eine Bank. Eberhard Feik als Thanner spielt diesmal eine eher untergeordnete Rolle, kabbelt sich kaum mit seinem Kollegen.
Mit „Grenzgänger“ sensibilisiert der Duisburger „Tatort“ für die Herausforderungen, Probleme und Gefahren, die das Prinzip verdeckter Ermittler(innen) mit sich bringt. Ferner stellt er die Gesetzestreue von Polizisten infrage, haben diese erst einmal die Möglichkeit, etwas vom großen Kuchen abzubekommen – und können sie ihre Position im Staatsdienst dafür auch noch zu ihrem Vorteil nutzen. Achtung, Spoiler:
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Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Point Break – Gefährliche Brandung
„Dieses System zerstört den menschlichen Geist. Wir kämpfen für etwas! Das können die Zombies in ihren Blechsärgen auf den Freeways niemals begreifen. Unser Geist lebt noch! Und das werden wir ihnen zeigen – das schwöre ich euch!“
Zwischen ihren Filmen „Blue Steel“ und „Strange Days“ inszenierte US-Regisseurin Kathryn Bigelow 1991 den Cop-Thriller „Point Break – Gefährliche Brandung“ nach einem Drehbuch W. Peter Iliffs. Beim im Surfer-Milieu spielenden hochbudgetierten Mainstream-Film handelt es sich entgegen anderslautenden Gerüchten nicht um den inoffiziellen Nachfolger des Troma-Klassikers „Surf Nazis Must Die“.
„Du hast dein Konto überzogen!“
„Die Präsidenten“ sind eine mehrköpfige Bankräuberbande, die sich bei ihren Überfällen hinter den Masken ehemaliger US-Präsidenten versteckt. Satte 30 Raubzüge in nur drei Jahren gehen auf ihr Konto. Meist geht alles ganz schnell, innerhalb von 90 Sekunden sind sie mit ihrer Beute schon wieder auf und davon, verletzt wird in der Regel niemand. Der Polizei fehlt jede brauchbare Spur. FBI-Agent Angelo Pappas (Gary Busey, „Tödliches Versteck“) jedoch hegt den Verdacht, die Bande könnte sich aus der Surferszene rekrutieren. Als er mit dem frisch von der Polizeischule kommenden, ehrgeizigen John Utah (Keanu Reeves, „Das Messer am Ufer“) einen neuen Partner bekommt, schleust er ihn als verdecken Ermittler in die Surferszene ein. Über seine Surflehrerin Tyler Ann Endicott (Lori Petty, „Bates Motel“) lernt Utah schließlich die Clique um Surf-Guru Bodhi (Patrick Swayze, „Die Outsider“) kennen und kann sich nach und nach ihr Vertrauen erschleichen. Er findet immer mehr Gefallen an ihrem Lebensstil und geht sogar eine amouröse Beziehung zu Tyler ein, der er seine wahre Identität verschweigt….
Weite Strände, das Meer und ein Surfbrett unter den Füßen – das Leben kann so schön sein. Allerdings will es auch irgendwie finanziert werden. Tut man dies auf illegale Weise, muss man damit rechnen, dass die Idylle jäh von FBI-Bullen gestört wird. So wie in diesem Falle von Detective Utah, der als Protagonist eingeführt wird, jedoch wenige Probleme damit hat, seine Surflehrerin zu benutzen, um in die Szene eingeschleust zu werden. Immerhin verliebt er sich dann doch noch in sie, womit dieser Film auch seine Romanze hätte. Tyler ist die ehemalige Freundin Bodhis, einem mit etwas sehr dickem Filzstift als spiritueller Surf-Crack gezeichneten Sonnyboy, der Utah in die Surfphilosophie einführt, in der Bodhi so etwas wie einen Magister haben muss. In Kombination mit unheimlich schönen, Fernweh weckenden Bildern vom Strand und Ozean hat das durchaus seine Momente und lädt ein, es sehnsuchtsvoll seufzend Bodhis Clique gleichzutun und sich genüsslich eine Haschtrompete anzuzünden.
Was passiert also nun? Entwickelt Utah Sympathie für die Szene, legt den Undercover-Bullen ab und verschreibt sich mit Haut und Haaren dem spirituellen Dasein als Surf-Outlaw? Nun ja, mehrfach werden zumindest innere Konflikte Utahs, die in diese Richtung tendieren, angedeutet. Dies wird jedoch durch den weiteren Verlauf nachhaltig torpediert. Ab dem Moment, in dem die Polizei eine ebenfalls im Surfer-Milieu verwurzelte Gruppe Heroingroßdealer (inkl. Red Hot Chili Pepper Anthony Kiedis mit einem Gastauftritt) hopsnimmt, funktioniert der Film nicht mehr: Dass sie damit mitten in die Ermittlungen eines anderen V-Manns hineingrätschen, kann noch als Kritik an übereifrigen Polizeieinsätzen verstanden werden. Der tiefe Griff in die Klischeekiste – Punk-ähnliche Gestalten mit Metallica-Postern an den Wänden – und das rabiate Vorgehen der Polizei, diese zu erschießen, ist jedoch erbarmungswürdig und führt dazu, dass man wünscht, die Bullen statt der Gangster würden die Kugeln in ihre hohlen Schädel bekommen. Bezeichnend: Pappas und Utah – wohlgemerkt keinesfalls als Volltrottel konzipiert! – verpassen den nächsten Banküberfall der „Präsidenten“, den sie korrekt vorhergesehen haben, weil der dämliche Pappas Hunger hat und unbedingt sofort ein Aas-Sandwich braucht.
Wie zur Hölle kann man solche Idioten noch als Protagonisten in einem ernstgemeinten Film weiterführen? Und weshalb konnotiert man es überhaupt derart positiv, gegen niemanden verletzende Bankräuber vorzugehen? Was ist schon, frei nach Brecht, das Ausrauben einer Bank gegen die Gründung einer?* Ein Mörder in Uniform hat beim nächsten Banküberfall Menschenleben auf dem Gewissen und es werden immer weitere Tote produziert, sinnloserweise alles nur wegen ein paar Kackbanken – was der Film allerhöchstens andeutungsweise kritisiert, aber nie konkret infragestellt. Bodhi taugt indes auch immer weniger als Sympathieträger, entwickelt er sich doch zunehmend zum selbstgefälligen, großkotzigen Sprücheklopfer. Utah hingegen lässt sämtliche Vernunft vermissen und stellt sich ohne Rücksicht auf Leib und Leben weiterhin in den Dienst der Sache. Spätestens als er sich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug stürzt, wird’s endgültig hanebüchen, wirft der Film sämtlichen Menschenverstand über Bord.
Das macht „Point Break“ zu einem Guilty Pleasaure, das mit rasant inszenierten Verfolgungsjagden mobil und per pedes, Action und Geballer, wahnwitzigen Szenen auf einer brennenden Tankstelle und faszinierenden Bildern von Fallschirmsprüngen spannend unterhält und nie langweilt – wenngleich der Epilog um das Wiedersehen der beiden Kontrahenten in Australien wie aufgepfropft wirkt, um der vermeintlichen Gerechtigkeit genüge zu tun. Die pathetische Surfer-Folklore wird hier noch einmal daumendick aufgetragen und nachdem – Achtung, Spoiler! – Utah seinen Freund in den Selbstmord getrieben hat, erkennt er endlich die Sinnlosigkeit seines Berufs und wirft seine Dienstmarke weg. Leider viel zu spät. Diese Geschichte einer ungewöhnlichen Männerfreund- und -feindschaft ist grenzwertiges Big-Budget-Kino, das sein Publikum mit tollen Bildern einlullt. Wer auf Surfertypen steht, kann sich „Point Break“ auch schlicht als Voyeur(in) anschauen. Und wer sich bis zum Schluss auf dem schmalen Brett hält, bekommt im Abspann den Sleaze-Metal-Song „Over The Edge“ der L.A. Guns auf die Ohren. Durchaus spannende Unterhaltung im edlen Look, nur eben leider auch ziemlich... dumm. Bleibt die Frage, weshalb Bigelow sich dieses Films, der kaum in ihr Œuvre passen will, annahm. Man ahnt jedoch: Ohne sie wären wohl noch weniger als 5,5 von 10 Donald-Trump-Masken drin gewesen...
*) Das ist natürlich Polemik. Auf genossenschaftlich organisierte Volks- und Raiffeisenbanken trifft dies nur bedingt zu, auf GLS und ähnliche Kreditinstitute gar nicht.
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Die Klasse von 1999
Wir hau’n die Pauker in die Pfanne
„Es gibt keine Gesetze!“
Der US-amerikanische, aufs Actionkino spezialisierte Filmemacher Mark L. Lester drehte nach „Der Feuerteufel“, „Phantom Kommando“ und „Zwei unter Volldampf“ im Jahre 1989 die Fortsetzung seines berüchtigten Werks „Die Klasse von 1984“ aus dem Jahre 1982: Der 1990 veröffentlichte „Die Klasse von 1999“ ist ein dystopischer Endzeit-Actioner und echtes End-‘80er-Genrefutter für Fans.
„Eine Million Megabytes!“ (Wow!)
Im Jahre 1999 haben brutale Jugendgangs die US-Großstädte in Anomie und Chaos gestürzt. In „Free Fire Zones“ haben die Ordnungsmächte längst kapituliert und die Gebiete zu gesetzesfreien Zonen erklärt. Inmitten einer solchen befindet sich die Seattler Kennedy High School, die kurz vor ihrer Wiedereröffnung steht. Damit diese gelingt, setzt das Ministerium für „Educational Defense“ drei Androiden (Patrick Kilpatrick, „The Toxic Avenger“, Pam Grier, „Foxy Brown“ und John P. Ryan, „Die Wiege des Bösen“) des Waffenherstellers MegaTech als Lehrkörper ein, die den Schülerinnen und Schülern konsequent Ordnung und Disziplin beibringen sollen. Jedoch: Es handelt sich um Prototypen neuer Kriegsmaschinen, die an den Schulen ausgetestet werden sollen. Der just aus dem Knast entlassene Cody (Bradley Gregg, „A Nightmare on Elm Street III: Dream Warriors“), ehemaliges Mitglied der Blackhearts, nun geläutert und zu lernen bereit, durchschaut das tödliche Spiel und beschließt, sich zur Wehr zu setzen…
„Wir sehen uns in der Schule, Arschloch!“
Lester setzt für „Die Klasse von 1999“ in Sachen Gewalteskalation und Dystopie nicht nur kräftig einen auf „Die Klasse von 1984“ drauf, sondern dreht zudem den Spieß um: Nun muss sich die Jugend gegen mörderische Lehrkräfte zur Wehr setzen. Deren Androidenexistenz erinnert natürlich unweigerlich an „Terminator“ und „Robocop“, von denen sich Lester deutlich inspirieren ließ. So ist es dann auch bereits eine Roboterstimme, die im Prolog die Ausgangssituation skizziert. Knastbilder werden in Szenen einer Roboterpräsentation zwischengeschnitten, Präsentator Dr. Bob Forrest (Stacy Keach, „Die weiße Göttin der Kannibalen“) trägt unheimliche Kontaktlinsen und eine perverse Frisur. Aus eben jenem Knast wird ein Junge entlassen, den wir als das ehemalige Gang-Mitglied Cody kennenlernen werden, nachdem wir einem coolen Synthierock-Titelsong lauschen durften.
„Die Armee ist genau das Richtige für euch!“
Lester kleckert nicht, er klotzt: Verfolgungsjagden durch Klischeeghettos voller Outlaws und „Mad Max“-Vehikeln, reichlich Blechschäden und Ballereien, alle sind drogenabhängig, in der Disco wird beim Tanzen mit MPs in die Luft geschossen, Gangs und Brutalobullen an den Schulen – und eben neuerdings Androiden, die es mit den Rowdys aufnehmen können. Diese linsen in Point-of-View-Perspektive wie weiland der Terminator, einer von ihnen versohlt einem renitenten Schüler sogar den Hintern! Das bleibt aber auch Lesters größter Ausflug ins Komödiantische, ansonsten regiert die harte, eiserne Hand. Ein Android misshandelt Cody und schaltet in den Kriegsmodus, als Codys Kumpel einschreitet – was dieser mit dem Leben bezahlen muss. Doch das war erst der Anfang, denn die KI verselbständigt sich, auch andere Androiden beginnen brutal zu töten und der Direx (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“) ist zwar entsetzt, versucht aber natürlich, die Vorfälle zu vertuschen. Das ist vor allem übertrieben und plakativ, aber auch verdammt unterhaltsam.
„Kriegsspiel Phase 1 komplett.“
Nach anfänglicher Skepsis und Abwehrhaltung beteiligt sich Direktorentochter Christie (Traci Lind, „Die Geschichte der Dienerin“) an Codys Recherchen, der daraufhin weiteren Unmut der Verantwortlichen auf sich zieht, den Film aber auch um so etwas wie Romanze erweitert. Ein Bandenkrieg wird blutig aufgelöst, woraufhin sich die Gangs gegen die Androiden verbünden. Die Ereignisse gipfeln in einem deftigen Showdown inklusive Spezialeffektfeuerwerk in der Schule, durch deren Gänge die Bandenmitglieder auf Motorrädern schüsseln. Die Aussage: Fight the real enemy! Hört auf, euch gegenseitig zu bekämpfen, sondern solidarisiert euch, haltet zusammen und geht mit vereinten Kräften gegen die Autoritäten vor, die euch unterdrücken! Damit korrigiert Lester evtl. durch seine „Klasse von 1984“ entstandene Missverständnisse in pädagogischer Hinsicht. Hätte man dort noch meinen können, härteres Durchgreifen würde zu einem positiven Effekt führen, zeigt er in seiner 15 Jahre später angelegten Dystopie, was daraus werden kann.
In erster Linie ist „Die Klasse von 1999“ aber zweifelsohne ein Unterhaltungsfilm, der seine Messages mit dem Vorschlaghammer verbreitet und in all seinen maßlosen Übertreibungen und seiner Plattheit, die nicht den geringsten Raum für Subtilität bietet, trashigen Charme versprüht. Sadistisch und zynisch geht es zu, ordentlich Action-Kawumm und hübsche Spezialeffekte geben sich die Klinke in die Hand – und das durchaus namhafte Ensemble spielt seinen Stiefel wirklich gut herunter. Eine schöne Parallele zur „Klasse von 1984“ bilden die Pennäler, die wieder Punk-Kutten mit echten Bandnamen tragen. Und eines muss man Lester lassen: Zumindest die Waffenkontrollen an US-Schulen hat er visionär vorausgesehen…
Ultravox-Sänger Midge Ure trägt mit der hörenswerten Poprock-Nummer „Come The Day“ zum Abspann eines Films bei, der die lässige Coolness des Kultfilms „Die Klasse von 1984“ durch eine Potenzierung des Exzesses ersetzt und stärker in Richtung Materialschlacht tendiert, jedoch perfekt in die End(zeit)-‘80er passt und allen, die auf dystopische Androiden/Cyborg-Action stehen, weitaus bessere Unterhaltung bereitet als der x-te „Terminator“-Rip-Off. Schon geiler Scheiß!
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt
„Ich bin doch kein karrieresüchtiger Busenstar!“
Der spanische Erotik/Sex- und Trash-Vielfilmer Jess Franco („Necronomicon – Geträumte Sünden“) kollaborierte ab Mitte der 1970er mit dem Schweizer Produzenten Erwin C. Dietrich, woraus eine ganze Reihe an Schmuddelfilmchen resultierte. Den Auftakt machte 1974 „Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt“, eine Krimi-Sex-Komödie mit Film-noir-parodistischen Zügen nach einem Drehbuch der Dietrich-Stammautorin Christine Lembach.
„Ich verdiente im Monat ungefähr so viel wie eine tüchtige Porto-Santo-Hure sonntags in den Klingelbeutel wirft.“
Der puertoricanische Privatdetektiv Al Pereira (Jess Franco höchstpersönlich) lässt sich von der attraktiven Cynthia (Lina Romay, „Mädchen für intime Stunden“) beauftragen, ihren Ehemann des Fremdgehens zu überführen. Da Cynthia ihm sogar genaue Zeit- und Ortsangaben des voraussichtlichen nächsten Vollzugs der Untreue nennen kann, gestaltet es sich als nicht sonderlich anspruchsvoll, die angeforderten Beweisfotos in den Kasten zu bekommen. Als Cynthia bei der Übergabe anbietet, die Restsumme des vereinbarten Honorars in Naturalien zu zahlen, gerät Pereira ins Schwitzen, lehnt aber anstandsgemäß ab. Doch als der observierte Gatte plötzlich ermordet aufgefunden wird, ruft das Inspektor Mendoza (Paul Muller, „Eugenie de Sade“) auf den Plan, der sich an Pereiras Fersen heftet. Der Privatschnüffler beteuert seine Unschuld und versucht, diese zu beweisen, doch entpuppt sich Cynthia als nicht diejenige, die sie vorgab zu sein: Die wahre Witwe des Toten ist Olga Ramos (Monica Swinn, „Entfesselte Begierde“). Pereira ist auf eine Femme fatale hereingefallen und hat sich ungewollt in ein abgekartetes Spiel um Mord und Erpressung verstrickt…
„Du schaffst es, dass ein Holzpferd einen Ständer kriegt!“
Der in Honduras Südfrankreich gedrehte, aber in Puerto Rico spielende Film verbindet sein schwüles, lustschwangeres, sonniges Ambiente mehr schlecht als recht mit der kühlen, düsteren Noir-Ästhetik bzw. vielmehr der Parodie derselben. So bekleidet Franco höchstpersönlich nicht nur die männliche Hauptrolle, sondern fungiert auch als homodiegetischer Erzähler aus dem Off, während er sich mit gleich drei ebenso ruchlosen wie anrüchigen Frauenzimmer herumplagen muss: Zu Cynthia und Olga gesellt sich mit Lola (Martine Stedil, „Frauengefängnis 3“) eine weitere freizügige, lesbische Lustgespielin. Dessen exzentrischem, exhibitionistischem Trio widmet sich der Film hauptsächlich, die Krimihandlung wird zur Nebensache. So räkelt sich Cynthia nackt auf einem Fell und singt, führt in einem (für Füllszenen etwas sehr lange herhalten müssenden) Nachtclub eine Nackttanzgesangsnummer auf (die natürlich in voller Länge gezeigt wird) und gibt sich heißen, ausgedehnten Lesbenszenen mit Lola hin. Vor allem aber ist ihre Vagina begehrtes Objekt des Kamerazooms, der die zeitgemäß stark behaarte Spalte immer und immer wieder in den voyeuristischen Fokus rückt.
Insbesondere Cynthia setzt also ihre erotische Ausstrahlung und ihre Sexualität ein, um ihre Ziele zu erreichen, womit sie dem von Franco tapsig gemimten doof-naiven, unbeholfenen Detektiv immer wieder die Schamesröte ins Gesicht treibt. Letztlich laufen diese Maßnahmen auf einen Dreier hinaus, für den Franco sich erst gar nicht seiner Kleidung entledigt und die zu allem Überfluss albern kommentiert wird. Erotik stellt sich dabei ergo nicht ein, generell ist’s damit allem Nudismus zum Trotz nicht sonderlich weit her – zu plump sind die Nackt- und Sexszenen gestaltet. Recht explizit ist indes eine Lesbenszene ausgefallen, womit die Grenze zur Pornografie gestreift wird. Letztlich haben die Damen durchaus ihre Momente, in denen sie mit ihren „Waffen“ überzeugen, Stil und Ästhetik des Films torpedieren diese jedoch immer wieder – sei es durch doofe Dialoge, sei es durch das vorherrschende Humorverständnis auf unterem Blödelniveau. Dessen Opfer wird auch Eric Falk („Mad Foxes – Feuer auf Räder“), der einmal mehr seinen Pimmel vor die Kamera halten darf. Seine alberne Verführungsszene wurde ebenso mit einem zumindest partiell durchaus hörenswerten Jazz-Soundtrack unterlegt wie der Rest des Films, der wirkt, als habe er dem Voyeure-treffen-auf-Exhibitionistinnen-Drehteam mehr Spaß bereitet als dem Publikum, der aber immerhin sowohl mit seiner offenherzig von Franco höchstselbst geführten Spannerkamera irgendwie beeindruckt als auch einmal mehr den Eindruck erweckt, die Darstellerinnen dieser Filme in den ‘70ern und ‘80ern hätten über mehr Ausstrahlung und Esprit verfügt als ihre späteren Kolleginnen.
Ein sexuell aufgeladener, leider weit unter seinen erotischen Möglichkeiten zurückbleibender, harmloser Spaß um starke Frauen, die (noch) nicht in Gefängnissen vegetieren, sondern die triebhaft verführbare Männerwelt um Geld, Verstand und Leben bringen.
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Krabat
„Jedem von uns schlägt einmal die Stunde.“
Ottfried Preußlers auf einer sorbischen Sage basierendes, populäres und mit Preisen dekoriertes Jugendbuch „Krabat“ wurde im Jahre 1978 in tschechoslowakisch-deutscher Koproduktion vom Tschechoslowaken Karel Zeman in Form eines Animationsfilms erstverfilmt.
„Die Liebe ist stärker als alle Zauberer!“
Irgendwann zu einer längst vergangenen Zeit streift der junge Vagabund Krabat durch die Lausitz und lernt zwei andere Jungen sowie einen Raben kennen, der ihn zu einer geheimnisumwitterten Mühle geleitet. Der alte Mühlmeister stellt Krabat als Lehrling ein und arbeitet fortan mit zehn weiteren Jugendlichen zusammen. Doch der Meister ist nicht nur Müller, sondern auch ein dämonischer Zauberer, der mit harter Hand über seine Arbeiter herrscht. Seine Schüler weiht er in die Zauberkünste ein, jedoch aus egoistischen Motiven – und wer sich als zu schwach erweist oder sich gegen ihn wendet, ist des Todes…
Krabat führt als homodiegetischer Erzähler aus dem Off durch die dialogarme Handlung, die in Form eines Zeichen-/Scherenschnitttrick-Märchens angelegt wurde. Durch den Verzicht auf einen allwissenden Erzähler ist man näher an der Hauptfigur, die sich bewusst ruckhaft animiert durch ein eckiges und kantiges, relativ abstraktes Ambiente bewegt. Für Elemente wie Feuer und Wasser oder auch Qualm wurde jedoch auf Realaufnahmen zurückgegriffen, die in die Tricktechnik integriert wurden. Dieser Stil wirkt aus heutiger Perspektive etwas fremd und erweist sich als etwas gewöhnungsbedürftig, entfaltet durch seine Reduktion aber schnell einen ganz eigenen Charme.
Der Mühlmeister sieht wahrlich furchteinflößend aus, in seinem Umfeld sind Tote zu beklagen, Gebeine und Blut gehören wie selbstverständlich zur Ausstattung des Retro-Industrial-Gothic-Märchens mit seiner unheilvollen, düsteren Atmosphäre und der unheimlichen musikalischen Untermalung. Für ein allzu junges Publikum ist „Krabat“ daher auch in dieser Verfilmung sicherlich nichts, wenngleich die Sage – passend zum visuellen Stil – unter Zeman stark vereinfacht wurde und die Figuren recht oberflächlich bleiben. Um eine Charakterstudie handelt es sich bei dieser Verfilmung also keinesfalls, dafür aber um eine dramaturgisch prima, wenn auch erwachsene Zuschauer(innen) nicht allzu fordernd umgesetzte Allegorie sowohl auf Macht und ihren Missbrauch als auch auf die hoffnungsspendende Kraft der Liebe gegenüber Destruktivität, Abhängigkeiten und Uniformität.
Diese Inhalte machen Preußlers Werk ebenso zeitlos wie dieses wunderbar unprätentiöse Resultat der fruchtbaren, den eisernen Vorhang überwindenden Zusammenarbeit zwischen dem (bundes-)deutschen Fernsehen und kreativen Studios des damaligen Ostblocks. Tipp: Im Winter schön ins Bett kuscheln und bei einer Tasse heißen Kakaos „Krabat“ gucken – oder lesen…
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Polizeiruf 110: Söhne Rostocks
„Zeigen Sie mir jemand, der in seinem Geschäft erfolgreich ist. Die Chance, dass er oder sie so denkt wie Michael, liegt bei 90 Prozent. Risiko ist da so notwendig wie Selbstzweck. Am Ende ist Geld besser als Sex!“
Der 21. Fall des Rostocker Ermittlungsduos Alexander König (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ist zugleich der bereits sechste „Polizeiruf 110“ des Regisseurs Christian von Castelberg, der ein Drehbuch Markus Buschs verfilmte. Gedreht im Frühjahr 2019, erfolgte die Erstausstrahlung erst am 19.01.2020.
„Da ist irgendwas ziemlich schiefgelaufen…“
Bukow wird zu einem angeblichen Einbruch in die Villa des überaus erfolgreichen Rostocker Zeitarbeit-Unternehmers Michael Norden (Tilman Strauss, „Wir waren Könige“) gerufen. Vor Ort scheint es sich um falschen Alarm zu handeln, doch plötzlich taumelt ein blutüberströmter Mann (Patrick Eble) in Bukows Arme und verstirbt auf ihm liegend. Norden nutzt die Situation, um schnell das Weite zu suchen. Bukow & Co. stehen vor einem Puzzle: Wer ist der Tote, wer sein Mörder, was ist das Motiv und wo zur Hölle steckt Norden? Das Puzzle erweist sich als Scherbenhaufen des Lebens des Jungkapitalisten, der sich bei Termingeschäften verzockt hat und von seiner Vergangenheit als Drogenwrack im Subprekariat eingeholt zu werden droht…
Der konsequent düster, trist und problembeladen inszenierte und erzählte Rostock noir zwingt die Polizei zum Abklappern Nordens Bekanntenkreises, woraus sich nach und nach ein Porträt seines Charakters und seines Wirkens ergibt. Die Identität des Toten stellt sich als Nordens Jugendfreund Frank Fischer heraus. Dann sind da noch Nordens ehemaliger Mentor, der Immobilienhai Stefan Larges (Germain Wagner, „Mädchen Mädchen!“), seine Jugendliebe Beate Hövermann (Katharina Behrens, „Die Hände meiner Mutter“) und ihr siebzehnjähriger Sohn Jon (Oskar Belton, „Wendezeit“) sowie Nordens prollige Freundin (Romina Küper, „Jonathan“) und die engsten Mitarbeiter(innen) seines Unternehmens, die jedoch allesamt zunächst auch nichts über dessen Verbleib wissen. Parallel werden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen der Flucht und des Untertauchens Nordens, der nun seinerseits unterschiedliche Stationen seiner Vergangenheit abklappert und sich letztlich immer weiter in der sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale verfängt.
Nordens Niedergang wird nicht nur durch seine unkontrolliert und verzweifelt wirkenden Wut- und Gewaltausbrüche dokumentiert, sondern auch durch seinen optischen Verfall. Dabei geht es weniger um seinen Körper, wenngleich ihm sein selbstgefälliges Siegeslächeln nachhaltig aus der Visage weicht, sondern vielmehr um die am Körper getragenen Luxusgüter und Statussymbole, die er nach und nach abzulegen gezwungen ist.
Die Vielzahl der eingeführten Figuren bei gleichzeitiger Frage nicht nur nach dem Mörder, sondern auch nach dem Motiv lässt „Söhne Rostocks“ über weite Strecken komplexer erscheinen, als er eigentlich ist, sodass er leider recht verworren wirkt. Die finale Auflösung entschädigt dafür leider nicht, wenngleich alle Figuren tapfer gegen das schwächelnde Drehbuch anspielen und es der Regie gelingt, eine derart lebensfeindliche, unwohlige Atmosphäre und Grundstimmung zu kreieren, dass es einen fröstelt und herunterzieht. Da ist es schade, dass einem sowohl Norden als auch das Mordopfer so gleichgültig bleiben.
Auf der horizontalen Erzählebene wird dieser „Hochmut kommt vor dem Fall“-Fall diesmal nicht mit Beziehungsanbahnungen zwischen Bukow und König angereichert. Stattdessen wird die Episode „Für Janina“ und damit die Beweisfälschung durch König wiederaufgegriffen, denn Guido Wachs (Peter Trabner) hat Kontakt zu König aufgenommen. Dies zerrt an ihren Nerven, weshalb sie arg aufgekratzt und ängstlich den Fall Norden durchstehen muss und mit ihren Gedanken häufig ganz woanders ist. Ähnlich wie Norden scheinen auch sie die Geister der Vergangenheit einzuholen. Diese Geschichte mutet spannender an als der dramaturgisch schwerfällige, eigentliche Fokus dieser Episode und mündet in einem etwas sehr abrupten Cliffhanger.
„Zeigen Sie mir jemand, der in seinem Geschäft erfolgreich ist. Die Chance, dass er oder sie so denkt wie Michael, liegt bei 90 Prozent. Risiko ist da so notwendig wie Selbstzweck. Am Ende ist Geld besser als Sex!“
Der 21. Fall des Rostocker Ermittlungsduos Alexander König (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ist zugleich der bereits sechste „Polizeiruf 110“ des Regisseurs Christian von Castelberg, der ein Drehbuch Markus Buschs verfilmte. Gedreht im Frühjahr 2019, erfolgte die Erstausstrahlung erst am 19.01.2020.
„Da ist irgendwas ziemlich schiefgelaufen…“
Bukow wird zu einem angeblichen Einbruch in die Villa des überaus erfolgreichen Rostocker Zeitarbeit-Unternehmers Michael Norden (Tilman Strauss, „Wir waren Könige“) gerufen. Vor Ort scheint es sich um falschen Alarm zu handeln, doch plötzlich taumelt ein blutüberströmter Mann (Patrick Eble) in Bukows Arme und verstirbt auf ihm liegend. Norden nutzt die Situation, um schnell das Weite zu suchen. Bukow & Co. stehen vor einem Puzzle: Wer ist der Tote, wer sein Mörder, was ist das Motiv und wo zur Hölle steckt Norden? Das Puzzle erweist sich als Scherbenhaufen des Lebens des Jungkapitalisten, der sich bei Termingeschäften verzockt hat und von seiner Vergangenheit als Drogenwrack im Subprekariat eingeholt zu werden droht…
Der konsequent düster, trist und problembeladen inszenierte und erzählte Rostock noir zwingt die Polizei zum Abklappern Nordens Bekanntenkreises, woraus sich nach und nach ein Porträt seines Charakters und seines Wirkens ergibt. Die Identität des Toten stellt sich als Nordens Jugendfreund Frank Fischer heraus. Dann sind da noch Nordens ehemaliger Mentor, der Immobilienhai Stefan Larges (Germain Wagner, „Mädchen Mädchen!“), seine Jugendliebe Beate Hövermann (Katharina Behrens, „Die Hände meiner Mutter“) und ihr siebzehnjähriger Sohn Jon (Oskar Belton, „Wendezeit“) sowie Nordens prollige Freundin (Romina Küper, „Jonathan“) und die engsten Mitarbeiter(innen) seines Unternehmens, die jedoch allesamt zunächst auch nichts über dessen Verbleib wissen. Parallel werden die Zuschauerinnen und Zuschauer Zeugen der Flucht und des Untertauchens Nordens, der nun seinerseits unterschiedliche Stationen seiner Vergangenheit abklappert und sich letztlich immer weiter in der sozialen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale verfängt.
Nordens Niedergang wird nicht nur durch seine unkontrolliert und verzweifelt wirkenden Wut- und Gewaltausbrüche dokumentiert, sondern auch durch seinen optischen Verfall. Dabei geht es weniger um seinen Körper, wenngleich ihm sein selbstgefälliges Siegeslächeln nachhaltig aus der Visage weicht, sondern vielmehr um die am Körper getragenen Luxusgüter und Statussymbole, die er nach und nach abzulegen gezwungen ist.
Die Vielzahl der eingeführten Figuren bei gleichzeitiger Frage nicht nur nach dem Mörder, sondern auch nach dem Motiv lässt „Söhne Rostocks“ über weite Strecken komplexer erscheinen, als er eigentlich ist, sodass er leider recht verworren wirkt. Die finale Auflösung entschädigt dafür leider nicht, wenngleich alle Figuren tapfer gegen das schwächelnde Drehbuch anspielen und es der Regie gelingt, eine derart lebensfeindliche, unwohlige Atmosphäre und Grundstimmung zu kreieren, dass es einen fröstelt und herunterzieht. Da ist es schade, dass einem sowohl Norden als auch das Mordopfer so gleichgültig bleiben.
Auf der horizontalen Erzählebene wird dieser „Hochmut kommt vor dem Fall“-Fall diesmal nicht mit Beziehungsanbahnungen zwischen Bukow und König angereichert. Stattdessen wird die Episode „Für Janina“ und damit die Beweisfälschung durch König wiederaufgegriffen, denn Guido Wachs (Peter Trabner) hat Kontakt zu König aufgenommen. Dies zerrt an ihren Nerven, weshalb sie arg aufgekratzt und ängstlich den Fall Norden durchstehen muss und mit ihren Gedanken häufig ganz woanders ist. Ähnlich wie Norden scheinen auch sie die Geister der Vergangenheit einzuholen. Diese Geschichte mutet spannender an als der dramaturgisch schwerfällige, eigentliche Fokus dieser Episode und mündet in einem etwas sehr abrupten Cliffhanger.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!